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Abwrackprämie

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„Hast du das gelesen? Der Staat bietet jetzt 2.500 Euro für den Alten.“ Esra las den Artikel aus der Tageszeitung laut und deutlich vor und sprach ohne Punkt und Komma weiter. „Wenn sich das mit der Prämie rundspricht werden die Leute wie verrückt Neu- oder Jahreswagen kaufen, glaube mir. Die Finanzkrise ist unsere Chance. Wir werden den ollen Kombi abwracken und zusammen mit dem Geld vom Sparbuch können wir uns endlich den mambagrünen Daihatsu leisten. Hoffentlich steht er noch im Autohaus. Ich rufe gleich mal an, damit wir zu den Ersten gehören, die die Abwrackprämie kassieren.“

Hanno fiel das angebissene Brötchen aus der Hand, direkt in die geblümte Kaffeetasse. Die aber war leer und stellte keine Gefahr für ihn dar. Vielmehr ging sie von Esra aus. „Das tust du nicht. Das geht gar nicht! Ich fahr doch nicht mit einem kotzgrünen Wagen durch die Gegend. Außerdem hat er einen viel zu kleinen Kofferraum.“

„Hat er nicht. Die Sitze kann man umklappen. Jedenfalls ist unserer zu groß, zu alt und schluckt zu viel - der Wagen“, fügte sie schnell hinzu.

„Schluss jetzt. Keine Diskussion. Der Neue ist zu teuer, zu lahm, zu hässlich.“ Er angelte in der Tasse herum und aß weiter.

Esra stand auf und musterte Hanno hämisch. „Diesmal bestimme i c h, welchen Wagen wir als nächstes bekommen. Das Geld auf unserem Sparbuch gehört mir und der Kombi auch, schon vergessen?“

„Ich muss weg.“ Hanno sprang auf und verließ die Küche. Eine Weile später hörte sie die Tür zufallen und sah, dass die Reisetasche auf dem Flur fehlte. Sollte er sich im Fitnessstudio ruhig abreagieren, dann regelte sie eben alles alleine. Für sie stand der Entschluss fest.

Nachdem Hanno auch am anderen Morgen nicht nach Hause gekommen war, wurde Esra wütend. Bestimmt lag er betrunken bei einem Freund auf der Couch. Oder womöglich im Bett einer anderen? Im Moment gab es Wichtigeres. Sie hatte für heute einen Termin im Autohaus gemacht. Sie musste sich die Prämie sichern.

Esra nahm die Suche nach dem Sparbuch wieder auf, entdeckte es endlich ganz unten im Ablagekörbchen und stieß einen tiefen Seufzer aus, der zu einem Aufschrei wurde, als sie das Buch aufschlug. Nun wusste sie, warum Hanno etwas gegen ein neues Auto gehabt hatte und warum er so schnell das Weite gesucht hat. Aber, dass er bei Josette und Franz-Anton Unterschlup suchen würde, damit hatte sie absolut nicht gerechnet. Sie stöberte die Anrufliste im Telefon durch. Nach dem dritten Telefonat verließ sie fluchtartig das Haus.

Mit dem Wagen ihrer Mutter war Esra in Kaifenheim von der A 48 abgebogen und versuchte sich an den Weg zu erinnern. In ihrer Wut hatte sie die Karte zu Hause gelassen, ein Navigationsgerät gab es nicht. An der Burg Pyrmont musste sie rechts Richtung Möntenich und dann irgendwie zum Müdenerberg. Genau, Müden. Von Karden nach Müden und zurück, waren sie damals an ihrem Hochzeitstag den Buchsbaumwanderweg entlang spaziert und hatten sich anschließend glücklich erschöpft wieder zum Klickerterhof von Josette und Franz-Anton begeben. Der ahnungslose Franz-Anton hatte ihr am Telefon erzählt, dass es Hanno gut gehe und er gleich morgen früh weiter nach Zürich zu einer Cousine fahren wolle. Dass er zu seiner Ex fahren wollte, hätte sie auch nie gedacht. Esra tat so, als habe Franz-Anton ihr nichts Neues berichtet und kündigte ihren Besuch an, deklarierte ihn schnell noch als Überraschung. Er solle Hanno bitte nichts verraten.

Obwohl Esra wütend war, freute sie sich dennoch die Besitzer des Heuhotels Josette und Franz-Anton gleich wiederzusehen. Am liebsten würde sie mit ihnen gemütlich auf der Terrasse der Grillhütte sitzen und bei einem gepflegten Glas Wein ins Moseltal schauen. Dorthin, wo die Moselbrücke die Eifel mit dem Hunsrück vereinte. Ein traumhaftes Panorama, das einem die Tränen in die Augen trieb.

Der Gedanke an Hanno tat es allerdings auch. Typisch Hanno, einfach abzuhauen und untertauchen zu wollen. Stünde er jetzt vor ihr am Hang, sie würde ihn hinunterstoßen. Eiskalt. Esra war seine Feigheit und die ständigen Lügen so satt, hätte nie gedacht, dass er sie noch einmal bestehlen würde. Sie musste unter allen Umständen zumindest ihren Kombi zurückbekommen und Josette bitten, den Kaa ihrer Mutter bis Übermorgen hier stehen lassen zu können. Mit Hanno war nun endgültig Schluss. Sollte er selbst schauen, wie er nach Hause kam.

Sie fuhr auf den Hof, der um diese kalte Jahreszeit nichts an seiner Schönheit verloren hatte, aber wie ausgestorben wirkte. Josette und Franz-Anton waren wohl noch immer einkaufen, der Grillplatz vereinsamt. Esra sah hinunter ins Moseltal. Der leichte Nebel wirkte fast bedrohlich. Vielleicht war Hanno ja in der Scheune und schlief im Heu seinen Rausch aus. Sie schlich sich heran und sah ihn da liegen, den Dieb, den Feigling und Betrüger. Er sah im Schlaf wie ein betrunkener Unschuldsengel aus. An die Fahne hätte sie nur ein Streichholz halten brauchen und der Heuschober wäre in Flammen aufgegangen. Aber das hatten Josette und Franz-Anton nicht verdient. Esra raffte eine große Menge Heu zusammen ...

Mambagrün ist eine schöne Farbe, fast schöner als Heugrün. Esra kaufte vom restlichen geliehenen Geld bei der Mutter sieben rote Rosen – für jedes Jahr eine - und legte sie auf die Rückbank des Kombis.

„Was’n das?“ fragte, der Schrotthändler. „Das hab ich ja noch nie gesehen. Jetzt kriegen die Karren schon Blumen. Hat er sie sieben Jahre lang nicht im Stich gelassen?“

„Kann man so nicht sagen“, antwortete Esra.

„Ist ja auch egal. Hier ist die Hölle los. Ham Sie alles rausgenommen? Hat der Kollege alles nachgesehen?“

Esra nickte stumm.

„Dann fahren Sie mal ihren Blechgeliebten unter den Greifarm, den Rest machen wir dann schon.“

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