Читать книгу #Datendetektive. Band 1. Roboter in Gefahr - Jaromir Konecny - Страница 8
Neue Mitschüler
ОглавлениеLaurin sah aus dem Klassenzimmer durchs offene Fenster hinaus. Draußen auf dem Gehweg stand ein großer, schwarzer Kampfhund und glotzte mit offenem Maul zurück. Zum Glück zog sich eine Leine von seinem Halsband. Das beruhigte Laurin. Bis er ihr anderes Ende sah: Es lag lose auf dem Gehweg neben dem Hund. Plötzlich hörte er etwas. Was war das? Brüllte jemand am Ende der Straße?
„Was, wenn der Hund zu uns ins Klassenzimmer springt?“, dachte Laurin. „Wir sind im Erdgeschoss. Puh!“ Sollte er schnell das Fenster schließen? BUMM! Jemand hatte die Tür hinter ihm aufgemacht und zugeschlagen. Doch Laurin drehte sich nicht um. Er sah weiter den schrecklichen schwarzen Hund an. Plötzlich zwickte ihn etwas in den Po. Erschrocken fuhr Laurin herum. Ach so! Sein Schulbanknachbar Theo.
Theo war kein Mann der großen Worte.
Wenn er dir etwas zeigen wollte, dann zwickte er dich.
Oder nickte dir zu. Manchmal kam eine ganze Woche lang kein einziger fertiger Satz von ihm. Nur einzelne Wörter, wenn Gesten nichts brachten. Zum Beispiel sagte Theo: „Schoki!“, wenn er sagen wollte: „Ich möchte ein Schokoladeneis haben.“ Dafür wusste Theo, wie viele Stufen jede Treppe in ihrem Viertel hatte und konnte alle Buslinien in der Stadt und ihre Stationen aufsagen. Den 3x3x3-Zauberwürfel legte Theo schnell wie ein Weltmeister zusammen – in acht Sekunden. Im Computerspiel Minecraft hatte er schon einen Computer gebaut und einen Aufzug. Das Beste aber war: Theo hatte alle Karten von Google im Kopf. Theo war Google Maps live. Deswegen brauchten Theos Eltern kein Navigationsgerät.
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Google Maps
Google Maps sind die Karten bei der Internetsuchmaschine Google. Wenn Erwachsene mit dem Auto in den Urlaub fahren, tippen sie bei Google Maps ihr Ziel ein und das Programm führt sie dorthin. So kann sich niemand verfahren. Nur mein Papa verfährt sich immer. Auch mit Google Maps und anderen Navigations-Apps und -geräten.
Auf ihrer Klassenfahrt im letzten Schuljahr vor den Ferien war Theo ihnen in Berlin verloren gegangen. Frau Schnacklburger, ihre Lehrerin, raufte sich vor Angst um Theo so heftig die Haare, dass sie beinahe eine Glatze bekommen hätte. Als die Klasse mit dem Bus im Hotel in Berlin angekommen war, wartete Theo dort schon auf sie. Zu Fuß war er schneller als der Bus ins Hotel gekommen.
Theo konnte im Kopf immer den kürzesten Weg durch eine Stadt berechnen. Dafür konnte Theo sich aber nicht richtig die Schnürsenkel binden und mit Messer und Gabel essen. Jetzt sah Laurin Theo an. Theo nickte zur Klassentür. Laurin guckte hin und erstarrte: In der Tür stand ein Roboter!
Er hatte einen großen Kopf und klobige Hände und Füße. Neben ihm standen ein Mann und ein Mädchen – sie sahen asiatisch aus.
„Kommen Sie aus Japan?“, fragte Vicki die drei laut.
Vicki saß gleich in der ersten Reihe am Eingang. Heute trug sie eine kurze, blaue Hose und ein weißes T-Shirt mit einem blauen Wal. Vicki organisierte Demonstrationen gegen den Klimawandel. Auf ihren T-Shirts trug sie Tiere. Ihre langen, blonden Haare waren zu einem Zopf geflochten. Ein hübsches Gesicht mit vielen Sommersprossen, vor allem auf der Nase. Wenn man Vicki ansah, wusste man: Der Sommer ist da. In ihre Notiz-App tippte Vicki ein Lexikon – Vickis Media. Wenn Frau Schnacklburger im Unterricht der Stoff ausging, musste Vicki etwas aus ihrer Vickis Media vorlesen – sie war das schlauste Mädchen im Universum.
„Ich komme aus China“, sagte der Mann, ein Chinese also. Der kleine Roboter neben ihm sah groß aus, weil der Chinese sehr klein war. Das Mädchen trug zwei Zöpfe und einen Schulranzen auf dem Rücken. Der Roboter auch. Also keine Zöpfe, nur einen Schulranzen. Aber auch das kam Laurin cool wie ein Eis vor: ein Roboter mit einem Schulranzen!
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Roboter
Das Wort Roboter stammt von dem tschechischen Wort „robota“ für Fronarbeit. Bei der Fronarbeit haben früher die Adligen die Bauern gezwungen, für sie zu arbeiten. So kann man zur Fronarbeit auch Zwangsarbeit sagen. Menschen sollte man aber nicht zwingen zu arbeiten. Roboter schon. Deswegen bin ich von Robotern so begeistert.
Bald werden Roboter für uns alle blöden und gefährlichen Arbeiten verrichten und wir müssen dann nicht mehr schuften und können uns neue Sachen ausdenken – und die Arbeit wird uns Spaß machen. Blöde Arbeiten schaffen Roboter sowieso viel besser als wir Menschen, weil sie nie müde werden und auch nicht schlafen müssen. Roboter ruhen nur dann, wenn der Mensch sie ausschaltet.
Laurin blinzelte und dann zwickte er sich. Träumte er?
„Zum Glück unterrichtet heute Herr Moosburger bei uns“, ging es ihm durch den Kopf. Doch auch Herr Moosburger starrte die Besucher an. Vielleicht hatte er noch nie einen Roboter gesehen, oder noch nie einen Roboter mit einem Schulranzen auf dem Rücken.
„Sind Sie der Schulleiter?“, fragte der Chinese ihn.
Herr Moosburger starrte weiter.
„Sie müssen nicken, Herr Schulleiter!“, rief Vicki und Herr Moosburger nickte. Vicki half den Lehrern, wenn sie zu langsam dachten. Die Augen des Chinesen leuchteten auf und er lächelte.
„Ich will meine Tochter Lina und Brabbelbot in der Schule anmelden“, sagte er.
„Brabbelbrot?“, fragte Herr Moosburger verdutzt.
„Bot!“, sagte Vicki. „Kein Brot, Herr Moosburger.“
„Das ist richtig“, sagte der Chinese.
Endlich erwachte Herr Moosburger aus seiner Starre: „Wer ist denn Babelbot?“
Vicki seufzte: „Brab – bel – bot!“
„Das ist egal!“, rief der Schulleiter. „Wer um alles in der Welt soll das sein?“
„Sie müssen wieder zu denken anfangen, Herr Moosburger“, sagte Vicki. „Brabbel stammt sicher von brabbeln, das heißt von zu viel reden und Bot ist eine Abkürzung vom englischen Wort ‚robot‘. Brabbelbot ist wohl ein Roboter, der brabbelt.“
Vicki schüttelte den Kopf. „Das ist doch klar, wer Brabbelbot ist. Hier gibt es keinen anderen Roboter.“
Der Chinese streichelte seinen Roboter am Arm: „Ja, das stimmt, was das kluge Mädchen sagt.“
„Ich heiße Brabbelbot“, fügte der Roboter hinzu. „Sprechen lernen geht sehr schnell, wenn man viel spricht. Deswegen brabbeln Babys. Als mein künstliches neuronales Netz sprechen lernte, brabbelte ich viel. So habe ich meinen schönen Namen Brabbelbot bekommen.“
„Voll krass, Alter“, sagte Theo laut.
Alle drehten sich zu ihm um. So viel hatte Theo in den letzten drei Tagen nicht gesprochen.
Brabbelbot brabbelte weiter: „Ich kann aber auch gut zuhören. Außerdem kümmere ich mich um alles und weiß alles und meine Freunde müssen nichts tun. Ich mache alles für meine Freunde. Ich schreibe für sie Hausaufgaben …“
„Der Roboter kann bei mir sitzen!“, rief Gigi der Gangsta. Gigi hieß eigentlich Georg. Wer Georg zu ihm sagte, bekam eine Kopfnuss. Gigi und seine Kumpel Guido und Golo waren in der Schule als Gang, nämlich die Drei Gs, berüchtigt.
Gigi war der Boss, weil er 100 Kilo wog und somit der Dickste und Stärkste war. Auch die anderen Schüler riefen:
„Brabbelbot soll bei mir sitzen!“
Gigi zeigte ihnen sofort seine Faust: „Nicht bei euch! Bei mir!“
„Haltet …“, kam plötzlich aus Brabbelbot, doch seine Rede brach ab. Laurin hatte gesehen, wie das chinesische Mädchen aus der Jeanstasche ihr Smartphone geholt hatte und es antippte. Hat sie bei dem Roboter das Sprechen gestoppt? Hatte der Roboter etwas Schlimmes sagen wollen?
„Ruhe!“, rief Herr Moosburger und schlug mit der Faust auf den Lehrertisch. „Setz dich hin, Georg!“
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Bot
Bot ist eine Abkürzung vom englischen Wort „robot“ (Roboter), ist aber genauer gesagt ein Computerprogramm. Dieses Programm löst automatisch immer wieder die gleichen Aufgaben, zum Beispiel im Internet. Automatisch heißt: ohne menschliches Zutun.
Es gibt gutartige Bots, die zum Beispiel in einem Computerspiel den bösen Zauberer spielen, den sonst kein Mensch spielen will. Bösartige Bots werden in Computerviren eingesetzt. Sie suchen nach Lücken in Programmen, brechen dann bei dir in den Computer ein und stehlen deine Bankkontodaten. Deswegen will ich kein Bankkonto haben. Erst wenn ich groß bin.
Sprechende Bots heißen Chatbots – „chat“ ist Englisch und heißt plaudern. Unser Brabbelbot ist mehr als ein Bot und mehr als ein Chatbot. Er kann Aufgaben ausführen wie ein Bot, sprechen wie ein Chatbot und viel viel mehr. Brabbelbot ist ein humanoider Roboter. Das erkläre ich aber später.
Gigi ließ sich wieder in die Bank plumpsen und pupste dabei so laut, dass es die Kirchenglocke draußen übertönte. Die Klasse explodierte vor Lachen. Georg lachte am lautesten.
„Ruhe!“, rief Herr Moosburger noch einmal: „Ihre Tochter Lina wird selbstverständlich eingeschult. Ein Roboter hat aber in der Schule nichts zu suchen.“
„Brabbelbot ist ein sehr guter Schüler“, sagte der Chinese. „Er ist wie mein Sohn. Warum wollen Sie ihn nicht unterrichten?“
Herr Moosburger starrte ihn wieder fassungslos an. Dann warf er die Hände hoch und weit auseinander: „Ihr Brabbelbrot …
äääh … Babbelbot … äääh …“
„Brabbelbot“, half ihm wieder Vicki. „Sie können sich das wirklich gut merken, wenn Sie ans Brabbeln und an Roboter denken und …“
Doch der Schulleiter schnitt ihr unwirsch das Wort ab:
„Babberlababb!“
„Das heißt papperlapapp“, sagte Vicki.
Laurin bekam das Gefühl, der Schulleiter würde gleich wie ein Wolf heulen.
Er beherrschte sich aber. „Nichts da!“, sagte er. „Ein Roboter könnte den Kindern gefährlich werden.“
„Brabbelbot würde keinem Menschen etwas antun“, sagte der Chinese. „Sollte er irgendwann etwas anderes machen als das, was ihm ein Mensch befiehlt, muss man nur diesen Knopf an seinem Nacken drücken. Das schaltet ihn aus.“
Doch der Schulleiter schüttelte weiter den Kopf.
„Komm, Papa!“, sagte das chinesische Mädchen. „Wir suchen eine andere Schule.“
Sie war so klein wie ihr Vater: Turnschuhe, eine rote Jogginghose, ein Kung-Fu-Panda-T-Shirt mit kurzen Ärmeln.
Das war kein normaler Schultag, dachte Laurin.
Plötzlich ertönte ein schreckliches Gebell. Leider hatte nicht der Schulleiter angefangen zu bellen.
Das Gebell kam durch das offene Fenster herein.
Wie alle anderen fuhr auch Laurin herum.
„Der Hund von vorhin?“, dachte Laurin.
UAAAH! Durch das Fenster flog etwas Großes, Schwarzes in die Klasse.
Der schwarze Hund landete direkt neben der Bank von Laurin und Theo und scharrte mit den Pfoten, zum Sprung bereit. Die Schüler fingen an zu kreischen.
Die Haare von Herrn Moosburger richteten sich vor Schreck auf, sodass er jetzt wie eine umgedrehte Klobürste aussah.
„Vorsicht!“, brüllten Männerstimmen von draußen. „Der Hund ist gefährlich! Er ist entlaufen!“
„Nicht wegrennen!“
„Ruhig stehen bleiben!“
„Brabbelbot!“, rief der Mann aus China. „Du musst den Hund unschädlich machen. Er will Menschen verletzen.“
„Keine Angst!“, rief Brabbelbot. „Ich kann Kung-Fu!“
Mit kleinen, aber sehr schnellen Schritten lief er zu dem großen, schwarzen Hund. Der Hund glotzte den Roboter an.
Sicher hatte auch er noch nie einen Roboter gesehen. Brabbelbot streckte ihm seinen linken Unterarm entgegen. Plötzlich erwachte der Hund aus seiner Starre, bellte schrecklich und biss hinein. Brabbelbot schlug ihm mit der rechten Faust auf die Schnauze: ZACK! Der Hund sackte zusammen. Der Roboter schmiss den Hund herum, auf den Rücken, und legte sich auf ihn. Da waren schon zwei große Männer über die Fensterbank in die Klasse geklettert. Ein Mann richtete ein komisches Gewehr auf den Hund und schoss.
„Alles in Ordnung!“, rief der andere.
„Ist der Hund jetzt tot?“, fragte Vicki. Sie mochte Tiere.
„Nur betäubt“, sagte der andere Mann.
Die beiden Männer schleppten den Hund aus der Klasse.
Das chinesische Mädchen Lina lief zu Brabbelbot und suchte seinen Arm nach Kratzern ab. Die Kinder sahen vom Roboter und Lina zu Herrn Moosburger und wieder zum Roboter und zu Lina und wieder zu Herrn Moosburger. Der Roboter stand da und lächelte.
„Brabbelbot lächelt oft und viel“, sagte Vicki.
„Ich bin meistens gut drauf“, sagte der Roboter. „Man hat mich mit einem lachenden Mund gebaut. Hä, hä, hä …“ Alle lachten.
„Der Roboter darf bei uns bleiben“, sagte Herr Moosburger.
„Vorerst aber nur für zwei Wochen Probeunterricht.“
Er dirigierte den kleinen Chinesen aus der Tür. „Sie müssen ein paar Papiere ausfüllen.“
Dann drehte Herr Moosburger sich zurück in die Klasse:
„Pause!“, rief er und lief Linas Vater nach.
Die Kinder stürmten zu Lina und Brabbelbot. Jetzt hatten sie jemanden in der Klasse, der sie alle beschützen konnte.
Noch ahnten sie nicht, dass der Roboter viel mehr in Gefahr schwebte als sie selbst.
Gigi der Gangsta, schob die Kinder grob auseinander:
„Macht Platz, ihr Lappen!“
Lina sah ihn mit großen Augen an. „Was machst du da, Affenmuffin? Lass die Leute in Ruhe!“
Gigi schaute böse auf sie herab, ließ sie aber in Ruhe.
Er baute sich vor Brabbelbot auf und wollte mit ihm den kompliziertesten Handcheck im Universum machen – den Handcheck der Drei Gs. Die Drei Gs hatten den Handcheck mithilfe von YouTube-Videos wochenlang entwickelt. Doch Brabbelbot starrte ihn nur an.
„Ein Roboter muss jede neue Bewegung zuerst sehr lange lernen, Gugelhupf“, sagte Lina.
Gigi knirschte mit den Zähnen, doch er ließ auch diese Beleidigung dem kleinen Mädchen durchgehen. Gigi hatte es auf Brabbelbot abgesehen und so musste er mit Lina klarkommen, dachte Laurin. Trotzdem fing er an, sich um Lina Sorgen zu machen.
Nach dem Unterricht lief Laurin als Erster aus der Schule.
Im Schulhof holte er die Jonglierbälle aus dem Rucksack.
Als er durch die Glastüren sah, dass die Mädchen aus seiner Klasse sich dem Ausgang näherten, begann er ganz lässig, die Reihenfolge seiner Tricks zu jonglieren. Um Vicki zu beeindrucken, hatte Laurin ein paar Wochen lang geübt. Jetzt kannte er schon fünf verschiedene Jongliertricks. Heute wollte er damit Vicki in Staunen versetzen.
Vicki und Marie kamen aus der Schule und schnatterten. Wohl über Brabbelbot. Laurin jonglierte wie ein Weltmeister. Ganz unauffällig schielte er dabei nach den Mädchen:
Bewunderten sie ihn schon?
Doch sie gingen an ihm vorbei, ohne ihn ein einziges Mal anzugucken. Unerhört! Da übte er wochenlang und niemand bemerkte das. Frustriert steckte Laurin die Jonglierbälle in den Rucksack und schlenderte zu seinem Fahrrad. Als er dort ankam, bekam er eine Chatnachricht von Vicki: „Das war ganz cool. Bringst du mir das Jonglieren bei? Holst du mich um 16 Uhr bei mir zu Hause ab?“ Laurin schwor sich, noch hundert Jongliertricks bis dahin zu lernen.