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Dritte Szene

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In Lille

Marie. Desportes.

DESPORTES.

Was macht Sie denn da, meine göttliche Mademoiselle?

MARIE

(die ein Buch weiß Papier vor sich liegen hat, auf dem sie krützelte, steckt schnell die Feder hinters Ohr). O nichts, nichts, gnädiger Herr – (Lächelnd.) Ich schreib gar zu gern.

DESPORTES.

Wenn ich nur so glücklich wäre, einen von Ihren Briefen, nur eine Zeile von Ihrer schönen Hand zu sehen.

MARIE.

O verzeihen Sie mir, ich schreibe gar nicht schön, ich schäme mich von meiner Schrift zu weisen.

DESPORTES.

Alles, was von einer solchen Hand kommt, muss schön sein.

MARIE.

O Herr Baron, hören Sie auf, ich weiß doch, dass das alles nur Komplimenten sein.

DESPORTES

(kniend). Ich schwöre Ihnen, dass ich noch in meinem Leben nichts Vollkommeners gesehen habe, als Sie sind.

MARIE

(strickt, die Augen auf ihre Arbeit niedergeschlagen). Meine Mutter hat mir doch gesagt – sehen Sie, wie falsch Sie sind.

DESPORTES.

Ich falsch? Können Sie das von mir glauben, göttliche Mademoiselle? Ist das falsch, wenn ich mich vom Regiment wegstehle, da ich mein Semestre doch verkauft habe, und jetzt riskiere, dass, wenn man erfährt, dass ich nicht bei meinen Eltern bin, wie ich vorgab, man mich in Prison wirft, wenn ich wiederkomme, ist das [8]falsch, nur um das Glück zu haben, Sie zu sehen, Vollkommenste?

MARIE

(wieder auf ihre Arbeit sehend). Meine Mutter hat mir doch oft gesagt, ich sei noch nicht vollkommen ausgewachsen, ich sei in den Jahren, wo man weder schön noch hässlich ist.

Wesener tritt herein.

WESENER.

Ei, sieh doch! gehorsamer Diener, Herr Baron, wie kommt’s denn, dass wir wieder einmal die Ehre haben. (Umarmt ihn.)

DESPORTES.

Ich bin nur auf einige Wochen hier, einen meiner Verwandten zu besuchen, der von Brüssel angekommen ist.

WESENER.

Ich bin nicht zu Hause gewesen, werden verzeihen, mein Mariel wird Sie ennuyiert haben; wie befinden sich denn die werten Eltern, werden die Tabatieren doch erhalten haben –

DESPORTES.

Ohne Zweifel, ich bin nicht bei ihnen gewesen, wir werden auch noch eine Rechnung miteinander haben, Vaterchen.

WESENER.

O das hat gute Wege, es ist ja nicht das erste Mal. Die gnädige Frau sind letzten Winter nicht zu unserm Karneval herabgekommen.

DESPORTES.

Sie befindet sich etwas unpass – Waren viel Bälle?

WESENER.

So, so, es ließ sich noch halten – Sie wissen, ich komme auf keinen, und meine Töchter noch weniger.

DESPORTES.

Aber ist denn das auch erlaubt, Herr Wesener, dass Sie Ihren Töchtern alles Vergnügen so versagen, wie können sie dabei gesund bleiben?

WESENER.

O wenn sie arbeiten, werden sie schon gesund bleiben. Meinem Mariel fehlt doch, Gott sei Dank, nichts, und sie hat immer rote Backen.

MARIE.

Ja, das lässt sich der Papa nicht ausreden, und ich [9]krieg doch so bisweilen so eng um das Herz, dass ich nicht weiß, wo ich vor Angst in der Stube bleiben soll.

DESPORTES.

Sehn Sie, Sie gönnen Ihrer Mademoiselle Tochter kein Vergnügen, und das wird noch einmal Ursach sein, dass sie melancholisch werden wird.

WESENER.

Ei was, sie hat Vergnügen genug mit ihren Kamerädinnen, wenn sie zusammen sind, hört man sein eigen Wort nicht.

DESPORTES.

Erlauben Sie mir, dass ich die Ehre haben kann, Ihre Mademoiselle Tochter einmal in die Komödie zu führen. Man gibt heut ein ganz neues Stück.

MARIE.

Ach Papa!

WESENER.

Nein – Nein, durchaus nicht, Herr Baron! Nehmen Sie mir’s nicht ungnädig, davon kein Wort mehr. Meine Tochter ist nicht gewohnt, in die Komödie zu gehen, das würde nur Gerede bei den Nachbarn geben, und mit einem jungen Herrn von den Milizen dazu.

DESPORTES.

Sie sehen, ich bin im Bürgerskleide, wer kennt mich.

WESENER.

Tant pis! ein für allemal, es schickt sich mit keinem jungen Herren; und denn ist es auch noch nicht einmal zum Tisch des Herrn gewesen, und soll schon in die Komödie und die Staatsdame machen. Kurz und gut, ich erlaube es nicht, Herr Baron.

MARIE.

Aber Papa, wenn den Herrn Baron nun niemand kennt?

WESENER

(etwas leise). Willstu ’s Maul halten? niemand kennt, tant pis wenn ihn niemand kennt. Werden pardonieren, Herr Baron! so gern als Ihnen den Gefallen tun wollte, in allen andern Stücken haben zu befehlen.

DESPORTES.

A propos, lieber Wesener! wollten Sie mir doch nicht einige von Ihren Zitternadeln weisen?

WESENER.

Sogleich. (Geht heraus.)

DESPORTES.

Wissen Sie was, mein englisches, mein göttliches Mariel, wir wollen Ihrem Vater einen Streich spielen. Heut geht es nicht mehr an, aber übermorgen geben sie [10]ein fürtreffliches Stück, »La chercheuse d’esprit«, und die erste Piece ist der »Deserteur« – haben Sie hier nicht eine gute Bekannte?

MARIE.

Frau Weyher.

DESPORTES.

Wo wohnt sie?

MARIE.

Gleich hier, an der Ecke beim Brunnen.

DESPORTES.

Da komm ich hin, und da kommen Sie auch hin, so gehn wir miteinander in die Komödie.

(Wesener kommt mit einer großen Schachtel Zitternadeln. Marie winkt Desportes lächelnd zu.)

WESENER.

Sehen Sie, da sind zu allen Preisen – Diese zu hundert Talern, diese zu funfzig, diese zu hundertfunfzig, wie es befehlen.

DESPORTES

(besieht eine nach der andern, und weist die Schachtel Marien). Zu welcher rieten Sie mir?

(Marie lächelt, und sobald der Vater beschäftigt ist, eine herauszunehmen, winkt sie ihm zu.)

WESENER.

Sehen Sie, die spielt gut, auf meine Ehr.

DESPORTES.

Das ist wahr. (Hält sie Marien an den Kopf.) Sehen Sie auf so schönem Braun, was das für eine Wirkung tut. O hören Sie, Herr Wesener, sie steht Ihrer Tochter gar zu schön, wollen Sie mir die Gnade tun, und sie behalten.

WESENER

(gibt sie ihm lächelnd zurück). Ich bitte Sie, Herr Baron, das geht nicht an – meine Tochter hat noch in ihrem Leben keine Präsente von den Herren angenommen.

MARIE

(die Augen fest auf ihre Arbeit geheftet). Ich würde sie auch zudem nicht haben tragen können, sie ist zu groß für meine Frisur.

DESPORTES.

So will ich sie meiner Mutter schicken. (Wickelt sie sorgfältig ein.)

WESENER

(indem er die andern einschachtelt, brummt etwas heimlich zu Marien). Zitternadel du selber, sollst in deinem Leben keine auf den Kopf bekommen, das ist kein Tragen für dich.

(Sie schweigt still und arbeitet fort.)

[11]DESPORTES.

So empfehle ich mich denn, Herr Wesener! Eh ich wegreise, machen wir richtig.

WESENER.

Das hat gute Wege, Herr Baron, das hat gute Wege, sein Sie so gütig, und tun uns einmal wieder die Ehre an.

DESPORTES.

Wenn Sie mir’s erlauben wollen – Adieu Jungfer Marie! (Geht ab.)

MARIE.

Aber sag’ Er mir doch, Papa, wie ist Er denn auch?

WESENER.

Na, hab ich dir schon wieder nicht recht gemacht. Was verstehst du doch von der Welt, dummes Keuchel.

MARIE.

Er hat doch gewiss ein gutes Gemüt, der Herr Baron.

WESENER.

Weil er dir ein paar Schmeicheleien und so und so – Einer ist so gut wie der andere, lehr du mich die jungen Milizen nit kennen. Da laufen sie in alle Aubergen und in alle Kaffeehäuser, und erzählen sich, und eh man sich’s versieht, wips ist ein armes Mädel in der Leute Mäuler. Ja, und mit der und der Jungfer ist’s auch nicht zum Besten bestellt, und die und die kenne ich auch, und die hätt ihn auch gern –

MARIE.

Papa. (Fängt an zu weinen.) Er ist auch immer so grob.

WESENER

(klopft sie auf die Backen). Du musst mir das so übel nicht nehmen, du bist meine einzige Freude, Narr, darum trag ich auch Sorge für dich.

MARIE.

Wenn Er mich doch nur wollte für mich selber sorgen lassen. Ich bin doch kein klein Kind mehr.

Die Soldaten

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