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Um die Mitte des XVI. Jahrhunderts lebten in Ferrara – (das damals unter dem Szepter seiner prachtliebenden Herzöge, der Beschützer der Künste und der Poesie, in hoher Blüte stand) – zwei junge Männer, mit Namen Fabius und Mutius. Gleich an Alter, nahe miteinander verwandt, waren sie fast immer unzertrennlich; eine innige Freundschaft verband sie seit frühester Jugend . . . Dieses Band war auch durch die Ähnlichkeit ihrer Lebensschicksale gefestigt. Beide gehörten alten Geschlechtern an; beide waren reich, unabhängig und ohne Familie; auch hatten sie gleichen Geschmack und verwandte Neigungen. Mutius beschäftigte sich mit Musik, und Fabius mit Malerei. Ganz Ferrara war stolz auf sie, als auf den schönsten Schmuck des Hofes, der Gesellschaft und der Stadt. In ihrem Äußeren waren sie aber unähnlich, obwohl sie sich beide durch schlanke, jugendliche Schönheit auszeichneten: Fabius war etwas größer von Gestalt und hatte ein zartes, weißes Gesicht, blonde Haare und blaue Augen; Mutius dagegen hatte ein braunes Gesicht, schwarze Haare, und in seinen dunkelbraunen Augen lag nicht jener heitere Glanz, und auf seinen Lippen nicht jenes freundliche Lächeln wie bei Fabius; seine dichten Brauen hingen beinahe auf die schmalen Lider herab, während Fabius' goldblonde Brauen in feinen Halbkreisen auf der reinen, glatten Stirne lagen. Auch war Mutius im Gespräch weniger lebhaft; trotz alledem hatten beide Freunde bei Damen den gleichen Erfolg, denn nicht umsonst waren sie Muster ritterlicher Dienstfertigkeit und Freigebigkeit.

Um die gleiche Zeit lebte zu Ferrara eine Edeljungfrau, mit Namen Valeria. Sie galt als eine der ersten Schönheiten der Stadt, obgleich man sie nur selten zu Gesicht bekam: sie lebte sehr zurückgezogen und verließ das Haus nur um in die Kirche, und höchstens noch an großen Feiertagen auf die Promenade zu gehen. Sie lebte mit ihrer Mutter, einer adeligen, doch wenig bemittelten Witwe, deren einziges Kind sie war. Valeria flößte einem jedem, der ihr begegnete, das Gefühl unwillkürlicher Bewunderung und einer ebenso unwillkürlichen, zarten Achtung ein: so bescheiden gab sie sich, sowenig schien sie sich selbst der Macht ihrer Reize bewußt zu sein. Manche fanden sie freilich etwas blaß; der Blick ihrer Augen, die sie fast immer gesenkt hielt, drückte eine gewisse Schüchternheit und sogar Furchtsamkeit aus; ihre Lippen lächelten selten und dann auch nur kaum wahrnehmbar; ihre Stimme hatte selten jemand gehört. Aber es ging das Gerücht, daß diese Stimme sehr schön sei, und daß sie manchmal in ihrer verschlossenen Kammer, früh morgens, wo noch die ganze Stadt schlief, alte Lieder sänge und sich selbst auf der Laute begleite. Trotz ihres blassen Aussehens erfreute sich Valeria einer blühenden Gesundheit, und selbst alte Leute, welche sie sahen, sagten sich unwillkürlich: »O wie glücklich wird der Jüngling sein, für den sich diese unberührte, jungfräuliche Knospe dereinst zur Blüte entfalten wird!«

Das Lied der triumphierenden Liebe

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