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Siebzehntes Kapitel
ОглавлениеElisabeth berichtete am folgenden Tage Jane von ihrer Unterhaltung mit Mr. Wickham. Jane hörte ihr voll Staunen und mit einer gewissen Bestürzung zu. Sie wollte es nicht glauben, dass Mr. Darcy der Freundschaft Mr. Bingleys nicht würdig sein sollte; und ebenso wenig lag es in ihrer Art, die Wahrhaftigkeit eines so sympathischen Menschen wie Mr. Wickham anzuzweifeln. Sie konnte nicht anders, als von beiden das Beste zu denken, beider Verhalten zu verteidigen und alles, was sich auf diese Weise nicht erklären ließ, auf das Schuldkonto eines Irrtums oder eines Zufalls zu setzen.
„Beide sind sie getäuscht worden“, sagte sie. „Wieso und wodurch, das wissen wir nicht. Vielleicht haben falsche, selbstsüchtige Freunde den einen beim anderen in Verruf gebracht.“
„Ausgezeichnet! Und jetzt, meine liebe Jane, hoffe ich, dass du auch ein gutes Wort für die falschen Freunde wirst finden können; ich bitte dich, versuch es, sonst müssten wir ja doch von einigen Menschen etwas Schlechtes denken!“
„Spotte du nur, soviel du Lust hast; von meiner Ansicht kann mich dein Spott nicht abbringen. Liebste Lizzy, überleg dir doch einmal, in welch schrecklich schlechtes Licht es Mr. Darcy setzen würde, wollte man annehmen, dass er seines Vaters Liebling, für den zu sorgen sein Vater versprochen hatte, so übel behandelt habe. Nein, nein, unmöglich! Niemand kann so wenig menschlich, so wenig auf seinen eigenen Wert bedacht sein, dass er einer solchen Tat fähig wäre. Und seine besten Freunde sollten sich so in ihm getäuscht haben? Oh, gewiss nicht!“
„Auf jeden Fall fällt es mir leichter, anzunehmen, dass Mr. Bingley sich täuschen lässt, als dass Mr. Wickham die Geschichte gestern Abend erdichtet haben soll. Die Namen, die Ereignisse, alles, was er sagte, klang ganz natürlich. Mr. Darcy soll das Gegenteil beweisen, wenn er es kann!“
„Du hast recht, es ist eine verzwickte Sache und bedauerlich ist sie obendrein; man weiß wirklich nicht, was man von all dem halten soll.“
„Entschuldige, meine Liebe, man weiß sehr wohl, was man davon halten soll!“
Aber Jane wusste nur eins mit Bestimmtheit: dass Mr. Bingley, wenn er wirklich das Opfer einer Täuschung sein sollte, darunter leiden würde, sobald die Geschichte ruchbar wurde.
Die beiden jungen Mädchen wurden in ihrer Unterhaltung, die im Garten stattfand, durch die Ankunft einiger der Personen, von denen die Rede gewesen war, unterbrochen: Mr. Bingley und seine Schwestern waren selbst nach Longbourn gekommen, um die Einladung für den langerwarteten Ball auf Netherfield zu überbringen. Der kommende Dienstag war dafür ausersehen.
Die beiden Damen waren überglücklich, ihre liebste Freundin wiederzusehen, nannten die Tage, die sie sich nicht mehr getroffen hatten, eine Ewigkeit und erkundigten sich wiederholt, was sie in der ganzen Zeit seit ihrer Trennung getrieben habe. Der übrigen Familie schenkten sie kaum Beachtung. Sie vermieden nach Möglichkeit, in Mrs. Bennets Nähe zu kommen, richteten hier und da ein Wort an Elisabeth und übersahen alle anderen vollkommen. Sie brachen sehr bald wieder auf und nahmen so hastigen Abschied, als flüchteten sie vor Mrs. Bennets überschwänglicher Höflichkeit.
Die Aussicht auf den Ball in Netherfield rief allgemeinen Jubel unter den Damen der Familie hervor. Mrs. Bennet fühlte sich berechtigt, darin eine besondere Artigkeit gegenüber ihrer ältesten Tochter zu sehen, und empfand es als besonders schmeichelhaft, dass Mr. Bingley die Einladung selbst überbracht hatte. Jane malte sich einen fröhlichen Abend in Gesellschaft der Geschwister Bingley aus. Elisabeth freute sich darauf, den ganzen Abend mit Mr. Wickham tanzen zu dürfen und in Mr. Darcys Gesicht die Bestätigung alles Gehörten zu entdecken. Das frohe Vorgefühl von Lydia und Kitty richtete sich weniger auf irgendetwas oder irgendjemanden im Besonderen; wenn sie auch ebenso wie Elisabeth beabsichtigten, den ganzen Abend mit Mr. Wickham zu tanzen, so war er doch beileibe nicht der einzige, mit dem zu tanzen ihnen Spaß gemacht hätte: schließlich war ein Ball, von welcher Seite man es auch betrachten mochte, ein Ball. Und sogar Mary glaubte, ihrer Familie versichern zu können, dass sie eine Teilnahme an dem Fest durchaus in Erwägung ziehe.
„Solange ich meine Vormittage ungestört für mich haben kann“, meinte sie, „genügt mir das. Ich halte es nicht für berechtigt, die gelegentliche Teilnahme an einer Abendunterhaltung als ein Opfer zu bezeichnen. Genau genommen hat die Gesellschaft einen Anspruch auf uns alle; und ich muss mich offen zu der Meinung bekennen, dass Mußestunden und Vergnügungen in gewissen Grenzen einen wohltuenden Einfluss ausüben können.“
Elisabeth war so gut gelaunt, dass sie, die Mr. Collins anzureden sonst möglichst vermied, ihn fragte, ob er ebenfalls die Einladung annehmen wolle und falls ja, ob er seine Teilnahme an dem abendlichen Tanzvergnügen für schicklich halte. Sie war recht erstaunt zu erfahren, dass er keinerlei Bedenken in dieser Beziehung hegte, und dass er weder einen Verweis seines Bischofs, noch einen Tadel von Lady Catherine de Bourgh fürchtete, wenn er sich am Tanzen beteiligte.
„Ich versichere Ihnen, liebe Cousine, dass ich durchaus nicht der Ansicht bin, ein Ball dieser Art, von einem vortrefflichen jungen Mann für seine nicht weniger ehrbaren Freunde veranstaltet, könne einem verwerflichen Zweck dienen. Nichts könnte mir ferner sein, als einen Einwand gegen das Tanzen vorzubringen, und ich hoffe sehr, im Laufe des Abends die Ehre zu haben, meine sämtlichen schönen Cousinen auffordern zu dürfen. Ich möchte auch gleich die Gelegenheit ergreifen und Sie, Miss Elisabeth, um die beiden ersten Tänze bitten. Ich hoffe, dass meine Cousine Jane diese Bevorzugung ihrer jüngeren Schwester nicht unrichtig deutet und darin nicht etwa ein ungebührliches Übergehen ihrer Person sieht.“
Elisabeth war erschlagen. Sie hatte sich schon darauf gefreut, diese beiden ersten Tänze Mr. Wickham reservieren zu dürfen — und statt seiner nun dieser Mr. Collins! Noch nie hatte ihre gute Laune ihr einen solchen Streich gespielt. Aber da war nun einmal nichts mehr zu machen. Mr. Wickhams Glück und ihr eigenes — musste eben ein wenig warten, und sie dankte Mr. Collins mit so guter Miene, wie das schlechte Spiel es ihr gestattete. Der Gedanke, dass seine Höflichkeit gar etwas mehr als Höflichkeit bedeuten könnte, war alles andere als ein Trost. Denn jetzt erst ging es ihr auf, dass offenbar sie von allen ihren Schwestern der Ehre für würdig befunden wurde, Hausfrau im Hunsforder Pfarrhaus zu werden und in Abwesenheit von passenderem Ersatz die Quadrille auf Rosings zu vervollständigen.
Diese Vermutung verwandelte sich schnell in Gewissheit, als sie Mr. Collins’ zunehmende, unablässige Aufmerksamkeit ihr gegenüber beobachtete und seine häufigen Anläufe zu Komplimenten über ihren Witz und ihren Verstand anhören musste. Das belustigte sie ungemein, auch als Mrs. Bennet sie merken ließ, dass die Möglichkeit einer Heirat wenigstens ihr eine große Freude bereite. Elisabeth zog es jedoch vor, den Wink nicht zu beachten; sie wusste sehr wohl, dass ihre Antwort einen heftigen Streit zur Folge haben würde. Vielleicht unterblieb Mr. Collins’ Antrag doch noch, und auf jeden Fall war es sinnlos, sich schon vorher aufzuregen.