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Die neue Kosmologie

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Aristoteles hatte gefragt, ob es einen Anfang gäbe. Dabei geht er alle Kausalketten immer weiter zurück, und kommt dann ganz logisch, zumindest scheinbar logisch (was nicht unbedingt zwingend gesagt ist) zu einem ersten Beweger, der „prima causa“.

Übertragen auf die moderne Kosmologie entspricht das also dem Standardmodell, nach dem das Weltall aus einem Urknall entstanden ist. Dann könnte man die prima causa also an die Stelle des Urknalls setzen. Im Sinne von Parmenides und Melissos müsste man nun aber einwenden: „Ex nihilo nihil fit“ (Aus nichts wird/entsteht nichts). Heute ist man eher für das „Creatio ex nihilo“, der „Schöpfung aus dem Nichts“. Und diese Schöpfung aus dem Nichts ist dann zugleich eine Selbstschöpfung. Alan Guth etwa nannte sein Buch über das inflationäre Weltall „Die Geburt des Kosmos aus dem Nichts“. Und so wird Gott Stück für Stück zurückgedrängt. Die Frage nach der prima causa ist in erster Linie eine religiöse Frage, und eine metaphysische natürlich auch.

Wenn man nun noch konstatiert, dass das Weltall nicht aus dem Nichts entstanden ist, nicht entstanden sein kann, sondern aus einer einzigartigen Singularität, was Hawking und Penrose in einer gemeinsamen Arbeit mathematisch exakt bewiesen haben, dann ändert das die Sachlage ein weiteres Mal. Keine Schöpfung oder Selbstschöpfung aus dem Nichts, aber auch kein Gott, der zur Erklärung notwendig wäre. Man könnte sich etwa ein pulsierendes Weltall vorstellen. Aber halt, da gibt es die beschleunigte Expansion des Weltalls, für deren Entdeckung die Astrophysiker Saul Perlmutter, Brian P. Schmidt und Adam Riess 2011 den Physik-Nobelpreis erhielten. Die abgebremste Expansionsbewegung des Weltalls wird überlagert von einem Moment der beschleunigten Expansion. Mit anderen Worten: Ein Anfang ohne Anfang, und kein Ende in Sicht.

Und wozu das alles? Auf NTV habe ich einmal eine Doku gesehen, eine animierte Reise bis an den Rand des Weltalls. Und am Ende dieser Reise, wo es besonders metaphysisch wurde, tauchte die Vorstellung auf, wir könnten uns in diesem Weltall auf dem Grunde eines schwarzen Lochs befinden. Genial, dachte ich so, genau so ist es. Und was machen wir mit der beschleunigten Expansion? An dieser Stelle kommt nun mein neues kosmologisches Paradigma ins Spiel: Wir interpretieren die kosmologische Konstante nun neu, nicht mehr als beschleunigte Expansion, sondern als Schrumpfen aller Bezugssysteme im Raum. Alles wird immer kleiner. Relativistisch ist das überhaupt kein Problem. Mit anderen Worten: Wir befinden uns im freien Fall nach Nirgendwo. Und am Ende verschwindet alles (alle Galaxien) in Myriaden von kleinen schwarzen Löchern, und jedes dieser schwarzen Löcher lässt ein neues Universum auf der gegenüberliegenden Seite (weißes Loch) entstehen. Und so setzt sich der Prozess des freien Falls bis ins Unendliche fort. Das Weltall zerreißt sich praktisch von Weltall zu Weltall immer wieder aufs Neue selbst.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der amerikanische Prophet Neale Donald Walsch seinen Gott in seinen Gesprächen mit ihm sinngemäß sagen lässt, dass Gott die Welt dadurch erschaffen hätte, dass er sich selbst zerrissen hätte. Vom Standpunkt unseres neuen kosmologischen Paradigmas wäre das durchaus verständlich. Und so kommen wir am Ende auf den Satz von Parmenides und Melissos zurück: „Ex nihilo nihil fit“ (Aus nicht wird/entsteht nichts). Etwas war also schon immer. Diese Welt ist ohne Anfang und ohne Ende. Sie ist von Ewigkeit zu Ewigkeit. Man könnte dieses neue kosmologische Paradigma etwa mit einer Fraktalen vergleichen. Die Fraktale arbeitet praktisch mit demselben Bild von sich ewig wiederholenden, selbstähnlichen Strukturen. Dieses neue kosmologische Paradigma könnte ein echter Meilenstein in der Entwicklung der Kosmologie sein.

Joachim Stiller Münster, 2012

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