Читать книгу Catch and Kiss - Jennifer Schreiner - Страница 8
Kapitel 2: Abläufe
ОглавлениеAls ich wach wurde, benötigte ich einige Sekunden, um mich zu orientieren und einige weitere, um zu begreifen, dass ich leider nicht geträumt hatte. Ich befand mich in einem Hochsicherheitsgefängnis und hatte zu allem Überfluss auch noch Kopfschmerzen wie Sau. Vermutlich, eben weil ich in einem Hochsicherheitsgefängnis war.
Ich setzte mich auf dem Plexiglasbett auf und betrachtete meine Zelle. Nicht, dass sich irgendetwas verändert oder gar verbessert hätte. Ich wollte nur auf Nummer Sicher gehen, dass ich gestern Nacht alles richtig wahrgenommen hatte. Obwohl … Nacht war ja bereits vage genug. Vielleicht hatten wir gar nicht Morgen, sondern erst jetzt drei Uhr Nachts? Das war schwer zu sagen, da es kein Tageslicht gab und keinerlei Uhren, die einen Hinweis darauf geben konnte. Sicherlich keine Absicht, dachte ich ironisch und schenkte der Kamera an der Decke einen bösen Blick.
Nachdenklich erwiderte ich in der Schaltzentrale den bösen Blick, den unser neuster Neuzugang der Kamera schenkte, und verfolgte auf dem Monitor, wie sie sich langsam sammelte. Sie schien Kopfschmerzen zu haben, eine normale Reaktion auf das Betäubungsmittel, die bald verfliegen würden.
Trotzdem würde ich sie, bis sie sich halbwegs integriert und in die Prozesse eingefügt hatte, genau beobachten, um direkt von Anfang an jede Auflehnung zu unterdrücken und ihr bei der Anpassung zu … helfen.
Aber am Anfang tat sie genau das, was die meisten Neuankömmlinge taten: Sie sah sich um und suchte anscheinend etwas, an dem sie sich orientieren konnte. Keine große Überraschung. Genauso wie die Tatsache, dass sie nichts fand und auch nichts finden würde.
Als die Lampe neben mir orange zu leuchten begann, beugte ich mich zum Mikrofon und drückte auf den »Sprechen«-Knopf: »Essenszeit meine Damen.«
Innerlich musste ich schmunzeln, als die etwas orientierungslose Blondine den Kopf hob. Wenn sie dachte, sie würde durch das Essen etwas über die Uhrzeit erfahren, hatte sie sich getäuscht. Es gab immer dasselbe, morgens, mittags, abends und mitten in der Nacht. Und auch das Essen selbst folgte keiner klaren Regelung. Mal waren die Abstände zwischen den Mahlzeiten kurz, mal riesig und mal angemessen. Diese Taktik trug dazu bei, dass sich kein Rhythmus bildete und die Insassen immer leicht verwirrt blieben. Genau wie die konstante Qualität des Lichtes, die ich mir aus den Spielkasinos in Vegas abgeschaut hatte und durch die man rasch jedwedes Zeitgefühl verlor.
Interessiert sah ich zu, wie der erste Block unter den aufmerksamen Augen der Wachen und unserer Zentrale nach unten dirigiert wurde, denn erst dann öffneten sich die Türen zum zweiten Block.
Unwillkürlich hielt ich die Luft an, als die Tür zur Seite glitt und unser Block an die Reihe kam. Ich wartete eine Sekunde, sah zu, was die anderen taten und folgte dann ihrem Beispiel.
Anpassen, nicht auffallen, riet meine innere Stimme und ich konnte ihr nur Recht geben. Zumindest fürs Erste war es sicher besser, in der Masse der Insassen abzutauchen und dem unheimlichen Direktor keinen Anlass zu geben, erneut in meiner Zelle aufzutauchen. Und je länger ich darüber nachdachte, desto dümmer war es vermutlich, ihm zu sagen, wer ich wirklich war. Zumindest, bis ich mehr über ihn und diese Anlage wusste, die vermutlich total illegal war.
Möglichst unauffällig betrachtete ich die anderen Insassinnen. Waren sie allesamt Verbrecher? Hobbs hatte es gesagt. Andererseits glaubte er ja auch, ich wüsste über Gefängnisse Bescheid, weil ich schon mehr als einmal gesessen hatte.
Kurz zögerte ich, die Drehtür in den Essbereich zu nehmen, da ich nicht mit so vielen Frauen gerechnet hatte. Aber bereits jetzt befanden sich um die vierzig Personen in dem Raum und es schien Platz für weitere vierzig zu sein. Die gesamte Einrichtung erinnerte an eine Universitätsmensa und sogar die Beleuchtung schien anders zu sein, als in dem restlichen Gefängnis.
Trotzdem beschlich mich ein unerklärliches Gefühl von Heimweh. Um mich nicht weiter damit befassen zu müssen, ging ich langsam in Richtung Essensausgabe. Sie war tatsächlich genauso universell aufgebaut, wie in jeder Mensa oder Kantine der Welt. Am Anfang nahm man sich ein Tablett und stellte sich dann in der Schlange der anderen an und ging die Reihe der Lebensmittel ab.
Etwas, was ich nur zu gerne tat, da ich inzwischen wirklich Hunger hatte und … Ich stutzte und wurde noch nachdenklicher. Auch hier gab es keine Uhren und keinen Hinweis auf die Uhr- oder Tageszeit. Nicht einmal an der Auswahl der Nahrungsmittel konnte man sich orientieren, denn es gab sowohl Müsli, belegte Brötchen und Rührei als auch Kartoffelpampe, Frikadellen, Sauce, Nudeln, Hacksauce und Dessert in Schälchen. Dazu Obst und Salat, Milch, Kaffee, Tee und Wasser.
Das konnte wahrlich alles sein: Früh-, Mittag- oder Abendessen. Zum Kotzen!
Meine innere Stimme wiederholte letztere Aussage, als sich direkt hinter mir ungestraft eine Frau von der Seite her einreihte. Das konnte doch alles einfach nicht wahr sein!
War es aber leider.
»Hallo, Frischfleisch!« Eine Hand fuhr über meinen Rücken und verharrte knapp oberhalb meines Poansatzes, sodass ich mich gezwungenermaßen zu der Frau umdrehte. Sie lächelte mich an. Nur ihr Blick strafte ihre Lippen Lüge und untermauerte Hobbs` These, dass sich nur Verbrecher und Kriminelle hier aufhielten. Hobbs. Ich versuchte es zu machen wie er und mein Gegenüber emotionslos und von oben herab zu betrachten, ohne meine Gedanken preiszugeben. Leider war mein Mund in diesen Plan nicht eingeweiht und meinte: »Ist ein ziemliches Klischee, oder?«
Schlagartig verschwand das Lächeln und machte dem Platz, was ich bereits in den Augen der Frau gelesen hatte: Wut.
»Wen nennst du Klischee?«, fauchte sie und baute sich noch ein wenig imposanter vor mir auf, was gar nicht so einfach war, da sie meine Größe hatte – aber doppelt so breit war.
Die anderen Frauen, die um uns in der Reihe gestanden hatten, brachten geistesgegenwärtig einige Meter zwischen uns und sich, bildeten aber einen Kreis um das sich anbahnende Schauspiel.
»Was willst du machen? Wir sind hier nicht eine einzige Sekunde lang unbewacht«, behauptete ich, da ich bislang noch keinen Moment Privatsphäre gehabt hatte – oder das Gefühl, ich könnte welche bekommen.
»Mehr als eine Sekunde brauche ich auch nicht!«, konterte die Frau und bewies ihre Aussage mit einem Schlag in meine Richtung. Naiverweise hatte ich nicht damit gerechnet und obwohl ich schnell auswich, erwischte sie mich. Genau wie ich sie. Ich bekam ihre Schlaghand zu fassen und nutzte den Schwung der Angreiferin, um ihren Arm auf den Rücken zu drehen und sie zu Boden zu drücken. Keine Sekunde zu spät, da einige andere Frauen aus dem Kreis der Zuschauer heraustraten und eingreifen wollte.
»Stopp!« Ich setzte der Frau einen Fuß in den Nacken, was an sich schon allein wegen der potentiell dauerhaften Beschädigung der anderen Person ein Höchstmaß an Konzentration und Gleichgewichtssinn erforderte. Allerdings war mir eine mögliche Beschädigung in Anbetracht der Umstände und der akuten Bedrohung ziemlich egal. »Das würde ich nicht machen!«
Zum Glück für die Angreiferin – und auch für mich – blieben die Frauen tatsächlich stehen. Dafür traf mich der Taser der Wache vollkommen unvorbereitet und ich ging, mehr oder weniger auf der anderen Frau, zu Boden – und gönnte ihr den sie treffenden Taser-Stromstoß von ganzem Herzen.
Aber trotzdem. .. Shit! Wer hätte gedacht, dass das so weh tun würde?
Als ich wieder erwachte, waren die Kopfschmerzen immer noch da. Oder schon wieder? Ich blinzelte verwirrt und erst nach und nach kristallisierte sich das, was ich sah, zu einem Bild zusammen.
»Ich dachte, ich hätte mich klar ausgedrückt?«, meinte Hobbs, der sich über mich beugte und dessen Stimme irgendwie gelangweilt klang.
Hatte er gerade eine Foto von mir gemacht mit einer Zeitung? Oder war er einfach nur als guter Retter erschienen? Seine Stirn war gerunzelt und jedem anderen Mann hätte ich abgenommen, dass er sich Sorgen machte, aber ihm nicht. Dazu waren seine Augen zu unbeteiligt.
Selbst als er sein weißes Einstecktuch – wer trug heute noch Einstecktücher? – aus seiner Anzugjacke zog und es in meine Richtung streckte, kam ich nicht umhin, mich zu fragen, ob ich zu misstrauisch war oder einfach nur verwirrt. Trotz der Ermanglung einer Antwort auf diese Frage konnte ich mich nicht rühren, nur auf seine näherkommende Hand starren. Eine schöne Hand mit sehr gepflegten Nägeln und einem blütenweißen Tuch.
Nachdenklich tupfte ich ihr das Blut vom Kinn und dachte daran, dass immerhin ich einen Vorteil aus dem Vorfall ziehen konnte: Ich konnte mir den Aderlass sparen, der beweisen würde, dass meine Gefangene noch lebte.
Schmunzelnd betrachtete ich den kleinen Cut an der Unterlippe und tupfte auch dort das Blut fort. Ungleich sanfter, obwohl sie weder zurückwich noch zusammenzuckte.
Schöne Lippen, dachte ich und überlegte, ob die dazugehörige hübsche Gefangene unter Schock stand. Einen Moment lang spielte ich mit dem Gedanken, sie erst zum Arzt zu bringen, bevor ich die obligatorische Strafe verhängen musste, dann verwarf ich die Überlegung. Es war nur ein einziger Schlag gewesen und er hatte sie nur gestreift. Damit hatte sie bewiesen, dass sie gut ausweichen konnte – zumindest einem Schlag, wenn auch keinem Konflikt. Anscheinend gehörte sie zu den Menschen, die Probleme anzogen, statt ihnen aus dem Weg zu gehen und dem musste ich so schnell wie möglich Einhalt gebieten.
»Bringt sie in die Dunkelkammer!«, befahl ich deswegen und wappnete mich innerlich gegen den Protest der Geschlagenen.
Wie in Trance stand ich auf und folgte den Männern. Mein ganzer Körper schien immer noch unter Strom zu stehen und zu vibrieren. Das musste eine Nachwirkung des Tasers sein. Wer hätte gedacht, dass etwas so scheinbar humanes, in den Medien so sehr gepriesenes, so fies sein konnte?
Erst nach wenigen Schritten fiel mir auf, dass Hobbs nichts von der Dauer meiner Strafe gesagt hatte. Wie lange sollte ich in der Kammer bleiben? Eine Stunde? Ein Tag? Eine Woche? Wie lange konnte so eine Strafe sein? Nur zu gerne hätte ich gefragt, war mir aber sicher, dass jeder Laut meinerseits für eine Verlängerung der Strafe sorgen würde. Zu deutlich konnte ich den lauernden Blick des Direktors förmlich in meinem Rücken spüren.
Trotzdem wurden meine Schritte mit jedem Meter den ich ging unsicherer, meine Knie weicher. Als die Kammer endlich vor mir lag, einem dunklen Loch gleich, welches aus einem Alptraum entsprungen schien, musste ich mich überwinden, um durch die offene Tür zu gehen. Deswegen schloss ich auch nahezu gegenwärtig die Augen und überließ mich einen Moment lang der Vorstellung zu Hause zu sein und in Sicherheit. Doch das war nicht nur sinnlos, sondern auch gefährlich. Wenn ich diesem Gedanken nachgab, würde mich meine Vorstellungskraft in den Wahnsinn treiben und meinen Willen brechen. Vielleicht nicht schnell und nicht sofort, aber langsam aber sicher würde es mich zermürben. Etwas, was ich ganz sicher nicht zulassen würde. Nie und unter gar keinen Umständen.
Ich sah zu, wie die Gefangene die Kammer betrat und sich versuchte zu orientieren, solange sie noch etwas sah. Dann fiel die Tür hinter ihr zu und hinterließ sie in vollkommener Dunkelheit. In diesen wenigen Sekunden konnte sie nicht gesehen haben, wo sich was in ihrer Kammer befand. Normalerweise war das der Moment, in dem sich die Bestraften erst einmal auf das Bett setzten, das sich in dem schmalen Streifen des hereinfallenden Lichts befunden hatte. Doch Dank der Wärmebildkamera, die über dem Eingang hing, konnte ich sehen, dass dieses Exemplar anders war und sie sich langsam an der Wand entlangtastete, um zu prüfen, wie die Kammer beschaffen war. Eine exakte Kopie des normalen Gefängnisraumes – nur eben ohne Licht.
Erst dann legte sie sich auf das Bett.
Als ich meine nächste Runde begann, startete ich im Kontrollraum, prüfte auf den Monitoren die normalen Zellen, verglich die Zeiten und Abläufe des Personals und der Organisation und wechselte dann zu den Strafzellen.
»Wie lange ist sie wach?«, erkundigte ich mich bei dem wachhabenden Kontrolleur, da die Bestrafte wider Erwartens bereits wieder auf den Beinen war.
»Sie hat drei Stunden geschlafen.«
Ich seufzte innerlich, ließ die Antwort aber stehen, obwohl ich das gar nicht gefragt hatte. Stattdessen rechnete ich und kam zu dem Ergebnis, das die Gefangene schon seit einer halben Stunde wach sein musste. Und immer noch gab es keinen Laut von ihr, kein Bitten um Strafmilderung!
»Was macht sie?« Ich beugte mich vor und schaltete den Zoom ein.
»Sieht aus wie ein Fitnessprogramm«, meinte der Mann neben mir und schaffte es gleichgültig zu klingen.
»Ein Fitnessprogramm?«, wiederholte ich und starrte das Wärmebild an. Tatsächlich bewegte sich die Gefangene auf dem kleinen Raum und schien genau zu wissen, wie viel Platz sie hatte. Machte sie Yoga?
Ich versuchte das Bild deutlich zu bekommen, aber es half nichts. Im Gegenteil. Immerhin schien das Objekt meiner Beobachtung nach einigen Minuten zu einer anderen Sportart überzugehen. Vielleicht Joggen auf der Stelle, vielleicht auch Seilchenspringen oder Tanzen. So genau konnte ich es aufgrund des pixeligen, farbintensiven Bildes nicht erkennen.
Aber sie zog es durch. Eineinhalb Stunden lang, während ich einen Rundgang im Gefängnis machte und anschließend die Unterkünfte der Wachen überprüfte. Als ich zurückkam, saß sie auf dem Bett, reglos. Sehr merkwürdig.
»Machen Sie den Ton an!«, befahl ich und hätte meinem Angestellten am liebsten den Hals umgedreht, weil er nicht von allein auf diese Idee gekommen war.
Sekunden später klang leiser Gesang aus dem Lautsprecher, gefolgt von einem Gedicht und einigen Texten, die ich nicht zuordnen konnte, aber die wie eine Rezitation klangen. Der Mann vor dem Monitor warf mir einen irritierten Blick zu und auch die anderen Angestellten wirkten zwar aufmerksam, schienen aber keine Ahnung zu haben, warum mich das Verhalten der Gefangenen störte oder warum sie überhaupt begonnen hatte, für eine selbstgesprächige Unterhaltung zu sorgen. Unwillkürlich entfuhr mir ein Schnauben. Anscheinend war ich die einzige Person, die begriff, dass sie sich so nicht nur die Zeit vertrieb, sondern auch geistig rege hielt – gewillt, weiterhin Widerstand zu leisten.
Bei soviel falschem Ehrgeiz wusste ich nicht einmal, ob ich beeindruckt sein, oder das Weib zum Kotzen finden sollte. Erst Recht nicht, als sie nach der Sprechpause weitermachte und zum Kampfsport überging.
Trotzdem sah ich mir ihre Show bis zum Ende an, beobachtete in verpixelten Farben und unscharfen Konturen, wie sie duschte und dann wieder zum Sitzen auf dem Bett überging. Dieses Mal still. Aber ich war mir sicher, dass sie ihren Kopf beschäftigt hielt. Wollte ich wirklich wissen mit was?
Die Antwort war eindeutig: Ja, unbedingt!
Aus diesem Grund brachte ich ihr das Essen persönlich vorbei und behielt sie und ihre Reaktionen genau im Blick. Und wie ich es mir gedacht hatte, sie blinzelte zwar und hielt sich im Dunklen, schwieg aber. Normalerweise flehten die meisten Gefangenen bereits jetzt um ihre vorzeitige Strafmilderung oder versprachen Gott weiß was. Sie wartete nur.
Die Helligkeit, die durch den Türspalt fiel, schmerzte in meinen Augen. Und das bereits nach so kurzer Zeit, ich war erst … Ich rechnete kurz meine Trainingseinheiten zusammen und fügte die ungefähre Dauer der Lieder und Gedichte hinzu … acht Stunden hier. Das machte mir Angst vor dem, was noch kommen würde, denn es sah nicht so aus, als sei Hobbs hier, um mich zu befreien.
Anders als er gab ich mir Mühe, ihn nicht anzustarren und offensichtlich zu prüfen, sondern beäugte ihn unauffällig: Er musste sich umgezogen haben, was meine Acht-Stunden-Theorie kurz ins Wanken brachte.
Aber nein, ich wusste, dass meine Schätzung stimmte! Vielleicht hatte der Direktor ja Wechselsachen vor Ort oder es war etwas vorgefallen. Oder vielleicht will er nur, dass alle glauben, es sei mehr Zeit verstrichen, schlug meine innere Stimme vor, ließ mich ihn dann aber weiter betrachten. Heute trug er ein schwarzes Hemd unter einem dreiteiligen schwarzem Anzug mit passender Weste. Wäre der Stoff nicht so teuer und nach Maß geschnitten, hätte er wie ein gut gekleideter Totengräber gewirkt. Sogar sein Einstecktuch war schwarz. Der geringfügig andere Ton passte zum Hemd und unterstrich den leicht schimmernden Anzugstoff.
»Essen!«, meinte er in einem ruhigen Befehlston und reichte mir ein Tablett auf dem sich zwei Teller befanden. Einer war gefüllt mit Haferschleim, Banane und Honig. Genau das, was ich hatte essen wollen, bevor die Frau mich angegriffen hatte. Es zeigte mehr als alle Worte und Erklärungen, wie genau Hobbs hinsah.
Der andere Teller war gefüllt mit Kartoffel-Saucen-Hackmatschpampe, dazu gab es zwei kleinere Schälchen. Eines mit Salat und eines mit Obst. Zusammen mit der Flasche Wasser war das wahrscheinlich mehr als eine Gefangene erwarten konnte.
»Danke!«, meinte ich und wartete.
Worauf wusste ich nicht, aber ich war nicht entlassen worden und obwohl ich meine Aufmerksamkeit absichtlich auf das Tablett gerichtet hielt, ahnte ich, dass mich Hobbs sehr genau unter die Lupe nahm.
»Sie werden sich an meine Regeln halten?!« Mein Gegenüber machte eine Frage aus seiner Forderung und kurz war ich versucht einfach einzuwilligen, um der Dunkelheit zu entkommen. Dann griff mein Trotz ein und ließ mich die Wahrheit sagen, die ich im letzten Moment tarnen konnte.
»Ich habe das Handgemenge nicht angefangen.«
»Dafür sind die Wachen da«, maßregelte Hobbs, vermutlich wohlwissend, was ich eigentlich hatte sagen wollen.
»Und in der Zwischenzeit lasse ich mich von irgendeiner Schlampe verprügeln?«, fauchte der Teil von mir, der Recht hatte und sich keiner Schuld bewusst war.
»Sie werden gehorchen!«
Die Betonung in Hobbs ruhiger Stimme reichte, um mich noch wütender zu machen.
»Leck mich am Arsch!«, meinte ich aus einem tiefsitzenden, von drei Brüdern geprägten, Reflex heraus und sah Hobbs direkt an. Eine Sekunde lang dachte ich, er würde mich schlagen, aber dann zuckte ein Lächeln über sein Gesicht.
»Seien Sie vorsichtig, was Sie sagen oder mir anbieten! Ich fürchte, ich bin ein Mann, der Dinge sehr wörtlich nimmt oder nehmen könnte.«
Einen Moment lang hielt ich seinem Blick stand, dann senkte ich den Blick. Auf keinen Fall wollte ich, dass jemand diesen Satz ernst nahm. Weder Hobbs, noch sonst wer. Aus diesem Grund war ich auch extra-brav und stellte das Tablett aufs Bett, als mich Hobbs mit einer Tageszeitung fotografieren wollte und mir Blut abnahm.