Читать книгу Die Abtei von Northanger - Джейн Остин, Сет Грэм-Смит, Jane Austen - Страница 4

Zweites Kapitel

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Zur Ergänzung dessen, was bereits über Catherine Morlands persönliche und geistige Gaben zu Beginn ihres sechswöchigen Aufenthalts in Bath und seinen Schwierigkeiten und Gefahren gesagt wurde, soll zur genaueren Unterrichtung des Lesers noch erwähnt werden, daß sie ein liebevolles Herz besaß. Ihr Wesen war heiter und offen, ohne Überheblichkeit und Geziertheit und hatte soeben erst die Unbeholfenheit und Schüchternheit des Schulmädchens abgestreift. Ihr Äußeres war gefällig und an guten Tagen sogar niedlich. Sie war ebenso unwissend und unberührt, wie die weibliche Seele mit siebzehn Jahren zu sein pflegt.

Als die Stunde der Abreise näherrückte, hätte nach herkömmlicher Gepflogenheit die mütterliche Besorgnis bei Mrs. Morland ins Ungemessene wachsen müssen. Tausend beängstigende Vorahnungen von Übeln, welche ihrer geliebten Catherine während einer solch langen Trennung zustoßen mochten hätten ihr Herz mit Traurigkeit erfüllen und die letzten beiden Tage ihres Beisammenseins in ein Meer von Tränen tauchen müssen, nicht zu vergessen die wichtigen und nützlichen Ratschläge, von denen ihre erfahrenen Lippen beim Abschied in ihrem Budoir hätten überströmen müssen, und die Hinweise auf Vorsichtsmaßregeln gegen die Gewalt von Edelleuten und Baronen, die junge Damen in abgelegene Bauernhäuser locken. Aber Mrs. Morland wußte so wenig von Lords und Baronen, daß sie keine Ahnung von ihrer üblichen Niedertracht hatte, sie war völlig arglos gegenüber der Gefahr, die ihrer Tochter von den Machenschaften jener Männer drohte. Ihre ganzen Warnungen beschränkten sich auf die folgenden Punkte: »Ich bitte dich, Catherine, wickle deinen Hals immer recht schön warm ein, wenn du des Abends einen Ballsaal verläßt. Und dann versuche, über deine Ausgaben ein wenig Buch zu führen. Zu dem Zweck gebe ich dir dieses Büchlein.« Sally - oder vielmehr Sarah, denn welche junge Dame aus gutem Hause erreicht wohl ihr sechzehntes Lebensjahr, ohne ihren Namen soweit wie nur eben möglich zu verändern? - mußte nach Lage der Dinge zu diesem Zeitpunkt die Busenfreundin und Vertraute ihrer Schwester sein. Es ist jedoch beachtenswert, daß sie von Catherine weder verlangte, ihr mit jeder Post einen Brief zu schreiben, noch ihr das Versprechen abrang, sich ausführlich über jede neue Bekanntschaft zu ergehen oder die Einzelheiten jeder aufregenden Unterhaltung in Bath wiederzugeben. Alles, was sich auf diese wichtige Reise bezog, wurde von den Morlands mit Mäßigung und Haltung erledigt und schien eher dem nüchternen Empfinden des alltäglichen Lebens anzugehören als den verfeinerten Regungen, den zärtlichen Gefühlen, die eine erste Trennung der Heldin von ihrer Familie eigentlich immer verursachen sollte. Statt eines Blankoschecks oder einer Hundertpfundnote gab ihr der Vater nur zehn Guineen und versprach ihr mehr, wenn sie es benötige.

Unter diesen nicht sehr viel versprechenden Auspizien vollzog sich der Abschied, und die Reise nahm ihren Anfang. Sie ging mit der erforderlichen Ruhe und ereignisloser Sicherheit vonstatten. Weder Räuber noch Stürme traten ihnen zu nahe, und kein glücklicher Unfall warf sie in die Arme des Helden. Nichts Aufregendes ereignete sich außer Mrs. Allens Furcht, sie habe ihre Galoschen im Gasthaus zurückgelassen, und selbst das erwies sich glücklicherweise als blinder Alarm.

Sie erreichten Bath. Catherine war entzückt, und ihre Augen wanderten hierhin und dorthin, als man sich der auffallend schönen Umgebung näherte und später durch die Straßen fuhr, die sie zu ihrem Hotel führten. Sie war hierhergekommen, um glücklich zu werden, und fühlte sich bereits glücklich.

Man lebte sich in der behaglichen Wohnung in der Pulteney Street ein. Mrs. Allen gehörte zu der weitverbreiteten Gattung von Frauen, deren Gesellschaft keine andere Empfindung erregt als Erstaunen darüber, daß es auf der Welt Männer gibt, die sie hoch genug schätzen, um sie zu heiraten. Sie besaß weder Schönheit oder Geist noch Talente oder Lebensart. Gute Herkunft, ruhige, untätige Gutmütigkeit und ein Hang zum Spielerischen konnten allein die Tatsache erklären, warum ein vernünftiger, kluger Mann wie Mr. Allen sie erwählt hatte. In einer Hinsicht war sie durchaus geeignet, eine junge Dame in die Öffentlichkeit einzuführen, denn sie war nicht weniger begeistert, überall hinzugehen und alles zu sehen, als ein junges Mädchen. Kleider waren ihre Leidenschaft. Sie liebte es über alles, sich zu putzen; deshalb konnte unsere Heldin erst einige Tage später ins Leben treten, nachdem man sich über die neueste Mode unterrichtet und ihre Anstandsdame sich mit einer entsprechenden Toilette versehen hatte. Catherine selbst machte auch einige Einkäufe; und als all diese Angelegenheiten zur Zufriedenheit erledigt waren, kam der große Abend, der Catherine die Pforten der großen Gesellschaftsräume öffnen sollte. Ihr Haar wurde von dem ersten Künstler gestutzt und gekräuselt, ihr Kleid mit besonderer Sorgfalt angelegt, und Mrs. Allen und ihre Zofe versicherten, die sehe gerade so aus, wie es sein solle. Solcherart ermutigt, hoffte Catherine sich wenigstens nicht unangenehm abzuheben. Bewunderung wäre zwar sehr willkommen, aber sie erwartete sie nicht.

Mrs. Allen machte so ausgiebig Toilette, daß sie den Ballsaal erst spät betraten. Wegen der Hochsaison war der Saal überfüllt, und man drängte sich hinein, so gut es eben ging. Mr. Allen zog sich sogleich in die Spielräume zurück und überließ es den Damen, sich an der Volksmenge zu ergötzen. Mrs. Allen war mehr um ihr neues Kleid als um ihren Schützling besorgt, als sie sich ihren Weg durch die Gruppe von Männern bahnte, die an der Tür herumstanden. Sie tat dies so schnell, wie es die notwendige Vorsicht gestattete, aber Catherine blieb dicht an ihrer Seite, denn sie hatte sich fest in den Arm der Freundin gehängt. Zu ihrem großen Erstaunen aber gelang es ihnen auf ihrem Weg durch den Saal keineswegs, sich von der wogenden Menge zu lösen; im Gegenteil, das Gewühl wurde immer dichter. Sie hatte erwartet, man könne mit Leichtigkeit Plätze finden und dem Tanze zuschauen. Aber dem war nicht so, selbst nicht, als sie mit größter Mühe das obere Ende des Saales erreicht hatten. Außer den hohen Federgestecken einiger Damen war von den tanzenden Paaren nichts zu erspähen. Sie bahnten sich weiter ihren Weg und befanden sich schließlich nach ausdauernder Kraftanstrengung und Erfindungsgabe hinter der obersten Zuschauerreihe. Hier herrschte weniger Gedränge als unten, und es bot sich ein schöner Überblick über die Menge und die Gefahren des eben zurückgelegten Weges. Ein wundervoller Anblick! Miß Morland empfand ganz den Eindruck, sich auf einem Ball zu befinden. Sie hätte zu gern getanzt, aber sie kannte niemand im ganzen Saal. Mrs. Allen tat das in einem solchen Fall Mögliche. Sie sagte immer wieder: »Ich wünschte, du könntest auch tanzen, liebes Kind -ich wünschte, du fandest einen Partner!« Eine Zeitlang war ihre junge Freundin für diese Anteilnahme dankbar, aber als diese Wünsche immer wiederholt wurden und sich doch als so völlig wirkungslos erwiesen, wurde Catherine ihrer schließlich müde und schwieg.

Sie konnten sich jedoch nicht lange des so mühsam errungenen Platzes erfreuen, denn plötzlich geriet alles in Bewegung; man suchte irgendwo den Tee einzunehmen, und es hieß, sich mit den anderen wieder hinauszuquetschen. Enttäuschung bemächtigte sich Catherines. Sie war es müde, ständig zwischen fremden Menschen erdrückt zu werden, deren meist nicht einmal anziehende Gesichter ihr alle so fremd waren. Als sie schließlich den Teeraum erreichten, empfand sie es noch peinlicher, zu keiner Gesellschaft zu gehören, keine Bekannten zu begrüßen und von keinem Herrn beschützt zu werden. Mr. Allen war nirgends zu erblicken; und nachdem sie vergeblich nach einem besseren Platz Ausschau gehalten hatten, mußten sie sich wohl oder übel am Ende eines sehr besetzten Tisches niederlassen, obwohl sie dort nichts zu suchen hatten und nur miteinander sprechen konnten.

Sobald sie Platz genommen hatte, beglückwünschte Mrs. Allen sich, ihr Kleid vor Schaden bewahrt zu haben. »Andernfalls wäre es wirklich eine Schande gewesen, nicht wahr? Es ist solch empfindlicher Musselin. Ich habe im ganzen Saal nicht noch ein zweites ebenso hübsches Kleid gesehen.«

»Wie unangenehm ist es doch«, flüsterte Catherine, »hier nicht einen einzigen Bekannten zu haben.«

»Ja, liebes Kind«, erwiderte Mrs. Allen abgeklärt, »das ist wirklich sehr unangenehm.« »Was sollen wir nur tun? An diesem Tisch scheint man sich über unsere Anwesenheit zu

wundern. Es wirkt auch, als drängten wir uns auf.«

»Das ist sehr peinlich. Ich wünschte auch, wir wären in Gesellschaft.« »Schade, daß wir niemanden kennen.«

»Das ist wahr, mein liebes Kind. Die Skinners waren im vergangenen Jahr hier. Wenn ich sie doch jetzt hier träfe!«

»Sollten wir nicht lieber wieder gehen? Hier ist ohnehin kein Gedeck für uns, sehen Sie.« »Wirklich, es ist kein Gedeck mehr übrig. Wie entsetzlich! Aber wir bleiben doch besser hier, man wird in solchem Gedränge nur umhergestoßen. Wie sehe ich am Kopf aus, liebes Kind? Gewiß ist meine Frisur ganz durcheinandergebracht.«

»Nein, sie sieht sehr hübsch aus. Aber, liebe Mrs. Allen, sind Sie ganz sicher, in dieser Menschenmenge keine Seele zu kennen? Ich meine, Sie müßten doch einen Menschen kennen.«

»Nein, auf mein Wort, niemanden! Ich wünsche mir von ganzem Herzen einen großen Bekanntenkreis hier, dann würde ich dir einen Tänzer aussuchen. Ich würde mich so freuen, wenn du tanztest. Drüben geht eine merkwürdige Frau. Welch wunderliches Kleid sie trägt! Wie altmodisch! Sieh dir den Rücken an!«

Nach einiger Zeit bot ihnen einer ihrer Nachbarn Tee an; sie nahmen dankend an, und so entstand eine kleine Unterhaltung mit dem Spender. Das war die einzige des ganzen Abends, bis Mr. Allen sich wieder zu ihnen gesellte; aber da war der Tanz schon vorüber.

»Nun, Miß Morland, hoffentlich haben Sie sich gut amüsiert.«

»Sehr, danke«, erwiderte sie und bemühte sich vergebens, ein Gähnen zu unterdrücken. »Wenn wir doch einen Tänzer für sie gefunden hätten!« meinte seine Frau. »Ich sagte schon, ich hätte es lieber gesehen, wenn die Skinners diesen Winter hier wären statt im vergangenen oder wenn die Parrys mitgekommen wären. Dann hätte sie mit George Parry tanzen können. Es tut mir so leid, daß sie keinen Tänzer hatte.«

»Das nächste mal wird’s hoffentlich besser«, tröstete Mr. Allen.

Nach Beendigung des Tanzes zerstreute sich die Menge, und die Nachzügler konnten bequem umherspazieren. Jetzt wäre für Catherine, die an den Ereignissen des Abends noch keinen hervorragenden Anteil gehabt hatte, der Augenblick gekommen, bemerkt und bewundert zu werden. Und mancher junge Mann, der ihr den Abend über noch nicht nahe gekommen war, erblickte sie jetzt. Aber nicht einer erspähte sie in hingerissenem Entzücken, kein Raunen huschte durch den Saal, und niemand nannte sie göttlich. Und doch sah Catherine besonders gut aus, und hätten die Anwesenden sie nur drei Jahre früher gesehen, dann hätten sie Catherine jetzt für ausnehmend schön gehalten.

Man beobachtete sie tatsächlich mit einiger Bewunderung; und sie hörte sich von zwei Herren ein hübsches Mädchen nennen. Diese Worte hatten die Wirkung, daß ihr der Abend sofort viel angenehmer erschien; ihre geringe Eitelkeit war befriedigt. Sie fühlte sich diesen beiden Herren für die gezollte Anerkennung mehr verpflichtet als eine Schönheit für fünfzehn Sonette zum Lobe ihrer Reize. Catherine ging zu ihrem Stuhl zurück, ausgesöhnt mit jedermann und völlig zufrieden mit ihrem Anteil an der öffentlichen Aufmerksamkeit.

Die Abtei von Northanger

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