Читать книгу Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk - Jaroslav Hašek - Страница 12

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6. Schwejk kehrt nach Durchbrechung des Zauberkreises wieder nach Hause zurück

Durch das Gebäude der Polizeidirektion wehte der Geist einer fremden Autorität, die das Maß der Begeisterung für den Krieg feststellte.

Bis auf einzelne, die ihre Zugehörigkeit zu einer Nation, deren Söhne für völlig fremde Interessen verbluten sollten, nicht leugneten, stellte die Polizeidirektion die schönste Gruppe bürokratischer Raubtiere dar, deren ganzes Sinnen und Trachten sich auf Kerker und Galgen konzentriert, um die Existenz der gekrümmten Paragraphen zu wahren. Dabei behandelten sie ihre Opfer mit giftiger Freundlichkeit und erwogen vorher bedächtig jedes Wort.

„Es tut mir sehr leid", sagte eines dieser schwarzgelbgestreiften Raubtiere, als man ihm Schwejk vorführte, „daß Sie wieder in unsere Hände gefallen sind. Wir haben geglaubt, daß Sie sich bessern werden, aber wir haben uns getäuscht.“

Schwejk nickte stumm mit dem Kopf und gebärdete sich so unschuldig, daß das schwarzgelbe Raubtier ihn fragend anblickte und mit Nachdruck sagte:

„Machen Sie nicht so ein blödes Gesicht."

Er ging jedoch sofort zu einem liebenswürdigen Ton über und fuhr fort: „Für uns ist es gewiß sehr unangenehm, Sie in Haft zu halten, und ich kann Ihnen versichern, daß meiner Meinung nach Ihre Schuld nicht so groß ist, denn bei Ihrer geringen Intelligenz besteht kein Zweifel, daß Sie verleitet worden sind. Sagen Sie mir, Herr Schwejk, wer verleitet Sie eigentlich dazu, solche Dummheiten zu machen?" Schwejk hustete und sagte: „Ich weiß, bitte, von keinen Dummheiten."

„Und ist das keine Dummheit, Herr Schwejk", hieß es in gekünstelt väterlichem Ton, „wenn Sie, nach Angabe des Polizisten, der Sie hergebracht hat, vor einem an der Straßenecke affichierten Kriegsmanifest einen Menschenauflauf hervorrufen und das Volk mit Ausrufen aufwiegeln, wie: ,Heil Kaiser Franz Josef, diesen Krieg gewinnen wir!'" „Ich könnt nicht untätig bleiben", erklärte Schwejk, seine guten Augen auf das Antlitz des Inquisitors heftend, „ich war so aufgeregt, wie ich gesehn hab, daß alle das Kriegsmanifest lesen und keine Freude zeigen. Keine Hochrufe, kein Hurra, überhaupt nichts, Herr Rat. So wie wenns sie überhaupt nichts angehn macht. Und da hab ich alter Soldat von den Einundneunzigern nicht mehr länger zuschaun können und hab diese Sätze ausgerufen, und ich denk, wenn Sie an meiner Stelle gewesen wären, daß Sie es gradso gemacht hätten wie ich. Wenn schon Krieg is, müssen wir ihn gewinnen und man muß dem Kaiser Heil rufen, das wird mir keiner ausreden!"

Überwunden und zerknirscht ertrug das schwarzgelbe Raubtier nicht den Blick des unschuldigen Schäfchens Schwejk; es senkte die Augen auf die Gerichtsakten und sagte: „Ich anerkenne vollkommen Ihre Begeisterung, aber Sie hätten sie unter andern Umständen bekunden müssen. Sie wissen selbst gut, daß ein Polizist Sie geführt hat, so daß so eine patriotische Kundgebung auf die Bevölkerung eher ironisch als ernsthaft wirken konnte und mußte." „Wenn jemanden ein Polizist führt", entgegnete Schwejk, „is das ein schwerer Moment im Menschenleben. Aber wenn man nicht mal in so schweren Momenten vergißt, was sich zu tun gebührt, wenn Krieg is, so denk ich, dann is man kein schlechter Mensch."

Das schwarzgelbe Raubtier knurrte und schaute Schwejk noch einmal in die Augen.

Schwejk antwortete mit der unschuldigen, weichen, bescheidenen und sanften Wärme seines Blickes.

Eine Zeitlang blickten einander die beiden unverwandt an. „Hol Sie der Teufel, Schwejk", sagte schließlich der Amtsbart, „wenn Sie noch einmal herkommen, werde ich Sie überhaupt nicht mehr ausfragen, und Sie werden direkt ins Militärgericht auf den Hradschin wandern. Haben Sie verstanden?"

Und eh er sichs versah, schritt Schwejk auf ihn zu, küßte ihm die Hand und sagte:

„Vergelts Gott tausendmal. Wenn Sie mal ein Hunterl brauchen sollten, wenden Sie sich gefälligst an mich. Ich hab ein Geschäft mit Hunden."

Und so befand sich Schwejk wieder in Freiheit und auf dem Weg zu seinem Heim. Seine Erwägung, ob er sich zuerst beim „Kelch" aufhalten sollte, endete damit, daß er jene Türe öffnete, durch die er vor einiger Zeit in Begleitung des Detektivs Bretschneider geschritten war.

Im Ausschank herrschte Grabesstille. Es saßen dort einige Gäste, unter ihnen der Küster von der Apollinarkirche. Sie sahen bekümmert aus. Hinter dem Schanktisch saß die Wirtin Palivec und blickte stumpf auf die Bierhähne.

„Also da bin ich schon wieder", sagte Schwejk lustig, „geben Sie mir ein Glas Bier. Wo hamr denn den Herrn Palivec, is er auch schon zu Haus?"

Statt einer Antwort begann die Palivec zu weinen. Sie stöhnte, und indem sie ihr Unglück in eine eigentümliche Betonung jedes Wortes zusammenfaßte, hub sie an:

„Sie - ham - ihm - zehn - Jahre - aufgebrummt - vor - einer Woche …,"

„Na also", sagte Schwejk, „da hat er also schon sieben Tage hinter sich."

„Er war so vorsichtig", weinte die Palivec, „er hats selbst immer von sich behauptet."

Die Gäste im Ausschank schwiegen hartnäckig, als gehe hier der Geist des Palivec um und mahne sie zu noch größerer Vorsicht.

„Vorsicht is die Mutter der Weisheit", sagte Schwejk, während er sich an den Tisch zu einem Glas Bier setzte, in dessen Schaum sich kleine Löcher befanden, die durch die herabtropfenden Tränen der Frau Palivec entstanden waren, als sie Schwejk das Bier auf den Tisch getragen hatte, „heutzutage sind die Zeiten so, daß sie einen zur Vorsicht zwingen."

„Gestern hamr zwei Begräbnisse gehabt", lenkte der Küster von der Apollinarkirche das Gespräch auf ein anderes Geleise. „Da is wohl jemand gestorben", sagte ein anderer Gast, worauf ein dritter hinzufügte:

„Warens Begräbnisse erster Klasse?“

„Ich mächt gern wissen", sagte Schwejk, „wie jetzt im Krieg die Militärbegräbnisse sein wern."

Die Gäste erhoben sich, zahlten und gingen still davon. Schwejk blieb allein mit Frau Palivec.

„Das hab ich mir nicht gedacht", sagte er, „daß sie einen unschuldigen Menschen zu zehn Jahren verurteilen wern. Daß sie einen unschuldigen Menschen zu fünf Jahren verurteilt ham, das hab ich schon gehört, aber zehn, das is bißl viel."

„Wenn mein Alter gestanden hat!" weinte die Palivec. „Wie er das hier von den Fliegen gesagt hat und von dem Bild, so hat ers auch auf der Direktion und bei Gericht wiederholt. Ich war bei der Hauptverhandlung als Zeugin, aber was hab ich bezeugen können, wenn sie mir gesagt ham, daß ich in einem verwandtschaftlichen Verhältnis zu meinem Mann steh und daß ich mich der Zeugenschaft entschlagen kann. Ich hab mich so erschreckt über dieses verwandtschaftliche Verhältnis, damit draus vielleicht nicht was wird, so hab ich mich der Zeugenschaft entschlagen, und der arme Kerl hat mich so angeschaut, mein Leben lang wer ich seine Augen nicht vergessen. Und dann, nach dem Urteil, wie man ihn abgeführt hat, hat er auf dem Gang geschrien, so blöd war er davon: ,Es lebe der Freie Gedanke!'"

„Und Herr Bretschneider geht nicht mehr her?" fragte Schwejk.

„Er war paarmal hier", erwiderte die Wirtin, „hat ein oder zwei Biere getrunken, hat mich gefragt, wer hergeht und hat zugehört, wie die Gäste vom Fußball reden. Immer, wenn sie ihn sehn, reden sie nur vom Fußball. Und mit ihm hats gezuckt, als ob er jede Weile hätt toben und sich winden wolln. Während dieser ganzen Zeit is ihm nur ein einziger Tapezierer aus der Quergasse aufn Leim gegangen."

„Es is Übungssache", bemerkte Schwejk, „war der Tapezierer ein dummer Mensch?"

»Ungefähr wie mein Mann", antwortete sie unter Tränen, „er hat ihn gefragt, ob er auf die Serben schießen möcht. Und da hat er ihm gesagt, daß er nicht schießen kann, daß er einmal bei einer Schießbude war und dort die Krone durchschossen hat. Dann hamr alle gehört, daß der Herr Bretschneider gesagt hat, wie er sein Notizbuch herausgezogen hat: „Da schau her, wieder ein neuer hübscher Hochverrat! und dann is er mit dem Tapezierer aus der Quergasse fortgegangen, und der is nicht mehr zurückgekommen."

Ja, ja, es wern ihrer viele nicht mehr zurückkommen", sagte Schwejk, „geben Sie mir einen Rum."

Schwejk ließ sich gerade zum zweitenmal Rum einschenken, als der Geheimpolizist Bretschneider die Wirtsstube betrat. Er warf einen hastigen Blick in den Ausschank und in das leere Lokal, setzte sich zu Schwejk, bestellte ein Bier und wartete, was Schwejk sagen würde. Schwejk nahm eine Zeitung vom Ständer und bemerkte, während er die rückwärtige Inseratenseite betrachtete:

„Na also, dieser Tschimpera in Straschkow Nr. 5, Post Ratsch, verkauft seine Wirtschaft mit 13 Strich eigenen Feldern, Schule und Bahn im Ort."

Bretschneider trommelte nervös mit den Fingern, drehte sich zu Schwejk herum und sagte:

„Das wundert mich aber, daß Sie diese Wirtschaft interessiert, Herr Schwejk."

„Ach, das sind Sie", sagte Schwejk, indem er ihm die Hand reichte, „ich hab Sie nicht gleich erkannt, ich hab ein sehr schlechtes Gedächtnis. Zum letztenmal hamr uns, wenn ich mich nicht irr, in der Aufnahmskanzlei der Polizeidirektion gesehen. Was machen Sie denn seit der Zeit, kommen Sie oft her?"

„Ich bin heut Ihretwegen gekommen", sagte Bretschneider, „mir wurde auf der Polizeidirektion mitgeteilt, daß Sie Hunde verkaufen. Ich brauche einen Rattler oder Spitz oder etwas Ähnliches."

„Das kann ich Ihnen alles verschaffen", antwortete Schwejk, „wünschen Sie ein reinrassiges Tier oder so einen Straßenköter?"

„Ich glaube", entgegnete Bretschneider, „daß ich mich für ein reinrassiges Tier entscheiden werde."

„Und wie wärs mit einem Polizeihund?" fragte Schwejk, „so einen, was gleich alles ausschnüffelt und auf die Spur des Verbrechens führt? Ein Fleischer in Wrschowitz hat einen, und er zieht ihm das Wagerl. Dieser Hund hat, wie man sagt, seinen Beruf verfehlt."

„Ich möcht einen Spitz", sagte Bretschneider mit ruhiger Hartnäckigkeit, „einen Spitz, der nicht beißt."

„Wünschen Sie also einen zahnlosen Spitz?" fragte Schwejk, „ich weiß von einem. Ein Wirt in Dejwitz hat einen."

„Also lieber einen Rattler", ließ sich Bretschneider verlegen vernehmen, dessen kynologische Kenntnisse sich erst im Anfangsstadium befanden und der, wenn er nicht den Befehl dazu von der Polizeidirektion erhalten hätte, nie etwas über Hunde erfahren haben würde. Aber der Befehl lautete deutlich, klar und hart. Er sollte mit Schwejk auf Grund seines Hundegeschäftes näher bekannt werden und erhielt zu diesem Zweck das Recht, sich Gehilfen auszusuchen und über Beträge zum Ankauf von Hunden zu disponieren.

„Rattler gibts größere und kleinere", sagte Schwejk, „ich weiß von zwei kleinern und drei größern. Alle fünf kann man aufn Schoß nehmen. Ich kann Ihnen sie aufs wärmste empfehlen."

„Das wär was für mich", erklärte Bretschneider, „und was kostet einer?" „Das kommt auf die Größe an", antwortete Schwejk, „das hängt nur von der Größe ab. Ein Rattler is kein Kalb, bei Rattlern is es grad umgekehrt, je kleiner, desto teurer."

„Ich reflektiere auf einen größern, der hüten kann", entgegnete Bretschneider, der fürchtete, den Geheimfonds der Staatspolizei zu sehr zu belasten.

„Gut", sagte Schwejk, „größere kann ich Ihnen zu fünfundzwanzig Kronen verkaufen, und noch größere zu fünfundvierzig, aber dabei hamr auf was vergessen. Solln es junge Hunde sein oder ältere Hunde, und dann Hunde oder Hündinnen?"

„Das is mir egal", antwortete Bretschneider, der hier unbekannten Problemen gegenüberstand, „verschaffen Sie mir einen, und ich hole mir ihn morgen um sieben Uhr abend bei Ihnen. Abgemacht?"

„Abgemacht, kommen Sie", antwortete Schwejk trocken, „aber in diesem Fall bin ich gezwungen, Sie um eine Anzahlung von dreißig Kronen zu bitten."

„Ohne weiters", sagte Bretschneider, das Geld auszahlend, „und jetzt lassen wir uns jeder ein Viertel Wein auf mein Konto geben." Als sie ausgetrunken hatten, bestellte Schwejk ein Viertel auf sein Konto, dann wieder Bretschneider, wobei er Schwejk aufforderte, sich nicht vor ihm zu fürchten, er sei heute nicht im Dienst, und man könne mit ihm daher über Politik sprechen.

Schwejk erklärte, er spreche niemals im Wirtshaus über Politik, die ganze Politik sei ein Geschäft für kleine Kinder.

Bretschneider hatte dagegen revolutionärere Anschauungen; er erklärte, daß jeder schwache Staat zum Untergang verurteilt sei und fragte Schwejk nach seiner Ansicht darüber.

Schwejk erklärte, daß er mit dem Staat nie zu tun gehabt habe, aber einmal habe er ein schwaches Bernhardinerjunges in Pflege genommen und mit Kommißzwieback gefüttert, und es sei auch richtig krepiert. Als sie jeder das sechste Viertel getrunken hatten, erklärte Bretschneider, er sei Anarchist und fragte Schwejk, in welche Organisation er sich einschreiben lassen solle.

Schwejk sagte, daß ein Anarchist einmal einen Leonberger für hundert Kronen von ihm gekauft habe und ihm die letzte Rate schuldig geblieben sei.

Beim siebenten Viertel sprach Bretschneider von der Revolution und gegen die Mobilisierung, worauf Schwejk sich zu ihm neigte und ihm ins Ohr flüsterte:

„Grad is ein Gast ins Lokal gekommen, daß er Sie also nicht hört, sonst möchten Sie draus Unannehmlichkeiten haben … Sie sehn doch, daß die Wirtin weint."

Frau Palivec weinte tatsächlich auf ihrem Stuhl hinter dem Schanktisch. „Warum weinen Sie, Frau Wirtin?" fragte Bretschneider, „in drei Monaten gewinnen wir den Krieg, dann gibts Amnestie, Ihr Mann kommt zurück, und wir trinken uns bei Ihnen einen Rausch an." „Oder glauben Sie nicht, daß wir gewinnen?" wandte er sich an Schwejk. „Wozu das immerfort wiederkaun", sagte Schwejk, „gewinnen muß mans, basta, jetzt muß ich aber schon nach Haus gehn."

Schwejk bezahlte die Zeche und kehrte zu seiner alten Bedienerin, Frau Müller, zurück, die sehr erschrak, als sie sah, daß der Mann, der die Wohnungstür mit einem Schlüssel öffnete, Schwejk war.

„Ich hab gedacht, gnä' Herr, daß Sie erst in paar Jahren zurückkommen wern", sagte sie mit der gewohnten Aufrichtigkeit, „ich hab mir derweil aus Mitleid einen Portier aus einem Nachtcafe auf Quartier genommen, weil bei uns dreimal Hausdurchsuchung war und sie gesagt ham, wie sie nichts ham finden können, daß Sie verloren sind, weil sie raffiniert sind." Schwejk überzeugte sich sofort, daß der unbekannte Fremde sich recht bequem eingerichtet hatte. Er schlief in Schwejks Bett und war sogar so edelmütig, daß er sich mit dem halben Bett begnügte und auf der andern Hälfte irgendein langhaariges Geschöpf einquartiert hatte, das aus Dankbarkeit im Schlaf die Arme um seinen Hals geschlungen hielt, während Herren- und Damengarderobestücke kunterbunt ums Bett herumlagen. Aus dem Chaos war ersichtlich, daß der Nachtcafeportier mit seiner Dame in fröhlicher Laune heimgekehrt war.

„Herr", sagte Schwejk, den Eindringling rüttelnd, „daß Sie das Mittagmahl nicht verpassen! Es möchte mich sehr verdrießen, wenn Sie von mir sagen möchten, daß ich Sie herausgeworfen hab, wie Sie schon nirgends was zum Mittagmahl bekommen ham."

Der Portier war sehr verschlafen, und es dauerte lange, bevor er begriff, daß der Eigentümer des Bettes zurückgekehrt war und Ansprüche darauf erhob.

Nach der Gewohnheit aller Nachtcafeportiers erklärte auch dieser Herr, er werde jeden, der ihn wecken wolle, durchprügeln, worauf er weiterzuschlafen versuchte.

Schwejk klaubte einstweilen die verschiedenen Garderobestücke zusammen, brachte sie dem Portier zum Bett und sagte, während er ihn energisch rüttelte:

„Wenn Sie sich nicht anziehen, wer ichs probieren, Sie so, wie Sie sind, auf die Gasse zu werfen. Es is ein großer Vorteil für Sie, wenn Sie angezogen von hier herausfliegen."

„Ich hab bis acht Uhr abend schlafen wolln", ließ sich der Portier verschüchtert vernehmen, während er sich die Hosen anzog, „ich zahl dieser Frau pro Tag zwei Kronen fürs Bett und kann mir Fräuleins ausn Kaffeehaus herführen. Marie, steh auf!" Als er sich den Kragen anzog und die Krawatte umband, war er bereits so weit zu sich gekommen, daß er Schwejk versichern konnte, das Nachtcafe „Mimosa" sei wirklich eines der anständigsten Nachtlokale, in das nur Damen Zutritt hätten, deren Polizeibüchel vollständig in Ordnung sei, und lud Schwejk herzlich zu einem Besuch ein.

Seine Gefährtin hingegen war mit Schwejk keineswegs zufrieden und bediente sich einiger recht feiner Ausdrücke, deren feinster lautete: „Kfach!, hundsgemeiner!"

Nachdem die Eindringlinge gegangen waren, wollte Schwejk mit Frau Müller abrechnen. Er fand aber keine Spur von ihr vor, außer einem Stückchen Papier, auf das mit Bleistift die unregelmäßigen Schriftzüge Frau Müllers geschmiert waren. Sie enthielten ihre Gedanken hinsichtlich des unglücklichen Vorfalls mit Schwejks an den Nachtcafeportier verborgtem Bett:

„Verzeihn Sie, gnä' Herr, daß ich Sie nie mehr sehn wer. weil ich aus dem Fenster spring." „Sie lügt", sagte Schwejk und wartete.

In einer halben Stunde kam die unglückliche Frau Müller in die Küche geschlichen. Ihrem verstörten Gesichtsausdruck merkte man an, daß sie von Schwejk Worte des Trostes erwartete.

„Wenn Sie aus dem Fenster springen wolln", sagte Schwejk, „gehn Sie ins Zimmer, das Fenster hab ich aufgemacht. Aus dem Küchenfenster zu springen möcht ich Ihnen nicht raten, weil Sie in den Garten auf die Rosen fallen könnten und die Sträucher zerdrücken möchten und sie bezahlen müßten. Aus dem Zimmerfenster fliegen Sie schön aufs Trottoir, und wenn Sie Glück ham, brechen Sie sich das Genick. Wenn Sie Pech ham, brechen Sie sich bloß alle Rippen, Hände und Füße und wern noch das Spital zahlen müssen." Frau Müller brach in Tränen aus, ging leise ins Zimmer und schloß das Fenster, und als sie zurückkehrte, sagte sie: „Es zieht nämlich, und das war nicht gut für den gnä' Herr sein Rheumatismus." Dann machte sie das Bett zurecht, brachte wieder alles ungewöhnlich sorgfältig in Ordnung, und als sie zu Schwejk in die Küche trat, bemerkte sie tränenden Auges: „Die zwei jungen Hunde, gnä' Herr, was wir am Hof gehabt ham, sind krepiert. Und der Bernhardiner is uns weggelaufen, wie sie hier die Hausdurchsuchung vorgenommen ham." „Jesusmariand-Josef", schrie Schwejk, „der kann in eine hübsche Schlamastik kommen, der wird jetzt sicher von der Polizei gesucht werden." „Er hat einen Polizeikommissär gebissen, wie er ihn bei der Durchsuchung unterm Bett herausgezogen hat", fuhr Frau Müller fort, „nämlich zuerst hat einer von den Herrn gesagt, daß dort jemand unterm Bett is, so ham sie den Bernhardiner im Namen des Gesetzes aufgefordert, er soll herauskriechen, und wie er nicht wollt, ham sie ihn herausgezogen. Und er wollt sie beißen, dann is er aus der Tür geflogen und nicht mehr zurückgekommen. Mit mir ham sie auch ein Verhör angestellt, wer zu uns kommt, ob wir nicht Geld ausm Ausland kriegen, und dann ham sie Anspielungen gemacht, daß ich dumm bin, weil ich gesagt hab, daß das Geld ausm Ausland nur selten kommt, zuletzt von dem Herrn Direktor aus Brünn, die Anzahlung von sechzig Kronen auf die Angorakatze, die Sie in der ,Narodni Politika' inseriert ham und statt der Sie ihm in der Dattelkiste das blinde Foxterrier junge geschickt ham. Dann ham sie mit mir sehr freundlich gesprochen und ham mir den Portier aus dem Nachtcafe empfohlen, damit ich mich nicht allein in der Wohnung fürcht, den nämlichen, was Sie herausgeworfen ham."

„Ich hab halt schon mal ein Pech mit diesen Behörden, Frau Müller, Sie wern sehn, wie viele Leute jetzt zu mir Hunde kaufen kommen wern", seufzte Schwejk.

Ich weiß nicht, ob die Herren, die nach dem Umsturz das Polizeiarchiv prüften, die Posten des Geheimfonds der Staatspolizei entziffern konnten, die lauteten: B - 40 K, F - 50 K, L - 80 K usw., aber sie haben sich entschieden geirrt, wenn sie dachten, daß B, F, L die Anfangsbuchstaben von Männern waren, die für 40, 50, 80 usw. Kronen die tschechische Nation an den schwarzgelben Adler verkauften,

„B" bedeutet Bernhardiner, „F" Foxterrier, „L" heißt Leonberger. Alle diese Hunde brachte Bretschneider von Schwejk zur Polizeidirektion. Es waren abscheuliche Scheusalen die nicht das geringste mit jener reinen Rasse zu tun hatten, für die sie Schwejk Bretschneider gegenüber ausgab.

Der Bernhardiner war eine Kreuzung aus einem nicht reinrassigen Pudel und einem Straßenköter, der Foxterrier hatte die Ohren eines Dachshundes, die Größe eines Fleischerhundes und krumme Beine, als hätte er die englische Krankheit durchgemacht. Der Leonberger erinnerte mit dem Kopf an das haarige Maul eines Stallpinschers, hatte einen abgehackten Schweif, die Höhe eines Dachshundes und einen kahlen Hintern wie die berühmten nackten amerikanischen Hündchen. Einmal kam Detektiv Kalous, um einen Hund zu kaufen, und kehrte mit einem verstörten Biest zurück, das an eine gefleckte Hyäne mit der Mähne eines schottischen Schäferhundes gemahnte; und unter den Posten des Geheimfonds erschien ein neues: D — 90 K. Das Ungetüm spielte die Rolle einer Dogge …

Aber auch Kalous gelang es nicht, etwas aus Schwejk herauszubekommen. Es erging ihm so wie Bretschneider. Selbst die geschicktesten politischen Gespräche leitete Schwejk auf die Behandlung der Hundeseuche bei jungen Hunden über, und das Ergebnis der scharfsinnigst erdachten Fälle endete damit, daß Bretschneider von Schwejk abermals ein neues, unerhört gekreuztes Scheusal nach Hause brachte.

Und das war das Ende des berühmten Detektivs Bretschneider. Als er in seiner Wohnung bereits sieben solcher Scheusäler hatte, sperrte er sich mit ihnen im Hinterzimmer ein und gab ihnen so lange nichts zu fressen, bis sie ihn auffraßen.

Er war so ehrenhaft, daß er dem Ärar die Begräbniskosten ersparte. In seinem Dienstvermerk auf der Polizeidirektion waren in die Rubrik: „Beförderung im Dienst" folgende Worte voller Tragik eingetragen: „Aufgefressen von den eigenen Hunden."

Als Schwejk später von dieser tragischen Begebenheit erfuhr, sagte er: „Aber das eine möcht ich nur gern wissen, wie sie ihn beim Jüngsten Gericht zusammensetzen wern."

Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk

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