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7. Betriebliche Übung
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Der Arbeitsvertrag kann praktisch ergänzt werden durch die Grundsätze der so genannten betrieblichen Übung.
Lesenswert zur Thematik der Gleichförmigkeit: BAG NJW 2015, 3326-3328.
Betriebliche Übung nennt man die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus denen der Arbeitnehmer schließen kann, ihm solle eine Vergünstigung oder Leistung auf Dauer eingeräumt werden.[44]
Grundsätzlich kann dabei jeder arbeitsrechtliche Gegenstand durch betriebliche Übung geregelt werden.
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Von der ganz überwiegenden Meinung wird in dem Verhalten des Arbeitgebers ein konkludentes Angebot gesehen, das durch den Arbeitnehmer stillschweigend angenommen werden kann, § 151 BGB.[45] Nicht entscheidend ist, ob der Arbeitgeber einen diesbezüglichen Verpflichtungswillen hatte. Es reicht aus, wenn der verständige Empfänger auf einen entsprechenden Verpflichtungswillen schließen kann, §§ 133, 157 BGB. Nur bei eindeutig klar unmissverständlichem Freiwilligkeitsvorbehalt kann ein verständiger Empfänger mit Rücksicht auf Treu und Glauben und die Verkehrssitte nicht von einem verbindlichen Vertragsangebot ausgehen.[46]
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Ab welcher Anzahl von Leistungen der Arbeitnehmer erwarten darf, dass er auch künftig die Leistung erhält, bemisst sich nach Art und Inhalt der Leistung, Dauer und Intensität der Leistung. Handelt es sich um für den Arbeitnehmer bedeutsame Leistungen, sind an die Zahl der Wiederholungen niedrigere Anforderungen zu stellen als bei weniger bedeutsameren Leistungsinhalten.[47]
Beispiel
Zahlt der Arbeitgeber drei Jahre hintereinander vorbehaltslos eine Weihnachtsgratifikation, so hat der Arbeitnehmer in Zukunft einen Anspruch darauf.[48]
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Durch die betriebliche Übung wird ein Anspruch des Arbeitnehmers für die Zukunft begründet. Der Arbeitgeber kann sich, dem allgemeinen Vertragsrecht entsprechend, nicht mehr einseitig von seiner Verpflichtung lossagen. Lösungsmöglichkeiten sind daher nur die Änderungskündigung oder ein Änderungsvertrag.
Hinweis
Die Rechtsprechung zur sog. gegenläufigen betrieblichen Übung wurde vom BAG aufgegeben, vgl. BAG vom 18.3.2009[49] – unbedingt lesen! Nach der älteren Rechtsprechung des BAG konnte ein Arbeitgeber durch sog. gegenläufige oder negative betriebliche Übung, durch mehrmalige Nichtgewährung eines Vorteils – ohne Widerspruch des Arbeitnehmers – eine zuvor entstandene betriebliche Übung aufheben.
Will der Arbeitgeber das Entstehen einer betrieblichen Übung verhindern, so muss er einen entsprechenden Vorbehalt konkret zum Ausdruck bringen (Freiwilligkeitsvorbehalt[50]).