Читать книгу Steuerstrafrechtliche Risiken in Krise und Insolvenz - Jens M. Schmittmann - Страница 45

c) Umsatzsteuerkorrektur bei Anordnung von Sicherungsmaßnahmen

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Diese Rechtsprechung hat der BFH dahin weiter entwickelt, dass für den Fall, dass das Insolvenzgericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt und mit dem Recht zum Forderungseinzug bestellt, Steuerbetrag und Vorsteuerabzug für Leistungen, die der Unternehmer bis zur Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters erbracht oder bezogen hat, nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu berichtigen sind. Gleiches gilt für den Steuerbetrag und den Vorsteuerabzug aus Leistungen, die das Unternehmen danach bis zum Abschluss des Insolvenzeröffnungsverfahrens erbringt oder bezieht.66

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Es ist somit Sache des Insolvenzverwalters, die Berichtigung zu erklären und eine zutreffende Zuordnung zu Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten vorzunehmen.67

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Die „erste“ Berichtigung gemäß § 17 UStG erfolgt mit Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, gleich, ob es sich um einen sog. „starken“ oder „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter handelt. Entscheidend ist lediglich, dass dieser das Recht zum Forderungseinzug hat, was regelmäßig gegeben ist. Eine Berichtigung hat u.E. nicht zu erfolgen, wenn ein vorläufiger Sachwalter bestellt worden ist. Dem Insolvenzschuldner stehen im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse über sein Vermögen aus eigenem Recht zu, soweit das Insolvenzgericht keine beschränkenden Anordnungen erlässt. Anders als im eröffneten Verfahren kann nicht durch Verweis auf die allgemeinen Vorschriften in § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO abgeleitet werden, dass der Schuldner in der vorläufigen Eigenverwaltung – wie der Eigenverwalter im eröffneten Verfahren – als sein eigener vorläufiger Insolvenzverwalter anzusehen ist.68

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Nichts anderes gilt auch im Schutzschirmverfahren gem. § 270b InsO a.F., das lediglich eine Abwandlung des vorläufigen Eigenverwaltungsverfahrens gem. § 270a InsO a.F. darstellt. Zwar hat das Gericht gem. § 270b Abs. 3 Satz 1 InsO a.F. auf Antrag des Schuldners anzuordnen, dass der Schuldner Masseverbindlichkeiten begründet. In diesem Fall gilt § 270b Abs. 3 Satz 2 InsO a.F. § 55 Abs. 2 InsO entsprechend. Sofern das Gericht eine Globalermächtigung anordnet, dient dies in der Regel der Unternehmensfortführung, in der der Schuldner weiter Waren und Dienstleistungen einkaufen muss, um den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten. Der Schuldner begründet somit willentlich, nämlich durch das Eingehen zivilrechtlicher Verpflichtungen, Verbindlichkeiten. Die Norm begründet somit einen Vertrauensschutz der Vertragspartner.69

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Zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Steuergläubigen besteht keine vertragliche Beziehung, sondern ein kraft Gesetzes bestehendes Steuerschuldverhältnis. Der Staat erbringt für die Steuern auch keine konkreten Gegenleistungen, sodass der Schuldner im Schutzschirmverfahren auch keine Gegenleistung erhält, die es rechtfertigt, die Steuerforderung zu einer Masseverbindlichkeit heraufzustufen. Nach dem Sinn und Zweck der Norm spricht alles dafür, dass § 270b Abs. 3 InsO a.F. lediglich vertragliche, jedoch nicht gesetzlich begründete Verbindlichkeiten regelt.70

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Im Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG besteht bei Anzeige des Restrukturierungsverfahrens gem. § 31 StaRUG keine Veranlassung, eine Berichtigung nach § 17 UStG vorzunehmen, da der Schuldner weiter aus eigenem Recht befugt ist, die Forderungen einzuziehen.71 Nur für den Fall, dass ein Restrukturierungsbeauftragter bestellt wird und dieser mit Zustimmung des Gerichts vom Schuldner gem. § 76 Abs. 2 Nr. 2 b) StaRUG verlangt, dass eingehende Gelder nur von dem Beauftragten entgegengenommen und Zahlungen nur von dem Beauftragten geleistet werden können, ist die „erste“ Berichtigung nach § 17 UStG erforderlich.

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Im Rahmen der „ersten“ Berichtigung gemäß § 17 UStG kommt es zu einem Steuerguthaben des Schuldners.72 Da das schuldnerische Unternehmen allerdings regelmäßig Verbindlichkeiten im Range von Insolvenzforderungen gemäß § 38 InsO gegenüber der Finanzverwaltung hat, wird das Guthaben nicht ausgezahlt, sondern von der Finanzverwaltung mit Steuerverbindlichkeiten aufgerechnet. Ein Aufrechnungsverbot aus § 96 InsO kommt nicht in Betracht.

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Haftungsträchtig ist diese Berichtigung insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Insolvenzverwalter zum einen verpflichtet ist, zu verhindern, dass zu hohe Masseverbindlichkeiten festgestellt werden und zum anderen sicherstellen muss, dass die Masseverbindlichkeiten zutreffend bestimmt werden. Eine Nichtbeachtung dieser Rechtsprechungsänderung führt zu erheblichen Risiken einer Steuerhinterziehung durch den Insolvenzverwalter gemäß § 370 Abs. 1 AO, sofern er die Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, die durch den Forderungseinzug anfallen, später nicht erklärt. Das Entdeckungsrisiko ist hoch, da die Finanzverwaltung im Insolvenzverfahren ohne Weiteres die Möglichkeit hat, durch Einsicht in die Insolvenzakte festzustellen, welche Forderungen der Insolvenzverwalter zu welchem Zeitpunkt erfolgreich eingezogen hat.

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Zugleich besteht die Gefahr einer Schädigung der Gläubiger, wenn der Berichtigungsanspruch gemäß § 17 UStG nicht zutreffend bestimmt wird und sich dadurch zu hohe Insolvenzforderungen der Finanzverwaltung ergeben, die ihrerseits wieder zu einer Minderung der Quotenaussicht der übrigen Gläubiger und einer zivilrechtlichen Haftung des Insolvenzverwalters nach § 60 InsO führen.

Steuerstrafrechtliche Risiken in Krise und Insolvenz

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