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Mit Bravour und Blumensträußen

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„Die Ausübung der Kunst ist ja ein großer Theil meines Ichs, es ist mir die Luft, in der ich athme.“ (Litzmann III, S. 223). Mit diesen Worten beschrieb Clara Schumann im Jahr 1868 ihrem Freund Johannes Brahms die wohl elementarsten Grundzüge ihres langen und erfolgreichen Wirkens. Sie war schon zu Lebzeiten ein Star und europaweit bekannt. Doch wurde sie nicht als Star geboren, sondern musste ihr Leben lang hart dafür arbeiten.

Clara war noch ein Kind, da wurde sie von ihrem Vater Friedrich Wieck schon der breiten Öffentlichkeit als musikalische Sensation präsentiert. Das Publikum erlebte sie als pianistisches Wunderkind auf der Bühne. Dieses strahlende Bild von ihr wurde gezielt und auf höchst werbewirksame Weise auch den Medien vermittelt. Wieck lancierte entsprechende Berichte an die einschlägigen Gazetten und fügte ihnen Porträts seiner Tochter bei, die er eigens zu diesem Zweck anfertigen ließ und außerdem – geschäftstüchtig wie er war – während ihrer Konzerte verkaufte.

Ihre Karriere startete Clara mit neun Jahren in Leipzig. Ihren internationalen Durchbruch erlebte sie als Achtzehnjährige in Wien. Auch außerhalb des Kontinents machte sie sich einen Namen. In London wurde sie ab 1856 auf ihren insgesamt neunzehn Mal unternommenen England-Tourneen frenetisch gefeiert. Noch vor ihrem sechzigsten Geburtstag leitete Clara eine Klavierklasse an Dr. Hoch’s Konservatorium in Frankfurt am Main und war damit die erste und für lange Zeit auch einzige Frau in einer solchen Position.

Die am 13. September 1819 in Leipzig als Clara Wieck geborene Pianistin und Komponistin heiratete 1840 den romantischen Komponisten und Musikschriftsteller Robert Schumann. Sie wurde Mutter von acht Kindern. Clara Schumann starb am 20. Mai 1896 in Frankfurt am Main und überlebte ihren Mann um knapp 40 Jahre.

Nicht zuletzt als Herausgeberin der Werke Robert Schumanns blieb Clara auch nach ihrem Tod im Bewusstsein der kulturellen Öffentlichkeit. Zu ihrem Andenken trug maßgeblich die von Berthold Litzmann verfasste dreibändige Biografie über die Künstlerin bei, die bereits wenige Jahre nach ihrem Tod erschien, was als außergewöhnlich galt.

Clara Schumann wird heute an erster Stelle genannt, wenn es um komponierende Frauen geht. Zahlreiche Publikationen, Notenausgaben ihrer Werke, Editionen von Tagebüchern und Briefen sowie in der jüngeren Vergangenheit zudem einige filmische Adaptionen widmen sich ihrem Leben und Wirken.

Da zu ihren Lebzeiten noch keine Tonaufzeichnungen möglich waren, ist Claras Klavierspiel nicht unmittelbar überliefert. Aber durch Aufzeichnungen und Berichte ihrer zahlreichen Schüler und Enkelschüler sind der Nachwelt immerhin Aussagen über ihre Spieltechnik und ihre Lehrmethode erhalten. Und viele Pianisten, die bei ihr studierten, gaben Clara Schumanns musikalische Ansichten und Interpretationsansätze weiter. Diese Tradition wirkt durchaus bis in die Jetztzeit nach.

Clara Schumann war hoch dekoriert, sie wurde mit zahlreichen Ehrungen und Auszeichnungen gewürdigt. Mehr als ein halbesNr. Jahrhundert verbrachte sie auf den Konzertbühnen Europas und setzte sich während ihrer sechzigjährigen Bühnenkarriere den Anstrengungen langwieriger und äußerst beschwerlicher Reisen aus. Der schrittweise Ausbau des Eisenbahnnetzes ab 1837 nach den Plänen Friedrich Lists, dem Vater von Claras bester Freundin Emilie, milderte die härtesten Strapazen ab.

Clara erlebte die Industrialisierung, sie war Zeugin von Revolutionen und politischen Aufständen und sozialen Umbrüchen, von Kriegen und einschneidenden politischen Veränderungen, wie unter anderem die Gründung des Deutschen Reiches 1871, die sie sehr begrüßte. Nicht zuletzt ermöglichten ihr die Gründerjahre, ein ansehnliches Vermögen anzuhäufen und ihre große Familie gut zu versorgen. In ihre Lebenszeit fällt die Regentschaft dreier deutscher Kaiser: Wilhelm I., Friedrich III., der im Jahr 1888 für neunundneunzig Tage regierte, und Wilhelm II.

Clara pflegte ein weites Netz sozialer Kontakte. Sie verkehrte in Adelskreisen und wusste den Umgang mit gekrönten Häuptern und hohen Adligen häufig sehr geschickt für ihre Zwecke zu nutzen. Beinahe alle namhaften Musiker ihrer Ära kannte sie persönlich. Daneben begegnete sie auch zahlreichen berühmten, zum größten Teil heute noch bekannten Künstlern und Künstlerinnen aus Malerei und Dichtung. Zu einigen dieser Persönlichkeiten stand sie in engerem Kontakt und nahm nicht selten subtil, aber spürbar Einfluss auf deren Werke.

Im Laufe des 19.Nr. Jahrhunderts erfolgte im öffentlichen Konzertleben ein Wandel, den Clara Schumann wesentlich mitprägte. An die Stelle von musikalischen Veranstaltungen, die vor allem der Unterhaltung und der Geselligkeit dienen und mit Bravourstücken aus allen musikalischen Sparten die virtuosen Leistungen verschiedener Künstler herausstellen sollten, trat allmählich der anspruchsvolle Konzertabend mit inhaltlich sinnvoll aufeinander abgestimmten Werken. So wurden Zyklen von Liedern oder Klavierstücken dem Konzertpublikum endlich in Gänze präsentiert, statt daraus nur eine Auswahl der (vermeintlichen) Highlights zu bieten. Und schrittweise entwickelten sich auch Formate wie Liederabende, Klavierrecitals, Kammermusikreihen und reine Sinfoniekonzerte, die sich in Claras letzten Bühnenjahren etablierten. Zu allen diesen Veränderungen trug sie in bedeutendem Maße bei.

Die außergewöhnlich erfolgreiche Künstlerin Clara Schumann führte auch ein außergewöhnliches Privatleben. Nach dem frühen Tod ihres Mannes Robert war sie mit siebenunddreißig Jahren Witwe, hatte für sieben Kinder zu sorgen und ging keine weitere Ehe ein. So wurde sie mit Anforderungen konfrontiert, die keineswegs dem bürgerlichen Frauenbild ihrer Zeit entsprachen. Mit den zeitgenössischen Erwartungen an die Rolle der Frau war weder ihr Status als schon früh alleinerziehende Mutter noch ihre Karriere als erfolgreiche, öffentlich konzertierende Künstlerin vereinbar.

In der einschlägigen Literatur wird Claras Umgang mit ihren Kindern bis heute eher kritisch gesehen. Der häufigste Vorwurf lautet, sie habe ihre Kinder „in Pension“ gegeben, statt mit ihnen zu Hause zu bleiben. Meist geschieht dies in Unkenntnis der Tatsache, dass es in Claras gesellschaftlicher Schicht und im Rahmen des damaligen Schulsystems durchaus üblich war, Kinder zur Ausbildung in Internate zu geben. Dort erhielten sie in aller Regel eine zwar kostspielige, dafür aber ausgezeichnete Ausbildung. Claras Handeln entsprach insofern also durchaus den Gepflogenheiten ihrer Zeit.

Als eigenständige Künstlerin, Pianistin und Komponistin, als hart und diszipliniert arbeitende, Geld verdienende und den Lebensunterhalt bestreitende Ehefrau und Mutter zahlreicher Kinder und nicht zuletzt als Großmutter, die auch für die Erziehung und Finanzierung ihrer Enkel umfangreiche Verantwortung übernahm, meisterte Clara erfolgreich ihr Leben, und sie tat dies mit eiserner Disziplin. Sie ertrug diverse, zunehmend heftiger werdende gesundheitliche Beschwerden, die Mühen des Alterns und schwere persönliche Schicksalsschläge wie den frühen Tod vieler geliebter Menschen. Daneben aber wurde sie nicht müde, sich für ihre Karriere einzusetzen, die ihr triumphale Erfolge in ganz Europa einbrachte.

Clara Schumann war eine bedeutende Künstlerpersönlichkeit und eine berühmte Konzertpianistin. Dass sie sich als Frau im 19.Nr. Jahrhundert derartigen Ruhm erarbeiten konnte, ist bemerkenswert. Aber ihre Vita ist keineswegs nur deshalb beachtlich, weil sie eine außergewöhnliche Frauenrolle lebte. Betrachtet man Clara zu sehr aus der Perspektive einer zwar wohlgemeinten aber zu einseitigen Frauenforschung, wie dies oft genug geschah und immer noch geschieht, so besteht die Gefahr, ihren individuellen Charakter und vor allem ihre Persönlichkeitsstruktur aus den Augen zu verlieren. Stattdessen sollte man, wie es im Folgenden geschehen wird, die Künstlerin in den Mittelpunkt der Betrachtung stellen und die Hochachtung, die sich diese Frau zu Lebzeiten erwarb, zweihundert Jahre nach ihrer Geburt wieder ins Bewusstsein rücken.

Claras Leben ist uns durch zahlreiche Quellen überliefert und lässt sich gut nachzeichnen. Ohne auf Vermutungen angewiesen zu sein oder gar Details hinzu erfinden zu müssen, kann man ihre Vita kontinuierlich nachzeichnen und ihrer Persönlichkeit vorurteilsfrei auf die Spur kommen. Auch in einer Fülle zeitgenössischer Porträts von ihr – in späteren Jahren kamen zahlreiche Fotografien hinzu – wird uns Clara gegenwärtig.

Neben romanhaften, zum Teil spekulativen Darstellungen existieren – ausgehend von der ersten Biografie Berthold Litzmanns – einige ernstzunehmende Biografien oder Auseinandersetzungen mit biografischen Details, unter anderem von Beatrix Borchard, Renate Hofmann, Janina Klassen, Gerd Nauhaus, Nancy B. Reich (†), Monica Steegmann und Claudia de Vries.

Das vorliegende Buch basiert auf ergiebigem Quellenmaterial. So konnten unter anderem die im Robert-Schumann-Haus Zwickau aufbewahrten, bisher unveröffentlichten Jugendtagebücher Claras kurz vor deren Drucklegung eingesehen und ausgewertet werden. Während diese nur für die frühen Jahre der Pianistin bis zu ihrer Eheschließung Aufschluss geben, verraten uns ihre übrigen Schriftstücke weit mehr über ihr gesamtes Leben und Wirken. Clara hinterließ mehr als zehntausend Briefe, die ihr das wichtigste Mittel zur Kommunikation waren, sowohl privat als auch geschäftlich. Die bereits weit vorangeschrittene Schumann-Briefedition ist daher von unschätzbarem Wert und bietet einen reichhaltigen Fundus an Informationen. Bei der Wiedergabe von Zitaten aus diesen Quellen sind Grammatik und Orthografie der Originale beibehalten.

Die Darstellung von Clara Schumanns Lebensgeschichte erfolgt weitgehend chronologisch. Geschildert werden die wesentlichen und für ihr Leben bedeutenden Stationen und Ereignisse. Für darüber hinausgehende Details sei auf das Literaturverzeichnis im Anhang verwiesen, ebenso auf das Verzeichnis der Werke für diejenigen Kompositionen und Veröffentlichungen, die im Rahmen dieser Biografie keine Erwähnung finden.

Clara Schumann

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