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Taylor

Ich spürte den Knall mehr, als dass ich ihn hörte. Ich hatte gedacht, ein platter Reifen verursacht ein lautes Geräusch, aber das war nicht der Fall. Das Lenkrad begann zu wackeln und ich konnte nicht mehr richtig lenken. Zum Glück fuhr ich nicht sehr schnell und befand mich auf gerader Strecke. Ich konnte an den Straßenrand fahren, ohne im Graben zu landen. Dann saß ich da, mit rasendem Puls und enorm viel Adrenalin, während die anderen Autos an mir vorbeirasten.

Ich wollte meinen Frust herausschreien. Ein Platten! Das konnte ich gerade ganz und gar nicht gebrauchen. Ich hatte auch so schon genug um die Ohren. Gerade war ich vom Lunch mit meinem Vater gekommen. Wie üblich hatte es damit geendet, dass er mir sagte, wie sehr er von mir enttäuscht war, woraufhin hin ich aufstand und das Restaurant verließ. Dabei hatte ich ihm doch bloß mitgeteilt, dass ich Einsteigerkurse für ein Medizinstudium nehmen wollte, und nicht etwa, dass ich das College aufgeben und mich dem Zirkus anschließen wollte. So unangenehm diese Gespräche mit ihm auch waren mit all seiner zur Schau gestellten Missbilligung, ich würde trotzdem nie eine Geschäftsfrau werden.

„Andere würden eine Menge dafür geben, um an deiner Stelle sein zu können!“, hatte er mir im Restaurant gesagt. „Deine Kommilitonen müssen sich abstrampeln, um überhaupt einen Fuß in die Tür zu bekommen oder sich gar mit einem Praktikumsplatz begnügen, in der vagen Hoffnung, Jahre später mal feste Jobs zu bekommen. Du hingegen kannst durch mich gleich auf die Überholspur kommen. Nächsten Monat wärst du bereits Managerin. Wieso willst du das denn nicht?“

„Ich habe gerade erst meinen Abschluss an der Highschool gemacht“, erwiderte ich mit lauter Stimme. Er hörte einfach nicht richtig zu. Das tat er nie. „Kann ich mich nicht erst einmal etwas amüsieren?“

Sein Gesicht hatte sich daraufhin verändert, die Falten auf der Stirn waren noch tiefer geworden und sein ganzer Körper hatte sich versteift. Den Ausdruck kannte ich schon. Den hatte ich schon viele Male gesehen: eine Mischung aus Bedauern, Enttäuschung und Hoffnungslosigkeit. Aber noch immer fühlte ich mich schlecht deswegen. Ich konnte es ihm einfach nie recht machen.

„Im Leben geht es aber nicht darum, Spaß zu haben. Das wäre dir auch bewusst, wenn ich dir nicht immer alles auf einem Silbertablett serviert hätte. Du musstest in deinem ganzen Leben noch nicht einen Finger krumm machen, Taylor. Natürlich willst du dich einfach nur amüsieren. Das geht auf mein Konto. Weil ich dir immer alles gegeben habe. Ich habe das Gefühl, als Vater versagt zu haben.“

Alles, was er mir stets gegeben hatte, war immer mit einem Preis verbunden gewesen. Ich musste ins Familienunternehmen einsteigen. Wenn ich das täte, dann hätte sich für ihn die ganze Mühe mit mir gelohnt. Wenn nicht, dann war ich ein faules Stück. Ein faules Stück, das gern Ärztin werden wollte, aber in seinen Augen änderte das nichts. Ein verwöhntes Gör. Ich hatte mir das nicht länger anhören wollen und war einfach gegangen.

Mein Vater hatte sich stets selbst auf ein Podest gestellt. Es machte mich rasend. Aber irgendwo in meinem Hinterkopf gab es noch immer diese leise Stimme, die mir sagte, ich sollte auf ihn hören, dass er mich nur zu sehr liebte und nur das Beste für mich wollte. Er liebte mich genug, um zu wollen, dass ich eines Tages sein Imperium von ihm übernahm. Deshalb hatte er mir immer alles gegeben, was ich wollte und brauchte.

Es war nicht zu leugnen, dass er und meine Mutter mir immer nur das Allerbeste gegeben haben. Ich war auf der besten Privatschule, ich besaß allen möglichen technischen Kram, mit dem das Studium leichter von der Hand gehen sollte, ich bekam die besten Trainer und wurde zu einer herausragenden Athletin. Selbst ohne das Geld meines Vaters bekam ich mehrere Stipendien angeboten, aus denen ich wählen konnte. Selbst nachdem meine Mutter vor acht Jahren gestorben war und mein Vater erneut geheiratet hatte, blieb die Unterstützung nie aus. Was immer ich wollte, bekam ich.

Vielleicht hatte er tatsächlich als Vater versagt, weil er mich zu sehr verwöhnt hatte. Aber ich hatte das Geld nie zum Fenster rausgeworfen, sondern war immer unter den Leistungsbesten. Und ich würde verdammt noch mal Ärztin werden.

„Fuck.“ Der Fluch rutschte mir heraus, als mir klar wurde, wie lange ich schon im Wagen saß. Ich fing an zu schwitzen.

Es war Juni, die Mittagssonne brannte auf mich herab. Und ich saß da, mit einem Platten. Im Kofferraum war ein Ersatzrad, aber ich fühlte mich nicht in der Stimmung, um es zu wechseln. Ich hatte bloß keine Wahl. Reifen wechselten sich nicht von allein.

Ich stieg aus und knallte die Tür zu, dann ging ich nach hinten zum Kofferraum. Ich musste mich ziemlich anstrengen, um das schwere Rad herauszuheben, dann rollte ich es nahe an den platten Reifen heran. Anschließend kehrte ich zurück zum Kofferraum, um nach dem Werkzeug zu suchen. Die Sonne brannte mir auf den Rücken, der Schweiß lief mir über Gesicht und Arme. Ich wäre an jedem anderen Ort lieber gewesen als hier, außer vielleicht in dem Restaurant mit meinem Vater. Während ich gedanklich vor mich hin maulte, fing ich an, die Schrauben zu lösen. Sie saßen so fest, dass ich nicht glaubte, sie alle loszubekommen.

„Brauchst du Hilfe?“

Die Stimme. So männlich, tief und rau.

Ich ließ das Radkreuz geräuschvoll zu Boden fallen und stand auf. Mein Blick wanderte über muskulöse, tätowierte Arme hinauf zu einem sonnengebräunten, kantigen Kinn und schließlich zu einem Paar auffallend blass-blauer Augen. Ich hielt inne, mein Puls raste wieder. Er war mit Abstand der attraktivste Mann, dem ich je begegnet war. Und er hatte Tattoos! Ich fand sie sexy und ein wenig verrucht. Das machte mich an.

„Ja, bitte“, stammelte ich.

Er warf einen Blick auf den Autoreifen, dann sah er mich wieder an. „Ich bin Ryan Huntington.“ Er reichte mir lässig seine Hand. „So kannst du der Polizei wenigstens einen Namen nennen, wenn ich jetzt in dein Auto einsteige und damit wegfahre.“

Ich schaute ihn mit großen Augen an. Er grinste breit. „War nur ein Scherz. Wie sollte ich mit dem platten Reifen wegfahren?“ Sein Blick glitt an mir herab, von meinem braunen Haarschopf bis hinunter zu meinen Sandalen.

„Im Ernst, es war nur ein Scherz. Du weißt doch, was das ist?“

Mir wurde bewusst, dass ich ihn noch immer anstarrte, anstatt zu antworten. Ich schüttelte den Kopf. „Tut mir leid, aber mir ist nicht nach Scherzen zumute, mit einem Platten. Der Tag ist einfach nur Mist. Dabei haben wir gerade erst Mittag.“

„Geht mir genauso“, grummelte er.

„Ich bin übrigens Taylor, Taylor Madison.“ Ich konnte seinem Gesicht ablesen, dass er den Namen erkannte. Genauso war es mir eben ergangen, als er sich vorgestellt hatte.

Ryan Huntington, der Name sagte mir etwas. Er sah aus wie der Ryan, der vor Jahren bei der Beerdigung meiner Mutter gewesen war. Dieselben Augen, dieselbe Haarfarbe. Nur war aus dem Teenager ein Mann geworden. Schon verrückt, dass ich mich an ihn erinnern konnte, aber er war ziemlich unvergesslich. Der Ryan, der hier vor mir stand, war ein ganzer Kerl. Er war größer, kräftiger und stand stolz und aufrecht da, als hätte er alles im Griff. Hatte er vielleicht auch. Selbst wenn er seiner Familie den Rücken gekehrt hatte. Ich hatte davon gehört, denn Ryans Vater war der Anwalt für die Firma meines Vaters.

In unserer kleinen Stadt war das eine Riesensache, als Ryan wegging. Er war nicht davongelaufen wie ein Fünfjähriger. Er hatte sich für Jura eingeschrieben, dann aber entschieden, dass er nicht Anwalt werden wollte. Sein Vater ist ausgerastet. Ich kannte zwar die Einzelheiten nicht, aber seither hatte man von Ryan nichts mehr gehört. Ich wusste nur, dass man ihn nicht mehr als Teil der Familie betrachtete.

„Was ist aus dem Jurastudium geworden?“

Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Ich bin berüchtigt genug, dass ein hübsches Mädchen am Straßenrand weiß, wer ich bin.“

Ich zuckte mit den Schultern. „Du kennst meinen Namen, ebenso wie ich deinen.“

Er schüttelte langsam den Kopf. „Du kennst mich nicht. Du hast lediglich Dinge über mich gehört.“

Ich betrachtete ihn von Kopf bis Fuß, seine Stiefel, die ausgewaschene Jeans und das schwarze T-Shirt, das nichts der Fantasie überließ. „Du hast recht. Also, was ist aus dem Jurastudium geworden?“

Meine Fragerei ließ ihn schmunzeln. Verdammt, war der heiß. „Nichts. Ich entschied mich, es hinzuschmeißen und habe mir ein eigenes Geschäft aufgebaut.“

„Ein eigenes Geschäft? Was denn?“ Mir kam der Gedanke, dass er das besser hingekriegt hatte, als ich es jemals schaffen würde. Ich glaubte nicht, dass ich meiner Familie einfach den Rücken kehren könnte, um mein Ding durchzuziehen. Meinem Vater beim Essen meine Meinung zu sagen, war eine Sache, aber vollkommen auf eigenen Beinen zu stehen? Ich wusste gar nicht, wie ich das anstellen sollte. Vielleicht hatte mein Vater doch recht. Er hatte mir immer alles gegeben und ich wusste nicht, wie ich auf eigenen Füßen stehen sollte.

Er hielt mir seinen Ellenbogen hin. „Sagt das genug?“ Ich sah die sehnigen Arme, die dicken Muskelpakete. Ein Fitnessstudio? „Tattoo-Laden.“

Ich nickte. „Hat deine Mutter dich dahingehend beeinflusst?“

Er wirkte ein wenig schockiert. Dann lächelte er wieder. „Du erinnerst dich an meine Mutter?“

„Aber sicher.“ Ich erwiderte das Lächeln. „Ich mag jünger sein als du, aber unsere Familien stehen sich recht nahe. Deine Mutter ist … ziemlich beeindruckend.“

Seine Mutter war das genaue Gegenteil unserer Väter. Sie waren die Herren der Welt. Zumindest in dieser Stadt. Sie waren einflussreich und wohlhabend. Sie waren die Art Mensch, zu denen man nie nein sagte, selbst wenn ihre Forderungen unrealistisch waren. Ihre Untergebenen hatten es gefälligst möglich zu machen.

„Das stimmt.“ Wir mussten beide lachen. „Aber du hast recht, sie hat mein Interesse an Kunst geweckt und mir gezeigt, wie man das Leben genießt und nicht immer alles so ernst nehmen muss. Durch sie habe ich angefangen zu malen, wann immer ich Stress abbauen musste. Manchmal hat sie mich mitgenommen, wenn sie mit Freunden ausging. Ich wusste, dass mich das früher oder später langweilen würde, daher hatte ich immer etwas zum Malen dabei. Als sie sahen, was ich zeichnete, meinten sie, ich sollte daraus Tattoos machen.“

„Oh, wow, dann bist du auf ganz natürliche Weise ins Geschäft gekommen.“

Wir standen am Straßenrand und plauderten, bis ihm irgendwann mein Platten wieder einfiel. Er nahm mir das Radkreuz ab und machte sich an die Arbeit.

Er machte einen netten Eindruck und er war dem Zorn seines Vaters entkommen. Ich beneidete ihn darum.

„Ja, die Leute sehen meine Kunst, aber es steckt immer etwas mehr dahinter, wenn sie sich ein Motiv aussuchen. Die Geschichten dahinter waren es, die aus einem Hobby eine Leidenschaft machten. Erfahrungen durch Kunst auszutauschen ist eine wunderbare Art, mit anderen eine Verbindung aufzubauen. Als ob der Anblick eines Tattoos ihre unsichtbaren Mauern einreißt. Selbst wenn sie es in betrunkenem Zustand oder als Mutprobe tun, so zeigen sie doch ihre verletzliche Seite, machen sich angreifbar. Aber ich verurteile niemals jemanden. Ich nehme sie an, so wie sie sind.“ Ich war so von seinen Worten gefangen, dass ich nicht merkte, dass er den Reifen gewechselt hatte. „So, fertig, Prinzessin.“

Ich blickte ihn mit hochgezogener Augenbraue an. Prinzessin? Ich folgte seinem Blick. Er schaute auf die Perlen an meinen Ohren und an meiner Halskette, dann auf mein rosa Sommerkleid. Oh.

„Schau doch mal vorbei.“ Er zog seine Brieftasche aus der Hosentasche und reichte mir eine Karte. „Der Laden. Ich merke doch, du bist neugierig. Komm vorbei und sieh es dir an.“

„Klar“, sagte ich und schaute ihm in die Augen. Ich sammelte all meinen Mut und lächelte. Himmel, ich hätte ihn den ganzen Tag anstarren können. Ich war neugierig. Nicht so sehr wegen der Tattoos, aber auf ihn. Ich fragte mich, wie es wohl wäre, wenn der vermeintliche schlimme Bursche mich küsste. „Mache ich. Ich komme mal vorbei.“

Seine verruchte Jungfrau

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