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Ein völlig unglaublicher Fund

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Ein völlig unglaublicher Fund

Prof. Dr. Ingo Quantenstein sah entnervt auf die lange Autoschlange vor sich. Das Licht der untergehenden Sonne spiegelte sich auf blank geputzten Chromteilen. Die lange Wagenreihe erinnerte an eine silbern schimmernde Riesenschlange.

Wieso fuhren die Leute nicht wie üblich auf der Autobahn, sondern auf dieser sonst eigentlich wenig befahrenen Landstraße? Hätte der Professor das Radio eingeschaltet, wüsste er es. Denn die Leute vom Regionalradio berichteten schon seit über einer Stunde von rätselhaften Lichtblitzen, von einem unbekannten Flugobjekt oder einem abgespalteten Meteoritenteilchen, das – glücklicherweise auf einem freien Feld - bei Nürnberg eingeschlagen wäre. Aber so hatte er keine Ahnung. Als die Autos endgültig stoppten, stiegen einige Autofahrer aus und begannen miteinander zu diskutieren. Prof. Dr. Ingo Quantenstein überlegte, ob er auch aussteigen sollte. Sicherlich wäre das kein Fehler, überlegte er, schnallte sich ab und kletterte aus dem Auto. Er schloss die Tür und sah sich nach den anderen Autofahrern um. „Wissen Sie, wie lange der Stau ist?“, fragte er den Nächstbesten. „Noch ungefähr zwei Kilometer.“, antwortete der Leidensgenosse. Er sah ganz sympathisch aus und eigentlich gar nicht leidend, eher so, als ob er den Stau als willkommene Abwechslung in seinem Leben empfinden würde. „Wir haben ja noch Glück, hinter uns ist der Stau noch 80 Kilometer.“, erklärte er gut gelaunt.

„Wie bitte?“ Der Professor schaute sein Gegenüber völlig fassungslos an. Er schwitzte in seinem langärmeligen Hemd. Nervös fummelte er jetzt an seiner Krawatte und lockerte mit schweißigen Fingern den Knoten.

„Ja klar, alle wollen unbedingt hin.“

„Wo hin?“, Quantenstein nahm seine Brille ab und putzte sie umständlich.

Der auskunftsbereite Autofahrer schaute ihn ungläubig an.

„Ja wissen Sie es nicht? Wir fahren doch alle dorthin, wo dieses unbekannte Flugobjekt abgestürzt ist.“

„Ufos?“ Der Professor glaubte seinen Ohren nicht zu trauen.

Der andere zuckte die Achseln. „Was Genaues weiß man nicht. Aber es ist irgendetwas auf die Erde gefallen und jetzt wollen natürlich alle dabei sein, wenn man dieses „irgendetwas“ birgt.“

Quantenstein schwitzte immer mehr. Was für ein Unsinn! Nur, weil einige Unbelehrbare an Ufos und dergleichen Unsinn glaubten, stand er jetzt im Stau! Er selbst war Rationalist und glaubte nur an das was man sehen und beweisen konnte. Nicht umsonst war er Leiter eines Forschungsteams.

Der Professor war ein Mann in mittleren Jahren. Noch immer sah er sehr gut aus, hatte ein gut geschnittenes, männliches Gesicht, eine gerade Nase und braune Augen. Durch das dunkle Haar zogen sich schon ein paar Silberfäden. Er wirkte ein wenig streng, aber nicht unsympathisch.

Er sah ein, dass er keine andere Wahl hatte, als das Stauende abzuwarten.

Als die Autos plötzlich wieder weiterfuhren, stieg er schnell ein und startete den Motor. Die Autoschlange bewegte sich Meter um Meter mit der Geschwindigkeit einer Schnecke. Zu Fuß wäre er nicht langsamer vorwärts gekommen. Nach zwei Kilometern und einer sehr langen Stunde, kam er dann dorthin, wo sie alle hinwollten.

Es handelte sich um einen Riesenkrater, der ihm und allen anderen Autofahrern den Weg versperrte. Deshalb beschloss er auszusteigen und nachzuschauen, was ihm den Feierabend vermieste. Außerdem war jetzt auch er ein wenig neugierig geworden. Ufos interessierten ihn wenig, aber so wie dieser Krater aussah konnte es sich durchaus um den Bruchteil eines Meteoriten handeln.

Als erstes stellte er fest, dass das Fernsehen bereits vor Ort war. Überall wimmelte es vor Kamerateams. Da hörte er eine Sirene. Die Feuerwehr bahnte sich einen Weg durch das Autoknäuel und näherte sich dem Krater. Die Feuerwehrleute sprangen vom Einsatzwagen und versuchten das „irgendetwas“ zu bergen, während die Polizei die Menschenmenge vom Einschlagloch zurückdrängte. Ungezählte Schaulustige brannten darauf, einen Blick auf das Ufo, oder was auch immer zu werfen.

Quantenstein hatte keine Chance, näher an den Krater heranzukommen. Eingekeilt zwischen schubsenden und schiebenden Menschen bekam er plötzlich Platzangst. Die Luft zum Atmen wurde ihm knapp und er hustete und räusperte sich nervös. Gereizt versuchte er sich wieder aus der Menge herauszuwühlen. Wahrscheinlich war es besser, sich im Fernsehen über das zu informieren, was da genau eingeschlagen war, gemütlich auf dem Sofa zu Hause. Jetzt war er einfach müde. Er hatte einen langen, arbeitsreichen Tag hinter sich und sehnte sich nach einem heißen Bad.

Quantenstein hoffte, die Polizei würde endlich den Verkehr um den Krater herum umleiten. Im Augenblick gab es noch kein Durchkommen.

Da wurde unter dem Applaus der Menge etwas aus dem Krater gezogen, das einem Autositz ähnelte, aber aus einem völlig unbekannten Material war. Aus der Ferne sah Quantenstein nur, dass es glitzerte. Gerne hätte er gewusst, was das wohl war, aber er erkannte, dass er auf keinen Fall nahe genug herankommen könnte, um dieses „Ding“ richtig einordnen zu können. Deshalb wollte er schnellstens nach Hause und sich die Nachrichten im Fernsehen anschauen. Kein Zweifel, die Bergung des Teils war wichtig genug, um in den Abendnachrichten gesendet zu werden.

Endlich hatte die Polizei dafür gesorgt, dass die Autos den Krater weiträumig umfahren konnten. Quantenstein hatte sich mühsam einen Weg durch die Menge zu seinem Auto gebahnt und fuhr so schnell er konnte nach Hause.

Dort stellte er den Wagen in der Garage ab, kletterte hinaus, öffnete die hintere Tür, um wie jeden Abend seinen Aktenkoffer herauszuholen und erstarrte mitten in der Bewegung. Was,….was war das?! Prof. Dr. Ingo Quantenstein schaute wie hypnotisiert auf ein kleines, sich leicht hin und herbewegendes Etwas.

Vorsichtig berührte er es und zuckte elektrisiert zurück. Es war tatsächlich ein lebendiges Wesen, genauer gesagt, es sah aus, wie ein Kind. Doch wie um alles in der Welt sollte ein Kind in seinen Wagen gekommen sein?

Das Kind schlief. Es streckte sich im Schlaf und murmelte etwas vor sich hin. Ratlos betrachtete der Professor dieses Kind. Die Haut schimmerte blau und der Professor tippte sofort auf Unterkühlung. Quantenstein war kein Unmensch. Behutsam hob er das Kleine aus dem Auto und trug es vorsichtig in seine Wohnung.

Dort legte er es auf das Sofa, deckte es gut zu und kochte inzwischen einen heißen Tee. Bestimmt braucht es etwas Warmes, wenn es aufwacht, dachte er mitleidig. Der Tee verbreitete einen Hauch von Zimt und Weihnachten. Da wurde das Kleine unruhig. Es gähnte und streckte sich und schlug die Augen auf. Ein solches Blau habe ich ja noch nie gesehen, durchfuhr es den Professor. Ein Blau, wie der tiefe, geheimnisvolle Grund eines klaren Bergsees und grüngesprenkelt, wie kleine Algengewächse.

Verwundert schaute es sich um. Es gab ein paar unverständliche Laute von sich und der Professor überlegte, ob es sich um ein ausländisches Kind handelte.

Vorsichtig fragte er:

„Kannst du mich verstehen?“

Fragend schaute ihn das Kind an. Es hatte halblanges, sehr helles fast durchscheinendes Haar, Sommersprossen und einen kleinen süßen Mund. Auf sehr eigenartige Weise war es hübsch, wenn auch nicht im herkömmlichen Sinne. Sie war im Gegenteil eher überirdisch schön. So eine aufregende, wunderschöne Erscheinung hatte der Professor noch nie gesehen. Nun ja, Quantenstein befasste sich mit Formeln, mit Mathematik, mit Zahlen, Kinder gehörten nicht gerade zu seinem täglichen Umgang. Trotzdem glaubte er, noch nie ein Kind gesehen zu haben, das so aussah. Auch seine eigenen Kinder sahen irgendwie anders aus. Auch wenn er das nicht so genau wusste, er hatte sie nämlich schon eine Zeitlang nicht mehr gesehen. Seit seine Frau sich von ihm getrennt hatte, sah er die Kinder nur sehr selten.

Das Kleine antwortete nicht. Es kauerte sich stattdessen zusammen wie ein kleiner Igel und zitterte am ganzen Körper.

Mitleidig betrachtete Quantenstein das kleine Ding. Bestimmt war ihm kalt. „Hier trink schon.“ Er hielt ihm die Tasse hin. Noch immer gab das Kleine keinen Laut von sich und machte auch keine Anstalten den Tee zu trinken.

„Wer bist du?“ der Professor war sich jetzt ziemlich sicher. Das Kind konnte ihn nicht verstehen, es musste aus dem Ausland sein.

Trotzdem versuchte er es noch einmal.

„Wie heißt du?“

Ganz langsam, jeden Buchstaben betonend setzte er hinzu: „W i e i s t

d e i n N a m e?“

Da setzte das Kind zu einer Antwort an, genauso langsam wie der Professor sagte es: „M e i n N a m e i s t A s t r o n i a.“

Quantenstein seufzte erleichtert auf. Das war ja wenigstens etwas. Anscheinend verstand ihn das Kind ja doch.

Immer noch sehr langsam formulierte er:

„ W o w o h n s t d u?“

Wie elektrisiert zuckte die Kleine zusammen. Gehörte dieser Mann auch zu den Menschen mit den Fotoapparaten, die sie verfolgt hatten?

„I c h b i n n i c h t v o n h i e r.“ Astronia zuckte die Schultern und beobachtete den Professor misstrauisch.

“Nicht von hier?”, da vergaß der Professor langsam zu reden.

Doch Astronia schien ihn trotzdem zu verstehen.

„Nein.“

„Wie heißt du mit Nachnamen?“, wollte Quantenstein von ihr wissen.

„Weiß nicht.“, war die kurze Antwort.

Immerhin, das Kind sprach akzentfreies Deutsch. Das war ja schon mal was. Er konnte sich zumindest mit ihm verständigen.

„Wie bist du in mein Auto gekommen?“ Der Professor sah die Kleine so streng an, wie er nur konnte. „Es gehört sich nicht in fremde Autos zu steigen.“

„Oh“, entfuhr es Astronia verdutzt, „das wusste ich nicht.“

„Das wusstest du nicht?“ So eine dumme Ausrede hatte Quantenstein nicht erwartet.

„Gehört denn nicht alles allen?“, fragte das Mädchen.

Der Professor lachte trocken.

„Nein!“, antwortete er barsch. „Auch wenn du es vielleicht nicht glaubst, aber jeder hat das Recht, etwas nur für sich allein zu besitzen. Wo kämen wir denn sonst hin. Da würde es ja mit unserer Wirtschaft völlig den Bach runter gehen!“ Er hatte sich richtig in Rage geredet.

Astronia schaute ihn verständnislos an.

„Für sich allein? Du meinst, das Auto gehört nur dir?“

Der Professor runzelte die Stirn. Dass Astronia ihn so ohne weiteres duzte, gefiel ihm auch nicht.

„Ich habe den Eindruck, deine Erziehung lässt noch einiges zu wünschen übrig. Natürlich gehört das Auto nur mir. Außerdem verbitte ich mir, dass du mich duzt.“

„Was verbittest du dir?“ Astronia setzte sich jetzt ganz auf und schaute den Professor mit ihren unergründlichen Augen an. Sie hatte inzwischen zu zittern aufgehört und nippte vorsichtig an dem Tee.

Der Blick verwirrte den Professor und er stotterte herum:

„Na ja, du sollst Sie zu mir sagen!“

„Wann?“

Quantenstein fühlte sich zum Narren gehalten. Wusste denn nicht jedes Kindergartenkind, dass man einen fremden Erwachsenen mit „Sie“ ansprechen sollte? Offensichtlich nicht, gab er sich selbst die Antwort.

„Immer wenn du mich ansprichst.“

„Gut.“, Astronia nickte ernsthaft. Dann meinte sie: „Hol Sie mir bitte was zu essen.“

„Das heißt: Holen Sie mir“, verbesserte sie der Professor.

„Holen Sie mir bitte was zu essen, “ wiederholte Astronia gelehrig.

Der Professor erhob sich, um in der Küche zu verschwinden.

„Wohin gehst Sie jetzt?“, rief ihm Astronia hinterher.

„Wohin gehen Sie jetzt?“, verbesserte der Professor ärgerlich. Machte sie das absichtlich?

„Das war keine Antwort“, stellte Astronia fest.

Doch der Professor war schon in der Küche. Kurz darauf kam er mit ein paar Schnittchen zurück.

„Was ist das?“, Astronia beäugte die Brote kritisch.

„Da ist Käse und Schinken drauf.“

„Käse, Schinken?“ wiederholte das Mädchen fragend.

Quantenstein nickte kauend. Er hatte sich schon ein Brot in den Mund geschoben. Jetzt merkte er erst wie hungrig er war. Durch die Aufregung mit Astronia hatte er ganz vergessen, dass er bisher weder gebadet, noch gegessen hatte.

Astronia kostete einen kleinen Bissen und meinte dann:

„Ich glaube, ich vertrage das nicht. Hast du keine Apfelbeeren, oder Sternenkrautfasermilch zu Hause?“

„Was soll ich haben?“ Dem Professor rutschte vor Überraschung die Brille von der Nase. Im letzten Augenblick konnte er sie gerade noch auffangen. Dabei merkte er gar nicht, dass das Kind ihn wieder geduzt hatte.

„Apfelbeeren, oder Sternenkrautfasermilch“, wiederholte Astronia unschuldig. Erst jetzt wurde dem Professor bewusst, was Astronia da eigentlich anhatte. Es sah aus wie eine Art Raumanzug. Im ersten Moment hatte er es für einen Trainingsanzug gehalten. Aber jetzt merkte er, dass dieser Anzug nur sehr entfernt an einen Trainingsanzug erinnerte, sondern wie ein Raumanzug wirkte. Auch wenn er ganz anders geschnitten war, und die Hosen eher wie Pluderhosen aussahen.

Das Äußere, der Fundort, der eigenartige Name! Wer um alles in der Welt hieß denn schon Astronia, sogar seine eigenen Kinder hatten deutsche, gebräuchliche Namen wie Sven und Steve. Das alles wies darauf hin.....es wies darauf hin.....ja, auf was wies es eigentlich hin?

Quantenstein fiel ein, dass er dringend die Abendnachrichten im Fernsehen anschauen musste.

„Tut mir Leid!“, antwortete er. „Aber das ist leider ausgegangen. Wenn dir der Belag nicht schmeckt, musst du die Brote ohne essen. Was anderes habe ich nicht.“

Astronia zupfte den Belag von den Broten und aß sie so. Sie biss hinein und machte dabei ein Gesicht, als habe sie in eine saure Zitrone gebissen, aber sie aß die Brote auf.

Der Professor schaltete in der Zwischenzeit den Fernseher an, gerade rechtzeitig zu den Hauptnachrichten.

Als erste Meldung wurde bereits der Einschlag eines unbekannten Objektes in der Nähe von Nürnberg gesendet. Inzwischen hatte man die verschiedenen Teile geborgen. Es handelte sich um Wrackteile eines unbekannten Flugobjektes. Wie so oft waren sich die Experten völlig uneins darüber, was sie da eigentlich gefunden hatten. Ein Flugzeug war es jedoch nicht, soviel stand fest. Manche ergingen sich darüber in Spekulationen, es könnte sich vielleicht um das Raumschiff von Außerirdischen handeln. Aber das waren schon sehr gewagte Aussagen. Nach den Hauptnachrichten brachte die Redaktion eine zwanzigminütige Sondersendung, bei der aber auch nichts anderes gesagt wurde.

Astronia saß die ganze Zeit still auf dem Sofa und schaute fasziniert auf das Fernsehen.

Doch Quantenstein kombinierte. Wenn da draußen ein Raumschiff abgestürzt war, er genau zu dieser Zeit ein wundersames Wesen gefunden hatte und dieses Mädchen auch noch Sternenkrautfasermilch von ihm verlangte, dann könnte es sich doch um ein Raumschiff von einem anderen Planeten gehandelt haben und das Kind könnte eine Außerirdische sein.

„Astronia“, wandte sich der Professor an das Mädchen. „wie bist du in mein Auto gekommen, erinnerst du dich noch?“

„Da waren Lichtblitze, dann ein Riesenkrach und danach weiß ich nichts mehr. Als ich dann irgendwann wieder aufgewacht bin, waren da viele, viele Menschen. Alle schauten in das tiefe Loch, das unser Raumschiff gerissen hatte und ich war auf einmal ganz allein. Dabei sollte das eine Superlandung werden. Aber irgendwie gab’s ein Problem beim Eintritt in die Erdatmosphäre. Wir hatten viel zu viel Geschwindigkeit drauf und dann ging alles ganz schnell. Keine Ahnung“, sie zuckte mit den Schultern. „Bumms, krach, das war’s!“

„Ich muss wohl in Ohnmacht gefallen sein. Als ich dann wieder wach wurde, waren da plötzlich diese Leute. Sie zeigten auf mich, riefen sich gegenseitig irgendetwas zu und verfolgten mit. Wie verrückt rannte ich weg und suchte nach einem Versteck. Als ich die vielen Blechkisten sah, dachte ich, wenn ich mich dort verstecke, findet mich niemand. Ich wusste ja nicht, dass ihr mit diesen Kisten herumfahrt. Sonst hätte ich mir ein anderes Versteck ausgesucht.“ Sie schaute ganz schuldbewusst.

Also doch. Dieses Kind war eine Außerirdische. Prof. Dr. Ingo Quantenstein starrte das Kind an, wie eine Erscheinung – und das war es gewissermaßen ja auch. Niemals hätte er die Existenz von Außerirdischen für möglich gehalten. Niemals! Und jetzt stand eine leibhaftige Außerirdische vor ihm!

„Wer ist wir? Zu wievielt wart ihr an Bord?“

„Oh, nur wir zwei!“

„Wer um alles in der Welt sind wir zwei?“

„Na, meine Freundin und ich. Wir sollten für das Fach Planetenkunde die Lebensgewohnheiten der Erdbewohner feststellen, erzählte Astronia.

„Wo ist deine Freundin jetzt?“, fragte der Professor.

„Ich“, stotterte Astronia, „ich weiß es nicht.“

„Sie wird herausgeschleudert worden sein, wie ich.“ Quantenstein überlegte. „Das heißt sie irrt irgendwo herum, nur wo?“

„Ja, sie wird mich suchen. Hoffentlich haben diese Menschen sie nicht entdeckt. Es darf niemand wissen, dass wir hier sind. Niemand, hörst du? Du darfst es auch niemandem erzählen. Versprichst du mir das?“, flehte sie eindringlich.

„Na mal schön langsam.“, lachte der Professor. „Warum darf das denn keiner wissen?“

„Niemand soll etwas über unseren Planeten erfahren. Wenn die Menschen von unserer Existenz wissen, werden sie unbedingt unseren Planeten erforschen wollen – aber das darf niemals geschehen. Weißt du. Niemals.“

„Aber warum denn nicht?“

„Weil, weil... na ja es darf eben nicht sein.“

„Hm“, der Professor kratzte sich am Kopf. Wenn diese Außerirdischen nicht wollten, dass man ihren Planeten erkundete, musste es wohl schwerwiegende Gründe dafür geben.

„Von mir wird niemand etwas erfahren“, versprach er. „Und du suchst erst mal deine Freundin, dann sehen wir weiter.“

Astronia schüttelte den Kopf. „Ich kann sie nicht suchen. Sie hat ein Gerät mit dem sie mich finden kann, aber ich kann sie nicht suchen.“

„Das heißt, du bleibst bei mir?!“ Quantenstein starrte sie entsetzt an. Ihm gefiel dieser Gedanke gar nicht. Kinder machten immer nur Dreck, waren laut, oder verursachten sonstige Unannehmlichkeiten. Und dieses Kind war noch nicht einmal von dieser Welt, kam es ihm erschrocken in den Sinn. Wer weiß, was es alles anstellen würde?

Er seufzte. Da hatte er sich was eingehandelt.

„Du hast doch Platz.“ Astronia schaute sich bewundernd um. Der Professor wohnte in einem sehr großen Haus. Er hatte es allerdings nicht für sich alleine gekauft, sondern für sich und seine Familie. Leider war diese inzwischen ausgezogen.

„Wo sind deine Kinder?“, wollte Astronia wissen.

„Meine Kinder?“, wiederholte Quantenstein irritiert.

„Wieso, hast du keine?“ fragte Astronia.

„Doch, schon, aber sie leben bei ihrer Mutter. Meine Frau hat sich von mir getrennt.“ Quantenstein ärgerte sich über sich selbst. Wieso erzählte er dieser kleinen Göre seine Privatangelegenheiten?

„Schade! Du musst sie sehr vermissen!“, Astronia schaute Quantenstein tröstend an.

„Egal“, Quantenstein stand auf und zeigte Astronia ihr Zimmer. „Schau her, hier kannst du schlafen, solange bis deine Freundin dich gefunden hat.“

Es war ein riesiges Schlafzimmer. Das Zimmer seines ältesten Sohnes. Obwohl der schon ein halbes Jahr nicht mehr hier wohnte, erinnerte alles an ihn. Die elektrische Eisenbahn, der Gameboy, der Fußball in der Ecke, ein Basketballkorb über der Tür und der Bettbezug war sogar mit Fußballmotiven bedruckt.

Astronia, die keine Vergleichsmöglichkeiten hatte, zeigte sich auf jeden Fall beeindruckt.

Noch ehe Quantenstein seiner kleinen Besucherin Gute Nacht wünschte, fiel ihm ein, dass er noch gar nicht wusste, von welchem Planeten sie eigentlich stammte.

„Von Irenia“, verriet Astronia. “Ein sehr kleiner Planet, den die Erdenbewohner bisher in ihrer Forschung übersehen haben. Trotzdem viele Lichtjahre von hier entfernt.“

Verdutzt schaute sie der Professor an. „Viele Lichtjahre – und weshalb bist du dann hier? So alt bist du doch gar nicht.“

Geheimnisvoll antwortete Astronia: „Viele Lichtjahre für euch.“

„Ah so“, nickte der Professor und kratzte sich am Kopf. „Gute Nacht“, wünschte er und ging zurück ins Wohnzimmer.

Professor Dr. Ingo Quantenstein und das Geheimnis des silbernen Mondlichts

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