König Lear der Steppe

König Lear der Steppe
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Иван Тургенев. König Lear der Steppe

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Meine ganze Kindheit, fing er an, und meine erste Jugend bis zum fünfzehnten Jahre brachte ich auf dem Lande, auf dem Gute meiner Mutter zu einer reichen Gutsbesitzerin des Gouvernements . . . Wohl als der lebendigste Eindruck dieser schon entfernten Zeit blieb in meiner Erinnerung die Figur unseres nächsten Nachbars; eines gewissen Martin Petrowitsch Charloff. Dieser Eindruck könnte auch nur l schwer verwischt werden; in meinem ganzen Leben bin ich seitdem etwas Charloff Aehnlichem nicht wieder begegnet. Stellen Sie sich einen Menschen von riesigem Wachse vor. Auf seinem Rumpfe sitzt, ein wenig zur Seite, ohne Andeutung eines Halses, ein ungeheurer Kopf darauf erhebt sich, beinahe von den struppigen Augenbrauen beginnend, ein ganzes Bündel wirrer, gelbgrauer Haare. Die Farbe des Gesichts spielte in’s Aschgraue, die Gesichtshaut schien abgeschunden zu ein. Aus der Mitte desselben ragte, wie eine Beule, eine dicke Nase hervor, blitzten selbstbewußt die blauen kleinen Augen, und öffnete sich der ebenfalls kleine, aber schiefe Mund, gleicher Farbe mit dem Gesichte und mit geborstenen Lippen. Die Stimme, welche diesem Munde entstieg, war zwar ein wenig rauh, dafür aber auch desto kräftiger und lauter . . . Ihr Klang erinnerte an das Klirren von Eisenstangen, die auf schlechtem Pflaster gefahren werden. Charloff’s gewöhnliche Art zu sprechen war daher, als ob er bei starkem Wind über ein breites Thal hin Jemand etwas zuzurufen hätte. Es fiel schwer, den Ausdruck dieses Gesichts zu bestimmen, bei seinen Dimensionen war es mit einem Blicke gar nicht zu umfassen. Abstoßend war er jedoch nicht. Bei allem Sonderbaren und Ungewöhnlichen lag in ihm etwas Imposantes. Was er für Hände hatte, wahre Kissen, und was für Finger, was für Füße! Ich erinnere mich, daß ich ohne respectvolle Angst weder auf seinen drei Ellen breiten Rücken noch aus seine Schulterblätter blicken konnte, die zwei Mühlsteinen glichen. Aber besonders staunte ich über seine Ohren. Sie sahen ganz Bretzeln ähnlich, mit denselben Krümmungen und Biegungen. Von diesen Ohren waren die Wangen ’an beiden Seiten förmlich in die Höhe gepreßt. Martin Petrowitsch trug Winter und Sommer dieselbe Casaquine aus grünem Tuch, um dieselbe einen Tscherkessengürtel geschnallt und bäuerische Stiefel. Ein Halstuch habe ich nie bei ihm gesehen; um was hatte er es auch binden sollen? Er athmete langsam und schwer wie ein Stier, aber bewegte sich ohne Geräusch. Trat er in ein Zimmer, so hätte man glauben mögen, er fürchte, Alles zu zerschlagen und umzustoßen. Er wechselte nur vorsichtig den Platz, meistens sich zur Seite bewegend und gleichsam schleichend. Er besaß eine wirklich herkulische Kraft und genoß in Folge dessen eine große Achtung im ganzen Umkreise: unser Volk liebt es, vor Riesen sich stets zu beugen. Ganze Legenden hatten sich über ihn gebildet: man erzählte, daß, als er einst allein einem Bären begegnete, er denselben niedergerungen, daß, als er in seinem Bienengarten einen Dieb aus einem anderen Dorfe getroffen, er ihn sammt Pferd und Wagen über den Zaun geschleudert habe, und Aehnliches.

Charloff selbst prahlte nie mit seiner Kraft. »Wenn ich eine gebenedeite Rechte habe, so war es Gottes Wille!« sagte er. Er war stolz, aber nicht auf seine Kraft, sondern auf seinen Stand, seine Herkunft, seinen Verstand und seine Menschenkenntniß.

.....

»Es war eine Lection für ihn,« unterbrach Charloff, »dränge dich nicht blindlings heran, frage erst, mit wem du zu thun hast. Er ist noch zu jung, man muß ihn noch belehren!« Der Beamte war gleichen Alters mit Charloff; diesem Riesen galten aber alle Anderen für noch nicht ausgewachsen. Er rechnete zu viel auf sich selbst und hatte entschieden vor Niemandem Angst. »Kann man denn mir etwas anhaben? Wo wird sich auf der Welt ein Mensch dazu finden?« pflegte er zu fragen und ließ dann plötzlich ein kurzes, aber betäubendes Lachen erschallen.

»Ja wohl.«

.....

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