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ZWEITE FAHRT

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Endigung der ersten – die Krötenritter – Frosch- und Mäusekrieg im Fürstentum Vierreuter

In Luftschiffs-Journalen muß Ordnung sein; ich fange wieder an. Vorgestern am Auffahrtstage war ich um die Welt nicht herunterzubringen auf diese; vom unsteten Wehen ließ ich mich über Sachsen hin- und herwürfeln. Ich oder der neue Trabant um die Erde mochte ihnen drunten etwan die scheinbare Größe des alten haben. Mein Tischgebet verrichtete ich vor einem weichen Ei, das ich mir in Dintenwein 6 auftrug. Ich könnte ein pläsantes Leben hier oben führen, wenn ich mich nicht den ganzen Tag über alles erboste, was ich mir denke und finde. Schon drunten war ich oft imstande, tagelang die Stube auf- und abzulaufen und die Faust zu ballen, wenn ich über die böse Zwei (die böse Sieben für mich), über Ungerechtigkeit und Aufblasung reflektierte und mir die greuliche Menge der Schnapphähne und der Krähhähne vorsummierte, die ich in so vielen Ländern und Zeiten muß machen lassen, was sie wollen, ohne daß ich den einen die Sporen, den andern den Kamm abschneiden, dort Köpfe, hier Fenster einschlagen könnte. O Bruder Graul, kennst du auch den Ingrimm, wenn der Mensch sich vergeblich ein paar Sündfluten oder Jüngste Tage oder einen mäßigen Schwefelpfuhl wünscht, und es wie ein fauler Hund mit anschauen muß, wie zahllose Blut- und Schweinsigel, Kirchenfalken und Staatsfalken – in allen Ländern, Departements und den drei Zeit-Dimensionen – ungestraft saugen, stechen, stoßen und rupfen; – wie sie, gleich dem grünen Wasserfrosch, der die bewohnten Schneckenhäuser verdauet, Häuser und Länder verdauen; – wie sie (die besagten Bestien) wie der Ochse des Phalaris 7 sogar den Schrei des Menschenschmerzes in das Brüllen einer wilden Tierstimme verkehren? – O könnte man nur eine Woche lang als ein hübsches volles Gewitter über die Menschenköpfe ziehen und sie zuweilen berühren von oben herab, so wollt’ ich nicht klagen!

Da ich vorgestern über ein Dutzend Marktflecken und ein halbes kleiner Städte wegging und durch meinen gläsernen Fußboden und mein englisches Kriegsperspektiv herunterguckte in die Gärten und Gassen und an die Fenster mitten unter die Visiten-Komödien mit Chören hinein: so sagt’ ich: ihr armen Sünder allzumal, wollte Gott, ich wäre ein Platzregen! – Graul, du glaubst es nicht. Einer Sedezstadt zuzusehen, das passiert; aber eine ganze Sedezstädte-Bank, eine Austernbank, von oben zu überschauen, das chagriniert. Ich sah in 22 Gärten von mehreren Zwergstädten auf einmal das Knicksen, Zappeln, Hunds-, Pfauen-, Fuchsschwänzen, Lorgnieren, Raillieren und Raffinieren von unzähligen Zwergstädtern, alle (was eben der wahre Jammer ist) mit den Ansprüchen, Kleidern, Servicen, Möblen der Großstädter. – Hier in der einen Tanzkolonne die Sedezstädterinnen mit bleihaltigen Gliedern und Ideen, aber doch in gebildete Shawls eingewindelt und in der griechischen Löwenhaut schwimmend, viele wie Hühner 8 und Offiziere mit Federbüschen kränklich bewachsen, andere in ihren alten Tagen mit bunten Kleiderflügeln behangen als Denkzetteln der jungen, wie man sonst gebräunte Pfauen mit ungerupften Flügeln in der Bratenschussel servierte. – – In der entgegenstehenden Kolonne die Elegants und Roués, wie sie keine Residenzstadt aufweiset, die Narzissen-Jüngerschaft des Handels, des Militärs und der Justiz, deren modische Kruste in schneller Hitze ausbuk voll schwerer roher Krume, sprechend von Ton und schöner Welt, sehr badinierend über die alte langschößige in der Stadt; nicht gerechnet eine Sammlung gepuderter zarter Junker-Gesichter, die aus Billards und Schlössern vorgucken, wie aus dem durchlöcherten Kaninchenberg weißköpfige Kaninchen. – – Graul, über einen ganz vollen sächsischen Garten dieser Art, einen Kaninchengarten, mit eleganten langhosigen Ohnehosen 9 besamet, streckt’ ich im Zorn transitorisch meinen Arm aus, wie Xanthippe 10 ihren über ihren Sokrates unter der Haustüre, und goß es – ώς έν παροδφ 11 – auf die Lustpartie hinunter – – mit Effekt, gebe der Himmel! Auf keine andere Weise als mit diesem Strichregen macht’ ich meine erste Gastrolle in der kursächsischen Atmosphäre als Jagdtäufer.

Aber so ist die ganze ungeweihte Erde. Man denkt sich nur immer die eigne Stadt als das Filial und das Wirtschaftsgebäude zu einer entfernten Sonnenstadt; könnte man aber durch alle Gassen auf der Kugel auf einmal hinunter- und hinaufsehen und so immer dieselbe Gemeinhut der Alltäglichkeit auf beiden Kugelhälften finden: so würde man fragen: ist das die berühmte Erde? »Das Spuckkästchen drunten, das Pißbidorchen, das ist der Planet«, würd’ ich einem Seraph antworten, der vor mir vorbeiflöge und mich bäte, ihn zurechtzuweisen.

Das ist eben meine zweite Hölle – oben gedacht’ ich meiner ersten –, daß ich so unzählige Narren, die wie Luftbetten nach jeder Erniedrigung sich selber wieder heben – die Billionen, die sich den ganzen Monat die Huldigungsgerüste selber bauen – die Repetieruhren, die es immer wiederholen, wie weit sie vorgerückt – alle die Trommelsüchtigen in tausend Dörfern, Gerichtsstuben, Expeditionsstuben, Lehrsälen, Ratsstuben und Kulissen und Souffleurlöchern, welche lustig schwellen können, ohne daß man ihnen mit dem Trokar 12 einen tapfern Stich geben kann, das ist meine Hölle 13 , daß ich so viele Windschläuche mir denken muß, denen ich nie beikommen kann, weil manche einen ganzen Erdmesser weit von mir liegen. – O Gott, nur einen Jüngsten Tag der allgemeinen Demütigung – gern fahr’ ich dann ab! –

Aber zurück zu meinen andern Fahrten! Gestern am zweiten Pfingsttag erwacht’ ich über dem Fürstentümlein Vierreuter14 und wurde gerade auf dessen Haupt- und Residenzstadt hergetrieben. Ich beschloß, in beiden meinen Kaffee zu trinken. Kurz vor dem Parisertore dreht’ ich beide Hähne meiner Kugel auf, sowohl den für die Ausfuhr leichter als den für die Einfuhr schwerer Luft – und fiel wie ein Stoßvogel innerhalb der Wache nieder. Aber das machte diese dumm und wild, sie rief den Tor-Katecheten, und dieser wollte durchaus wissen, wer ich wäre, ferner meine Geschäfte, mein Logement und die Zeit meines Bleibens. Ich entgegnete ihm ganz höflich, er würde recht haben, grob zu fragen, so wie die Schildwache, den schiefen Schlagbaum geradezuziehen und sich davor grimmig zu postieren – da kleine Fürstentümer und deren Residenzen, wie kleine Juwelen, leichter zu verlieren wären – ,wenn ich draußen in einem Wagen vor dem Tor säße und es ansähe; allein jetzt sei ich ja, wie er sehe, darüber weg und schon einpassiert. Er gab durchaus nicht nach, ich auch nicht. Der Wehrstand, in den ich mich setzte, lockte den halben Wehrstand der Wachtstube um mich, Haustruppen im eigentlichen Sinn, die nie außerordentlichen Lärm in der Welt gemacht außer vor ihren eigenen Ohren, wenn sie eben Gurken aßen. Du sagtest einmal, Graul, du getrautest dich, wenn du am Grenzwappen ständest, über das ganze Fürstentum leicht wegzupissen, so schmal lauf’ es fort. Ich gab der Landmacht um mich herum etwas Ähnliches zu verstehen, indem ich sie fragte, ob man hier – so wie eine gewisse Stadt vor einem blinden Tore eine lebendige Wache hätte – nicht ebensogut vor wahre Tore blinde oder gemalte Wachen stellen könnte, die man gar nicht abzulösen brauchte.

Da sich darauf die Landmacht rüstete, mich ernsthafter zu berennen: ließ ich bloß meinen grünen Mantel ein wenig auseinanderfallen; sogleich schlug ich den Heerbann aus dem Felde – mit einer Kröte. Im ganzen Fürstentum Vierreuter steht nämlich kein Orden in größerem Ansehen als der französische oder neufränkische, den der Fürst selber gestiftet, damit er zum Großmeister erhoben würde von sich. Nach der Analogie von Deutschmeistern und deutschen Herren nennt er sich Frankenmeister und die Ritter Frankenherren. Sie tragen (denn er mußte mich in Marseille auch zu einem machen) im Knopfloch an grünem Bande eine goldne Kröte – Venns nicht bloß ein Frosch sein soll (da sie so groß ist wie der am Fiedelbogen) –; vermutlich soll die Kröte auf die französische Lilie (der Sage nach der Nachflor der Kröte) hinführen.

Es ist gar nicht zu sagen – wenn man nicht im Kammerkollegium sitzt –, um wie viele Zolle der vierreutersche Ordensgeneral durch die Erfindung seines Frosch- oder Krötenordens dem Lande die Geldgurt weiter und voller gemacht, – – bloß weil er aus beiden kein Goldstäubchen hinausfliegen ließ in fremde Länder für fremde Titel. Erstlich der Fürst selber, der, denk’ ich, den besten und daher teuersten Titel verlangen darf, legt – anstatt sich einen, z. B. das überteuerte blaue Hosenband aus England zu verschreiben, eine wahre Staats-Aderlaßbinde – ein inländisches Fabrikat um den Leib, das ihm keinen Heller kostet, sondern nur ein Wort, und er steht so gratis als Groß- oder Frankenmeister des Krötenordens fertig vor Europa da. Oder verlangt man, daß ein Herr, der das ganze Jahr Titel und Bänder an alle Welt, oft an die größten Tropfen und Ausländer ausgeworfen, sich selber zu nichts kreieren und durch kein Selbstband zeigen soll, wie er sich ehre? –

Zweitens: da die Menschen auf dem schlaffen Seile der seidnen Bänder am liebsten tanzen: so können in Ländern, die mit Metall- saiten bezogen werden sollen, gar nicht Basler Ordensbandfabriken genug errichtet werden, damit man die Menschen und ihr Geld bei der Ehre fasse! Der Frosch setzte mich und meine Injurien in Sicherheit und Achtung und darauf in den Gasthof, wo ich sogleich nach dem Balbier und nach dem Hofmarschall schickte, um durch beide den Zutritt zur Cour zu erwerben. Ich und der Fürst waren uns einander ehemals in Marseille in den Kulissen des Théâtre des Varietes aufgestoßen und sehr bekannt geworden. Die Wahrheit zu sagen, wollt’ ich dem Hofe Verdruß machen und mich nachher wieder in die Luft. Ich wurde angenommen: aber da ich im Verzugsund Anstandssaale auftrat unter den Frankenherren ohne Courflagge und Courruder, ohne Haarbeutel und Degen: so mußt’ ich mich ein wenig auf dem Rücken und von der Seite ansehen lassen. Endlich erschien unser Frankenmeister mit seiner Meisterin. Ich wurde ihm präsentiert wie ein lebender Wechsel auf die Vergangenheit, aber nicht außerordentlich honoriert und akzeptiert; – die Arme, womit er sonst jugendlich an sich drückte, waren – der eine durch das feste Halten des gewichtigen Zepters, der andere als Tragebalken und Atlas des Thronhimmels – ganz steif geworden und die weichen Hände sehr kallös 15 . Er konnte die Ellenbogen so wenig um mich zusammenschlagen als ein Wegweiser seine hölzernen. Ich führte ihn leise auf einige Juvenalia zurück, besonders auf ein Inkognitohaus in Marseille, das eigentlich das wahre Théatre des Variétés war, wo ich ihn mehrere Sonntage vormittags damit außer Fassung brachte, daß ich ihn daran erinnerte, wie gerade jetzt (in diesen etwas apokryphischen Horen) auf allen Kanzeln seines Landes in den kanonischen werde um das Vergnügen und die Tugend des Landesherrn geflehet werden und besonders darum, daß er gesund wiederkomme –: er ging darauf allemal ans Fenster des Theaters und hatte Gedanken.

Aber heute brach er ab mit einem gezwungenen Lächeln. – Serenissima sah stolz über die öden Plätze meines Körpers hin, wo ich mich als eine bloße Henne darstellte mitten unter so vielen Courhähnen mit Kamm und Sporen – nämlich ohne Haarbeutel und Degen. Sie ist eigentlich die Goldschaumschlägerin des zeremoniellen Rausch- und Knistergoldes; ihre Courparole Von hätte den Adam, ihren Urherrn, als einen tafelunfähigen von wenig oder gar keinen Ahnen – weil Präadamiten schwer zu dokumentieren sind – von ihrem Tischtuch verjagt. Sie wußte von den Römern, daß Sklaven oder (in der Sprache des Mittelalters) Leute frei würden, wenn sie mit dem Herrn äßen.

Endlich machte sich der Hof zum Marsche ins Tafel- oder Stummenzimmer mobil, und wir Kammer- und Frankenherren – meistens Leute, die nichts zu essen haben außer im Bratenrock und die sich mit dem Degen an der Seite den Weg bahnen zur Schüssel – und sämtliche Minister des Ländchens drangen in keilformiger Ordnung voran, und die fürstliche Familie schleifte leicht hintennach. – – Die Langeweile, als die Königin des Balles, war bald hinten, bald vornen und flog wie eine Hausfrau unter den Gästen umher.

Vierundzwanzig Worte wurden zur Tafel geliefert und an fünfundvierzigtausend Seufzer – ich hatte Zeit zum Zählen der Lieferungen als der größte Seufzer-Lieferant. O ihr Deutschen, warum sprecht ihr so wenig, zumal am Hofe, und vollends die Vierreuter! Sprechen ist Wachen, Schweigen nur Schlaf. Wenn man in Neapel die Satisfaktion hat, zu erfahren, daß jeder Balbier und Schneider einen zweiten zum Fremden mitbringt, um, während er rasiert oder misset, ein Sprechmitglied, einen Turniergenossen der Redeübung zu haben – und daß sogar der Souffleur sich noch einen Zungenableiter und Mitlauter im Kasten hält: so weiß man nicht, was man in Deutschland zu dem allgemeinen Zungenkrebs und Lippenkrebs – nur der letztere ist eine Krankheit bei Menschen – sagen soll, und das ist eben wieder deutsch und stumm. Sobald der Deutsche mit seiner Historie fertig ist – denn wie der Brite kein Frühstück ohne gedruckte Zeitung, so genießet überall der Mensch nichts ohne mündliche –: so kommt er gar nicht wie der Franzose erst recht ins ästhetische und philosophische Sprechen hinein, sondern er ist schon fertig mit allem.

Nur die drei Minister – so schreibt man Präsident, wenns mit großen oder Anfangsbuchstaben stehen soll – hatten den Mut (weil man sie haben mußte), zuweilen ein weises und langweiliges Wort zu sagen. Leute von Jahren und von hohen Ämtern exerzieren überall das Servitut der Langenweile, dieser Figurantin der Weisheit. Die Menschen machen es mit sich wie die Vogelfänger mit dem Hasenbalg, sie stülpen ihn zu einem Eulenkopf um (wie er auf Minervens Panzer sitzen könnte): dann fangen sie das leichtfertige Gevögel.

– Und dem fliegt Giannozzo so gern an der Spitze vor. Ich verfiel da wieder auf meinen alten Hotel-Spaß. Ich glaubte nämlich einiges Leben in die Eß-Konsulta zu bringen, wenn ich mich stellte, als entflöhe meines. Anfangs ließ ich einige nicht schrecklose Zukkungen über das Gesicht weglaufen; man sah sie sehr aufmerksam an; ich trug noch ein paar harte nach – und sank unversehens in die Ohnmacht. Ich wurde von einem Käferschwarm von Bedienten aufgefangen und umschnurrt. Da ich wieder auf den. Sessel und zum Besinnen kam, fand ich zu meiner Lust den Diskurs allgemein. Ich mußte jeden aus der Angstd es Rezidivs 16 herausziehen, damit man mich nur sitzen ließe. Sooft nun wieder Mattigkeit einfiel und Tafeljammer: so lehnt’ ich mich zurück und spielte auf meinem Gesicht mit matten Kräusel- und Anfangsbuchstaben von Versterben; aber ein schwacher Zickzack von Mienen reichte hin, alle zu beseelen und mich wieder aufrecht zu setzen. Die kahlköpfigsten Hofleute wollen sich – wie sie mir abermals schmeichelten – keines so amüsanten Diners entsonnen haben, als dieses durch meine mimischen Konfigurationen war. Ich selber wurde überhaupt allgemein gesucht, weil ich aus der Luft herabgefahren war und man mich wieder auffahren zu sehen hoffte. Abends im Novitätentempel – so hieß als Widerspiel, des Antikentempels ein schlechter Speisesaal im Park – bracht’ ich gar etwas in der Tasche mit, was die Gäste in so viel Feuer und Handlung setzen sollte als die Pucelle oder jede andere Muse und was ich auf dem Kirchturm, den ich deswegen zum Spaß bestiegen, eingesteckt hatte; – es waren ein paar Fledermäuse.

Es fiel darauf ein Land- und Lufttreffen zwischen den Froschrittern und Fledermäusen im Saale vor, daß der offizielle Bericht durchaus bekannt zu werden verdient, den ich an auswärtige Mächte davon aufgesetzt unter dem imposanten Titel:

Frosch- und Mäusekrieg im Novitätentempel zu Vierreuter

Als der Schelm Giannozzo eben vor dem warmen Suppenteller saß und jeder andere auch: schlüpft’ er heimlich mit der Linken in die Tasche und holte unter der Chauve-souris-Maske 17 des Schnupftuchs unbemerkt (weil der Hof auf die Löffel sah) seine Fledermäuse hervor und ließ solche unter der Tafel los. Wenige Sekunden darauf ging die Lust-partie à la guerre 18 an, die zweite Hof-Dame sah zuerst als Vorpost und enfant perdu die fliegenden Drachen oben fahren und rief nicht »wer da«, sondern wußt’ es sogleich und schrie bloß: perdu, weil sie: enfant ausließ. Die andern Damen riefen in zwei Sprachen: Himmel! – wenige Herren: Hölle! – die meisten beides. Auf dieses Kriegsgeschrei sprangen viele der meisten Krötenritter von ihren Sesseln auf und wieder darauf hinauf und zogen ihre Hof-Raufer, um sich mit den Mäusen auf Hieb und Stoß zugleich und sogleich einzulassen. Die schwere Kolonne, deren Backen und Bauch am Hofpol wie Wasser im Frost konvex geworden waren, erwartete den Feind auf dem Fußboden und hielt die Hüften-Bajonette vor. – Das Bedientenvolks-Aufgebot rannte aufgebracht umher, die meisten schlugen mit der Fahne der Serviette, womit sie den Teller gehalten, nach den fliegenden Corps, wenige mit den breitgedrückten Halbpfündern von Tellern. – Bloß ihr Chef, der alte ernste, hinter Stühlen grau gewordene Haushofmeister, stand vom Schrecken halb erwürgt und von seinem Verstande verlassen da und versuchte gegen beide Unglücksvögel einige schwache Luftstreiche mit dem Säbel des Trenchiermessers, die man jedoch als Kommandoschwenkungen auf der vorteilhaftem Seite nehmen konnte. – Nur der Generalissimus und Frankenmeister nahm mit einem unbegreiflichen Mute (der ganze Hof ist hier der Nachwelt der beste Bürge) noch ganz gefasset fünf oder sechs Löffel Suppe zu sich, während diese schon eine soupe dansante geworden und das Treffen allgemein, die Ministers aufgestanden und die meisten Weiber und Kammerjunker schon entflohen waren. – Für einen Mann dieses Muts war es, auch wenn er nicht der Kommandeur des Froschordens wäre, wohl nichts weiter, als was sich von ihm präsumieren lässet, daß er den Löffel weglegte und sich, mit nichts als einem Hasenbrecher in der Hand armiert, mitten ins dickste Gefecht mit dem Flügelwerk begab. – Von dem Schelm Giannozzo muß man doch das Gute sagen, daß er die Fürstin als die Schachkönigin deckte als Turm, vor ihr auf einem Stuhl postiert und mit einer Gabel die Mäuse parierend; ja es schreibt den Schelm in die Rubrik großer Helden ein, daß er vermögend war, mitten unter den Schwertern zu raillieren, das Treffen ein Schifferstechen und dergl. zu nennen und seinen eignen Krötenorden nur wenig zu schonen.

Da nun der selber zu seiner prätorianischen Kohorte abreisende Frankenmeister sich an die Spitze der Frosch- und Krötenmäusler setzte: so wirkte er, wie Ziskas 19 Haut auf der Trommel, auf sein Heer: – es entstand ein Handgemenge ohnegleichen – die Krötenritterschaft nahm sich zusammen, und das Flugstechen fing nun erst, da die Ritter bisher öfters vom Geflügel überflügelt worden und der Übermacht gewichen waren, recht erbittert und glücklich an. – – Wahrlich das jetzige Geschrei der Weiber – das Blinken der Stoßgewehre – das Flattern der Fahnen und Mäuse – das Sturmlaufen der Froschmäusler, das Stehen der drei Minister, die den Flug der Vögel beobachteten als Augure – der erwürgte sinnlose Haushofmeister mit dem Messer, der noch schwenkte – das alles zusammen formierte ein Schauspiel, dergleichen man im Novitätentempel zwar kein braveres, aber auch kein terribleres je gesehn hat, ausgenommen etwan sein Ende. Denn der Ordens- und Obergeneral war so glücklich, den rechten feindlichen Flügel mit dem Hasenbrecher unter sich zu bringen und solchen wirklich zu erstoßen; worauf sich sogleich – weil in derselben Zeit der Schelm Giannozzo den linken Flügel an dem rechten der Maus in geschickter Stechweite mit seiner Gabel aufspießte und so alle Gefahr vorüber war – der sämtliche Hof in corpore zu dem Sieger und der Maus hinzudrängte und jeder ihm wie an einer Geburtstags-Cour seine Glückwünsche abstattete. Aus dem lebendigen Gefangenen an der Gabel und dessen Krummschließer wurde, wie es schien, weniger gemacht, und der besagte Schelm mit seinem Vogel schien nur den roten Adler zu tragen an ihr, Serenissimus aber den schwarzen.

Des Luftschiffers Giannozzo Seebuch

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