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Unfreiwilligkeit und Dreieckskontrakte

Eng mit dem Thema »Auftragsklärung« ist das der Entwicklung eines Kontraktes verbunden. Kontrakte können formal und inhaltlich gestaltet werden und eine mehr oder weniger detaillierte Festlegung auf vereinbarte Ziele beinhalten. Einigkeit besteht darin, dass diese Ziele, auch wenn sie explizit formuliert worden sind, nicht so eng ausgelegt werden sollten, dass sie kein »Nachjustieren« mehr ermöglichen. Daher ist eigentlich das englische »Contracting« dem statischen Nomen »Kontrakt« vorzuziehen, da darin der Prozesscharakter deutlicher wird. Besonders bedeutsam sind in diesem Zusammenhang noch zwei Themen, die in Beratungen immer wieder thematisiert werden: Unfreiwilligkeit und Dreieckskontrakte.

2.1 Systemisches Arbeiten im Kontext von Unfreiwilligkeit

Nicht selten wird durch eine Klärung des Auftragskontextes deutlich, dass die direkten Gesprächspartner an dem Gespräch eigentlich gar nicht interessiert sind und nur kommen, weil sie »müssen« (Liechti 2009).

Ein straffällig gewordener Mann kommt nur unter gerichtlicher Auflage zum Psychotherapeuten; ein Abteilungleiter besucht einen Coach, weil er ohne Verbesserung seiner Performance seinen Job zu verlieren droht; Eltern stimmen einer aufsuchenden Familientherapie zu, weil ihnen sonst das Sorgerecht entzogen wird. Hier ist die Fähigkeit besonders gefragt, mit den unfreiwilligen Gesprächspartnern eine Kooperationsbeziehung aufzubauen. Der Schlüssel liegt darin, Unfreiwilligkeit (Kooperationsverweigerung) als ein Lösungsverhalten anzusehen (Conen 1999, 2005). Das bedeutet die Bereitschaft, mögliche Bedeutungen unfreiwilligen Verhaltens zu verstehen und darin liegende Kooperationspotenziale zu erschließen. So kann unfreiwilliges Verhalten ein Hinweis darauf sein, dass die Problemdefinition einer dritten Person abgelehnt wird – und somit eine wichtige Ressource für die Identität des Betroffenen darstellen, in der Verweigerung liegt seine ganze Kraft und der Schlüssel zu seinem persönlichen Selbstwertgefühl. Wenn diese Qualitäten anerkannt und gewürdigt werden, kann das schon ein wichtiger Schritt in Richtung auf mehr Kooperation sein.

Es ist daher wichtig zu vermeiden, in einen Machtkampf über die »richtige« Problemdefinition zu geraten. Stattdessen sollte untersucht werden, wie die konkrete Situation genutzt werden kann. In dem »unmöglichen Dreieck« zwischen einer Kontrollinstitution, die Druck oder gar Zwang ausübt, einem Klienten(system) der / das kein Problem benennt oder das Problem völlig anders verortet und einem / einer BeraterIn, der / die eine minimale Eigenmotivation als Grundlage der Kooperation erwartet, bietet sich ein Kooperationsangebot der folgenden Form an:

Wie kann ich Ihnen helfen,

– dass die anderen Sie in Ruhe lassen,

– dass die anderen nicht mehr denken, dass Sie …

– dass Sie mich so schnell wie möglich wieder loswerden?

Ein Fragemuster wie das folgende könnte helfen, einem Kooperationskontrakt näher zu kommen:

• Wessen Idee ist es, dass Sie hierher kommen?

• Was veranlasst ihn / sie anzunehmen, dass Sie hierher kommen sollten?

• Was möchte er oder sie, was hier geschehen soll? Wie erklärt er das Problem? (Problem- und Zieldefinition des Dritten)

• Ist das etwas, was auch Sie wollen? Sind Sie damit einverstanden? Wenn ja, kann ein Kontrakt entwickelt werden.

• Bei »nein« können verschiedene Fragebereiche wichtig sein, z.B.:

– Was möchten Sie durch Ihr Kommen erreichen? (Es ist sinnvoll, davon auszugehen, dass bereits das Kommen ein Minimum an Kooperationsbereitschaft beinhaltet – und sei es, um den Dritten zufriedenzustellen.)

– Wissen Sie, was der / die Dritte von Ihnen konkret an Veränderung möchte? (An dieser Stelle kann dann ggf. entschieden werden, zu einem Gespräch zu dritt einzuladen oder den / die KlientIn zu bitten, diese Frage mit dem Dritten abzuklären.)

– Welche Konsequenzen entstehen, wenn Sie nicht zu den Sitzungen kommen? Was sind Sie bereit zu tun, um die Konsequenzen zu vermeiden? Wie kann ich dazu beitragen, dass Sie mich schnellstmöglich wieder loswerden?

Wenn es nicht gelingt, zu einem Kooperationsansatz zu kommen, sollte nach einer Möglichkeit gesucht werden, das Verhalten des Gesprächspartners wertschätzend zu beschreiben, indem etwa die Bereitschaft betont wird, sehr viel zu investieren und auch zu riskieren, um aufrichtig zu bleiben und sich nicht verbiegen zu lassen. Das Gespräch kann beendet werden mit der Möglichkeit, sich wieder zu melden oder es sollten Bedingungen formuliert werden, unter denen der / die BeraterIn zu weiterer Kooperation bereit ist (Walter u. Peller 1994).

2.2 Dreieckskontrakte

Eng mit dem Thema Unfreiwilligkeit verbunden ist das Thema, wie ein Dritter, der nicht unmittelbar in die Situation einbezogen ist, trotzdem als Vertragspartner angesehen werden kann. Ein Dreieckskontrakt, auch »Triadisches Contracting« genannt, um den Prozesscharakter des Geschehens stärker zu betonen, ist in allen Fällen angezeigt, in denen man es mit mehr als einem Auftraggeber zu tun hat. In der Zeichnung kann A eine Einzelperson, ein Team oder eine Familie sein, B der / die BeraterIn. C kann dann ein Chef, ein Geldgeber, eine Behörde, der Lehrer des Kindes – aber auch die eigene Institution sein, die bestimmte Regeln oder Beschränkungen setzt.


Abb. 4: Triadisches Contracting

Generell gilt: Die Rolle des Dritten muss gut abgeklärt sein. Die Frage danach, was der / die Dritte für eine Vorstellung davon hat, was in der Beratung passiert, sollte unbedingt gestellt werden. Falls C ein eigener Auftraggeber ist (z.B. die eigene Institution, etwa im Falle eines organisationsinternen Coachings), sollte gut geklärt sein, wie viel Handlungsspielraum man hat und wo die Institution nicht mehr mitgeht. Falls A (Klient) nicht weiß, was C von ihm in der Beratungssituation erwartet, kann er / sie noch einmal zu C geschickt werden, um die Ziele von C abzuklären, oder es erfolgt eine anfängliche Sitzung der drei Parteien. Wenn A und C keine gemeinsamen Ziele finden können, ist abzuklären, ob A zumindest bereit ist, zu kooperieren, um C zufriedenzustellen (Kontraktform wie oben bereits skizziert: »Wie kann ich als BeraterIn Ihnen helfen, mich so schnell wie möglich wieder loszuwerden?«). Der Skepsis von Klienten gegenüber eine wertschätzende Perspektive einzunehmen, ist besonders im Kontext unfreiwilliger Konstellationen bedeutsam.

Dreieckskontrakte als »Grundraster für Rollenklarheit« (Kallabis 1992) regeln das Interaktionsgefüge und schaffen Transparenz und Verbindlichkeit. Sie sollten vor allem in der Supervision oder im Coaching dann geschlossen werden, wenn C die Maßnahme bezahlt, wenn C (z.B. als Vorgesetzter) angeordnet hat, dass A in Beratung geht oder wenn C in anderer Form in einer Machtposition gegenüber A steht und das Beratungsergebnis Auswirkungen auf diese Beziehung hat (z.B. ein Chef, der droht, einer Mitarbeiterin zu kündigen, wenn nicht bestimmte Coachingziele erreicht werden). Neben den formalen Aspekten (Teilnehmerkreis, Zeit, Geld, Absageregelung und Umgang mit ausgefallenen Sitzungen) sollte eine Vereinbarung darüber getroffen werden, was Sinn und Zweck des Vorgehens ist, wie eine ggf. Berichterstattung aussehen könnte. Wichtig ist an dieser Stelle eine Klärung von Schweigepflichtregeln bzw. allgemein von Vertraulichkeit.

Beispiel

Der Chef einer onkologischen Station ermöglicht dem Team auf dessen Wunsch hin eine regelmäßige Fallsupervision, die er aus Ambulanzmitteln bezahlt. Einvernehmlich wird entschieden, dass er nicht an den Gesprächen teilnimmt. Es wird ein Kontrakt über ein Jahr geschlossen, der maximal zweimal je um ein Jahr verlängert werden kann. Jeweils am Ende des Jahres formuliert der Supervisor einen schriftlichen Prozessverlaufsbericht, der an alle Beteiligten und an den Chefarzt geschickt wird.

Literatur zum Weiterlesen

Conen, M.-L. (2007). Ressourcenorientierung als therapeutische Grundhaltung. Familiendynamik 32(1), 41-54

Liechti, J. (2009). Dann komm ich halt, sag aber nichts. Motivierung Jugendlicher in Therapie und Beratung. Heidelberg: Carl Auer Systeme

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