Читать книгу Von Briefmarkenfröschen und Gummibärchenigeln - Irina Kostić - Страница 10

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Fahrrad-Piraten

„Attacke!“, ruft Basti und düst auf seinem blauen Fahrrad an Toni vorbei. An seinem Lenker wedelt eine Fahne. Man kann gut erkennen, dass es sich dabei um eine Piratenfahne handelt. „Ein Pirat erobert die Meere und nichts hält ihn auf!“, ruft er, während er Marie überholt.

„Manchmal hält einen Piraten aber doch was auf!“, wendet Merle ein. „Denk mal, das Segel würde reißen? Oder ihr hättet nicht genug Sauerkraut an Bord?“

„Oder der Pirat ist krank und hat Fieber!“, spekuliert Marie.


Attacke!“, ruft Basti noch einmal. „Ein Pirat kriegt doch kein Fieber! Pah! Und schnell ist ein Pirat!“

„So schnell können wir nicht!“, ruft Marie. „Wegen Pferdchen Hüh! Sonst wird ihm schlecht!“ Ihr rotes Fahrrad mit Stützrädern hat vorne ein kleines Körbchen. Darin liegt ein Apfel. Der ist wichtig, denn Pferdchen Hüh ist heute mit draußen und könnte mal Hunger bekommen. Neben Marie fährt Merle. Sie hat Pferdchen Hüh in einem Korb hinten auf dem Gepäckträger. Der Kopf von Pferdchen Hüh hängt über den Korbrand und auch ein Stück des pinkfarbenen Sattels kann man sehen.

„Fühlst du den Wind, Marie?“, fragt Merle schnaufend. „Der schiebt uns von hinten. Dann werden wir doch ein bisschen schneller.“

„Aber Merle, woher kommt eigentlich der Wind?“, will Marie wissen.

„Na, von den Windmühlen!“, ruft Merle und tritt ordentlich in die Pedale.

Plötzlich kommt ihnen Basti entgegen: „Das sag ich meiner Mama!“, ruft er. „Und die sagt das deiner Mama! Du bist nicht mehr mein Freund! Und ich lade dich auch nicht zu meinem Geburtstag ein!“

Ein Stück weiter sitzt Toni zwischen zwei Fahrrädern auf dem Boden und weint. Merle und Marie steigen von ihren Rädern, um Toni aufzuhelfen.

„Basti wollte mit meinem Fahrrad fahren, weil ich eine Hupe habe und er nicht“, schluchzt Toni. „Aber ich wollte nicht tauschen, weil seine Fahne gar keine Geräusche machen kann.“

„Und jetzt hast du extra meine Fahne kaputt gemacht, damit ich gar nichts Schönes mehr an meinem Fahrrad habe!“, schreit Basti aufgebracht.

Herr Wagner kommt aus seinem Garten. Er hat das Gefühl, dass es gut sein könnte, sich einzumischen. „Hej, hej, hej!“, sagt er und bückt sich ein wenig auf Bastis Höhe.

Toni schluchzt: „Das stimmt ja alles nicht. Ich bin doch nur aus Versehen hingefallen!“

„Ich will das nicht hören!“ Basti ist außer sich. „Tonis Fahrrad ist viel cooler als meins. Und wenn auch noch meine Fahne kaputt ist, ist es ganz Schrott!“

Toni weint wieder los.

Herr Wagner sagt: „Basti, hör mir mal kurz zu. Mir fällt was ein, das in der Bibel steht: Jeder Mensch sei schnell zum Hören bereit – zum Reden und zum Zorn, da lasse er sich Zeit.“

Basti schnieft in seinen Ärmel: „Das ist doch ein Reim! So was steht nicht in der Bibel. Höchstens in einem Freundebuch!“

Toni versucht zu erklären: „Ich bin nicht mit Absicht hingefallen. Das mit der Fahne tut mir leid!“

„Ach, ja?“ Basti regt sich auf. „Mit deinem Fahrrad bist du den ganzen Tag nicht hingefallen! Aber mit meinem! Das war hammer-Absicht! Am besten mache ich dir deine Hupe auch kaputt!“

Herr Wagner hält Basti zurück, als der zu Tonis Fahrrad lostrampeln will. „Jetzt ist es gut, Basti. Zuallererst beruhigst du dich.“ Er reicht ihm ein Taschentuch. Auch Toni bekommt eines. „Ich möchte dir sagen, warum jeder Mensch schnell zum Hören bereit sein soll und sich lieber Zeit lässt für Zorn und Reden.“

Basti schweigt.

„In der Bibel steht: Im Zorn tut keiner, was Gott gefällt. Überleg mal, Basti. Du hast Toni die Freundschaft gekündigt. Du hast ihn beschuldigt, dass er dir extra Schaden zugefügt hat und fast hättest du Toni auch noch seine Hupe kaputt gemacht. Obwohl dein Kollege hier sitzt wie ein Häufchen Elend und einfach nur versucht, mit dir eine Lösung zu finden. Meinst du nicht, dass ihr euch kurz die Zeit nehmen solltet, euch zu beruhigen?“


„Ja“, nutzt Toni die Stille. „Ich wollte dir sagen, dass ich zum Geburtstag zwei Hupen geschenkt bekommen habe. In meinem Zimmer liegt noch eine. Die kannst du haben.“

Basti zieht die Nase hoch. Auch Toni schnieft. Da müssen beide lachen.

„Tschuldigung“, sagt Toni.

„Ja, ja“, stammelt Basti. „Wie heißt noch gleich der Freundebuch-Spruch?“

„Den willst du noch einmal hören?“, freut sich Herr Wagner. „Also gut: , Jeder Mensch sei schnell zum Hören bereit – zum Reden und zum Zorn, da lasse er sich Zeit.‘“

Basti springt auf und schnappt sich sein Rad: „Und zum Fahrradreparieren! Alter, da brauchen wir auch ein bisschen Zeit!“

„Jaja, wofür so ein Pirat alles Zeit braucht“, stellt Merle fest. Sie klopft sich vor ihren rosa Fahrradhelm.

„Für Reden und Repapieren“, fasst Marie zusammen. Sie greift in ihren Fahrradkorb und nimmt den roten Apfel. Liebevoll hält sie Pferdchen Hüh das Obst vor das Maul. „Willst du nicht? Sind wir doch zu schnell gefahren und nun ist dir schlecht?“ Schulterzuckend blickt sie Merle an.

Merle nimmt Marie den Apfel aus der Hand und beißt hinein. Schmatzend sagt sie: „Hier Marie. Den essen wir beide. Wenn selbst ein Pirat Zeit für alles Mögliche hat, dann haben wir auch Zeit, für Pferdchen Hüh einen neuen Apfel zu besorgen, falls es wirklich noch Hunger bekommt.“


Von Briefmarkenfröschen und Gummibärchenigeln

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