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Kapitel 1

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Was hat eigentlich Sex mit dem Job zu tun?


Dabei sei doch allen Ernstes die Frage erlaubt: Was hat eigentlich die sexuelle Orientierung mit der Leistungsfähigkeit im Beruf zu tun? Oder was hat sie damit zu tun, eine bestimmte Wohnung bekommen zu dürfen? Wir fragen doch auch den Heterosexuellen nicht, mit wem er welchen Sex macht, wie oft und wo? Das interessiert keinen – ja nicht einmal, wenn der Nachbar mit einer Prostituierten gesehen wird. Beim Schwulen aber oder der Lesbe wird´s dann plötzlich zum Problem? Hallo, wo sind wir denn? So verkehrt ist unsere Welt! Und überhaupt: Wieso zerbrechen wir uns eigentlich den Kopf über die sexuelle Veranlagung eines Menschen? Was interessiert uns das überhaupt? – Nichts hat es uns anzugehen. Das ist eine Tabuzone, die Intimsphäre des Anderen nämlich. Und die gilt es bitte schön zu wahren. Das geht uns alle nichts an.


Was ist Homophobie?


Nirgendwo wird plötzlich über die sexuelle Orientierung eines Menschen so oft gesprochen und getuschelt, wenn es um Andersartigkeit, eben um Homosexualität oder Bisexualität, geht. Warum? Richtig, weil immer noch Ängste damit verbunden sind. Wenn die Tochter nämlich in ihrem Bekanntenkreis eine lesbische Freundin hat, dann könnte diese Lesbe die eigene Tochter „anstecken“ oder „umpolen“, wie es umgangssprachlich so „nett“ gesagt wird. Was aber absolut daneben gegriffen ist! Mit Homosexualität sind ganz viele, große und unberechtigte Ängste (bei den anderen, wohlgemerkt!) verbunden, bekannt unter dem Begriff „Homophobie“.


Ganz bekannt ist die Angst, dass ein älterer Homosexueller, insbesondere Schwuler, sich an einem jüngeren „Knaben“ vergreifen könnte. Wenn Eltern wissen, in der Nachbarschaft wohnt ein offen lebender Schwuler, dann meinen sie, ihren Sohn schützen zu müssen, auf keinen Fall aber Kontakte erlauben zu dürfen.


Diese Angst vor Schwulen ist weit verbreitet. Dann folgt die Angst vor der Promiskuität von Schwulen, also dem häufigen Wechsel von Sexualpartnern. Schnell kommt das Wort Aids mit ins Spiel. Dabei ist die Aids-Übertragung unter Heterosexuellen weitaus gefährlicher. Verbreitet ist auch die Angst davor, dass Schwule angeblich immer auf der Suche nach „Frischfleisch“ sind, also immer schnell neue Partner oder Ältere gerne Jüngere suchen und ansprechen, bekannt auch unter dem Begriff der Pädophilie oder besser der Päderastie. Dieses Wort stammt übrigens aus dem Altgriechischen (pais philia=Knaben-Freundschaft), wo neben dem alten Rom die Knabenliebe bekannt war und sogar offen gelebt, weil toleriert wurde. Auch südamerikanische Indianerstämme kennen durchaus solche „Knabenliebe“ als institutionalisiertes Heranführen Pubertierender an den Sex. Also ein Mann im Stamm ist dazu auserkoren, die Jungen an den Sex oder an Sexualität heranzuführen. So etwas wäre bei uns absolut verpönt.


Leider gibt es immer wieder aufgedeckte Fälle von Päderastie oder Pädophilie. Wir vergessen dabei aber, dass weitaus mehr gestörte Heteros herumlaufen und Frauen vergewaltigen. Mit solchen Vorurteilen haben aber Homosexuelle leider auch heute noch oft nach ihrem Coming out zu kämpfen.


Begleitet werden solche Anfeindungen von Klischees wie: Schwule haben affektierte Stimmen, benehmen sich „weibisch“ oder haben nur Sex im Kopf. Dass Schwule aber durchaus liebenswerte, höfliche, hilfsbereite Menschen sein können und ganz Besonderes leisten, wie manche kreative Vorbilder (z. B. Elton John, Wolfgang Joop, George Michael, Hape Kerkeling, Guido Westerwelle oder Klaus Wowereit) beweisen, das wird kaum zur Kenntnis genommen.


Was sind Transgender?


Populärer ist der Name Transvestit, der aber nicht ganz die Problematik abdeckt. Transvestiten sind meist Männer, die in Frauenkleider schlüpfen und sich als Frau wohler fühlen. So gibt es bekannte Transvestiten im Showbusiness, die prominente weibliche Pop-Ikonen wie Marilyn Monroe oder Madonna, Grace Jones oder Tina Turner erfolgreich nachahmen, teils auch etwas überziehen. Transgender sind hingegen Menschen, die sich in ihrem Körper als Mann oder Frau nicht wohlfühlen und danach streben, das auch durch Operation oder Hormonbehandlung zu verändern. Transgender können also Frauen sein, die Männer werden wollen oder geworden sind und umgekehrt. Oft ist das mit einer komplizierten, schwierigen Behandlung verbunden. Transgender nehmen insofern schon einiges auf sich, um sich in ihrer Haut wohl zu fühlen. Solche Operationen, in denen männliche Geschlechtsorgane entfernt und durch äußerlich zumindest neu geformte ersetzt werden, sind ebenso kompliziert wie das Wegoperieren weiblicher und die Formung neuer männlicher Geschlechtsteile.




Was sind Bisexuelle?


Bisexuelle Menschen finden Gefallen an beiderlei Geschlecht. Sie können sowohl heterosexuell sein und verschiedengeschlechtlich lieben als auch homosexuell sein und gleichgeschlechtlichen Spaß haben. Bisexuelle gibt es unter Frauen wie unter Männern. Man sagt zwar, bisexuelle Männer vor allem seien verkappte Homosexuelle, die sich nur nicht trauten, es im Coming out zuzugeben. „Ein bisschen bi schadet nie“ ist ein flotter Spruch, den mancher heranzieht, um dann doch in seinem vielleicht bevorzugten Metier zu wildern. Man kann sagen, Bisexuelle sind absolute Schleckermäuler und Rosinenpicker, die sich überall nur das Beste raussuchen. Man muss sich im Leben entscheiden: Stehe ich auf Männer oder Frauen. Wer sein Fähnchen nach dem Winde richtet, ist auf Dauer unglaubwürdig.


Es gibt auch nur seltene Fälle von echt Bisexuellen. Es gibt aber in der Tat viele echt Homosexuelle, die nur zur Wahrung des äußeren Scheins auch mit Frauen schlafen. Aber es gibt durchaus junge Menschen, die in der Clique mit heterosexuellem Schein glänzen und diesen auch offen zur Schau tragen, obschon sie eigentlich dem eigenen Geschlecht zuneigen und dort ihr Doppelleben führen.


Anders ist der Fall gelagert, wenn ein Schwuler zu einem gesellschaftlichen Ereignis, etwa der Weihnachtsfeier im Betrieb, eine Dame als seine Begleitung mitnimmt. Das hat man oft. Manchmal ist die Dame dann auch noch lesbisch. Man versteht sich gut und spielt der Umgebung ein Schein-Verhältnis vor, um nicht ins Gerede zu kommen oder den gesellschaftlichen Erwartungen zu genügen.



Immer noch diskriminierend


Auch in unserer heutigen liberalen Zeit gibt es noch genügend Fälle von Diskriminierung und auch von brutaler Reaktion. So manch schwules Pärchen wurde schon dermaßen verprügelt, dass es sich anschließend im Krankenhaus wiederfand. Warum gibt es denn in fast allen Großstädten oder den Metropolen mit einer großen schwul-lesbischen Community das schwule Überfalltelefon? Die Städte können noch so liberal und tolerant sein, Schwule sind und bleiben in Gefahr. Das muss man wissen, wenn man sich in sein öffentliches Coming out wagt und so auch lebt. Viele empfinden leider auch heute noch das lesbische Händchen haltende Pärchen in der Öffentlichkeit als Provokation – und meinen, dagegen aggressiv angehen zu müssen.


Ältere beneiden selbstbewusste Jüngere


So manch ein älterer Schwuler sagt heutzutage: „Ich beneide die jungen Menschen, die unbefangen mit ihrer sexuellen Orientierung umgehen können und schon früh ein offenes, unbedrücktes Leben führen können.“ – Wohl wahr!


Die Zeiten haben sich geändert – Gott sei Dank. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften gehören immer mehr zu unserem Alltag und sind inzwischen auch in der gesellschaftlichen Akzeptanz angekommen. Das Coming out ist selbst bei der Polizei so weit, dass es offen schwule Polizisten und lesbische Polizistinnen gibt. Man kann heutzutage bei Überfällen und Angriffen in jede Polizeistation gehen, ohne auf Probleme zu stoßen.


So mancher Prominente aus Politik und Showbusiness hat mit dazu beigetragen. Doch ihnen fällt es natürlich leichter als einem normal Sterblichen. Noch immer wird hinter vorgehaltener Hand gelästert, vor allem dann, wenn auch noch der Altersunterschied erkennbar groß ist. Dann kommt leicht das Gerede vom „Kinderschänder“ oder „Knabenficker“ auf.


Deutliches Stadt-Land-Gefälle


Zudem gibt es ein deutliches Stadt-Land-Gefälle. In Dörfern und Kleinstädten ist es ungleich schwieriger, als Schwuler, Lesbe oder Bisexueller zu leben als in einer anonymen Großstadt. Städte bieten zudem Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen an, die es auf dem Land fast überhaupt nicht gibt. Da kann man allenfalls die Hilfe übers Internet in Anspruch nehmen. Aber im alltäglichen realen Leben ist man auf dem Land auf sich allein gestellt. Das fängt schon bei der Wohnungssuche an und hört am Arbeitsplatz auf. Wer gibt denn auf dem Land, wo sowieso alles neugierig beäugt wird, einem lesbischen oder schwulen Paar eine gemeinsame Wohnung? Wer lässt einen Schwulen als Praktikanten im Kindergarten arbeiten? Welche lesbische Lehrerin kann an einer Dorfschule ohne Repression unterrichten? Das sind real existierende Nachteile, die es auch heute noch gibt. Ganz abgesehen vom Mobbing am Arbeitsplatz oder in der Schule. Vor allem müssen ja die Ablehnungsgründe nicht offen genannt werden, es reicht ja schon, wenn sie nur unterschwellig eine Rolle spielen.


Diese Beispiele zeigen schon auf, dass trotz Anti-Diskriminierungs-Gesetz und Europäischer Menschenrechtscharta immer noch die Realität eine andere Sprache spricht.

Kulturelle Barrieren


Es gibt allerdings auch starke kulturelle Unterschiede, die bis nach Deutschland und Europa hineinreichen. Islamisch geprägte Familien zum Beispiel lehnen fast immer Homosexuelle rundweg ab. Mit ihrer Kultur und ihrem Glauben ist Homosexualität angeblich nicht vereinbar. Tradition und Familienschande bestimmen hier noch immer das Denken. Südeuropäische Länder wie Griechenland oder Portugal, das katholische Italien oder Irland haben in ihren Gesellschaften deutliche Vorbehalte gegenüber Schwulen und Lesben. So versucht insbesondere die katholische Kirche in solchen Ländern, gegen Gesetzgebungsverfah-ren anzugehen, die gleichgeschlechtliche Beziehungen legalisieren. Das reicht bis hin zur Exkommunikation, also dem Ausschluss von der Teilnahme an kirchlichen Sakramenten, von Parlamentariern die solchen Gesetzen zugestimmt haben.


Es lebt sich befreiter


Dabei lebt es sich wesentlich befreiter, wenn man das Coming out hinter sich hat. Man bleibt zeitlebens der Sohn oder die Tochter. Das muss einem erst mal klar werden. Und man findet zahlreiche prominente Beispiele. Der Homosexuelle ist gar nicht so alleine. Heute dürfen schon Schwule und Lesben Kinder adoptieren. Durch die eingetragene Partnerschaft sind sie in der Gesellschaft fast voll angekommen. Im Steuer- und Rentenrecht sowie im Beamtenrecht werden sie immer mehr verheirateten Paaren gleichgestellt. So mancher Standesbeamter freut sich gar, wenn er ein schwules oder lesbisches Paar „verheiraten“ darf. So sagte kürzlich eine Standesbeamtin in einer norddeutschen Kleinstadt, als ein schwules Paar sich anmeldete, ganz erfreut: „Das letzte Paar war vor vier Jahren hier. Ich freue mich, wieder mal eine eingetragene Partnerschaft vornehmen zu dürfen. Das ist mal etwas anderes.“ Es ist gut, wenn auch von offizieller Amtseite solche Äußerungen kommen.


Danach ist man wie ausgewechselt


Nach dem Coming out sind die betroffenen Menschen wie ausgewechselt. Ja, für sie beginnt ein neues Leben. Es ist wie der große Befreiungsschlag. Und sie fragen sich manchmal: „Warum habe ich mich so lange gequält und damit so lange gewartet?“ Älteren kann man nur sagen: „Beneiden Sie nicht die Jungen, sondern machen Sie es auch – jetzt!“ Sie fühlen sich garantiert besser. Springen Sie endlich über Ihren eigenen Schatten. Es ist eine ganz nüchterne Abwägung: Wollen Sie sich weiter jahrelang quälen, ein Schattendasein führen, immer weiter Verstecken spielen oder das Coming out einfach wagen? Was kann schon passieren? Nun gut, im schlimmsten Fall kann man Sie ablehnen. Ok, dann verzichten Sie halt auf diese Gesellschaft und gehen in eine neue. Aber glauben Sie einfach daran: Weil jeder weiß, wie mutig ein solcher Schritt ist, wird er Ihnen erst mal Bewunderung einbringen. Sie haben mehr Mut, als die Masse der Heteros. Sie haben Selbstbewusstsein und Stärke mit Ihrem Schritt bewiesen.


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