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Die Sommertage waren herrlich. Mit zunehmendem Vertrauen erlaubte nun Ruth den Kindern, wenn sie nur gut aufeinander acht geben würden, nach der Schule mit den anderen Kindern hinterm Haus zu spielen. Tobias, als der Älteste, bekam den Haustürschlüssel unter großem Ehrenwort anvertraut, und wenn der Magen knurrte, hatte Ruth erlaubt, daß sie hineingehen und sich ein Brot schmieren durften. „Aber, daß ihr mir bloß keine Schweinerei in der Küche macht, und andere Kinder haben bei uns in der Wohnung nichts zu suchen“ Vorausschauend hatte sie den Brotlaib im Küchenschrank bereits auf ein Holzbrett gelegt, dazu ein Brotmesser, daneben die Butter mit dem Messer. An manchen Tagen aber gab es trotzdem Ärger, denn der große Brotlaib war innerhalb eines Nachmittags auf einen kläglich kleinen Kanten geschrumpft. Es schmeckte aber auch zu köstlich, dicke Scheiben frisches Brot, fingerdick mit Butter bestrichen. Oben drauf streuten sie Zucker, - ein Traum -, was eigentlich nicht von der Mutter vorgesehen war, aber die überall verstreuten Zuckerkrümel hatten sie schnell entlarvt.

Manchmal, ganz selten, waren auch noch Brötchen vom Wochenende übrig. Es ging nichts über den Geschmack eines Brötchens, oben mit einem Bohrloch versehen und mit dem Zeigefinger ausgehöhlt. Den weichen Teig puhlte man heraus und aß ihn einfach mal schnell so nebenbei, dann wurde das ausgehöhlte Brötchen bis zum Rand mit Zucker gefüllt und oben drauf wurden einige Tropfen Wasser aus der Leitung gegeben. Die Kunst war, schnell genug wieder hinaus in den Garten zu kommen, denn bald schon fing der Brötchenteig an, nass und wabbelig zu werden und das Zuckerwasser fing an, auf den Boden zu tropfen. Nach vorn gebeugt, aßen, schlangen, schlürften sie die nasse, zuckerklebrige Köstlichkeit.

Eine andere begehrte Nascherei waren Streusel. Dazu gaben sie, in der Regel war es Enne, der diese Idee hatte, zu gleichen Teilen, wenigstens ungefähr, Mehl, Zucker und Butter in eine Schüssel. Natürlich hinterließen sie meistens in der Küche Spuren, so daß abends erst einmal wieder eine Standpauke fällig war, denn Mutters Vorräte waren für andere Dinge eingeplant. Daran dachte Enne aber nicht am Nachmittag, wenn der Magen knurrte. Schon sprang er wieder raus in den Garten und draußen, auf der Decke sitzend, wurden die Zutaten dann in der Schüssel gut durchgeknetet, so lange, bis herrliche Teigstreusel wie von selbst entstanden, die dann mehr oder weniger gerecht unter den Geschwistern – und wenn es ein ganz guter Tag war, sogar unter Freunden - aufgeteilt wurden. Der 'Bäcker' bekam dabei natürlich den Bärenanteil, und Ennes vorher schmutzige Finger sahen hinterher immer viel sauberer aus. Sie klebten aber furchtbar, und Enne machte sich einen Spaß daraus, mit ausgestreckten Händen hinter Corinna herzulaufen, die schreiend vor ihm davonlief. Aber dann setzte er sich wieder ins Gras, wohl auch weil ihm selbst die Hände zu klebrig waren und leckte alles, auch den kleinsten Rest Teig, Fett, Zucker, wie eine Katze von jedem Finger ab und strich sich dann immer und immer wieder die Hände im Gras trocken. Diese Prozedur hinterher dauerte länger als die Zubereitung an sich, aber sie war es wert. An manchen Tagen suchte die Mutter nach einer ihrer Schüsseln, Enne schlich sich dann schnell hinaus und fand sie schließlich irgendwo im Sandkasten oder im Gras wieder. Und wieder gab es Ärger, aber Enne steckte das immer einfach so weg.

So vergingen wunderschöne, strahlende Sommertage. Das Klettergerüst, fleißig von allen Kindern benutzt, war nicht nur zum Turnen zu gebrauchen. Es eignete sich auch hervorragend dazu, einen Theatervorhang aus Decken daran zu befestigen. Tobias hatte plötzlich eine Idee und angeleitet von ihm und Enne, studierten alle Kinder des Hauses einige Turnkunststücke ein. Jeder wollte dabei sein. Sie holten dazu von daheim Bälle, Hullahupp-Reifen, Hocker, Seile, Tücher und Decken.

So manche Mutter vermisste wohl zeitweise etwas in ihrem Haushalt, das dann später wie durch ein Wunder plötzlich wieder auftauchen sollte. Es war ein herrlich buntes und lautes Treiben auf dem Rasen. Das ging mehrere Wochen so. Alle hüpften und schrien durcheinander,

jeder wollte mitmachen und hatte Ideen, aber sobald sich nur ein Erwachsener im Garten blicken ließ, steckte die Horde die tuschelnden Köpfe zusammen, dann wurden sie plötzlich immer stiller. Es sollte ja bloß keiner was merken. Irgendwie bekam Tobbe es hin, eine gewisse Ordnung in den Haufen zu bekommen. Es wurde eine Art Programm zusammengestellt und irgendwann wusste jeder, was er wie und wann zu tun hatte. Tobbe war zufrieden. Dies sollten wohl die Anfänge seiner Karriere sein, in Bezug auf das Thema 'Wie gewinne ich bei Menschen Aufmerksamkeit'. Schließlich schrieb er viele kleine Zettel, - Einladungen an die Eltern. „Samstag , 3 Uhr, Zirkusvorstellung im Garten. Eltern werden gebeten, eigene Stühle mitzubringen. Eintritt 1 DM.“ Natürlich kamen die Eltern fast aller Kinder und trotz stellenweisen Durcheinanders, Mängel in der Regie und Vergesslichkeit und etwas Ungeschicklichkeit bei den 'Artisten', verbrachten alle einen wunderbaren Sommertag, der den Kindern schließlich eine große Tüte mit Süßigkeiten einbrachte, denn die Eltern waren mit dem Eintrittsgeld nicht kleinlich gewesen. Tobbe kaufte ein und sah zu, daß alles redlich geteilt wurde.

Brüder mit schlanken Beinen

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