Читать книгу Seewölfe - Piraten der Weltmeere 667 - Jan J. Moreno - Страница 7

2.

Оглавление

Die Soldaten sprangen nicht eben sanft mit ihren Gefangenen um. Old Donegal schimpfte und zeterte, aber keiner der Kerle reagierte darauf. Zumindest wurden sie zu dem Haus geschleppt, das Old Donegal längst als Sitz der Hafenkommandantur erkoren hatte.

„Das hätten diese Burschen einfacher haben können“, maulte er. „Ein Wort von ihnen, und wir wären freiwillig mitgegangen.“

„Andere Sorgen hast du nicht?“ fragte Mac O’Higgins.

Old Donegal schüttelte demonstrativ den Kopf. „Mein Zweites Gesicht verrät mir, daß wir nichts zu befürchten haben. Der Hafenkommandant ist ein weltoffener Mann mit Verständnis für unsere Lage. Er wird uns glauben, daß wir reingelegt wurden.“

„Du irrst dich nicht?“ fragte Paddy Rogers skeptisch. Immerhin stand es mit Old Donegals Prophezeiungen selten zum besten.

„Wäre ich sonst an Land gegangen, Paddy? Ich habe alles genauso vorhergesehen. Vergangene Nacht träumte ich, daß wir im Palast des Herrschers von Bombay fürstlich bewirtet würden.“

Der Hafenkommandant, dem sie wenig später gegenüberstanden, hieß Jawaharlal Cankuna.

Er war ein älterer, glatzköpfiger Mann mit faltenreicher Stirn und stechendem Blick. Seine hagere, kleine Gestalt versuchte er durch Wortgewalt und Lautstärke aufzubessern.

Mac O’Higgins warf Paddy einen bedeutungsvollen Blick zu.

„Aufstellen!“ herrschte Cankuna die Gefangenen in reinem Portugiesisch an. „Mit dem Rücken zur Wand. Wer redet, ohne gefragt zu sein, dem lasse ich die Zunge herausschneiden.“

Mehrmals schritt er vor den vier Arwenacks auf und ab. Abrupt hielt er dann inne und bohrte Old Donegal den Griff der kurzen Peitsche zwischen die Rippen, die bislang an seinem Gürtel gebaumelt hatte.

„Du kennst die Strafe, die über Mörder verhängt wird?“ Das war mehr eine Feststellung als eine Frage.

„Keiner von uns ist ein Mörder“, widersprach der Admiral.

„Behauptest du, Kandur Singh, der Zollbeamte, wäre nicht an einem Pfeil im Rücken gestorben, nachdem er euer Schiff verlassen hatte?“

„Nein, aber …“

„Schweig!“ Der Peitschengriff klatschte gegen Old Donegals Hals und entlockte ihm ein gequältes Stöhnen.

Der Inder baute sich vor Paddy Rogers auf.

„Wer hat Kandur Singh getötet?“

„Keiner von uns. Wären wir sonst nach Bombay zurückgekehrt?“

Jawaharlal Cankunas Mundwinkel zuckten nervös.

„Lügner!“ Er schnaubte ungehalten.

„Senhor“, sagte Don Juan. Sofort wandte sich der Kommandant ihm zu.

„Denk an deine Zunge“, sagte er warnend. „Du bist Portugiese?“

„Spanier, Senhor.“

„Du willst dein Gewissen erleichtern? Das ist gut, sonst werden dich die Götter in deinem nächsten Leben mit Aussätzigkeit bestrafen.“ Als Don Juan zögerte, herrschte Cankuna ihn scharf an: „Hat es dir die Sprache verschlagen, Spanier? Oder zögerst du aus Furcht, deine Tat eingestehen zu müssen?“

„Der Mörder lebt nicht mehr“, sagte Don Juan. „Er hat versucht, Kapitän Killigrew und seine Mannschaft in ein denkbar schlechtes Licht zu rücken, aber es ist ihm nicht gelungen.“

„O doch, er hatte Erfolg“, erwiderte Jawaharlal Cankuna. „Dein Winseln um Gnade ist abscheulich.“

Wieder holte er mit seiner Peitsche aus. Aber dann ging alles blitzschnell.

Don Juan de Alcazar umklammerte das Handgelenk des Inders mit der Linken, bog ihm den Arm auf den Rücken und zog ihn zugleich so eng an sich, daß die Soldaten nicht anzugreifen wagten. Mit der rechten Hand riß er Cankuna den Krummdolch aus dem Gürtel und setzte ihm die Klinge an die Kehle.

„Sag deinen Männern, sie sollen zurückbleiben!“ befahl er.

Jawaharlal Cankuna rief einige Worte, die Don Juan nicht verstand.

„Nun ist alles aus“, sagte Old Donegal. „Oder glaubst du, daß die Burschen noch jemals Handel mit uns treiben? Wir können froh sein, wenn wir mit heiler Haut den Hafen verlassen.“

„Wir liefern ihnen doch damit nur den Beweis für unsere Schuld“, knurrte Mac O’Higgins.

Lediglich Paddy Rogers sagte kleinlaut: „Don Juan wird schon wissen, was er tut.“

„Zum Kai!“ bestimmte der Spanier und schob Cankuna mit sanftem Druck vor sich her.

Die Soldaten wichen zur Seite. Ihre Blicke verrieten mühsam unterdrückten Zorn. Aber sie wagten nicht, anzugreifen.

Old Donegal stieß die nach draußen führende Tür auf. Er dachte nicht daran, den Uniformierten die Waffen abzunehmen, das taten Mac O’Higgins und Paddy Rogers dafür um so ausgiebiger. Jeder der beiden hatte anschließend mehrere Krummdolche im Gürtel stecken und hielt Speere und Säbel in Händen. Derart gerüstet, fühlten sie sich offenbar allen Unwägbarkeiten gewachsen.

Don Juan blieb unter der offenen Tür stehen. Der Dolch lag unverändert an Cankunas Kehle. Doch plötzlich senkte er die Klinge, drehte sie in der Hand um und hielt dem völlig überraschten Kommandanten den Knauf hin.

„Sie glauben, wir hätten den Zöllner getötet“, sagte er. „Nehmen Sie Ihren Dolch, und denken Sie darüber nach, warum ich Ihnen nicht die Kehle durchgeschnitten habe. Wir wollen unsere Unschuld beweisen, doch das können wir nur, wenn Sie wirklich gewillt sind, uns zuzuhören.“

Jawaharlal Cankunas Miene wirkte verschlossen. Für einen Augenblick sah es so aus, als wolle er Don Juan den Dolch zwischen die Rippen stoßen, dann schob er die Klinge hinter seinen Gürtel.

„Nehmt den Plunder auch zurück!“ Paddy Rogers entledigte sich ebenfalls sämtlicher Waffen und warf sie vor sich auf den Boden.

„Du hättest mich töten können“, sagte Cankuna. „Damit wäre allerdings dein Schicksal besiegelt gewesen. Mag sein, daß du die Wahrheit sprichst – vielleicht lügst du aber auch sehr geschickt. Nenne mir eine Möglichkeit, das zu überprüfen.“

„Begleiten Sie uns auf unser Schiff, Kommandant!“ entgegnete Old Donegal. „Dort können Sie sich mit eigenen Augen überzeugen, daß wir Bombay anliefen, um Handel zu treiben.“

Die Soldaten bemannten zwei Einmaster und nahmen die Jolle der Arwenacks in Schlepp.

„Ich traue diesem Cankuna nicht über den Weg“, sagte Higgy unumwunden. „Der gibt seine vorgefaßte Meinung nicht auf.“

„Warum unterzieht er sich dann überhaupt der Mühe und setzt zur Schebecke über?“ fragte Don Juan.

O’Higgins zuckte mit den Schultern.

„Was weiß ich“, brummte er. „Vielleicht hofft er, das Schiff im Handstreich zu erobern.“

„Eine blutige Nase kann er sich holen, mehr nicht“, sagte Paddy Rogers.

„Das wäre kaum eine Lösung.“

Old Donegal blickte zur Schebecke, die noch etwa dreißig Yards voraus lag. Da der Wind drehte, schwoite der Dreimaster langsam um das Ankertau.

„Hoffentlich hat sich Hasard inzwischen einiges einfallen lassen“, murmelte der Alte. „Jede Wette, daß Cankuna zielstrebig auf die versteckten Waffen zugeht.“

„Jetzt sieh dir das an“, sagte Higgy verblüfft. „Mac Pellew kippt die Kombüsenabfälle über Bord und bemerkt uns nicht mal. Der Kochdunst hat ihm wohl die Augen vernebelt.“ Er unterbrach sich und leckte sich genußvoll über die Lippen, weil Bratduft von der Schebecke herüberwehte.

Der Dreimaster lag offenbar verlassen vor Anker. Mit Ausnahme des zweiten Kochs war niemand an Deck zu sehen. Don Juan konnte sich eines unguten Gefühls nicht erwehren.

Endlich erschien Dan O’Flynn hinter dem Schanzkleid der Kuhl. Er winkte.

„Hallo!“ rief er. „Alles wohlauf?“

„Die Herrschaften wollen an Bord“, erwiderte Old Donegal. „An unserer Unschuld bestehen gewissen Zweifel.“

Während Dan die Jakobsleiter ausrollte, tauchten weitere Gesichter hinter der Verschanzung auf. Sogar der Profos hatte seine freundlichste Miene aufgesetzt.

Mit knappen Befehlen hetzte der Hafenkommandant die Soldaten an Deck. Er selbst folgte ihnen weitaus bedächtiger. Nichts schien seiner Aufmerksamkeit zu entgehen.

Auch die Jolle schor längsseits. Mac O’Higgins griff nach einem herabhängenden Belegtau.

Es gab eine kurze Verzögerung, als Don Juan und Old Donegal sich kabbelten, wer zuerst die Jakobsleiter aufentern dürfe. Der Spanier hielt zwar schon die erste Sprosse fest, doch Donegal drängte ihn zur Seite.

„Weisheit vor Jugend“, sagte der Alte schroff, weil ihm wer weiß was für eine Laus über die Leber gelaufen war.

„Schlechte Laune?“ fragte Don Juan.

Old Donegal brummelte etwas Unverständliches vor sich hin.

Der lachende Dritte war Paddy Rogers. Obwohl sonst eher schwerfällig im Denken, zwängte er sich zwischen den beiden durch und enterte die Jakobsleiter auf.

Auf der Höhe der Rüsten verharrte er kurz.

„Du magst die Fischchen nicht, die da ihre Kreise ziehen“, sagte er. „Deshalb willst du nach oben. Ist es nicht so, Mister O’Flynn?“

Zwei Dreiecksflossen hielten auf das Heck der Schebecke zu. Die Haie witterten Mac Pellews Abfälle.

„Dieser Jawaha – Jawa…“ Old Donegal wischte sich ärgerlich übers Gesicht. „Die Inder werden denken, wir hätten die Biester absichtlich angelockt.“

„Die waren schon hier im Hafen“, erwiderte Don Juan, mit den Schultern zuckend. „Also, was soll’s, warum zerbrichst du dir den Kopf? Oder hast du böse Vorahnungen?“

„Die hat Donegal doch immer“, spottete Higgy. „Es wäre seltsam, wenn’s anders wäre.“

Die Soldaten würden das Schiff durchsuchen, soviel stand fest. Dabei durften sie die Musketen und Pistolen ruhig finden. Ebenso die Blankwaffen. Daran war nichts Ehrenrühriges.

Nur Batutis und Big Old Shanes Langbogen aus guter englischer Eibe mußten verschwinden. Ebenso die Pfeile. Den Indern zu erklären, daß der Zöllner nicht mit einem solchen Bogen ermordet worden war, würde schwerfallen.

„Müssen die Kerle ausgerechnet jetzt antanzen?“ maulte Mac Pellew, während er die Kombüsenabfälle über Bord kippte. „Der Braten ist so saftig wie ein Lendenstück, aber er verbrennt, wenn wir ihn länger auf dem Feuer lassen.“

„Nimm den Topf einfach vom Herd“, riet der Profos.

Mac Pellew warf ihm einen Blick zu, als habe er soeben festgestellt, daß das ganze Essen versalzen sei.

„Dann wird das Fleisch kalt“, sagte er.

„Die Inder bleiben nicht lange“, behauptete Carberry.

„Woher willst du das wissen?“

„Weil ich es sage, darum.“

Mac Pellew wurde ärgerlich: „Ich denke nicht daran, den Braten in einigen Stunden aufzuwärmen. Die Gewürze verlieren ihr Aroma, wenn sie zu lange im Saft quellen, außerdem wird das Fleisch zäh.“

„Das glaube ich nicht“, sagte der Profos.

„Bin ich Koch – oder du?“ protestierte Mac Pellew.

„Ich werde den Kutscher fragen.“ Carberry wurde das unbestimmte Gefühl nicht los, daß der Zweitkoch lediglich keine Lust hatte, den Herd später noch mal anzuheizen. Mac Pellew war schon gestern griesgrämig und leicht reizbar gewesen, er war sich zur Zeit selber nicht gut.

„He!“ rief Carberry hinter ihm her. „Ich frage mich, was bald ungenießbarer ist: dein Essen oder du selbst.“

Der Koch schlug das Schott zur Kombüse so heftig hinter sich zu, daß es beinahe aus den Angeln fiel. Einige Männer auf der Kuhl lachten verhalten. Trotzdem war ihnen anzumerken, daß sie der Konfrontation mit den Indern mit gemischten Gefühlen entgegensahen.

Schließlich hatten sie den langen Törn rund um Afrika und quer durch das Arabische Meer nicht auf sich genommen, um von einer Enttäuschung in die andere zu stolpern. Einige begannen sich wohl schon zu fragen, ob an Indiens Westküste für England überhaupt noch Handelsbeziehungen zu knüpfen waren.

„Kopf hoch!“ rief der Profos halblaut. „Wir sind keine schlechteren Händler als Korsaren.“

Die Einmaster waren fast heran. Edwin Carberry ließ seinen Blick noch mal über den Hafen schweifen. Er war überzeugt, daß die Portugiesen mittlerweile ihre Kanonen ebenfalls klariert hatten. Falls die Inder Ärger vom Zaun brachen, würde es bald heiß hergehen. Man brauchte kein Hellseher zu sein, um zu wissen, auf wessen Seite die Portus standen.

Am Kai zogen weitere Soldaten auf. Kleine Boote, jedes an die zehn Mann fassend, verholten an den Liegeplatz in der Nähe der Hafengebäude.

Mehrere hundert Yards zur Rechten, wo Fischerkähne dümpelten und Netze zum Trocknen aufgehängt waren, legte soeben eine Jolle ab. Ein Kind pullte das Boot, das sich wegen der auflaufenden Flut entsprechend schwerfällig von der Kaimauer löste.

Der Profos wandte seine Aufmerksamkeit wieder wichtigeren Dingen zu. Soeben betrat der Hafenkommandant das Deck der Schebecke. Jawaharlal Cankuna verbreitete zwar eine Aura der Überheblichkeit, aber seine Statur entlockte Carberry nur ein müdes Grinsen. Wenn es nötig wurde, rammte er den Kommandanten mit einem einzigen Hieb ungespitzt durch die Planken.

Er hatte den Gedanken kaum zu Ende gebracht, da legte sich besänftigend eine Hand auf seine Schulter.

„Halte dich zurück, Mister Profos!“ raunte Ben Brighton. „Wir wollen Mißverständnisse ausräumen und nicht neue schaffen. Das ist hoffentlich klar.“

Carberry nickte stumm. Vorsichtshalber schob er seine Pranken halb hinter den Gürtel. Dann geriet er nicht so schnell in Versuchung, die Soldaten vom Profoshammer kosten zu lassen. Die führten sich auf, als hätten sie die Schebecke bereits im Handstreich erobert.

Überall stöberten sie herum, rissen die Persennings von den Culverinen und durchwühlten sogar sauber aufgeschossene Taue. Die Decks würden hinterher einem Saustall gleichen, wie er selbst nach einem heftigen Sturm nicht schlimmer sein konnte.

Den Arwenacks juckte es gehörig in den Fingern, aber sie mußten sich wohl oder übel zurückhalten. Die königliche Lissy wollte Handelsbeziehungen mit Indien anknüpfen, und sie sollte ihren Willen haben, selbst wenn dessen Erfüllung mit noch so vielen Unannehmlichkeiten verbunden war.

Carberry setzte sich auf die kieloben auf der Kuhl vertäute Jolle und ließ die Beine baumeln.

Rotköpfigen Ameisen gleich, wimmelten die Inder an Deck herum. Hasard redete mittlerweile eindringlich auf Cankuna ein, ohne daß sich dessen ablehnende Haltung jedoch änderte. Vielleicht war der Hafenkommandant von den Portugiesen beeinflußt und suchte nur nach einer Möglichkeit, die unliebsamen Inglès wieder loszuwerden.

„Affenärsche“, murmelte Carberry vor sich hin. „Allesamt.“

Von der Back her erklang wüstes Schimpfen. Es war unverkennbar Mac Pellew, der sich gehörig aufregte. Wahrscheinlich hatten ihm die Soldaten in die Töpfe geguckt, und das konnte er absolut nicht verknusen.

Carberry versteifte sich, als zwei weitere Inder in der Kombüse verschwanden. Die Feindseligkeit wurde deutlich spürbar, die Arwenacks wechselten vielsagende Blicke und rückten näher zusammen.

„Beherrscht euch!“ rief Hasard warnend. „Denjenigen, der als erster zuschlägt, knöpfe ich mir persönlich vor.“

Plötzlich stand einer der Turbanträger vor dem Profos und herrschte ihn an.

„Schönes Wetter“, sagte Carberry lächelnd. „Heute regnet es wenigstens nicht.“

Abgesehen davon, daß der Inder ihn nicht verstand, wollte er etwas ganz anderes. Er packte den Profos am Hemd und zerrte ihn von der Jolle herunter, Carberry verfärbte sich puterrot, seine Gesichtszüge wirkten plötzlich wie gemeißelt – doch er beherrschte sich mustergültig. Statt seine Fäuste sprechen zu lassen, hob er die Jolle sogar an.

Der Inder hatte Platz genug, sich darunter umzusehen, und er tat das ziemlich ausgiebig. Als er sich endlich wieder aufrichtete und dem Profos zunickte, perlte Schweiß auf dessen Stirn.

„Zufrieden, du Affenarsch?“ fragte er grollend. „Willst du die Schebecke ebenfalls von unten betrachten? Ich werfe dich gern über Bord, du mußt es nur sagen.“

Die Antwort des Inders, der kurz darauf unter Deck verschwand, blieb unverständlich.

„Du mich auch!“ rief Carberry hinter ihm her. „Sooft du willst!“

Er drehte sich einmal um sich selbst. An Deck hielten sich zur Zeit der Hafenkommandant mit dem zungenbrecherischen Namen und vier seiner Kerle sowie die halbe Mannschaft auf. Alle anderen Inder waren über die Niedergänge im Schiffsinneren verschwunden. Wonach sie suchten, war weiß Gott nicht schwer zu erraten.

Edwin Carberry gähnte demonstrativ. Gelangweilt blickte er über die Hafenbucht.

Rund zweihundert Yards entfernt, zog der Junge in der Jolle, soeben die Riemen ein. Das Boot schwankte leicht, als er zum Heck kletterte und dort eine Weile hantierte. Der Profos konnte nicht erkennen, was er tat, aber daß er im Umgang mit einer Jolle wenig Erfahrung hatte, wurde deutlich. Um ein Haar wäre das Bürschchen außenbords gegangen, als es sich aufrichtete und eine Angelschnur auswarf.

Der eigene Schwung beförderte den Jungen wieder auf die mittlere Ruderbank zurück. Carberry schätzte sein Alter auf zehn oder elf Jahre.

Unter Deck wurden aufgeregte Stimmen laut. Jemand schrie eine Reihe von Befehlen.

Prompt zogen die Soldaten ihre Säbel und bedrohten die ihnen am nächsten stehenden Arwenacks.

Auch der Seewolf spürte plötzlich eine kalte, rasiermesserscharfe Klinge an seinem Hals. Jawaharlal Cankuna funkelte ihn zornig an.

„Du bist ein Mörder, Kapitän, und außerdem ein schlechter Lügner. Dein Schiff geht hiermit in den Besitz des Maharadschas über. Falls deine Männer Widerstand leisten, werden sie auf der Stelle hingerichtet.“

„Das muß ein Mißverständnis sein“, sagte Hasard, der sich nicht erklären konnte, was geschehen war. Die Inder hatten die beiden Langbogen bestimmt nicht gefunden, die in der Bilge unter allerlei Unrat verborgen worden waren.

In dem Moment kletterte einer der Soldaten aus der Laderaumluke auf die Kuhl und reichte dem Hafenkommandanten einen mit einer leeren Pulverhülse präparierten Pfeil.

„Verdammt!“ entfuhr es Big Old Shane. „Das Ding haben wir übersehen.“

Jawaharlal Cankuna war zufrieden.

„Der Beweis ist eindeutig“, sagte er zu Hasard und befahl seinen Männern, die Engländer zu fesseln und abzuführen.

Keiner der Arwenacks muckte dagegen auf. Ihnen war klar, daß Hasard sonst als erster unter der blitzenden Klinge des Hafenkommandanten starb.

Diesmal hatten sie sich selbst in eine ziemlich unangenehme Situation manövriert.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 667

Подняться наверх