Читать книгу Privatdetektiv Joe Barry - Gnadenlose Jagd - Joe Barry - Страница 4

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Dann machte das Nagetier eine Bewegung, und der dreieckige Kopf schoß blitzschnell vorwärts. Die Giftzähne das weiche Fell, und die gelbliche Flüssigkeit wurde ins Blut gepreßt, breitete sich rasendschnell aus, löschte im Bruchteil einer Sekunde das Leben aus.

Die Mokassinschlange verharrte eine Weile träge über dem Opfer, als müsse sie neue Kraft sammeln. Dann machte sie sich daran, das Nagetier zu verschlingen. Es war dies ein langsames, widerliches Geschäft, und die Schlange widmete ihr die volle Aufmerksamkeit — aber doch nicht so viel, daß ihr die leichte Erschütterung im Boden verborgen geblieben wäre. Sie verharrte einen Augenblick, und dann war sie sicher, daß ein großes Tier sich näherte. Als sie die Regelmäßigkeit des Geräusches erkannte, wußte sie, daß das tödlichste aller Tiere sich näherte: der Mensch.

Sie schob sich langsam zurück, denn keine Giftschlange greift freiwillig einen Menschen an. Aber dabei übersah sie eine Bewegung, hoch über ihr, und als sie das Pfeifen verspürte, war es zu spät.

Die scharf geschliffene Machete blitzte durch die Luft und hieb der Schlange das Rückgrat durch. Der Leib des Tieres wand sich in Todeszuckungen, und der Mann fuhr sich mit dem Ärmel über das Gesicht. Er war klein und sein dunkles Gesicht schweißglänzend.

„Verdammtes Biest“, sagte er, „davon wimmelt es nun hier. Wenn eine von der Sorte Sie beißt, Señor, gibt es nur eins: blitzschnell den Fuß abhakken.“

Der zweite Mann, dessen harten Tritt die Schlange gehort hatte, war ein Weißer. Er hatte rötlichblondes Haar, eine helle Hautfarbe und litt sichtlich unter der Hitze. Er blieb stehen und schob den Schlapphut ins Genick.

„Ich hätte sie glatt übersehen, Pedro. Verdammt, in dieser flimmernden Hölle sieht alles gleich aus!“

„Es ist eine Frage der Gewohnheit, Señor“, sagte der Mestize.

Der Weiße betrachtete angewidert das Reptil, das sich jetzt nicht mehr bewegte.

„Ist es noch weit?“ fragte er.

„Keine zehn Minuten. Wir müssen durch den Bach. Drüben ist die Straße. Ungefähr fünfhundert Meter weiter ist eine geeignete Stelle.“

„Also vorwärts, bringen wir es hinter uns.“

Der Mestize schulterte wieder den schweren Packsack, den er zuvor abgestellt hatte, und die beiden Männer machten sich auf den Weg.

Genau besehen, war die Straße nur ein Weg, mit Bulldozzern durch den Wald und über eine Lichtung gepflügt. Rechts der Straße verlief eine alte Pipeline, deren Rohr weiter hinten irgendwo im Urwald verschwand, wo man einst nach Öl gebohrt und auch welches gefunden hatte.

Der Weiße blieb stehen und deutete auf das dicke Rohr.

„Diese Stelle ist goldrichtig“, meinte er. „Gib mir den Sprengsatz!“

Der Mestize kramte aus seinem Gepäck ein paar Dynamitstangen, eine Rolle dünnen Draht und einen Batteriezünder. Das alles reichte er dem Weißen, der sich sofort daran machte, das Dynamit in den Sand unter die Pipeline zu buddeln, den Draht damit zu verbinden und abzurollen. Mit gesenktem Gewehr sah Pedro ihm dabei zu.

Während der Weiße den Draht abrollen ließ, marschierten sie über die Lichtung, auf deren rechten Seite ein steiler Abhang war. Zwischen Pipeline und Abhang verlief der Pfad.

Am Rand der Lichtung warfen die beiden Männer ihr Gepäck ins Gras. Der Weiße verband die Drahtenden mit dem Zündgerät und stellte es neben sich. Erschöpft glitten die beiden Männer dann zu Boden. So lagen sie mehrere Stunden. Ab und zu wischte der Weiße sich den Schweiß von der Stirn und ersäufte darin etliche Moskitos, während die restlichen sich mit wütendem Summen erhoben.

Endlich vernahmen sie in der Ferne das schwache Geräusch eines gequälten Automotors. Die beiden sahen sich an.

„Das ist er, Señor!“ sagte der Mestize.

„Bueno, es kann losgehen.“ Er nahm den kleinen rechteckigen Kasten auf und verzog sich mit Pedro hinter den Büschen. Von hier aus konnten sie die gesamte Lichtung überblicken.

Das Brummen des Automotors verstärkte sich, und nach einigen Minuten erschien ein Dodge-Dreitonner auf der Lichtung. Schwerfällig arbeiteten sich die Geländereifen durch den tiefen Sand. Im weichen Untergrund schlingerte der Truck heftig. Eine Minute später hatte er die Stelle erreicht, an der sich die Sprengladung befand.

„Jetzt!“ befahl sich der Weiße und drückte den Handgriff in das Zündgerät hinein.

Sofort drückten die beiden Männer ihre Gesichter auf den Boden. Aber nichts tat sich. Die erwartete Detonation blieb aus.

„Verdammt!“ fluchte der Weiße und hob den Kopf.

Langsam kam der Truck näher.

„Die Schießeisen!“ befahl er dann. Ungeduldig sah er zu, wie der Mestize den Packsack aufzerrte und eine Maschinenpistole herausholte. Er riß sie Pedro aus der Hand, schob den Rahmen mit der Neun-Millimeter-Munition hinein, und steckte zwei Ersatzmagazine in die Tasche.

Mit der entsicherten Waffe sprang er auf und huschte geduckt auf die andere Seite der primitiven Straße. Diesen Punkt konnte der Truckfahrer noch nicht einsehen.

Der Dodge kam jetzt an die Stelle, wo es steil nach unten ging. Der Weg war nicht gesichert, und der Fahrer konzentrierte seine ganze Aufmerksamkeit darauf, nicht abzugleiten.

Er sah nicht geradeaus, nicht dorthin, wo der Tod auf ihn lauerte.

Die Salve einer Maschinenpistole peitschte auf; die Geschosse durchschlugen auf kürzeste Entfernung die Frontscheibe. So schnell kam der Tod über den Fahrer, daß er nicht einmal merkte, wie er kam.

Der führerlose Truck kam vom Weg ab, schlingerte einen Augenblick am Rande des Abgrundes entlang und brach dann durch das Unterholz, fiel etwa zwanzig Meter frei durch die Luft und polterte dann, sich überschlagend, in die Tiefe. Es gab eine heftige Explosion, als der Tank Feuer fing, und dann erstickte die grüne Hölle das Feuer.

Die beiden Männer traten an den Rand des Abgrundes und starrten nach unten. Nichts war mehr zu sehen; der Tropenwald hatte alles verschluckt.

„Das ist also das Ende von Nevada Smith!“ sagte der Weiße.

„Er war ein großer Mann, Señor“, sagte der Mestize.

„Auch große Männer sterben, Pedro. Dieser da wollte zu groß werden. Er wollte alles schlucken, und das ist ihm nicht bekommen. Gehen wir. Wenn ich nicht bald ein großes, kaltes Bier bekomme, werde ich verrückt.“

Der Mestize nickte nur und packte den Zündapparat ein. Dann wickelte er den Draht auf und holte die Dynamitstangen, die er wieder verstaute.

„Kugeln sind eben doch zuverlässiger als die Technik, Señor“, meinte er verächtlich und schnürte den Packsack zu. „Nur gut, daß wir die Bleispritze dabei hatten.“

Sie schulterten ihr Gepäck und machten sich auf den Weg.

Minuten später lag die Lichtung verlassen da. Nichts war ihr mehr anzusehen von dem blutigen Drama, das sich hier abgespielt hatte.

Tief unten im Tal verließ ein Zug roter Treiberameisen seinen vorbestimmten Weg. Ein geheimnisvoller Instinkt führte die Insekten an die Stelle, wo das Wrack des Lastwagens tief unter den Bäumen lag Einen Augenblick zögerten sie, als sie die verkohlten Trümmer erreichten, aber dann entdeckten sie die Leiche, und Hunderte von gierigen Zangen begannen ihr gefräßiges Werk.

*

Ein paar tausend Meilen von dieser Stelle entfernt, im New Yorker Stadtteil Bronx, nahm der Mann, den gewisse Kreise mehr fürchteten als Cholera und Inflation, nämlich Privatdetektiv Joe Barry, den Telefonhörer ab und sagte:

„Ja, ich bin es persönlich.“

„Fein, daß ich Sie antreffe, Mr. Walker“, sagte eine tiefe, fettige Stimme. Unwillkürlich nahm Joe Barry etwas Abstand zum Hörer.

„Hier spricht Ringo Tyndall“, fuhr der Anrufer gewichtig fort.

Joe notierte sich den Namen auf einen Zettel.

„Ja, und?“ fragte er.

„Ich habe einen Fall für Sie. Ich erwarte Sie in einer halben Stunde in meinem Appartement im Hotel The New Yorker’.“

„Langsam, Mr. Tyndall“, sagte Joe und überlegte, woher er den Namen kannte, „drücken Sie sich etwas deutlicher aus. Ich mache nicht gern vergebens Besuche.“

„Ich bin Ringo Tyndall“, sagte der Anrufer gekränkt. „Sagt Ihnen das nichts?“

„Nein“, sagte Joe, doch dann fiel es ihm ein. Den Namen Tyndall kannte er. Er war gerade erst durch die Zeitungen gegangen. Paul Tyndall, ein schwerreicher amerikanischer Plantagenbesitzer aus Brasilien, war vor wenigen Tagen in New York eingetroffen, um seinen jährlichen Urlaub in den Staaten zu verbringen. Kurz nach seiner Ankunft war Tyndall erkrankt und gestorben. Die Gesellschaftsspalten hatten darüber berichtet, wie sie über jeden Amerikaner oberhalb der Fünfhunderttausenddollarklasse berichteten.

„Haben Sie etwas mit Paul Tyndall zu tun?“ erkundigte sich Joe.

„Ich bin sein Sohn.“

„Und worum handelt es sich?“

„Es hat mit dem Tod meines Vaters zu tun, Mr. Walker. Können Sie nicht herkommen?“

Joe warf einen Blick auf seinen Terminkalender.

„Ich bin heute ziemlich ausgebucht, Mr. Tyndall. Heute nachmittag um vier ginge es. Aber mir wäre es lieber, Sie kämen zu mir.“

„Das geht leider nicht. Heute nachmittag wird mein Vater beerdigt. Aber wir können uns am Friedhof treffen, nach der Beerdigung. Es ist der Central Cemetery Manhattan. — Sagen wir, vier Uhr fünfzehn?“

„Okay“, sagte Joe, „geht in Ordnung.“

*

Die Gesellschaft war klein, gemessene Trauer lag auf allen Mienen. Joe saß auf einer Bank im Vorraum des Friedhofsgebäudes und beobachtete sie beim Herauskommen. Als zwei schwarzgekleidete Gentlemen auf ihn zutraten, erhob er sich.

Der eine der beiden war untersetzt und hatte ein verfettetes Gesicht mit rötlichem Haar. Unablässig fuhr er sich mit einem Taschentuch über das Gesicht. Der andere war groß, hager und hatte ein faltiges, graues Gesicht mit schweren Tränensäcken. Er sah aus wie ein Bankier, der gewohnt ist, Absagen zu erteilen.

„Mr. Walker?“ sagte der Dicke fragend, und als Joe nickte: „Ich bin Ringo Tyndall. Und das ist Richter Carrington.“

Sie schüttelten sich die Hände.

„Mr. Carrington war ein guter Freund meines Vaters“, sagte Tyndall. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Verdammte Hitze! Wie wäre es mit etwas Kaltem zu trinken? Ich lebe zwar schon seit Jahren in Brasilien, aber an die Hitze habe ich mich immer noch nicht gewöhnt — nicht einmal an die bescheidene Hitze, die ihr New Yorker habt!“

„Hier in der Nähe gibt es eine Bar“, sagte der Richter. Er hatte eine hohle Stimme, die gut zu seinem Äußeren paßte.

Joe konnte nicht sagen, daß Tyndall ihm übermäßig sympathisch war, und er hatte keine Vorstellung davon, welche Art von Auftrag man ihm zugedacht hatte. Im Laufe des Nachmittags hatte er einige Erkundigungen über die Tyndalls eingezogen und interessierte sich für diese Sippe.

Zwanzig Minuten später hatten sie einen Manhattan Highball vor sich stehen.

„Das also ist das Ende“, murmelte Ringo Tyndall. „Vater kränkelte schon lange, aber trotzdem kam es plötzlich. Es war ein harter Schlag für mich, als ich das Telegramm bekam. Er wirkte in keiner Weise kränklich, als er abreiste, ganz im Gegenteil. — Aber wahrscheinlich langweilt Sie das nur.“

„Keineswegs“, sagte Joe, „mich interessiert alles. Ihr Vater starb an einer unbekannten Viruskrankheit, die er sich vermutlich in Brasilien zugezogen hat. Genaues wissen die Ärzte nicht. Er hinterläßt ein Vermögen von rund fünf Millionen Dollar. Dazu kommt noch ausgedehnter Grundbesitz in Brasilien und eine Aktienbeteiligung an einer Bank in Recife, Er hat ein Testament hinterlassen, dessen Inhalt ich nicht kenne. Aber vermutlich sind Sie, Richter Carrington, der Testamentsvollstrecker. Sie waren sein bester Freund. Sie beide kannten sich, seit Sie im Jahre 1915 zusammen in Princeton studierten.“

Tyndall starrte ihn mit offenem Mund an.

„Teufel! Sie reden wie einer, der Bescheid weiß!“

„Ich habe mich erkundigt“, sagte Joe lächelnd. „Das beschleunigt das Verfahren. Aber ich kann mir nicht recht vorstellen, wozu Sie mich brauchen. Ich nehme an, das Testament enthält irgendwelche Klauseln.“

„Genau das tut es“, sagte Tyndall hastig. „Ja, Sie scheinen wirklich der richtige Mann zu sein. Sie verlieren keine Zeit und erkennen sofort das Wesentliche. Es handelt sich um das Testament.“

„Und um fünf Millionen Dollar.“

„Genau. Richter Carrington, erklären Sie Mr. Walker unser Problem.“

Der Richter — er wurde so genannt, weil er früher einmal Richter gewesen war; jetzt besaß er eine Anwaltskanzlei in Manhattan — räusperte sich.

Der Verstorbene hinterließ ein Testament, in dem er mich zum Testamentsvollstrecker machte, wie Sie schon richtig vermuteten. In dem Testament setzte er seinen Sohn Ringo zum Alleinerben ein und beschwerte ihn nur mit einigen unwesentlichen Legaten, die zwanzigtausend Dollar nicht übersteigen.

Aber die Erbeinsetzung erfolgte unter einer Bedingung: Ringo Tyndall muß den Nachweis erbringen, daß sein Bruder Aaron nicht mehr lebt. Aaron Tyndall, der jüngere Sohn des Erblassers, ist seit einigen Jahren in Brasilien verschollen. Der Verstorbene hat dann weiter verfügt, daß beide Söhne zu beiden Teilen erben, wenn Aaron lebt. Wird aber der Nachweis seines Todes nicht erbracht, bleibt es beim bisherigen Zustand, dann wird Ringo enterbt. Das ganz Vermögen fällt dann an die Carrington-Stiftung!“ Er hüstelte. „Das ist eine wohltätige Stiftung, die ich selbst ins Leben gerufen habe und die sich mit Erfolg darum bemüht, entlassene Strafgefangene zu resozialisieren. Ich kam bei meiner Tätigkeit als Strafverteidiger auf diese Idee.“

„Mit anderen Worten: Ringo erbt nur, wenn er beweist, daß sein Bruder tot ist, oder wenn er ihn lebend auffindet. Im ersten Fall alles, im zweiten die Hälfte. Es geht darum, Aarons Schicksal zu klären.“

„Genau darum geht es“, knurrte Tyndall gereizt. „Eine fast unmögliche Aufgabe. Dafür brauche ich Sie.“

„Wieviel Zeit gibt Ihnen das Testament?“

„Drei Monate, vom Todestag an gerechnet.“

„Nicht sehr viel“, meinte Joe. „Und wie soll der Beweis geführt werden?“

„Durch eine amtliche Todeserklärung der amerikanischen Regierung; mein Bruder war nämlich Amerikaner.“

„Er ist verschollen“, sagte Joe nachdenklich. „Gibt es nicht nach einer bestimmten Frist automatisch die Todeserklärung?“

„Nach fünf Jahren“, bestätigte Richter Carrington, „jedenfalls nach dem Recht des Staates New York, das hier anzuwenden wäre. Aber Aaron ist erst seit drei Jahren verschollen. Vor Ablauf der Fünfjahresfrist wird die Todeserklärung nur erteilt, wenn der Beweis des Todes unzweifelhaft geführt wird. Ausnahmen gibt es nur in Kriegszeiten.“

„Ich verstehe“, nickte Joe. „Ihrem Vater, Mr. Tyndall, ging es offenbar darum, Sie mit allem Nachdruck zu zwingen, das Schicksal Ihres Bruders aufzuklären. Erzählen Sie mir, wie ist er verschollen? Wie kam das alles?“

„Das ist schnell erzählt“, sagte Ringo Tyndall mißmutig. „Unser Vater war ein Puritaner. Er ließ uns beide auf seiner Plantage schuften und gab uns dafür ein jämmerliches Taschengeld. Ich konnte mich damit abfinden, nicht aber Aaron. Er wollte gern studieren, aber Vater wollte, daß er die Plantage mit übernähme. Es kam häufig zu Streitigkeiten. Aaron geriet schließlich in schlechte Gesellschaft, begann zu trinken und verschwand dann ganz. Vater drohte mit Enterbung. Sie können sich das in Ihrer Phantasie sicher ausmalen.“

„O ja, das kann ich“, sagte Joe lächelnd.

„Kurz und gut: Aaron verschwand ganz in der Unterwelt von Rio de Janeiro. Merkwürdig war nur, daß Vater desto mehr an ihm hing. Er setzte Himmel und Hölle in Bewegung, ihn zurückzüholen, bot ihm sogar Mittel fürs Studium an, aber es war zu spät. Eines Tages erfuhren wir von einem befreundeten Kommissar der brasilianischen Polizei, daß Aaron sich einer Gangsterbande angeschlossen habe, die bei einem Feuergefecht im Landesinneren aufgerieben worden sei. Der Vorfall lag schon Monate zurück. Eine Exhumierung der Leichen ermöglichte keine sichere Identifizierung. Fest steht, daß mehrere Weiße bei der Bande waren und erschossen wurden, aber ob Aaron dabei war, weiß man nicht. Ich persönlich bin überzeugt davon; mein Vater glaubte hartnäckig das Gegenteil. Er verlangte von mir, daß ich Aarons Schicksal aufkläre, aber ich bin schließlich weder ein Detektiv noch ein Held. Für mich ist Aaron tot!“

Ringo wischte sich die Stirn ab und leerte sein Glas in einem Zug.

„Irgendwie gab er mir die Schuld, daß er nie sicher erfuhr, was aus Aaron wurde“, fuhr er fort. „Vielleicht hängt das mit dem Phänomen zusammen, daß man das, was man hat, weniger schätzt als Dinge, die fern und unerreichbar sind. Diese Testamentsklausel ist praktisch eine Enterbung, und Vater wußte das. Dafür, daß ich Jahrelang mit auf der Plantage geschuftet habe, ist es wahrhaftig ein schlechter Dank.“

„Immerhin besteht die Möglichkeit, daß ein besonders fähiger Mann den erforderlichen Nachweis führen kann“, mischte Richter Carrington sich ein. „Und der fähigste Mann, den ich mir für solche Aufgaben vorstellen kann, sind Sie, Mr. Walker.“

„Ich müßte also nach Brasilien fahren“, sagte Joe nachdenklich.

„Das wäre notwendig. Wir würden Ihnen natürlich alle erforderlichen Unterlagen geben. Bisher kennen Sie die Geschichte nur in groben Umrissen. Und was die finanzielle Seite angeht …“ Carrington hüstelte wieder. „Nun, der Verstorbene hat verfügt, daß für diesen Zweck jeder Betrag verwendet werden dürfe. Sie können also theoretisch bis zu fünf Millionen Dollar Spesen machen, Mr. Walker.“

„Ich hoffe nicht, daß es so teuer wird“, machte Ringo Tyndall einen plumpen Versuch, zu scherzen.

Joe fand den Dicken noch immer nicht sonderlich sympathisch. Die Art, wie er wenige Stunden nach dem Begräbnis seines Vaters sich um das Geld sorgte, gefiel ihm nicht. Und worauf Tyndall hinauswollte, war auch klar. Besorg mir die erforderlichen Beweise, sagte sein verständnisinniges Grinsen. Der Preis spielt keine Rolle, ebensowenig die Echtheit. Wenn sie nur anerkannt werden.

Natürlich war es kein Problem, sich in Brasilien mit Bestechung ein paar Papiere zu verschaffen, aber damit bekam man bei den New Yorker Behörden kein Bein auf die Erde. Der verstorbene Tyndall hatte schon gewußt, warum er auf einer amerikanischen Todeserklärung bestanden hatte, und Joe hatte einen guten Ruf in New York, und seine Aussage hatte bei den Behörden Gewicht.

Diesen Ruf wollte Tyndall kaufen. Der Einsatz war hoch: fünf Millionen Dollar. Für manchen Privatdetektiv hätte das eine Versuchung sein können. Joe Barry stieß sie ab.

Er schob seinen Stuhl zurück und erhob sich.

„Ich glaube nicht, daß ich Ihnen helfen kann, Mr. Tyndall. Ich sehe keine Möglichkeit, das Schicksal Ihres Bruders aufzuklären, und ich mag keine Zeit vergeuden.“

„Auch wenn diese Zeit doppelt bezahlt würde? Oder, sagen wir, dreifach?“

Das war nicht nur deutlich, das war direkt.

Joe sah Tyndall ausdruckslos an.

„Vielen Dank für den Whisky“, sagte er und ging.

*

In seiner Wohnung in der Gun Hill Road warf Privatdetektiv Joe Barry sich in einen Sessel und befaßte sich mit dem Abschlußbericht des letzten Falles. Über eine Stunde hatte ihn dieser Besuch bei Tyndall gekostet. Er hätte sich gleich auf seinen ersten Eindruck am Telefon verlassen sollen. Wenn Joe eine Stimme unsympathisch fand, war auch der ganze Sprecher danach, er hatte sich da nur selten getäuscht.

Verbissen ging er daran, die verlorene Zeit aufzuholen. Aber er kam nicht weit. Der Türsummer ging. Joe öffnete und mußte lächeln.

Der Kleiderschrank im pulverblauen Einreiher mit dem quadratischen Bürstenkopf und den krachenden Nähten war Lieutenant Antony Starr, Chef der. Mordkommission Manhattan und Joes bester Freund.

„Tag, Joe“, sagte Antony. „Darf man ’reinkommen?“

„Immer“, sagte Joe. „Dafür, daß ihr Polizisten euch am Monatsende keine Kneipen mehr leisten könnt und anfangt, alte Freunde zu besuchen, habe ich doch volles Verständnis.“

Der Captain ließ sich in einen Sessel fallen und strapazierte die Sprungfedern.

„Ich bin gerade auf dem Heimweg“, erklärte er, „kam zufällig hier vorbei …“

Joe versagte sich den Hinweis, daß der Captain für diesen Zufall einen Umweg von achtzehn Meilen machen mußte.

„Und da dachtest du …“

„… schaust du mal bei Joe herein“, ergänzte Antony. „Was machen die Geschäfte? Alles okay?“

Jetzt war Joe sicher, daß Lieutenant Starr etwas Bestimmtes wollte, und er wurde argwöhnisch wie ein Bankkassierer, dem eine Sechzigdollarnote angeboten wird.

„Worum dreht es sich, Alter?“ steuerte er das Ziel geradenwegs an.

„Ist es so ungewöhnlich, daß man einmal nach alten Freunden sieht?“

„Ungewöhnlich ist Dein-mich-schickt-Attorney-Brown-Gesicht“, sagte Joe und stellte die Flasche auf den Tisch. „Ihr braucht mich für irgendeine kitzlige Sache, das sehe ich dir an. Dein Feierabendgesicht ist anders.“

„Teufel“, sagte Antony und strich sich über die Frisur, „und dabei dachte ich immer, ich wäre ein guter Schauspieler. Also schön, versuchen wir es mit der Methode Ehrlichkeit. Was macht dein neuester Fall.“

„Welchen meinst du?“

„Tyndall“, sagte Antony nur.

Joe schob die Brauen zusammen und setzte sein Glas wieder ab, ohne davon zu trinken.

„Was weißt du davon?“

„Oh, ich habe meine Spione überall“, sagte Antony breit grinsend. „Ringo Tyndall hat dir heute nachmittag ein großzügiges Angebot gemacht. Du sollst seinen Bruder suchen. Stimmt’s?“

„Stimmt!“

„Du hast vermutlich abgelehnt, weil Ringo eine Mischung aus einem Kojoten und einem Stinktier ist. — Bitte beachte, daß dies eine private Äußerung ist, die in keiner Weise die amtliche Meinung der New Yorker Mordkommission wiedergibt.“

„Stimmt“, sagte Joe, „einschließlich deiner Ansicht über Ringo!“

„Deswegen bin ich hier.“

„Aha!“

„Sag nicht aha, wenn du noch nicht weißt, was ich will!“

„Das sehe ich dir doch an. Ich soll meine Vorurteile überwinden und den Fall übernehmen.“

„Genau darum wollte ich dich bitten. Übernimm den Fall und suche im brasilianischen Dschungel nach Aaron Tyndall, du bekommst von Ringo ein fürstliches Honorar dafür und nebenbei machst du dich bei uns beliebt.“

„Du vergißt die Kleinigkeit, daß ich weder Ringo noch seine Motive mag. Daran können Geld und gute Worte nichts ändern.“

„Gewiß“, sagte Antony seufzend, „er ist ein großer Strolch, aber da sind ein paar Dinge, die du noch nicht kennst. Dieser Aaron Tyndall hat sich nach der offiziellen Version einer Gangsterbande angeschlossen und ist dabei abserviert worden. In Wahrheit sieht die Sache anders aus. Es stimmt zwar, daß er unter Verbrecher geraten ist, aber es handelt sich nicht um irgendeine Clique von Hühnerdieben, sondern um eine internationale Bande von Waffenschmugglern. Und Aaron ist nicht das verkommene Muttersöhnchen aus gutem Haus, sondern es spricht einiges dafür, daß er eine leitende Funktion eingenommen hat. Und was schließlich die Geschichte von seinem angeblichen Tod angeht, so haben wir guten Grund zu der Annahme, daß Tyndall sie selbst in die Welt gesetzt hat. Sein Name stand auf den Fahndungslisten von sechs Ländern, da war es verständlich, daß er eine Generalbereinigung anstrebte.“

„Also Aaron lebt?“

„Davon bin ich überzeugt.“

„Und er ist der Boß einer Bande von internationalen Waffenschmugglern?“

„Die ganz Südamerika mit gestohlenen Waffen beliefert — je nach Bedarf“, ergänzte der Captain.

Joe sah ihn nachdenklich an.

„Und was hast du damit zu tun, Alter? Waffenschmuggel fällt nicht in dein Ressort, Brasilien erst recht nicht.“

Das Gesicht des Captains wurde hart.

„Aber Mord fällt in mein Ressort. Ich sagte doch schon, daß es sich größtenteils um gestohlene Waffen handelt. Im vorigen Monat hat die Bande ein Waffenlager der National Guard hier in New York überfallen und ausgeraubt. Dabei wurde ein Wächter ermordet. Die Spuren wiesen auf den Verein, dem Aaron angehört. Wir nahmen dieses Verbrechen zum Anlaß, die verschiedenen Ressorts aufeinander abzustimmen. Mein Dezernat ist jetzt federführend in dieser Angelegenheit. Mit anderen Worten: Der Fall gehört mir.“

„Und wie weit bist du gekommen?“

Der Captain setzte sein Glas ab, daß es klirrte.

„Das ist es ja! Ich weiß ziemlich genau, wo ich den Mörder zu suchen habe. Er sitzt in Brasilien. Aber ich habe nicht genügend Material, um ein offizielles Fahndungsersuchen loszulassen. Es sähe anders aus, wenn ich persönlich nach Brasilien ginge. Aber das läßt sich noch nicht machen. Ich habe zwar schon einiges Material über die Bande, aber es reicht noch nicht aus. Vor allem ist noch völlig offen, durch welche Kanäle sie die gestohlenen Waffen ins Ausland schmuggeln.“

„Und du bist sicher, daß Aaron Mitglied dieses Vereins ist?“

„Jedenfalls war er’s“, brummte Antony. „Und da ich die Story von seinem Dahinscheiden nicht glaube, muß er noch da zu finden sein.“

„Und jetzt soll ich nach Brasilien reisen und euch die erforderlichen Beweise besorgen?“

Der Captain nickte.

„So habe ich mir das zurechtgelegt. Die Geschichte geht nämlich weiter: Im vorigen Monat haben wir einen unserer jungen Leute nach Brasilien geschickt. Rod MacDonald heißt er.“

„Ich glaube, ich kenne ihn.“

„Er nahm Kontakt mit der brasilianischen Polizei auf, und wir hatten vereinbart, daß er einmal pro Woche telefonisch Bericht gibt. Nun, Rod wandte sich an den alten Paul Tyndall und fragte ihn nach Aaron aus, und wie es scheint, hat sich bei dem Alten dabei die Überzeugung gefestigt, daß sein Sohn Aaron noch lebt. Das Testament, durch das er Ringo zwingt, seinen Bruder zu suchen, wurde erst nach diesem Besuch abgefaßt.“

„Also seid ihr nicht ganz unschuldig daran?“

„Nein, und auch daran nicht, daß Ringo sich an dich gewandt hat.“

Joe hob die Brauen.

„Was soll das heißen?“

Antony grinste.

„Ringo und diese Vogelscheuche Carrington wandten sich an uns, um zu erfahren, wer der fähigste Detektiv von New York sei, und da habe ich dir diesen Joeb zugeschanzt. Du bist undankbar, wenn du ihn ablehnst. Gelingt es dir bei dieser Gelegenheit, die Bande hochgehen zu lassen, erwirbst du dir unsere ewige Dankbarkeit. Uns interessieren genaue Angaben über die Mitglieder der Bande, über die Kanäle, durch die der Waffenschmuggel fließt …“

„… und ausreichend Beweismaterial für einen großen Schwurgerichtsprozeß, bei dem Attorney Bown groß herauskommt“, brummte Joe.

„So ungefähr, denn im Herbst sind Wahlen“, gab Antony zu. „Also wie sieht es aus — ja oder nein?“

„Ja“, sagte Privatdetektiv Joe Barry, „denn du hast die Überredungskunst eines armenischen Teppichverkäufers!“

Der Captain nahm seine Tasche hoch und warf ein Bündel Akten auf den Tisch.

„Hier sind alle Unterlagen, die wir haben. Du kannst sie behalten, solange du willst. Natürlich werden wir alle Polizeibehörden anweisen, dich nach Kräften zu unterstützen. Für die finanzielle Seite sorgt Ringo, insofern wird der amerikanische Steuerzahler geschont. In Brasilien würde ich dir empfehlen, sofort mit Rod MacDonald Kontakt aufzunehmen. Er kennt die Verhältnisse!“

Joe nickte, ging zum Telefon und wählte die Nummer des Hotels „The New Yorker“.

„Ich möchte Ringo Yyndäll sprechen“, sagte er, „aber pronto! Zögern Sie nicht, den Schönheitsschlaf des Herrn zu unterbrechen!“

*

Die Düsenmaschine setzte auf dem International Air Port von Rio de Janeiro auf. Als Joe die klimatisierte Kabine verließ, traf ihn die Hitze wie ein Schlag. Er nahm seine Reisetasche — mehr Gepäck hatte er nicht — und sah zu, daß er die Zollabfertigung hinter sich bekam.

„Irgend etwas zu verzollen?“ fragte der grünuniformierte Beamte.

Joe nickte

„Zwei Pfund Heroin und ein freches Buch!“

„Angenehmen Aufenthalt“, brummte der Beamte und malte schwungvoll seinen Kreideschnörkel auf die Tasche.

Joe betrat die große Empfangshalle und sah sich um. Es wimmelte hier von Menschen, aber in den Jahren seiner Tätigkeit hatte Privatdetektiv Joe Barry einen Instinkt entwickelt, der keiner verstandesmäßigen Rechtfertigung bedurfte. So fiel ihm der Mann an der Bar auf, obwohl nichts Auffälliges an ihm war. Es war ein Weißer, der einen hellen Leinenanzug und einen Schlapphut trug. Unter dem Hut hingen ein paar rötliche Haarsträhnen hervor; das Gesicht, schweißüberglänzt, war sommersprossig; die Augen verkniffen.

Joe besah sich den Mann einen Augenblick und ging weiter. Am Ausgang drehte er sich nicht um, aber er konnte in den spiegelnden Glasscheiben sehen, daß der Rothaarige eben eine Telefonzelle betrat. Joe hob die Schultern und ging weiter.

Aus der Reihe der wartenden Taxis löste sich eines und fuhr vor. Der Fahrer öffnete einladend die Tür. Joe schüttelte den Kopf, wandte sich nach rechts und ging bis ans Ende der Reihe. Das vorletzte Taxi bestieg er. Ganz so einfach wollte er es der Gegenseite doch nicht machen.

„Wohin, Señor?“ fragte der Fahrer, ein kleiner, untersetzter Neger.

„In die Stadt — Calle Eusebio, 218“, sagte Joe.

Das Taxi, ein alter, klappriger Chevrolet, zog an.

Sie erreichten den sechsspurigen Highway, der vom Flughafen zur Stadt führte. Joe sah sich mehrere Male um, konnte aber keine Verfolger entdecken.

Kurz darauf kam eine Baustelle, und sie wurden auf einen Schotterweg abgeleitet.

„Ich fahre eine Abkürzung, Señor“, rief der Fahrer und bog in einen schmalen Sandweg ein, der hinunter zur Küste führte. Dicht am Meer entlang ging es weiter. Sie fuhren durch Slumviertel mit elenden Hütten und Wellblechbaracken, dann erreichten sie offenes Gelände. Der Motor des Chevrolet begann zu stottern und setzte schließlich ganz aus.

Joe sah hoch.

„Was ist? Kein Sprit mehr?“

„No, Señor, der Tank ist voll“, sagte der Neger und klopfte gegen die Benzinuhr. „Muß am Motor liegen.“

Er stieg aus und klappte die Haube hoch. Joe gähnte, dann stieg er ebenfalls aus und besah sich die Anstrengungen des Fahrers. Ringsum war es still, nur die Wellen des Meeres rauschten und täuschten eine Kühle vor, die der glühende Feuerball am Himmel im Keim erstickte. Der Boden war verbrannt und staubig.

„Wie heißt du?“ fragte Joe den Fahrer.

„Pedro, Señor!“

„Das Taxi gehört dir?“

„Si, Señor, mein Eigentum. Nicht mehr ganz neu, aber prima im Schuß. Ich verstehe diese Panne nicht!“

Angestrengt arbeitete er am Verteiler herum.

„Hast du Familie, Pedro?“

„Si, Señor, eine Frau und zwei Töchter — zwei reizende chicas, so groß.“ Mit der Hand deutete er es an.

„Wieviel bekommst du für diese Panne?“ fragte Joe plötzlich hart.

Der Neger starrte ihn erschrocken an; das Weiße in seinen Augen wurde sichtbar.

„Ich begreife nicht, Señor …“

„Hör endlich auf, mich für dumm zu verkaufen“, sagte Joe. „Dem Motor fehlt nichts. Du hast einfach den Benzinhahn abgedreht. Bei diesen alten Chevys geht das noch. Dein Pech, daß ich es gesehen habe!“

„Señor …“

„Wir können weiterfahren.“

Der Neger war grau im Gesicht.

„Ausgeschlossen, Señor. Sie haben mir gedroht, und sie machen ihre Drohung wahr. Sie sind gefährlich, Señor!“

„Wer?“ fragte Joe.

„Die Verbrecher. Sie haben jedem Taxifahrer gedroht: Wer den Gringo mit der blauen Reisetasche fährt, muß unterwegs eine Panne bekommen und stehenbleiben. Bitte, Señor, verschwinden Sie! Sie bringen mir nur Unglück!“

„Du hättest den Auftrag ablehnen können“, brummte Joe.

Er sah sich um. Es war nichts Auffälliges zu sehen. Kurz entschlossen zog Joe seine Jacke aus. Er nahm das Reservehemd aus seiner Reisetasche und den leichten Strohhut und drapierte alles so im Wagen, daß es von außen aussah, als säße er dort. Die Scheiben des alten Chevy waren klein genug, um die Täuschung zu ermöglichen.

„Komm, Amigo“, sagte Joe zu dem Fahrer.

„Was haben Sie vor, Señor?“

„Ich bin neugierig, das ist alles!“

Sie marschierten los und erreichten die Höhe. Hier, durch einen Dornbusch gegen Sicht geschützt, ließen sie sich nieder. Unten auf dem Weg stand verlassen das Taxi. Mit der hochgeklappten Motorhaube sah es so aus, als sei der Fahrer losgezogen, um Hilfe zu holen, während der Fahrgast im Fond vor sich hindöste.

Fünf Minuten vergingen, dann näherte sich Motorengeräusch. Auf der jenseitigen Anhöhe erschien ein Jeep, der mit drei Mann besetzt war. Joe kniff die Augen zusammen, aber gegen die Sonne war es unmöglich, die Gesichter der Insassen zu erkennen. In rascher Fahrt näherte sich der Jepp. Als er die Stelle passierte, wo der Chevrolet stand, erhob sich einer der Männer im Fahren. Joe sah den ausgestreckten Arm und sah den Gegenstand, der hinübergeworfen wurde und unter den Chevrolet rollte.

Der Jeepfahrer ließ den Motor aufheulen und raste davon.

Privatdetektiv Joe Barry warf einen Blick auf die Uhr und begann zu zählen:

„Eins — zwei — drei — vier …“

Rumms! Eine gewaltige Explosion zerriß die Stille. Das Taxi wurde von einer riesigen Faust gepackt, zerrissen und in die Luft geschleudert; eine mächtige Stichflamme stieg empor und fiel in sich zusammen. Autoteile und Steinbrocken wirbelten durch die Luft und prasselten wieder zu Boden. Dann war es vorbei, und nur ein Krater bezeichnete die Stelle, an der eben noch der Chevrolet gestanden hatte.

Mit aufgerissenen Augen starrte der Neger auf das Bild.

„Madre de Dios!“

„Du mußt dir ein neues Taxi kaufen, Amigo“, sagte Joe. Er nahm einen Zettel und schrieb die Adresse von Ringo Tyndall darauf.

„Hier — wende dich an diesen Gentleman. Er bezahlt den Schaden.“

Dann nahm er seine Tasche und machte sich auf den Weg.

Fassungslos starrte der Neger hinter ihm her.

Privatdetektiv Joe Barry - Gnadenlose Jagd

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