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Heinrich der Schwarze
ОглавлениеSeit 1075/76 hatte sich das Verhältnis der Welfen zu Heinrich IV. verschlechtert. 1077 setzte der König Welf IV. als Herzog von Bayern ab, zwei Jahre später gab er den schwäbischen Dukat an seinen Schwiegersohn Friedrich von Staufen. Zum ersten Mal standen sich Angehörige beider Familien gegenüber, Feinde des Königs die einen, loyale Freunde die anderen. Im Zeitalter des Kampfes zwischen Heinrich IV. und Papst Gregor VII. entsprach Welfs Gegnerschaft zum König nahezu zwangsläufig einer Wendung zur Kirchenreform und den ihr anhängenden Adelskreisen: Weingarten schloß sich der Hirsauer Klosterreform an und erhielt nach 1080 Äbte von dort; 1089 verheiratete Welf IV. mit Unterstützung des Papstes seinen siebzehnjährigen Sohn Welf V. mit der wesentlich älteren Markgräfin Mathilde von Toskana, Erbin eines umfangreichen Güterkomplexes in Ober- und Mittelitalien, so daß ein die Alpen übergreifender, antisalisch ausgerichteter Herrschaftsverbund begründet wurde. Die Ehe bestand allerdings nur sechs Jahre, denn obwohl Welf sie niemals formell auflösen ließ, trennte er sich 1095 definitiv von Mathilde, wobei die Gründe dafür im einzelnen unklar sind:18 Waren sie persönlicher Natur? Gab enttäuschte Hoffnung auf das Erbe den Ausschlag, weil Mathilde es dem heiligen Petrus zugedacht hatte? Bereitete die Trennung den neuen Frontwechsel des Vaters vor? Gewiß ist, daß sich Welf IV. bald darauf dem König wieder näherte, 1096 den bayerischen Dukat zurückbekam und zwei Jahre später die Zusicherung, daß Welf V. dort sein Nachfolger werden würde. Dieser Erbfall trat ein, nachdem Welf IV. am 9. November 1101 auf dem Rückweg vom Heiligen Land auf Zypern gestorben war. Welf V. blieb unverheiratet und starb kinderlos am 24. September 1120.
Welfs Bruder Heinrich, für den seit dem 13. Jahrhundert als Beiname »der Schwarze« bezeugt ist, übernahm den bayerischen Dukat, so daß die Familie nunmehr zum dritten Mal den Herzog von Bayern stellte und zu Recht hoffen durfte, sich dort eine dauerhafte, traditionsgestützte Position schaffen zu können. Daß die Welfen mittlerweile zur königsfähigen Hocharistokratie gehörten, zeigte nicht nur die in den Jahren 1119/21 zustande gekommene Ehe der Tochter Heinrichs des Schwarzen, Judith, mit Herzog Friedrich II., dem Vater Kaiser Friedrich Barbarossas. Heinrich der Schwarze selbst hatte schon vor 1100 Wulfhild zur Frau genommen, eine der beiden Erbtöchter des sächsischen Herzogs Magnus Billung und seiner Gemahlin Sophia aus dem ungarischen Königshaus. Seit dem 10. Jahrhundert gehörten die Billunger zu den führenden sächsischen Adelsfamilien; 936 war Hermann Billung von König Otto I. mit der Grenzverteidigung gegen die Slawen im Gebiet der Unterelbe eingesetzt worden, Grundlage seiner späteren Stellung als Markgraf. Mehrfach hatte er in Sachsen während der Abwesenheit des Königs als dessen Stellvertreter gewirkt, so daß sich um die Jahrtausendwende die herzogliche Gewalt der Billunger ausbildete, die allerdings schon viel von ihrer Bedeutung verloren hatte, als Magnus Billung im Jahre 1106 starb.19 Seither war Heinrich der Schwarze auch in Sachsen begütert, denn seine Gemahlin Wulfhild erbte das billungische Kerngebiet um Lüneburg, wo sich auch die Grablege der Familie befand; ihre Schwester Eilika, die zwischen 1095 und 1100 den Grafen Otto von Ballenstedt geheiratet hatte, brachte Güter in der Altmark, um Bernburg, Weißenfels und Halle an das Haus der Askanier.20 Erbansprüche Heinrichs des Schwarzen und Ottos von Ballenstedt auf die sächsische Herzogswürde ignorierte Heinrich V. allerdings und machte mit der Ernennung des Grafen Lothar von Süpplingenburg klar, daß der Dukat ein vom König verliehenes Amt bleiben sollte.
Reichsweites Ansehen und anerkannte Autorität Heinrichs des Schwarzen lassen sich gleichwohl daran ermessen, daß er im Jahre 1122 zu den Fürsten gehörte, mit deren Zustimmung und Rat (consensu et consilio) die kaiserliche Position für das Wormser Konkordat entwickelt und verkündet wurde, so daß der lange Streit um die Investitur der Bischöfe endlich zu Ende gebracht werden konnte.21 Schon im folgenden Jahr hatte er die Genugtuung, unter seinen Vorfahren einen Heiligen zu wissen, denn im März 1123 bestätigte Papst Calixt II. dem Bischof Ulrich I. von Konstanz, daß dessen 975 verstorbener Vorgänger Konrad aus dem welfischen Haus liturgisch verehrt werden dürfe. Wenn die süddeutschen Zeugnisse der Familiengeschichte, Genealogia und Historia Welforum, den heiligen Konrad zwar erwähnen, über die feierliche Erhebung seiner Gebeine am 26. November 1123 in Konstanz aber nur die Sächsische Welfenquelle berichtet, läßt sich das wohl mit dem Übertragen der Familientradition nach Sachsen erklären, die vielleicht schon durch Heinrich den Schwarzen, spätestens aber durch Heinrich den Stolzen nach Lüneburg gekommen und dort präzisiert worden ist. Anläßlich der Feierlichkeiten für den heiligen Konrad machte Heinrich der Schwarze der Konstanzer Kirche Güterschenkungen und »erwies sich dadurch überzeugend als Nachkomme des so bedeutenden Mannes« (se nepotem tanti viri evidenter ostendit).22 Ahnenstolz und Sorge um das Gedenken veranlaßten Heinrich den Schwarzen nach dem Bericht der Welfenquelle auch, das Grab Etichos zu suchen, des Stammvaters der Familie, dieses Grab öffnen zu lassen, eine neue Grablege und darüber eine Kirche zu errichten. In Weingarten begann Heinrich einen Neubau der Klosterkirche, in deren Westchor die Vorfahren bestattet wurden: Rudolf II., der Neffe des soeben kreierten heiligen Konrad, mit seinen Söhnen Heinrich und Welf II., Welf III. und Welf IV. mit seiner Gemahlin Judith von Flandern, Welf V. Auch Heinrich der Schwarze selbst sollte mit seiner Gemahlin Wulfhild und beider Tochter Sophia in Weingarten bestattet werden.23
Zwei Jahre nach dem Akt von Konstanz, am 23. Mai 1125, starb Kaiser Heinrich V. Beste Aussichten für die Nachfolge hatte sein Neffe, der Staufer Herzog Friedrich II. von Schwaben, Schwiegersohn Heinrichs des Schwarzen durch die Ehe mit dessen Tochter Judith. Während der Wahlversammlung in Mainz Ende August aber entzog Heinrich dem Verwandten die Unterstützung und gab seine entscheidende Stimme dem sächsischen Herzog Lothar von Süpplingenburg. Die Gründe für diese spektakuläre Wendung sind im einzelnen unklar; sicher ist, daß der aus billungischem Erbe rührende sächsische Besitz mit dem Zentrum Lüneburg für Heinrich den Schwarzen motivierend gewirkt hat, und möglicherweise ist seine Wahlentscheidung auch durch eine Absprache befördert worden, deren Ergebnis allerdings erst später sichtbar wurde. Am 22. Mai 1127 übergab König Lothar seine damals zwölfjährige Erbtochter Gertrud dem Sohn Heinrichs des Schwarzen zur Ehe. Die Hochzeit Gertruds mit dem wohl neunzehnjährigen Heinrich, den man später »den Stolzen« nennen sollte, wurde eine Woche danach auf dem Gunzenlê gefeiert, jenem berühmten Feld bei Augsburg, auf dem 955 die große Ungarnschlacht Ottos des Großen stattgefunden haben soll; anschließend wies Heinrich der Stolze Gertrud bis zum Herbst die Ravensburg als Aufenthaltsort zu.24 Ob König Lothar seinem Schwiegersohn kurz darauf die sächsische Herzogswürde übertragen hat, ist nicht sicher, aber sämtliche sächsischen Quellen der Zeit leiten Recht und Anspruch Heinrichs des Stolzen auf den Dukat aus seiner Ehe mit Gertrud ab.25 Heinrich der Schwarze hat das nicht mehr erlebt. Kurz nach seinem Eintritt in den Konvent des Klosters Weingarten ist er dort am 13. Dezember 1126 gestorben.