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Dafür stirbt man nicht

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Der Himmel färbt sich blutrot, gleicht einem riesigen Feuer, das langsam erlöschend aus der Glut seine Strahlen schickt. Mit der sinkenden Sonne beginnt die zweite Hälfte im Leben der Menschen, der Feierabend.

Frau Kommer steigt die Treppe in den zweiten Stock ihres Wohnhauses hinauf. Es gibt keinen Fahrstuhl in dem alten Haus, dafür sind die Mieten billig. Wichtig auch für die jungen Leute. Frau Kommer liebt diese jungen Mitbewohner, sie bringen Leben in die Einsamkeit ihrer alten Tage.

Wie heute durch ein Paket, das bei ihr abgegeben wurde. Sie wird es, vielleicht mit einem Kaffee oder Glas Wasser und einem kleinen Gespräch übergeben.

Vor der Tür mit dem Namensschild „Feiermann“ bleibt sie stehen. Wie so oft denkt sie, bevor sie klingelt, daß der Name Josef Feiermann gar nicht zu ihm paßt. Und wie jedes Mal wird sein Erscheinen an der Tür diese Meinung verstärken. Groß und schlank, modern gekleidet, Jeans und T-Shirt gehen ja noch, obwohl sie Schlips und Kragen vorzieht, aber als sie ihn im taillierten Rüschenhemd sah, sie schüttelt in Erinnerung den Kopf.

Schön ist er, geht es ihr durch den Sinn, seine blauschwarzen Haare, seine Augen mit der Farbe des Meeres in der Abenddämmerung.

Frau Kommer seufzt während sie den Klingelknopf betätigt. Die Mädchen machen es ihm leicht und sie kann es verstehen.

Durch die geschlossene Tür dringt aus der Wohnung viel zu laute Musik. Er ist Student, er sollte lieber lernen, aber was geht es sie schließlich an.

Sie läutet noch einmal, länger. Es rührt sich nichts. Frau Kommer will schon umdrehen, wartet noch und sieht einen offenen Spalt. Warum hatte sie es nicht gleich bemerkt?

Vorsichtig schiebt sie die Tür ein wenig mehr auf „Herr Feiermann?“ Sie erhält keine Antwort. „Herr Feiermann!“ ertönt ihre Stimme jetzt lauter als vorher während sie den Vorraum betritt. Die Musik schlägt ihr jetzt voll entgegen. Sie geht ein paar Schritte durch den Flur. Auch die Zimmertür ist offen, sie tritt ein.

Ihr Fuß halb erhoben, stockt, sinkt zurück auf den Boden. In lautlosem Entsetzen starrt sie in das sie seltsam erstaunt, ungläubig ansehende Gesicht des toten Studenten.

Frau Kommer reglos, wie die Gestalt vor ihr auf dem Boden, nur ihre Augen wandern bis zum großen, roten Fleck auf der Brust des jungen Mannes. “Herr Feiermann“ ihre Stimme klingt flüsternd heiser.

Als die Mordkommission eintrifft sitzt sie zusammengesunken auf ihrem Lehnstuhl in ihrer eigenen Wohnung. Das Alter hat sie endlich doch erreicht, vollkommen.

Ihr faltiges Gesicht ist weiß, ihre Hände zittern. Doch ruhig beginnt sie zu erzählen. Für ein paar Augenblicke ist es still im Raum, so still wie in einem Totenhaus.

„Danke Frau Kommer“, Worte des Kommissars, die das Leben zu der alten Frau zurückgeholt haben.

„Können Sie uns etwas über Feiermanns Freunde, oder Gewohnheiten sagen? Sie haben doch sicher das eine oder andere gehört“ versucht Kommissar Rau das Gespräch fortzuführen.

„Ich möchte niemanden belasten, Herr Kommissar, verstehen Sie mich richtig, es sind so viele junge Leute hiergewesen.“

Nach kurzem Schweigen: „Feinde hat er nicht gehabt, bestimmt nicht. Er war sehr beliebt, denke ich. Er hatte wohl viel Geld. Er muß es gehabt haben, immer hatte er neue Sachen an. Vielleicht hatte er eine reiche Freundin.“

„Warum glauben Sie, daß er ein reiches Mädchen hatte?“

„Ich habe sie gesehen, nicht oft. Sie war so vornehm, so elegant. Beschreiben kann ich sie nicht. Sie hatte immer eine große Sonnenbrille auf und einen Hut. Man hat nicht viel vom Gesicht gesehen.“

„und so ein bißchen?“ fordert der Kommissar fragend auf.

„Sie war groß und blond und schlank und………..“

Ein Leuchten geht über das alte Gesicht, aus Freude helfen zu können: „sie hat ein Muttermal, einen großen runden Punkt auf der rechten Wange.“

„Sonst gibt es nichts, was Sie noch sagen könnten?“ Rau lächelt.

„Es kamen immer Freunde, aber die kommen schon lange. Von denen wars keiner, bestimmt nicht.“

„Danke Frau Kommer“

„Die alte Frau wird sichtlich verlegen „Ich hab Ihnen gar nichts angeboten, Herr Kommissar, einen Kaffee, oder Wasser?“

„Nein danke, vielen Dank Frau Kommer“

Noch einmal beginnt die alte Frau: „ich weiß nicht ob es wichtig ist. Es gab da ein Mädchen. Sehr nett, wirklich, sie war immer freundlich. Sie hat für ihn geputzt, gewaschen und manchmal gekocht und oft mit mir geplaudert. Sie hat auch studiert, Lehrerin, und dann hab ich sie nicht mehr gesehen. Es ist so drei oder vier Monate her. Dann kam die Andere. Jetzt hab ich wirklich alles gesagt.“

„Namen wissen Sie nicht Frau Kommer?“

„Doch Karin hieß das Mädchen. Die Andere weiß ich nicht, Karin Birkner, von den Jungen weiß ich nichts, Peter und Fred hab ich mal gehört, Nachnamen nicht.“

„Nochmals, danke Frau Kommer, Sie haben uns wirklich sehr geholfen.“

Schon auf der Treppe im Hausgang, stoppt Rau noch einmal: etwas habe ich vergessen, was hat Herr Feiermann studiert?“

„Rechtsanwalt. Herr Kommissar. Manchmal, wenn er gute Laune hatte, haben wir über Recht gesprochen und manchmal über Richter. Es war sehr interessant. Ich habe ihm lange zuhören können.“

Noch am selben Tag sitzen Feiermanns Freunde dem Kommissar gegenüber. Es sind junge, sehr angenehme Menschen. Sie haben Alibis für die Tatzeit, es gibt keine Zweifel, keine Widersprüche. Nichts was irgendwie auf ein Motiv hindeuten könnte. Aber sie wissen den Namen und die Adresse der „Freundin“.

Nachrichten und Presse berichten, ärgerlich schiebt Rau die Zeitung beiseite, es ist zu früh und paßt nicht in sein Konzept. Alles hat auch etwas Gutes, die Meldung erspart ihm einen Weg. „Sana Walter“ hat sich gemeldet.

In den Raum tritt ein hochgewachsenes, schönes Mädchen im weißen Hosenanzug. Fast streng das blonde Haar hochgesteckt. Eine riesige Sonnenbrille verdeckt die Augen. Ein runder, schwarzer punkt ziert die rechte Wange.

„Bitte setzen Sie sich Frau Walter.“ Rau weist auf den Stuhl ihm gegenüber.

„Danke“ klar und deutlich die Stimme der jungen Frau: „ich komme wegen Herrn Feiermann. Sie fährt fort, allerdings ist die Stimme jetzt mühsam beherrscht: „Er wurde ermordet, warum? Von wem?“

„Wann haben Sie Herrn Feiermann zuletzt gesehen?“ unterbricht Rau

„Gestern morgens in der Uni, wir sind im gleichen Semester. Wir haben uns da kennengelernt.“

„Wie war Ihre Beziehung zu ihm“ Rau´s Frage bleibt kurz unbeantwortet

Dann sagt sie leise: „wir haben uns geliebt, Herr Kommissar.“

„Wo waren Sie gestern zwischen 15 und 17 Uhr?

„Zuhause. Wir hatten eine Familienfeier. Mein Vater hatte Geburtstag. Ich war ab mittags bis heute morgen zu Hause, die Stimme zittert, die junge Frau versucht Tränen zu unterdrücken.

„Danke für Ihr Kommen, Frau Walter“ beendet Rau das Gespräch und begleitet sie zur Tür.

Eigentlich hatte er nichts anderes erwartet. Hier kam er nicht weiter. Dem Mädchen nachsehend sagte er zum eintretenden Kollegen: „wir haben noch Karin Birkner, kommen Sie“

Nur wenig später läuten die Beiden an der Wohnungstür „Birkner“. Nach dem dritten vergeblichen Läuten wenden sich die Beamten zum Gehen als

„Die Birkner ist in der Klinik“

Die Kommissare wenden sich der Stimme zu, die aus der Tür gegenüber aus einem Gesicht, bedeckt mit weißer Creme, ertönt, das auch schon wieder verschwunden ist. Erwidern oder fragen können sie nichts.

Sie müssen läuten.

Durch die geschlossene Tür werden sie mit „ach so, im Städtischen“, abgespeist.

Ein wenig unbehaglich ist es den Männern, als sie die Stationsschwester nach der Patientin „Birkner“ fragen. Und sie werden erst in ein kleines Besuchszimmer geführt.

Einige Augenblicke später erscheint Dr. Böhm: „ich habe Sie erwartet“, beginnt er. „Karin Birkner, hat nach ihnen verlangt. Sie steht unter Schock, bitte nehmen Sie darauf Rücksicht.“ Böhm begleitet die Beamten ins Krankenzimmer. Karin Birkner liegt allein. Ihr Gesicht ist schneeweiß unendlich traurig und müde die Augen. Die Augen einer alten Frau im Gesicht eines Kindes.

„Frau Birkner……………

Doch sie beginnt zu sprechen, monoton und leise kommen die Worte: „ich wollte nur mit ihm reden. Er ließ mich ungern herein. Noch bevor ich etwas sagen konnte, zischte er: „Es gibt nichts mehr zu sagen, hörst du. Ich werde dir Geld geben, Du brauchst nicht zu verhungern, aber mehr ist nicht drin, ist das endlich klar“

„Ich griff hinter mich. Ich erinnerte mich, daß er einen Revolver im Schreibtisch hat, er lag da, griffbereit. Ich nahm ihn und hielt ihn an meine Brust.“

„Mach kein Theater“, schrie er: „dafür stirbt man nicht!“

„Seine Worte waren wie Peitschenhiebe: „Verschwinde, verschwinde endlich!“

„Sein Gesicht war zornrot, dann weiß: „mein Gott, hört denn das nie auf schrie er, raus, hau ab“

„Ein Schuß fiel, ich merkte, daß er wankte. Ich fühlte einen starken Schmerz, noch einen……..

Er fiel, aber meine Schmerzen waren so stark. Ich weiß nicht mehr wie ich auf die Straße kam“

Karin Birkner schweigt. Sie hat so plötzlich abgebrochen wie sie angefangen hatte, starrt nur noch vor sich hin. Ihre Augen sind auf die Männer gerichtet, aber sie scheint durch sie hindurch zu sehen.

„Kommen Sie“, sagt Dr. Böhm leise, „die Patientin braucht Ruhe. Noch weiß sie nicht einmal, daß sie ihr Baby verloren hat.“

Wer gießt die Blumen wenn es nicht regnet

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