Читать книгу Danke, dass wir hier weiterleben dürfen - Jada Grisky - Страница 8

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Vorwort

Ich wurde 1960 in Ruanda geboren und bin auf dem Land aufgewachsen.

Ruanda ist ein idyllisches Fleckchen. Ein zentralafrikanisches Land, im Herzen der Region der großen Seen. Kigali ist die Hauptstadt.

Es ist ein Binnenland mit einer Fläche von 26.338 Quadratkilometern.

Einwohnerzahl: 12.187.400 (Stand 2018, „de.m.wikipedia.org“).

Ich bin Lehrerin von Beruf (Technische Pädagogische Schule).

Fünf Jahre habe ich an einer Schule unterrichtet.

Später machte ich eine Ausbildung zur Sekretärin. Neun Jahre habe ich im Ministerium gearbeitet, bis zum Ausbruch des Völkermordes.

Ich schreibe dieses Buch in Form von Briefen an meine beste Freundin Ciana. Fünfundzwanzig Jahre sind vergangen. Der Bürgerkrieg hat uns getrennt. Die Wurzeln des Konfliktes reichen weit in die vorkoloniale Geschichte zurück. Drei Ethnien bilden Ruandas Bevölkerung. Hutus ca. 85 %, Tutsis 14 % und Twa (Pygmäen-Waldbewohner) 1 % („en.m.wikipedia.org“). Ursprünglich waren Hutu und Tutsi keine getrennten Ethnien, sondern bildeten unterschiedliche soziale Gruppen: Tutsi waren Rinderzüchter und gehörten zur Aristokratie. Hutu lebten vom Ackerbau und waren von den Tutsi abhängig. Eingeführt wurde die Unterscheidung zwischen Hutu und Tutsi von den ersten Missionaren und Kolonialherren. Diese letzteren lassen diese in den Ausweisen schreiben.

Ciana und ich sind zusammen groß geworden. Später haben wir beide geheiratet.

Wir wohnten beide mit unseren Familien in der ruandischen Hauptstadt Kigali. Sie und ihr Mann Charles bekamen zwei Kinder. In das Jahr 1994 war ihre Tochter Beatrice fünf Jahre alt und ihr Sohn Fabrice drei. Ich heiratete Marc. In das Jahr 1994 hatten wir ein Kind, Lucien, der zwei Jahre alt war. Ich war im zweiten Monat schwanger mit Joy.

Ich erzähle meine Freundin, was ich von 1994 bis 2020 erlebt habe. Ich nehme sie mit in mein Tagesgeschehen. Was Kigali betrifft, ist jetzt bekannt für ihrer Sauberkeit – nach außen – für die Touristen. Ansonsten nach fünfundzwanzig Jahre ist der Präsident immer noch derselbe. Der Vorhergehende war ebenfalls lange an der Macht. Er regierte von 1973 bis 1994. Ich habe die Jahre vor und nach dem Völkermord erlebt.

In der Nacht vom 30. September auf den 1. Oktober 1990 begannen vom Nachbarland Uganda, aus bewaffnete Exil-Ruander, einen militärischen Feldzug zum Sturz des seit 1973 herrschenden Habyarimana-Regimes. Es dauerte noch vier Jahre bis zum Ausbruch des Völkermords. Es war eine sehr unruhige Zeit. Viele unschuldige Menschen verloren ihr Leben. In dieser Zeit arbeitete ich als Sekretärin in einem Ministerium. Ich war schon acht Jahre mit Marc verheiratet, der beim Militär war. Wir wohnten im Militärlager.

Am 19. Juli 1994 kam das aktuell herrschende Regime an die Macht. Ich habe auch vier Jahre unter dieser Regierung gelebt. Ich verließ Ruanda mit meinen beiden Kindern Lucien und Joy im März 1999.

Ich gehöre keinem Stamm an. Meine Mutter gehörte zum Stamm der Tutsi und mein Vater zum Stamm der Hutu. Aus diesem Grund gehörte ich von Anfang an in diesem Konflikt nirgendwohin. Ich habe auch nicht versucht, irgendwo hinzugehören. Mein verstorbener Mann Marc, der Vater meiner Kinder, gehörte zum Stamm der Hutu. Wir sind in diesem Konflikt neutral geblieben. Obwohl er Soldat war, blieb er neutral, wodurch er sein Leben riskierte. Die Neutralität hat das Leben meiner Kinder und meines gerettet, aber leider nicht seins!

Ich verteidige weder die damalige noch die jetzige Regierung. Dieses Buch ist ein Ausdruck meiner persönlichen Erlebnisse und Erfahrungen in diesen unterschiedlichen Zeitperioden. Das Buch ist politisch neutral. Aus meiner Sicht fasst ein Satz das Geschehene treffend zusammen: „Das Lied ist das gleiche – nur die Tänzer haben gewechselt.“

Die stärkste Motivation, dieses Buch zu schreiben, ist meine Kinder Lucien und Joy, einen Teil ihrer Kindheit zu erzählen. Ein Teil ihres Lebens ist auch meines und ein Teil meines ist ihres. Mein liebevoller Mann, den ich später heiratete, ist ein Teil unseres Lebens und wir sind ein Teil seines Lebens geworden. Er weiß schon vieles, aber nicht alles ins Detail. Bei unserer Hochzeit war Lucien elf Jahre alt und Joy neun. Für ihn sind Lucien und Joy seine Kinder. Für Lucien und Joy, ist er ihr Vater. Er heißt für sie „Papa“. Von meiner Kindheit hat mir niemand erzählt.

Ich habe auch nie gefragt. Ich habe mich nicht dafür interessiert. Ich wuchs bei den Großeltern auf. Ich hatte keinen Eltern. Ich bin die älteste von fünf Kindern. Meiner Mutter starb früh, ich war acht Jahre alt. Mein Vater ist direkt danach ausgewandert. Ich habe mir gesagt: „Schau nach vorne, baue deine Zukunft auf. Die Vergangenheit ist nicht wichtig!“

Nichts über meine frühe Kindheit erfahren zu wollen, ist einer der größten Fehler, die ich in meinem Leben machen konnte.

Kein Lehrer hat mir gesagt, dass meine Kindheit das Fundament für mein zukünftiges Leben ist. Niemand hat mir gesagt, dass meine Kindheit meine Gesundheit und mein Verhältnis zu meinen Mitmenschen stark beeinflussen wird.

So gut wie nichts zu wissen, hat mir sehr geschadet und später im Leben sehr weh getan. Später tauchten Fragen über mein Leben auf, aber ich konnte keine Antwort finden. Die, die Antworten auf meine Frage hatten, waren entweder geflohen oder tot. Das will ich auf jeden Fall meinen Kindern ersparen. Wenn sie irgendwann in ihrem Leben etwas wissen wollen, haben sie eine Quelle für Informationen. Für meinen Ehemann und jetzigen Vater meiner Kinder sollen diese Details dazu beitragen, die Grenze jedes Einzelnen zu erkennen und zu verstehen. Außer mir gibt es keinen, der diese Informationen geben kann. Ich bin die Einzige, die die Antworten besitzt auf die Fragen, die auftauchen könnten. Bücher sind gute und treue Freunde. Nicht nur unsere Kinder werden von ihrem Leben erfahren, sondern auch die zukünftige Generation.

Danke, dass wir hier weiterleben dürfen

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