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leich am Morgen des darauffolgenden Ferientages trafen sich die Chip Chips Jam an der Alster-Pipe. Sie hatten sich vorgenommen bis zur Abreise nach Amerika noch einige Trainingseinheiten zu absolvieren. Schließlich wollten sie sich vor den Profis von Santa Cruz nicht bis auf die Knochen blamieren. Das Wetter meinte es gut mit ihnen, und die Sonne strahlte mit den Chip Chips Jam um die Wette. Selbst Joes Laune hatte sich im Vergleich zum Vortag deutlich gebessert. Der Gedanke an seinen mitreisenden Vater hatte plötzlich den Schrecken verloren. Immerhin war es besser den eigenen Vater dabei zu haben, der zwar reichlich durchgeknallt, aber immer für einen Spaß zu haben war, als beispielsweise Sketchys spießige Mutter. So boardeten die Chip Chips Jam vergnügt zu lauter Musik die Pipe auf und ab. Ab und zu legten sie eine kleine Rast ein und träumten vor sich hin. Keiner der Jungs hatte bisher eine so lange Flugreise unternommen. Weiter als bis nach Mallorca war noch keiner gekommen. Goofy war gerade dabei ein dick mit Leberwurst bestrichenes Vollkornbrötchen zu verschlingen, als er plötzlich inne hielt und sich beinahe daran verschluckte. „Wisst ihr, was mir gerade einfällt? Keiner von uns kann gut Englisch!“ Seine Augen waren vor Schreck weit geöffnet. Aus seinen Wangen wich die Farbe. Sketchy schien nicht zu begreifen. „Na und? Was macht das schon?“ Für diese dumme Frage fing er sich von Joe einen Klaps auf den Hinterkopf ein. „Dass wir nicht verstehen werden, was die Pros uns beibringen wollen, du Trottel!“ Nachdenklich schwiegen sich die Chip Chips Jam eine Weile an. Keiner der Jungs hatte bisher darüber nachgedacht, dass es in Amerika vielleicht zu Verständigungsproblemen kommen könnte. Die bisher ausgelassene Laune der Drei schlug von einem Moment auf den anderen um. Lustlos saßen sie auf dem Boden und kickten ihre Boards hin und her, als plötzlich Joes Vater auf der Bildfläche auftauchte. Die Wogen der schlechten Stimmung schlugen ihm augenblicklich entgegen. Wortlos setzte er sich neben die Jungs auf den Boden und schaute in die Runde. „Welche Laus ist euch denn über die Leber gelaufen?“ Goofy stand auf, warf sein Vollkornbrötchen in den Abfalleimer und antwortete knapp: „Wir können kaum Englisch. Was sollen wir da in Amerika?“ Herr Sommer kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf und schüttelte dann entschlossen den Kopf. „Denkt ihr denn, dass Santa Cruz in Deutschland eine Reise in die USA verlost und dann von den Gewinnern erwartet, dass sie fließend Englisch sprechen? Ich glaube kaum! Außerdem war selbst der Brief in Deutsch geschrieben! Kopf hoch, ich bin sicher, es wird euch ein Dolmetscher zur Seite stehen.“ Damit sprang er auf und schnappte sich blitzschnell Joes Skateboard. Auf dem Weg zur Halfpipe blieb er kurz stehen und drehte sich noch mal zu den Jungs um. „Ich für meinen Teil fahre mich jetzt warm!“ Joe starrte seinem Vater sprachlos hinterher, während Sketchy schnell reagierte. „Herr Sommer, warten Sie doch!“ Joes Vater hörte ihn jedoch nicht mehr. So wackelig hatte er sich die ganze Angelegenheit nicht vorgestellt. Trotzdem wollte er sich vor den Kindern keine Blöße geben und holte kräftig Schwung. Schließlich war er trotz seiner 43 Jahre ein durchtrainierter, sportlicher Mann. Mit allergrößter Mühe hielt er sich ein paar Meter auf dem Skateboard gerade. Obwohl es bei den Kindern immer so einfach aussah, war es alles andere als leicht, das Gleichgewicht auf dem Skateboard zu halten. Jetzt ging die wilde Fahrt auch noch nach oben. Joes Vater hatte den ansteigenden Teil der Pipe erreicht. Die Chip Chips Jam standen am Rand und beobachten kichernd den Kampf zwischen Mann und Skateboard. Plötzlich kam Herr Sommer ins Straucheln und flog einige Meter durch die Luft. Mit einem lauten Knall landete er ziemlich unsanft auf dem Hinterteil. Sein Gesicht war kreidebleich, als er sich stöhnend an den rechten Oberschenkel griff. Joe rannte in Windeseile los und war als Erster bei seinem Vater angelangt. „Papa, ist dir was passiert?“ Ein Blick in das fahle Gesicht reichte als Antwort. Trotzdem versuchte Joe mit Verstärkung von Goofy und Sketchy den erwachsenen Mann in die Höhe zu bringen. Ächzend stammelte Herr Sommer: „Lasst mich los, Jungs. Ich kann nicht aufstehen. Ich glaube, das Bein ist gebrochen. Joe, am besten du rufst sofort Mama an.“ Die Angst um seinen Vater schnürte Joe fast das Herz zu. Tapfer wählte er dennoch die Rufnummer von zuhause. Es kam ihm vor wie eine halbe Ewigkeit, ehe das Klingeln in der Leitung durch die Stimme seiner Mutter zum Schweigen gebracht wurde. „Sommer hier, hallo.“ Noch klang sie gutgelaunt und sehr fröhlich. „Mama, ich bin’s. Du musst sofort zur Pipe kommen! Papa kann nicht mehr aufstehen!“ „Was soll das heißen? Wenn das ein Scherz ist, dann ist er verdammt schlecht, Joe!“ Offenbar nahm sie ihn nicht ernst. Fast schon panisch brüllte Joe in den Hörer: „MAMA! Bitte komm jetzt!“ Ohne eine weitere Antwort abzuwarten, legte er auf. Goofy und Sketchy waren gerade dabei, dem Verletzten ihre T-Shirts unterzulegen. Schließlich lag er auf dem schattigen Asphalt, den die Sonne um diese Tageszeit noch nicht erwärmt hatte. Joe kniete hinter seinem Vater und nahm dessen Kopf auf den Schoss. Plötzlich merkte er wie sich in ihm panische Angst breit machte. „Mama kommt gleich. Mach’ dir keine Sorgen Papa, alles wird gut!“ Mit diesem Satz beruhigte er mehr sich selbst als seinen Vater. Sketchy spielte nervös an seinem Handy herum, als er einen sehr vernünftigen Vorschlag brachte: „Herr Sommer, vielleicht sollten wir doch besser einen Krankenwagen anrufen? Es dauert sicher noch etwas, bis Ihre Frau hier ist.“ Kaum hatte er den Satz ausgesprochen, kam schon die rostige Schrottlaube der Sommers den Radweg entlang gefahren. Der Verletzte lachte kurz auf und deutete auf das herannahende Fahrzeug. „Da kommt doch schon mein privater Krankenwagen!“ Joes Mutter brachte das Auto kurz vor der Gruppe zum Stehen und stieg hektisch aus. Beinahe wäre sie dabei über ihre eigenen Beine gestolpert. Im Laufschritt spurtete sie zu dem Verletzten hinüber und beugte sich tief über ihn. „Was machst du denn für Sachen?“ Dann wandte sie sich an die Jungs. „Los, helft mir ihn ins Auto zu bringen. Am besten ist es wahrscheinlich, wenn ich ihn von der rechten Seite nehme. Joe, du stützt ihn links, und Sketchy hält zur Sicherheit die Hände. Goofy kann die Autotüre öffnen!“ Gesagt, getan! Trotzdem war das Vorhaben Herrn Sommer ins Auto zu bringen für alle Beteiligten – mit Ausnahme von Goofy – alles andere als einfach. Immerhin war sein Vater 1,90 m groß und relativ breit gebaut, was sich an seinem Körpergewicht deutlich bemerkbar machte. Frau Sommer hingegen war eine sehr zierliche Frau, und Joe und Sketchy waren leider auch nicht allzu stark auf der Brust. Nach langem, mühevollen Ziehen und Zerren floss der Schweiß in Strömen, aber immerhin: Der Patient saß endlich im Auto. Bevor die Fahrt allerdings losgehen konnte, wandte sich Frau Sommer noch an ihren Sohn: „Hör zu, Joe: Ich fahre jetzt mit Papa ins Krankenhaus Mariahilf. Kommst du mit oder fährst du erstmal nach Hause?“ Was für eine Frage! Natürlich wollte nicht nur Joe, sondern auch der Rest der Truppe wissen, was nun mit Herrn Sommer war. Wie aus der Pistole geschossen antworteten die drei Jungs beinahe zeitgleich: „Wir kommen mit!“ Frau Sommer schüttelte den Kopf entschlossen: „Ihr glaubt doch wohl nicht, dass ich euch drei jetzt auch noch mit dem Auto mitnehme? Trainiert ihr nur eure Fitness, schließlich sind es nur ein paar Kilometer nach Neu-Wulmstorf. Bis ihr da seid, wissen wir vielleicht schon mehr. Also, bis nachher!“ Damit stieg sie rasch in den Wagen und fuhr in Richtung Krankenhaus davon. Schweigend blickten die Jungs dem Auto hinterher. Der Unfall hatte sie doch sehr mitgenommen, obwohl es für einen Boarder durchaus nicht ungewöhnlich war, sich beim Training gelegentlich den ein oder anderen Knochenbruch zuzuziehen. Normalerweise traf dieses Schicksal aber eher die Kinder und weniger die Väter. Sketchy fand als Erster der drei seine Sprache wieder: „So, das war’s mit unserem tollen Hauptgewinn beim Contest! Amerika ist damit gestorben!“ Goofy starrte ihn daraufhin an, als habe er gerade ein Ufo landen sehen. Auch Joe schaute etwas ratlos aus der Wäsche. Daran hatte bis jetzt noch keiner gedacht! Natürlich stand mit dem Unfall die Reise nach Amerika auf sehr wackeligen Beinen. Joes Vater schied damit als Begleitperson aus. Nur, wo um Alles in der Welt, sollte es den Chip Chips Jam gelingen, so schnell Ersatz für ihn aufzutreiben? Goofys Augen glänzten verdächtig, und auch Sketchy und Joe kämpften gegen die Tränen der bitteren Enttäuschung an. Schweigend machten sie sich trotz alledem auf den Weg in Richtung Neu-Wulmstorf. Keiner des Teams hatte so richtig Freude an der langen Fahrt, obwohl sie normalerweise die glücklichsten Menschen auf der Welt waren, solange die Räder unter ihren Skateboards nur rollten. Nur heute war alles anders. Jeder der Chip Chips Jam versuchte auf seine Art und Weise, damit fertig zu werden, dass ihr großer Traum wie eine Seifenblase zu platzen drohte. Ohne einen erwachsenen Begleiter konnte die Reise nach Amerika nicht stattfinden. So stand es zumindest unmissverständlich im Anschreiben von „Santa Cruz“. Aus irgendwelchen „Haftungsgründen“. Was das genau bedeutete, verstand zwar keiner der Jungen, aber eigentlich war es auch egal. Die Bedingungen standen fest und daran mussten sie sich halten. Ob sie wollten oder nicht. In der Ferne erhob sich zwischen den Baumwipfeln imposant das Krankenhaus Mariahilf. Von außen wirkte die Klinik eher wie der Palast der Königin von England. Goofy pfiff spitz durch die Finger. „Wow, das nenne ich aber schick! Dein Vater muss eine gute Krankenkasse haben!“ Joe verstand nicht genau, was er damit sagen wollte. Aber ehrlich gesagt war ihm das heute auch ziemlich egal. Vor dem langen Säulengang, der zum Eingang des Krankenhauses führte, waren links und rechts zwei blaue Fahrradschuppen aufgestellt. Dort stellten die Jungs ihre Boards im hinterletzten Winkel ab, um auch sicher zu gehen, dass sie auch wirklich nicht gestohlen wurden. Joe trieb zur Eile an. Ihm brannte es unter den Nägeln zu erfahren, was mit seinem Vater war. „Nun, kommt schon! Ich will jetzt nach Papa sehen!“ „Mach’ keinen Stress, wir sind doch unterwegs“, maulte Goofy pampig. Gemeinsam schlenderten sie den Säulengang entlang und betraten durch die elektrische Schiebetüre die Empfangshalle des Krankenhauses. Hektisches Treiben schlug ihnen entgegen. Viele kranke Menschen mit Bademänteln bekleidet scharten sich um den kleinen Kiosk, der Lebensmittel, Blumen und Zeitschriften zum Verkauf anbot. Hinter dem Informationsschalter standen zwei freundlich lächelnde Damen in weißen Kitteln und warteten darauf, Patienten und Angehörigen weiterhelfen zu können. Joe ging direkt auf die beiden zu. „Guten Tag. Mein Name ist Joe Sommer. Mein Vater ist vor ca. einer halben Stunde hier in die Notaufnahme eingeliefert worden. Können Sie mir bitte sagen, wo ich ihn finde?“ Die etwa 40-jährige Angestellte des Krankenhauses nickte ihm kurz zu und begann dann in ihren Computer zu tippen. Sie blickte kurz auf und griff zum Telefon. „Empfang, hier. Habt ihr einen Herrn Sommer bei euch in Behandlung? Mhm

Alles klar, ich weiß Bescheid.“ Sie legte den Hörer zurück auf die Gabel und wandte sich wieder Joe zu. „Okay Junge, hör zu: Dein Vater ist bereits auf Station. Zimmer Nr. 212, 2. Stock. Der Lift befindet sich um die Ecke rechts.“ Joe bedankte sich und machte sich in Begleitung von Sketchy und Goofy auf den Weg zu den Fahrstühlen. Vor dem Aufzug standen bereits einige Ärzte und Schwestern, die darauf warteten nach oben transportiert zu werden. „Kling“ - endlich öffneten sich die Türen zum Einstieg. Während der Fahrt nach oben entstand das für Aufzugsfahrten so typische, peinliche Schweigen. Jeder starrte auf den Boden und hoffte, möglichst schnell wieder aussteigen zu dürfen. Endlich stoppte der Lift im zweiten Stock ruckartig. Über der Stationstüre war ein Schild mit der Aufschrift „Unfallchirurgie“ angebracht. Sketchy, der geistige Überflieger der Truppe, fing sofort an Joe und Goofy ungefragt zu erklären, was dies genau bedeuten sollte. „Da werden die Leute, die einen Unfall oder so hatten, operiert. Aufgeschnitten, versteht ihr?“ Goofy nervte die besserwisserische Art seines Freundes gelegentlich ziemlich. So auch heute. „Sketchy, wir sind keine Idioten!!! Auch wenn du dich für ziemlich schlau hältst, erspar’ uns dein Wichtiggetue!“ Sketchy zuckte auf die barsche Antwort seines Freundes nur beleidigt mit den Schultern. Eigentlich meinte er es gut und wollte seinen Freunden nur die Welt erklären. Warum Goofy darauf immer so verärgert reagierte, konnte er beim besten Willen nicht verstehen. Aber gut, dann sagte er eben nichts mehr. Zimmer 212 lag genau am Ende des langen, mit Neonröhren beleuchteten Gangs. Sogar auf dem Türschildchen war Herr Sommer bereits vermerkt. Joe klopfte kurz gegen die Türe und betrat dann das Zimmer gefolgt von seinen zerstrittenen Freunden. Sein Vater lag in einem weiß bezogenen Krankenbett am Fenster. Das Bein war von der Ferse bis zum Oberschenkel eingegipst und lag etwas erhöht auf einer Schaumstoffschiene. Herr Sommer lächelte den Jungs tapfer entgegen. „Hallo, habt ihr denn gut hergefunden? Mama ist gerade unten und klärt die Formalitäten. Kommt, setzt euch zu mir!“ Etwas schüchtern traten Joe, Goofy und Sketchy näher. Das Bett neben Herrn Sommer war mit einem etwa 60-jährigen Mann belegt, dessen Gesichtausdruck alles andere als freundlich war. Joe setzte sich neben seinen Vater auf den Bettrand, während Goofy und Sketchy die beiden Besucherstühle unter dem kleinen Tisch quietschend hervorzogen. Genervt seufzte der Bettnachbar auf. Als Joes Vater gerade anfing haarklein zu erzählen, dass der Arzt einen doppelten Beinbruch festgestellt hatte, öffnete sich die Türe und Frau Sommer trat wieder ins Krankenzimmer. „So, alles erledigt! Jetzt bist du auch offiziell Patient hier“, sagte sie und streichelte ihrem Mann zärtlich über den Kopf. Goofy hörte geduldig zu, aber wenn er nicht gleich platzen wollte, dann musste er jetzt einfach fragen. Zaghaft begann er: „Herr Sommer, die Sache mit Ihrem Bein tut mir wirklich sehr Leid. Sie können uns jetzt wahrscheinlich nicht mit nach Amerika begleiten?“ Im Gesicht des Kranken spiegelte sich tiefe Enttäuschung wider, als er den Kopf schüttelte und antwortete: „Nein, ich fürchte bis nächste Woche bin ich nicht wieder fit!“ Sofort mischte sich Frau Sommer ein: „Kinder, es geht hier um wesentlich wichtigere Dinge als die Reise in die USA. Nämlich um die Gesundheit! Ihr werdet euch wohl oder übel damit abfinden müssen, dass der Urlaub nichts wird. Tut mir Leid!“ Die Jungs machten ein Gesicht, als würde morgen die Welt untergehen. Joe war nicht traurig, er war stocksauer! Ihn packte eine unbändige Wut. Die Chip Chips Jam konnten ihren Boarderkurs mit den Pros vergessen, nur weil sein Vater so leichtsinnig war, sich auf ein Skateboard zu stellen und sich dabei auch noch so ungeschickt anstellte, dass er sich das Bein brach. Sketchy, der Denker des Teams, grübelte kurz nach und hakte dann vorsichtig nach. „Frau Sommer, wie wäre es denn, wenn wir eine andere Begleitung finden würden?“ Joes Mutter rollte mit den Augen, als sie widerwillig antwortete: „Ich verstehe, dass ihr euch nicht damit abfinden wollt. Aber manche Dinge kann man eben nicht ändern!“ Joe hatte genug gehört. Wütend sprang er auf und rannte aus dem Zimmer. Die Tür donnerte er hinter sich ins Schloss. Als er alleine auf dem langen Flur stand, ließ er seinen Tränen endlich freien Lauf. Warum war Mama nur so gemein und verstand nicht, wie wichtig ihnen die Amerikareise war? Die Chip Chips Jam durften jetzt für die Tollpatschigkeit seines Vaters einen viel zu hohen Preis bezahlen. Es dauerte nicht lange, da erschienen Goofy und Sketchy auf dem Korridor. Auch die beiden machten einen sehr geknickten Eindruck. „Mit deiner Mutter ist nicht zu reden. Ihr Entschluss steht fest“, sagte Sketchy nach einer Weile. Goofy wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, als er trotzig meinte: „Die Erwachsenen sind total bescheuert. Dein Vater will, dass du noch mal rein kommst.“ Joe zuckte mit den Schultern. „Nee, bestimmt nicht. Die können mich mal

“ Schweigend schlürften sie das Treppenhaus hinunter und durch die große Eingangshalle. Erst als sie im Fahrradschuppen ihre Skateboards aus der Ecke gekramt hatten und langsam nebeneinander her cruisten, fragte Goofy: „Warum wollen wir nicht mal bei meiner Oma vorbeischauen? Vielleicht weiß die einen Rat!“

Frau Weber freute sich sehr über den Besuch der Chip Chips Jam. Seit dem Skate-Constest hatte sie weder ihren Enkel noch Joe und Sketchy zu Gesicht bekommen. „Kommt herein! Ich trinke gerade Tee. Sicherlich wollt’ ihr auch eine Tasse!“, begrüßte sie die Jungs herzlich. Natürlich bemerkte sie mit ihrem untrüglichen Instinkt sofort, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Trotzdem brachte sie zuerst Tassen und goss den heiß dampfenden Tee ein, ehe sie sich zu den Chip Chips Jam setzte. „Wo drückt denn der Schuh? Ihr habt doch wohl nicht wieder Streit?“, erkundigte sie sich. „Nein, das nicht.“ Goofy schüttelte den Kopf. „Aber, Amerika fällt flach!“ Die alte Dame zog verwundert die Augenbrauen hoch und blickte in die Runde: „Wieso denn das?“ Auf diese Frage begannen alle drei Jungs wild durcheinander zu sprechen, sodass Frau Weber nicht begreifen konnte, was nun genau der Grund für die Aufregung war. Energisch klatschte sie in die Hände und sagte: „Einer nach dem anderen! Ich verstehe doch sonst nur Bahnhof! Sketchy, was ist denn nun genau geschehen?“ Aus Sketchy sprudelten die Worte nur so hervor, sodass er ziemlich schnell am Ende der Erzählung angekommen war. Frau Weber rührte nachdenklich in ihrer Tasse, und es dauerte eine ganze Weile, ehe sie meinte: „In gewisser Weise hat deine Mutter Recht, Joe. Sicherlich ist die Gesundheit deines Vaters sehr wichtig. Andererseits bedeutet für euch die Amerikareise sehr viel. Klar ist auch, dass ihr nicht ohne eine erwachsene Begleitung fahren könnt. Jetzt lasst uns doch einfach mal nachdenken, wer ansonsten mit euch auf große Reise gehen kann. Joe, deine Eltern scheiden schon einmal aus. Sketchy, wie sieht es denn mit deiner Mutter aus?“ „Das können wir vergessen. Seit Papa abgehauen ist, muss sie doch nur noch arbeiten

“ Frau Weber nickte verständnisvoll. Sie war sich der finanziellen Belastung einer allein erziehenden Mutter durchaus bewusst. Während sie sich Tee nachgoss, sprach sie langsam weiter: „Bei dir, Marc, wird sich wohl auch kaum einer bereit erklären. Schließlich steht bei meinem Sohn und der Schwiegertochter die Arbeit an allererster Stelle.“ Sie seufzte kurz auf. „Damit haben wir alle durch. Ich weiß wirklich nicht, wer euch noch begleiten könnte

“ Plötzlich sprang Goofy völlig überraschend vom Sofa auf, ging auf seine Großmutter zu und legte die Arme um sie. Dabei blickte er ihr tief in die Augen und sagte sanft: „Aber ich weiß es, Omi, du! DU könntest uns begleiten. Bitte!“ Sketchy und Joe begriffen sofort und verlegten sich auch auf’s Betteln. „Oh ja, bitte, Frau Weber! Schließlich sind Sie doch unser Team Leader. Bitte!“ Die alte Dame befreite sich aus der Umarmung ihres Enkels und zog die Stirn in tiefe Falten. „In meinem Alter soll ich noch einen so langen Flug auf mich nehmen? Ich glaube nicht, dass ich das wirklich möchte!“ Ihre Antwort kam so zögerlich, dass die Chip Chips Jam sich sicher waren, dass hier das letzte Wort noch nicht gesprochen war. Goofy wäre nicht Goofy, wenn er sich so leicht geschlagen geben würde und sprach weiter auf seine Oma ein. „Stell’ dir doch mal vor: Kalifornien – das sind Sonne, Strand, Palmen und Meer. Außerdem warst du doch schon so lange nicht mehr im Urlaub. Wer lässt sich schon ein Gratis-Urlaub entgehen?“ Diese Aussichten zauberten auf das Gesicht der alten Dame ein Lächeln. Sie stand auf und lief im Wohnzimmer auf und ab ohne etwas zu sagen. Währenddessen wurde sie von den Jungs hoffnungsvoll beäugt. Sie blieb am Fenster stehen und blickte auf die rege befahrene Straße vor dem Hochhaus. Schließlich drehte sie sich zu den Jungs um und meinte mit einem tiefen Seufzer: „Lasst mir noch etwas Bedenkzeit. Ich sage euch morgen, wie ich mich entschieden habe. In meinem Alter plant man eine Fernreise nicht einfach so. Können wir uns darauf einigen?“ Eifrig nickten die Chip Chips Jam. Immerhin hatten sie nicht gleich eine Absage bekommen und durften noch hoffen.

Als Joe gegen sieben Uhr in der elterlichen Wohnung eintraf, saß seine Mutter bereits im Wohnzimmer. Der Fernseher lief, was bei den Sommers um diese Tageszeit eher ungewöhnlich war. Sie blickte nur kurz auf und griff dann nach der Fernbedienung, um das Gerät abzuschalten. „Setz dich, Joe! Ich fand deinen Abgang im Krankenhaus heute absolut unmöglich. Nur, weil du enttäuscht bist, gibt dir das noch lange nicht das Recht, dich so aufzuführen!“ Joe setzte sich kleinlaut neben seine Mutter auf den Rand der Coach. Sicherlich war es nicht schön von ihm gewesen, dass er das Krankenhaus verlassen hatte. Trotzdem fand er, dass seine Reaktion doch eigentlich sehr verständlich war. Um einzulenken, schickte er erst einmal einen entschuldigenden Satz voraus: „Du hast Recht, es war falsch, dass ich mich von Papa nicht verabschiedet habe. Aber kannst du nicht auch ein bisschen verstehen wie enttäuscht und traurig ich war?“ Frau Sommer zog ihren Sohn zu sich auf den Schoss und streichelte ihm sanft über den Kopf. „Natürlich, aber Papa hat sich nicht mit Absicht das Bein gebrochen. Eines Tages werdet ihr schon noch nach Amerika kommen. Papa macht sich sowieso schon die größten Vorwürfe. Darf ich von dir erwarten, dass du morgen mit in die Klinik kommst, um ihn zu besuchen?“ Joe nickte. Bestimmt war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, seiner Mutter klar zu machen, dass für die Chip Chips Jam Amerika noch lange nicht abgehakt war. Aber erstmal hieß es ohnehin, Frau Webers Entscheidung abzuwarten. Frau Sommer holte ihren Sohn zurück in die Gegenwart: „Lass uns jetzt noch schnell was essen. Ich habe noch Bohneneintopf von heute Mittag übrig.“ Joe trottete seiner Mutter mit hängenden Schultern in die Küche hinterher und ließ sich lustlos auf die Eckbank fallen. Eigentlich hasste er Bohneneintopf, aber das war heute ohnehin schon egal. Zu diesem schwarzen Tag passte das verhasste Essen wie die Faust aufs Auge. Schweigend löffelte er also einen Teller dieser widerlichen Speise in sich hinein und stellte das benutzte Geschirr in die Spülmaschine. „Ich gehe jetzt schlafen, Mama. Gute Nacht!“ „Gute Nacht, Joe. Ich hoffe, du hast morgen wieder bessere Laune!“

Joe lag an diesem Abend sehr lange wach und wälzte sich unruhig von einer Seite auf die andere. Inständig hoffte er, dass Frau Weber sich dafür entscheiden würde, die Chip Chips Jam mit nach Amerika zu begleiten. Nicht nur er, sondern auch Goofy und Sketchy, wären maßlos enttäuscht, wenn sie die Reise in die Staaten nicht wie geplant antreten konnten. Auch wenn Joe wusste, dass es nicht richtig war, so hegte er doch einen ungeheuren Groll gegen seinen Vater. Warum musste er so unvorsichtig sein, und sich entgegen jeder Warnung auf ein Skateboard stellen? Es war doch beinahe klar, dass dabei so etwas herauskommen musste. Ein Beinahe-Rentner hatte eben nichts auf einem Board verloren! In dieser Nacht schlief Joe wirklich schlecht. Er wachte immer wieder schweißgebadet auf und hoffte, dass er bald aus diesem Albtraum erwachen würde

Chip Chips Jam - 3.

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