Читать книгу Kein Anwalt zum Küssen - Jennifer Schreiner - Страница 8
Оглавление1 – TopJob
Ich suchte etwas Besonderes für die Party unseres Klienten. Die Mädchen sollten toll aussehen. Also nicht nur so toll wie andere Office Escort Girls, sondern am besten wie bekannte Top-Models. Dabei war ich mir jetzt, kurz vor der Auswahl, immer noch nicht sicher, ob ich damit einen ganz besonders tollen Job an Land gezogen hatte oder einen ganz besonders bescheuerten.
Aber das war nun einmal der Wunsch meines Kunden und da der Kunde König war … musste ich mehr sagen?
Dabei fielen Partys für unsere Kunden eigentlich nicht in meinen Bereich – uneigentlich auch nicht – aber mein bester Freund Jan hatte mal wieder irgendwelche Probleme mit einer seiner Freundinnen, oder Ex-Freundinnen, oder On-Off-Freundinnen. Für jemanden, der zu den bekanntesten und erfolgreichsten Anwälten New Yorks zählte, war er in Bezug auf seine Frauenauswahl eine wandelnde Katastrophe. Weswegen ich zumindest den »Auswahl-Teil« des Jobs an mich gerissen hatte. Wer schon bei seinen eigenen Damen ständig ins Klo griff und sich Silvester und Weihnachten ruinieren ließ, war niemand, den ich gerne auf mein millionenschweres Klientel loslassen wollte. Vielleicht sollte ich ihm demnächst einmal ein »Escort zu Weihnachten« besorgen?!
»Du wirkst gestresst, Tom?!« Meine Sekretärin sah mich an, als verriete sie mir ein gut gehütetes Geheimnis. »Soll ich doch noch bleiben?«
»Du bekommst in wenigen Wochen ein Kind und ich wirke gestresst?«, betonte ich und gab mir Mühe ungläubig zu klingen. Vergebens. Natürlich wusste sie, dass ich auch wegen ihr gestresst war. Also nicht direkt wegen ihr, sondern eher wegen nicht-ihr … weil sie gleich gehen und erst in einem Jahr zurückkommen würde. Ab Montag kam meine potentielle neue Sekretärin zur Probearbeit.
»Mach dir keine Sorgen, sie ist toll und nett«, beschwichtigte mich die Frau, die seit fast fünfzehn Jahren ihre Arbeit hervorragend erledigte und auf deren Loyalität und Verschwiegenheit ich mich immer hatte verlassen können. Nebenbei hatte sie auch ihre Nachfolgerin ausgesucht, weil das etwas war, was ich nicht übers Herz gebracht hatte. Da konnten einige Menschen noch so sehr davon überzeugt sein, dass ich gar keines hatte.
»Ich habe ihre Referenzen gelesen«, murmelte ich, nicht ganz überzeugt, und fügte hoffnungsvoll hinzu: »Könnte sie nicht auf dein Kind aufpassen?«
»Tom?!« Die Hochschwangere bedachte mich mit einem halb vorwurfsvoll-bösen und halb belustigten Blick.
»Bei vollem Honorar natürlich?«, versuchte ich weiter zu locken. »Und du bekommst einen dicken Bonus.«
»Netter Versuch!« Sie lachte leise.
Ich seufzte tief und fügte mich ins Unvermeidliche. »Falls ich verhungere und verdurste, ist es aber deine Schuld.«
»Ich lasse es auf deinen Grabstein schreiben«, versprach sie und legte ihre Hand auf ihren Bauch, als leiste sie einen Schwur auf ihr Ungeborenes. »Aber ich habe deiner neuen Sekretärin wirklich sehr genaue Instruktionen hinterlassen.«
Kurz überlegte ich, mich beruhigt zu fühlen, konnte mich aber nicht dazu aufraffen. Denn dieser Part war wirklich absolut wichtig. Wenn ich arbeitete, vergaß ich alles um mich herum, insbesondere das Essen und Trinken – oder das nach Hause gehen. Ich war quasi komplett lebensunfähig ohne eine kompetente Sekretärin.
»Soll ich wirklich nicht noch bleiben und dir bei der Auswahl für die Party helfen?«, erkundigte sich meine baldige Ex-Sekretärin fürsorglich. So gerne ich gejubelt hätte, sah ich mich doch leider gezwungen den Kopf zu schütteln.
»Stell dir vor, die Mädels kommen her und sehen erst dich und dann mich. Dann denken sie nachher, ich schwängere jede attraktive Frau, die mir unter die Finger kommt«, erklärte ich.
Einen Augenblick lang sah mich mein Gegenüber perplex an, dann brach sie in lautes, zwangloses Lachen aus, das sogar mich zum Kichern brachte. Zumindest bis sie mich wirklich verließ und einem ungewissen Schicksal in die Klauen spielte.
Meine Laune hatte inzwischen einen Minuslevel erreicht, der auch vom Warten herrührte. Im Warten war ich nie gut gewesen und geduldig war ich nur bei Verhandlungen und im Gerichtssaal.
Trotzdem zwang ich mich dazu, mich auf die Steinbank zu setzen, die die große Dachterrasse umrandete. Welche Mädels mir Ruben wohl schicken würde? Und noch viel wichtiger: wen würde ich bekommen? Ein Claudia-Schiffer-Lookalike oder eine Giselle-Bündchen-Nummer-2?
Als die Tür zur Terrasse lautlos aufglitt, sprang ich auf – nur um mich beinahe gleichzeitig selbst zu verfluchen. Wie alt war ich? Sechs?
»Nervös?«, lachte die wunderschöne Frau, die wie ein Fantasiegespinst aus einem erotischen Traum auf mich zuglitt.
»Violet?!« Mit drei großen Schritten war ich bei der Blondine und hatte sie in meine Arme geschlossen. Genau dort hatte sie seit unserer ersten Begegnung hingehört und genau dort fühlte sie sich auch jetzt noch erschreckend richtig an. »Ich dachte, du hättest aufgehört?«
»Schöne Grüße von Joe, für dich darf ich eine Ausnahme machen.« Vorsichtig löste sie sich aus meiner Umarmung und strahlte mich an. Etwas, was ich bei der Erwähnung ihres Mannes immer noch verwunderlich fand, aber das musste wohl »die wahre Liebe« sein.
»Die Ehe bekommt dir«, schwindelte ich und musterte Violet ausgiebig. Um ehrlich zu sein, sah sie nämlich immer toll aus – wenn auch jetzt deutlich fülliger als früher.
»Du bist unter die Schmeichler gegangen, mein Lieblingstrauzeuge?« Sie zog eine Augenbraue hoch und musterte mich nun ebenfalls.
»Ich wollte nur selbst ein Kompliment abstauben«, lachte ich. »Und es hat ja auch geklappt!«
Ich hakte sie unter und schlenderte an ihrer Seite ins Innere des Restaurants und in Richtung des großen Saals. Die Räumlichkeiten waren wahrhaftig gigantisch und wie geschaffen für das morgige Event. Trotzdem brannte mir die Frauen-Frage förmlich unter den Fingern. »Und wen hast du mir mitgebracht?«
Stumm öffnete sie die Tür und winkte mich, an ihr vorbei zu treten. Sekunden später verharrte ich reglos, nur mein Mund stand offen, was mir vermutlich einen ziemlich dümmlichen Eindruck verlieh, denn eines der Mädchen musste grinsen und zwinkerte mir zu.
Abrupt klappte ich meinen Mund zu, staunte aber immer noch. Aber das war ja gerade das Schöne am Office-Escort. Die Mädels waren nicht nur begeisterungsfähig, intelligent und engagiert, sondern auch überaus tageslichttauglich und charmant.
»Ruben war sich nicht sicher, ob du Model meintest oder eher Schauspieler-Doppelgänger«, erklärte Violet, die neben mich trat.
»Bis eben hatte ich an Model-Doppelgänger gedacht«, gab ich zu, fand aber Rubens Idee gleich viel besser, da man doch eher wenige Models kannte, dafür aber beinahe alle heißen Kino-Babes. Und hier waren einige Stars versammelt: Megan Fox, Cameron Diaz, Claudia Schiffer, Famke Jansen, Sophie Marceau in jung und eine Rachel Weisz. Ich drehte mich zu Violet. »Und als wer wirst du gehen?«
»Ist das nicht offensichtlich?« Sie klopfte sich auf die Hüften, die einiges an sexy Gold zugelegt hatten und fuhr dann mit ihren Händen weiter nach oben, bevor sie ihre Brüste umschloss und mir einen Kussmund zuwarf.
»Ah, Marilyn«, kommentierte ich, weil sie genau die Pose eingenommen hatte, die die unglaublich anziehende Schauspielerin auf dem Foto in meinem Büro einnahm.
»Wollte ich schon immer mal ausprobieren – und jetzt habe ich auch die Figur dazu«, grinste Violet schelmisch.
»Steht dir!«, gab ich zu. Auch wenn ich mich im ersten Moment gewundert hatte, musste ich eingestehen, dass auch ich nicht auf magere Mädels abfuhr.
Bevor Violet auf mein Kompliment eingehen konnte, wurde die Tür aufgerissen und eine Frau mit langer, wilder Löwenmähne und strahlendem Lächeln stürmte in den Raum. »Ich bin zu spät, sorry!«
Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht und wirkte trotz ihrer Atemlosigkeit, als wäre sie nur kurz aus dem Urlaub geflohen. Ihre Haut schien goldig zu strahlen und unterstrich das Braun ihrer Augen und den blonden Honigton ihrer Haare.
Ich starrte sie an und fühlte mich zurückversetzt in die Zeit, in der Elle McPherson »The Body« noch jedes dritte Modemagazin geziert hatte.
»Ist sie echt?«, wisperte ich, obwohl der Neuankömmling viel zu jung war, um das Topmodel zu sein.
»Sie ist beeindruckend oder?« Violet lächelte stolz, als sei sie Elles Mutter und sah zu, wie sich die Schönheit zu den anderen gesellte, um auf meine Auswahl oder mein Urteil zu warten. Dabei wirkte sie gleichzeitig so wunderschön und verlockend wie unnahbar und professionell, dass es mich beinahe körperlich schmerzte. Vor allem, weil meine Entscheidung längst gefallen war.
Ich konnte die Ablehnung des Mannes beinahe körperlich spüren. Mein erster Tag in New York und mein erster Auftritt im Job und schon hatte ich alles falsch gemacht, was man falsch machen konnte. Ich war zu spät gekommen. Im Big Apple ein nicht wieder gut zu machender Fehler, obwohl ich nicht verstand, wie man in dieser verdammten Stadt jemals pünktlich sein konnte. Bei dem Verkehr und dem Chaos war es ein Wunder, wenn man überhaupt lebendig irgendwo eintraf – oder im richtigen Jahrhundert.
Aber vielleicht lag es auch nicht an den fünf Minuten, sondern an meinem Aussehen. Überall hieß es, dass schöne Leute mehr Erfolg im Leben hatten und überall auffielen. Zumindest Letzteres konnte ich bestätigen. Doch bei mir hieß es »zu attraktiv für den Job« oder »zu intelligent für den Job«. Ersteres hörte ich meistens, wenn ich mich für einen Job bewarb, für den ich ausgebildet und extrem qualifiziert war und das zweite, sobald ich mich für etwas bewarb, für das nur meine Optik zählen sollte.
Da war ich fast gespannt, welche Absage ich gleich bekommen würde – immerhin kannte er ja meinen Lebenslauf nicht, der Rest von mir schien gereicht zu haben.
Ich hielt die Luft an und schickte ein stummes Stoßgebet gen Himmel, als der Mann nach vorne trat und so auch die Aufmerksamkeit der anderen Bewerberinnen auf sich zog. Zu meiner Überraschung schien es zu funktionieren, denn er rang sich ein Lächeln ab und hieß uns alle willkommen. Blinzelnd stellte ich fest, dass ich nicht gefeuert worden war, konnte mir aber immer noch nicht erklären, wieso. Diesen abwertenden Blick hatte ich mir doch nicht nur eingebildet!
Dabei wirkte mein Chef in spe nun, da er lächelte, entspannt und attraktiv. Und viel jünger, als ich mir jemanden, der für so ein teures und exquisites Event zuständig war, vorgestellt hatte. Immerhin sein Aussehen kam meiner Vorstellung schon sehr nahe. Dunkelblond, gepflegter, teurer Haarschnitt, glattrasiert und auf eine sehr unaufdringliche Art und Weise attraktiv. So als habe er Angst, jemand könnte genauer hinsehen und sich nicht für ihn als Chef sondern als Menschen interessieren.
Wahrscheinlich eine gute Taktik, Frauen von sich fernzuhalten, dachte ich mit einem Anflug an Neid. Vielleicht kann so etwas bei mir auch funktionieren. Ich könnte mir die Haare färben und mit nicht ganz so gut sitzender Kleidung und einer etwas anderen Körperhaltung …
Der Blonde räusperte sich und der Blick aus seinen grauen Iriden machte mir klar, dass er hauptsächlich mich und meine Un-Konzentriertheit gemeint hatte, bevor er begann und uns den kommenden Job erklärte.