Читать книгу Wenn der Husten nicht mehr aufhört - Jamie Koufman - Страница 9

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KAPITEL 1

Nicht-pulmonaler chronischer Husten

Chronischer Husten zählt zu den häufigsten Symptomen, derentwegen ein Arztbesuch fällig wird.71 Dennoch erhält ein großer Teil der Betroffenen keine korrekte Diagnose und somit auch keine wirksame Behandlung.1,71-76 Selbst Lungenfachärzte und andere Spezialisten für Atemwegserkrankungen wie Allergologen und HNO-Ärzte stoßen bei chronischem Husten an ihre Grenzen.72-76

Zu den gefährlichen pulmonalen Ursachen für chronischen Husten zählen beispielsweise Tuberkulose, Pneumonie (Lungenentzündung) und Lungenkarzinome. Bei chronischem Husten müssen solche Ursachen zunächst durch einen Arztbesuch und ein Röntgenbild ausgeschlossen werden. Hierzu ist auch ein Hauttest auf Tuberkulose sinnvoll.

Der erste Schritt bei chronischem Husten ist der Ausschluss einer pulmonalen Ursache. „Nicht-pulmonal“ bedeutet in diesem Buch, dass nachweislich keine primäre Lungenkrankheit vorliegt.

Ein großer Patientenanteil in meiner Praxis hat mit hartnäckigem, nicht-pulmonalem chronischem Husten zu kämpfen. In der folgenden Tabelle 1 sind die typischen Ursachen in der Reihenfolge der Prävalenz zusammengefasst. Ergänzend werden diese Diagnosen in Anhang A: Differenzialdiagnose kurz besprochen.

Bei den meisten Hustenpatienten, die von anderen Ärzten an mich verwiesen werden, soll ich einen stillen Atemwegsreflux oder laryngopharyngealen Reflux (LPR) bestätigen oder aber ausschließen. Stiller Reflux ist die bei Weitem häufigste Ursache für einen schwer zu diagnostizierenden chronischen Husten. Die zweithäufigste Ursache ist neurogener Husten. Die Diagnosen 3 bis 7 in Tabelle 1 sind weniger häufig, die Diagnosen 8 bis 13 selten.


Noch einmal: Hier geht es um die nicht-pulmonalen Ursachen von chronischem Husten. Das möchte ich wiederholen, weil pulmonale Ursachen mitunter mehr als einmal ausgeschlossen werden müssen.

Wenn beispielsweise eine Hustenpatientin zur fachärztlichen Beurteilung zu mir geschickt wird und seit Jahren keine Lungendiagnostik durchgeführt wurde, fordere ich zumindest eine Röntgenaufnahme der Brust, einen TB-Hauttest und Lungenfunktionstests an. Außerdem berate ich mich regelmäßig mit einem Pneumologen.

Lungenspezialisten wissen allerdings häufig eher wenig über nicht-pulmonalen chronischen Husten. Das American College of Chest Physicians räumt in seinen Husten-Leitlinien (Management of Cough Clinical Practice Guidelines) ein, dass Diagnose und Behandlung von chronischem Husten nach wie vor eine Herausforderung darstellen.72

Nicht alle diagnostischen Verfahren zur Ermittlung der Ursache von Husten sind bekannt … Häufig ist eine sequenzielle und additive Therapie entscheidend, weil bei Husten vielfach mehr als eine Ursache vorliegt. Unumgänglich für den Erfolg ist eine deutliche Verbesserung oder ein Ende des Hustens. Auf dieser Basis haben sich empirische Behandlungsansätze, die systematisch häufige Ursachen von Husten angehen, als sinnvoll erwiesen und sind somit ein wichtiger Bestandteil des erfolgreichen Vorgehens bei der Diagnose und Therapie von Husten.72

Empirisch behandeln – was bedeutet das? Wenn ein Arzt empirisch vorgeht, verordnet er seinem Patienten beispielsweise bei Verdacht auf einen refluxinduzierten chronischen Husten ein Arzneimittel gegen Reflux. Hört der Husten auf, hat das Medikament die gewünschte Wirkung erzielt.

Bei chronischem Husten wegen Reflux in die Atemwege (Atemwegsreflux) funktioniert dieser empirische Therapieversuch jedoch leider nicht.74,75

Eine alleinige Refluxbehandlung mit Säureblockern (etwa mit PPI, kurz für Protonenpumpen-Inhibitoren oder Protonenpumpenhemmer) ist als Diagnoseverfahren nicht hilfreich. Wenn chronischer Husten auf die Anti-Reflux-Medikation nicht anspricht, schließt das Reflux als Ursache dennoch nicht aus.

Auch der Säuregehalt (pH-Wert) des Refluats2 ist bei refluxinduziertem Husten relativ unwichtig, weil Reflux, der in die Atemwege gelangt, unabhängig von seinem Säuregehalt Husten auslösen kann. Auch das Aspirieren einer kleinen Menge pH-neutralen Refluats kann Husten verursachen.

Was bei der Rolle und Diagnose von Reflux bei chronischem Husten außerdem häufig für Verwirrung sorgt, ist der Umstand, dass die gegenwärtigen Verfahren zur Refluxdiagnostik in Gastroenterologie und HNO-Heilkunde ungenau sind.

Bei der Sichtung meiner pH-Monitoring-Daten fand ich heraus, dass die Vorhersagbarkeit für Atemwegsreflux nur bei 49 Prozent lag, wenn dafür ausschließlich auf den ösophagealen Reflux geschaut wurde.67,69 Bei Verfahren zur gastroenterologischen Refluxdiagnostik (im Magen-Darm-Trakt) fehlen in der Regel die Daten zum pharyngealen Reflux, weshalb eine ösophageale pH-Messung (also in der Speiseröhre) praktisch nutzlos ist.67

Möchten Sie wirklich eine Untersuchung durchführen lassen oder dieser vertrauen, die nicht einmal in der Hälfte der Fälle richtig liegt?

Refluxdiagnostik für die Atemwege

Ein großes Problem beim Thema Reflux ist die Tatsache, dass nur wenige Ärzte in der Lage sind, einen Atemwegsreflux anhand von klinischen Messwerten zu diagnostizieren. Zudem fehlen präzise diagnostische Verfahren. Daher gleicht die Diagnose von Atemwegsreflux nach wie vor einem riesigen schwarzen Loch. Und auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Untersuchungen auf ösophagealen Reflux (Speiseröhrenreflux) reichen nicht aus.

Ergänzend zu den Symptomen und dem Kehlkopfbefund (siehe unten) gehört zur objektiven Diagnostik auch der Nachweis von Säure und/oder Pepsin (dem wichtigsten Magenenzym) im Rachen.2-4, 7 28, 46, 49, 54, 58, 59, 61, 70 Ich untersuche immer beide Parameter.

In meinem Testlabor kommen zwei neue Verfahren zum Einsatz, die speziell für den Nachweis von Atemwegsreflux entwickelt wurden: das High-Definition-lSFET-pH-Monitoring für Atemwege und Speiseröhre und ein Pepsin-Assay einer Speichelprobe.70 Letzteres ähnelt vom Nachweisprinzip einem Schwangerschaftstest und schlägt an, wenn das Magenenzym Pepsin vorliegt.70 Sobald dieses Assay marktreif ist, wird es ein hochsensitiver Test auf Atemwegsreflux sein.4, 70 Je nach Dauer des Genehmigungsverfahrens wird er hoffentlich bald weithin verfügbar sein.

Der Gold-Standard für die Diagnose von Atemwegsreflux sowie dessen Form und Schweregrad ist das ambulante pH-Monitoring.5-7, 25, 45, 67 Davor führe ich stets eine High-Definition-Manometrie von Kehlkopf, oberem Ösophagussphinkter und Speiseröhre durch, mit der die Speiseröhrenfunktion einschließlich Ventilfunktionen und Koordination des Schluckapparats überprüft wird. Diese Druckmessung liefert entscheidende Informationen, die häufig behandlungsrelevant sind.25, 27 Bei vielen meiner Patienten liegt ein Problem mit der Ösophagussphinkterfunktion (also mit den Schließmuskeln am oberen oder unteren Ende der Speiseröhre) oder der Motilität der Speiseröhre vor, was ganz gezielt angegangen werden muss.25,27 Die Manometrie zeigt auch präzise, wo die Sensoren für die pH-Messung sitzen müssen.

Für die Diagnose von Atemwegsreflux sind exakte pH-Daten aus dem Rachen (Pharynx) unverzichtbar.

Dabei kommt es entscheidend auf eine saubere Datenanalyse an, und ich nutze für das pH-Monitoring die besten verfügbaren Sensoren (ISFET).

Die pH-Daten aus meinem unveröffentlichten Artikel zu chronischem Husten zeigen, dass ich ohne die pharyngealen Daten aus der Rachenuntersuchung bei der Mehrzahl der einbezogenen Patienten zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass bei ihnen kein Reflux vorliegt. Würde man nur die Kriterien für gastrointestinalen Reflux heranziehen, also nur die pH-Daten für die Speiseröhre, dann hätte ich zwei Drittel der pH-Werte als „normal“ fehlinterpretiert.1

Tatsächlich lag bei 86 Prozent der Untersuchten ein durch die pH-Messung dokumentierter Atemwegsreflux vor.1 Und wenn man als Schwellenwert einen pH-Wert unter 5 ansetzt (traditionell wäre es ein Wert unter 4), kamen die untersuchten Patienten mit refluxinduziertem Husten im Verlauf von 24 Stunden im Durchschnitt auf mehr als 100 dokumentierte Episoden von pharyngealem Reflux. Das ist ein unbestreitbarer Nachweis von Atemwegsreflux in der Studiengruppe für chronischen Husten.1 (Ich wünschte dieses Refluxdiagnostikverfahren wäre längst weithin verfügbar, aber das ist es noch nicht.)

Klinische Diagnose von Atemwegsreflux

Bei ausreichender klinischer Erfahrung in der Behandlung von stillem Atemwegsreflux lässt sich eine Diagnose bereits anhand von Symptomen und einer Halsuntersuchung stellen.7, 22, 23, 29, 31 Ein besonderes Augenmerk sollte hier dem Kehlkopf gelten, denn dieser dürfte Hinweise auf Reflux liefern, aber viele HNO-Ärzte betrachten solche Befunde als nebensächlich. Ich gebe meine diesbezüglichen Erfahrungen seit Jahren aktiv weiter und machte auch bei meinen Kollegen kürzlich die Probe aufs Exempel mit einer Aufnahme, die eine Refluxlaryngitis zeigte (Abbildung 1A).

Ich fragte die versammelten HNO-Ärzte: „Ist dieser Kehlkopf (Abb. 1A) normal oder auffällig?“ Es antwortete fast niemand. „Liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte heben Sie die Hand, wenn Sie ihn für auffällig halten.“ Erneut gingen nur wenige Hände in die Höhe. „Gut, und wie viele von Ihnen halten diesen Kehlkopf für normal?“ Jetzt hoben sich etliche Hände. Dann zeigte ich die Aufnahme eines normalen Kehlkopfs (Abb. 1B) und verriet, dass es sich hier um dieselbe Patientin nach erfolgreicher Refluxbehandlung handelte.

Fakt ist, dass 95 Prozent meiner HNO-Kollegen nicht wissen, wie Reflux im Hals aussieht. Möglicherweise wissen sie nicht einmal, wie ein gesunder Kehlkopf aussieht (was den Gastroenterologen und Pneumologen ähnlich ergeht), weil Reflux so allgegenwärtig ist.


Es mag sich überraschend anhören, doch diese Kenntnisse werden in der Facharztausbildung nicht unbedingt vermittelt. Deshalb können HNO-Ärzte mit dem Erscheinungsbild von Atemwegsreflux auch oft nichts anfangen. Nachdem ich diese Bilder (Abb. 1) bei diversen nationalen und internationalen Kongressen schätzungsweise 2000 HNO-Spezialisten gezeigt habe, muss ich leider sagen, dass nur sehr wenige HNO-Ärzte den klinischen Befund bei Atemwegsreflux beurteilen können.

Dass die meisten HNO-Ärzte den klinischen Befund von Atemwegsreflux nicht erkennen, ist für Patienten mit chronischem Husten ein ernsthaftes Problem.

Unter Gastroenterologen sieht es noch schlimmer aus. Gastroenterologen untersuchen den Hals meist gar nicht und verfügen über kein Nachweisverfahren für Atemwegsreflux. Sie wissen leider auch fast nichts darüber und manchen Kollegen fällt es schwer, diese Diagnose überhaupt zu akzeptieren. Hinzu kommt, dass Gastroenterologen nach wie vor der Ansicht sind, dass die Diagnostik für ösophagealen Reflux auch bei Patienten mit refluxinduziertem Husten (also Atemwegsreflux) anwendbar ist. Aber die Untersuchung der Speiseröhre auf Atemwegsreflux ist sinnlos.

Um auf die Frage der empirischen Behandlung als Therapieversuch zurückzukommen, so beruht ihr Versagen als diagnostische Maßnahme auch darauf, dass weniger Säure (erhöhter pH-Wert des Refluats) den Atemwegsreflux selbst nicht beendet und dass Anti-Reflux-Medikamente nicht ausreichen, wenn nicht auch entscheidende Lebensstilfaktoren (wie spätes Essen) verändert werden.1, 67

Da bisher noch keine generell verfügbare und zuverlässige Diagnostik vorhanden ist, gilt der kausale Zusammenhang zwischen Atemwegsreflux und chronischem Husten in der medizinischen und wissenschaftlichen Literatur (in der Lungen- und HNO-Heilkunde und Gastroenterologie) bisher als nicht abschließend geklärt.1,72-77 Der einzige Ort, an dem derzeit in den USA spezifische und präzise Atemwegsreflux-Diagnosen durchgeführt werden, ist meines Wissens meine eigene Praxis.

Ehe wir uns näher mit dem Diagnostizieren von chronischem Husten befassen, sei zu erwähnen, dass zwischen Atemwegsreflux, akuten respiratorischen, also Atemwegserkrankungen (ARE), Funktionsstörungen des Vagusnervs und Husten ein enger Zusammenhang besteht.18, 78

Eine virusbedingte Entzündungsreaktion des „Hustennervs“ (Vagus) kann unabhängig von oder in Kombination mit Atemwegsreflux chronischen Husten hervorrufen. Diese Zusammenhänge werden in Kapitel 3: Postvirale Vagusneuropathie genauer untersucht.

Insgesamt versteht das zu sehr in Fachrichtungen aufgeteilte Gesundheitssystem Patienten mit nicht-pulmonalem chronischem Husten nicht ausreichend, und all jene, die für solche Menschen die erste Anlaufstelle sind – Lungenfachärzte, Allergologen, HNO-Spezialisten und Gastroenterologen – sind auf die Diagnose und Behandlung von refluxinduziertem und neurogenem Husten nicht eingestellt. Unabhängig von ihrer Fachrichtung haben die meisten Mediziner nicht die nötige Diagnostik zur Hand, um neurogene Probleme oder Atemwegsreflux zu ermitteln.

Wenn der Husten nicht mehr aufhört

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