Читать книгу Abnehmen für hoffnungslose Fälle - Marion Reddy, Iris Zachenhofer - Страница 10
Die Dopamin-Falle
ОглавлениеIn ihrem Wettbewerb um Beliebtheit bei den Konsumenten haben Nahrungsmittelkonzerne irgendwann Techniken entwickelt, mit denen sie chemisches Craving auslösen können. In ihrem ureigenen Interesse: Sind die Konsumentinnen und Konsumenten verrückt nach ihren Produkten, klingeln ihre Kassen. Sind sie regelrecht süchtig danach, ist das der Jackpot.
Bei chemischem Craving geht es vor allem um die Art der künstlichen Inhaltsstoffe und um ihre hohe Konzentration in „Highly processed foods“, den stark verarbeiteten Lebensmitteln.
In einem Artikel aus dem Jahre 2011, der im New Yorker erschien, teilte die oberste Chefin von Pepsi ganz unverblümt mit, dass sie vorhabe, die Produkte ihres Konzerns chemisch so zu verändern, dass möglichst viele Menschen sie konsumieren.
Es gibt ein Wort dafür: Die Lebensmittelindustrie will ihre Produkte „hyperpalatable“ machen. „Hyperpalatable“ bedeutet, dass möglichst viele Menschen möglichst viel davon essen oder trinken wollen.
Das Wort „hyperpalatable“ ist noch relativ neu und bedeutet schlichtweg, dass etwas sagenhaft gut schmeckt. Allerdings eben nicht von Natur aus, sondern dank zugesetzter Stoffe wie Zucker, Alkohol, Salz, Fett oder Geschmacksverstärkern.
Industrielle Lebensmittel werden dabei immer so konzipiert, dass sie eine möglichst starke Wirkung auf das Belohnungssystem haben. Denn das Belohnungssystem in unserem Gehirn bewirkt eine Ausschüttung des sogenannten „Glückshormons“ Dopamin. Dopamin ist eine hormonähnliche Substanz, wir nennen das Neurotransmitter, durch deren Wirkung wir uns gut, im Sinne von motiviert, und glücklich fühlen.
Dopamin wird durch Essen freigesetzt, vor allem durch sehr fettes oder sehr süßes Essen, aber auch durch Sport, Sex, Musik und generell durch alles, was wir als schön empfinden.
Drogen bewirken eine künstlich erhöhte Dopaminausschüttung. So wird zum Beispiel beim Konsum von Heroin im Gehirn 400 Mal so viel Dopamin ausgeschüttet wie bei einem Orgasmus.
Das hier ist keine Kampfschrift gegen die Lebensmittelindustrie, sondern eine Anleitung, die hoffnungslosen Fällen beim Abnehmen hilft. Dabei ist es zunächst allerdings wichtig zu wissen, was uns beim Abnehmen im Weg steht.
Und dabei gilt:
Mangelnde Disziplin bei der Kontrolle des Essens ist nicht einfach persönliche Schwäche. Sie ist auch Folge einer Strategie der Lebensmittelindustrie. Die zielt mit Hilfe neurochemischer Erkenntnisse bewusst darauf ab, unsere Selbstkontrolle außer Kraft zu setzen. Sie stellt Produkte her, die uns manipulieren wie Drogen.
Wir essen diese Lebensmittel und können irgendwie nicht mehr damit aufhören. Denn dieser sagenhaft gute Geschmack bewirkt eine Dopaminausschüttung ähnlich wie beim Drogenkonsum.
Gleichzeitig haben diese künstlichen Lebensmittel aber auch die gleichen Nebenwirkungen wie Drogen. Sie bewirken Abhängigkeit und Toleranzentwicklung.
Das Wort „Toleranzentwicklung“ bezieht sich auf die ständige Überflutung unserer Dopamin-Rezeptoren mit Dopamin. Irgendwann reduziert der Körper die Empfindlichkeit und die Zahl dieser Rezeptoren. Wir Ärzte sagen dann, der Körper reguliert sie down. Wir könnten auch sagen: Wir werden immer immuner gegen Dopamin und brauchen immer mehr davon.
Normale Nahrung, also natürliche, kann zu unserem täglichen Dopamin-Bedarf bald gar nicht mehr beitragen. Sie wird für unsere Dopamin-Ausschüttung mehr oder weniger irrelevant.
Industriell hergestellte Nahrung vermindert unser Belohnungsgefühl. Um das auszugleichen, essen wir immer mehr.
Ein verhängnisvoller Kreislauf, bei dem die Lebensmittelindustrie letztendlich evolutionäre Muster nützt. Denn ausreichend zu essen, ist neben der Fortpflanzung der entscheidende Faktor beim Überleben einer Spezies. Die Evolution hat deshalb nicht allein auf Hunger und das Sättigungsgefühl vertraut, sondern Essen über das Dopamin auch mit Glücksgefühlen verknüpft.
Die Evolution hatte nicht damit gerechnet, dass Nahrungsmittel irgendwann so leicht verfügbar sein werden, dass sie ein Zuviel davon besser mit Unglücksgefühlen verknüpfen sollte. Schon gar nicht hatte sie damit gerechnet, dass uns Konzerne aus einst für die Menschheit überlebenswichtigen evolutionären Strategien einmal eine Falle bauen würden.