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1. Kapitel

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Nur wenig Leute auf dieser Welt sind zufrieden mit dem, was sie haben. Es gibt also eine Menge unzufriedene. Von dem Wunsch, mehr zu bekommen als man hat, lebt im Grunde die ganze moderne Industrie. Die meisten versuchen, ihr Los durch Arbeit zu verbessern. Ein kleiner Teil versucht es durch Ausflüge in das Randgebiet der Legalität. Ein noch kleinerer Teil überschreitet diese Grenze und beschäftigt ein ganzes Heer von Strafrichtern. Einige wenige schließlich gibt es, die zur Erreichung dieses Zieles vor keinem Mittel zurückschrekken. Das letzte, teuflischste Mittel ist: Mord.

Mit Recht verabscheut die Gesellschaft den Mörder und setzt alles daran, ihn zu fassen und unschädlich zu machen.

Auch unter Mördern gibt es Abstufungen. Es gibt den Mann, der im Affekt mordet; es gibt den Mann, der aus Angst zum Mörder wird. Und schließlich gibt es denjenigen, der der Gefährlichste von allen ist; denn er mordet mit kaltem Verstand.

*

Sophie Tucker war neunundvierzig, und das schon seit einigen Jahren. Ihr Gesicht glich einem gepuderten Plumpudding, und da, wo die Augen saßen, konnte man sich ohne weiteres zwei Kaviarkörnchen vorstellen. Wenn man bedenkt, daß Sophie Tucker seit ihrem achtzehnten Lebensjahr Dauergast in Ward’s Schönheitssalon in der Fifth Avenue war, konnte man sie nicht gerade als übermäßig hübsch bezeichnen. Es gab aber eine Kleinigkeit, die dieses Manko ausglich. Diese Kleinigkeit war ein ererbtes Vermögen von zwölf Millionen Dollar, überwiegend in mündelsicheren Wertpapieren, Aktien und Grundbesitz angelegt.

Sophie Tucker hatte ein bewegtes Leben und vier Ehemänner hinter sich. Der fünfte, den sie sich gerade zugelegt hatte, hieß Hemlock Shriver. Das Kapital, das er mit in die Ehe gebracht hatte, war die Fähigkeit, bedingungslos „ja“ zu sagen.

Da Hemlock aber in der letzten Zeit einigemale schüchterne Ansätze zu eigenen Ideen entwickelt hatte, tippte man in Kreisen der New Yorker Snobiety auf eine baldige Scheidung. Das einzig ernsthafte Hindernis schien zu sein, daß Ehemann Nummer sechs noch nicht in Aussicht war. Niemand drängte sich nach diesem Job; denn es hatte sich herumgesprochen, daß Sophie Tucker ihre Ehemänner kurzhielt.

Außerdem war sie zur Zeit mit dem beschäftigt, was sie gesellschaftliche Verpflichtungen nannte. Und das sah so aus:

Sie hatte im Shelton-Hotel in Atlantic City den großen Festsaal gemietet, dazu die Nebenräume, und auf handgeschöpftem Büttenpapier diejenigen eingeladen, die sie tout le monde nannte, zu deutsch: Leute mit Zaster.

Hemlock, der um zwölf Zentimeter kleinere Ehemann, saß mißmutig in ihrer Hotelsuite und beobachtete, wie seine Frau sich Creme in das Gesicht arbeitete. Hemlock hatte wenig Sinn für große Partys. Er zog einer Pokerrunde zu viert vor.

Immerhin verstand auch Hemlock, daß ein Vermögen von zwölf Millionen Dollar verpflichtete.

„Ich sehe durchaus ein, daß du deine Zerstreuung brauchst, Darling“, sagte er. „Aber war es notwendig, halb Amerika einzuladen? Millers kommen dazu extra aus Kalifornien, und Sam Houston kommt aus Texas. Er fliegt mit der Viermotorigen her.“

Sie überprüfte den Sitz ihrer Frisur.

„Miller sitzt in mindestens zwölf Aufsichtsräten, und Sam Houston kontrolliert das halbe Eisenbahnwesen im Land. Ich mußte ihn einfach einladen. Schließlich waren wir vor vierzehn Tagen erst in Acapulco. Von Houstons letzter Party schwärmt ganz Amerika.“

„Ja, und weil er dreihundert Gäste hatte, müssen wir jetzt fünfhundert einladen!“

„Warum nicht? Es gibt eben gewisse Verpflichtungen …“

Hemlock winkte ab.

„Ich weiß. Drei Nerzmäntel im Schrank, einen Cadillac vor der Tür und einen vergoldeten Nachttopf unter dem Bett.“

Sie sah ihn mißbilligend an.

„Hemlock, du bist ordinär!“

„Vielleicht liegt’s daran, daß ich keine Gouvernante hatte als ich ein Knabe war“, gab er bissig zurück. „Das ändert nichts daran, daß mir diese ewigen Feste allmählich zum Hals heraushängen.“

Sie besprühte sich mit einer Duftwolke.

„Ich habe für eine runde halbe Million Dollar Schmuck. Wann soll ich das Zeug denn tragen? Vielleicht im Erfrischungsraum von Woolworth? Oder soll ich’s im Panzerschrank liegenlassen? Das würde dem Zeug nicht gut bekommen. Perlen verlieren den Glanz, wenn man sie nicht trägt.“

„Du kannst den Kram meinetwegen im Bett tragen! Aber nein, die Leute sollen es sehen und sagen: Sophie Tukkers Diamanten sind viel, viel schöner als die von Clara Houston. Und die gute Clara wird vor Wut platzen. Ihr Weiber seid doch alle gleich!“

Sie richtete sich wütend auf.

„Hemlock, deine Ausdrucksweise ist empörend! Du kannst eben nicht leugnen, daß du aus den East Fifties stammst, mit einem Alkoholiker als Vater und einer, Gott weiß was, als Mutter.“

„Immerhin gab’s in meiner Familie keinen, der dadurch reich geworden ist, daß er für arme Einwanderer Slumviertel gebaut und ihnen die letzten Nickel aus der Tasche gezogen hat.“

„Hemlock!“

Er fuhr herum.

„Oh, verdammt.“ Erst jetzt sah er, daß sie nicht allein im Raum waren. Der Hoteldirektor stand im Vorzimmer. Er hatte mehrmals geklopft, und da das Klopfen überhört worden war, war er eingetreten.

Der Mann strich sich über den ergrauten Maurice-Chevalier-Kopf.

„Verzeihung, Sir“, sagte er. „Ich habe mehrmals geklopft. Mrs. Tucker hat uns für acht Uhr bestellt.“

„Was, zum Teufel, wollen Sie?“ schnaubte Hemlock wütend.

Sophie schwebte an ihm vorbei — in einem Traum aus gelber Seide und blauen Spitzen.

„Ich hatte vergessen, es dir zu sagen, Darling. Die Gentlemen bringen meinen Schmuck. Er wird heute den ganzen Abend von zwei Detektiven bewacht. Ist das nicht aufregend?“

„Wahnsinnig komisch“, knurrte Hemlock.

Der Direktor trat einen Schritt zur Seite. Er wußte, wer hier den Ton angab. Und über Hemlock hatte er seine eigene Meinung, seit er beobachtet hatte, daß Hemlock einem Dutzend Austern mit Messer und Gabel zu Leibe gerückt war.

Hinter der geschniegelten Fassade des Hoteldirektors tauchten jetzt zwei breitschultrige Gestalten auf, die einander glichen wie ein Ei dem anderen.

Obwohl sie ihre massigen Figuren in Smokings gezwängt hatten, sah man ihnen an, daß sie nicht zum Zehnmillionen-Klub gehörten.

Es waren die Detektive. Beide hatten eine verdächtig aussehende Wölbung unter der linken Achsel. Einer stellte jetzt vorsichtig ein Köfferchen auf den Tisch.

„Das sind Mr. Johns und Mr. Bulgar“, sagte der Direktor. „Beide arbeiten schon seit mehr als zehn Jahren im Haus. Sie sind absolut zuverlässig.

„Sehr erfreut“, schnurrte Mrs. Tucker. „Ich glaube nicht, daß jetzt noch jemand auf den Gedanken kommt, meine Glitzersteinchen zu stehlen.“

Der Koffer wurde feierlich geöffnet. Was ihnen entgegenstrahlte, war märchenhaft. Es waren nur wenige Einzelstücke, aber es war keines darunter, das weniger als hunderttausend Dollar wert war. Das meiste stammte von Tiffany in New York, dem berühmtesten Juwelier des Landes.

Sophie Tucker hatte durchaus Geschmack, aber sie fühlte sich nicht angezogen, wenn nicht an jedem Ohrläppchen etwas Taubeneigroßes funkelte. Um den Hals gedachte sie ein Perlenkollier zu legen. Der Name Tucker bürgte dafür, daß keine einzige Zuchtperle darunter war. Alles war echt. Rötliche, besonders auserlesene Perlen. Und da Sophie einen beträchtlichen Halsumfang hatte, war in das Kollier ein Dutzend Perlen mehr als üblich verarbeitet worden.

Der Rest waren kleinere Stücke. Ein Armband aus Brillanten, Brillantringe, eine brillantenbesetzte Uhr und eine Brosche aus dem gleichen kohlenstoffhaltigen Material. Alles in allem eine runde halbe Million.

Durch den Kleopatra-Film angeregt, hatte Mrs. Tucker vorübergehend mit dem Gedanken gespielt, sich auch etwas Glitzerndes um das Fußgelenk zu legen. Es war aber ihrem Juwelier gelungen, ihr diesen Gedanken auszureden.

„Alles vollzählig, Madam“, sagte der Direktor. „Wollen Sie sich bitte überzeugen?“

Sophie warf nur einen kurzen Blick in den Kasten und nickte dann.

„Alles in Ordnung. Warten Sie bitte mit Ihren Leuten draußen. — Hemlock“, wandte sie sich an ihren Mann, „würdest du mir bitte helfen, den Schmuck anzulegen? Mit diesen neumodischen Verschlüssen komme ich nie zurecht.“

Hemlock gehorchte. Bewundernd ließ er die kostbaren Stücke durch die Finger gleiten. Für ihn, der er beim Geruch von sauren Heringen aufgewachsen war, bedeutete das alles doch eine ganze Menge. Hemlock war nie richtig mit seinem Schicksal fertig geworden. Jeden Morgen entdeckte er von neuem, daß seine Bettdecke aus Seide war, und kam darüber ins Schwitzen.

Wenig später gingen sie nach unten.

*

Fünfhundert Gäste hatte Sophie Tukker eingeladen. Einer kam ohne Einladung.

Der Mann war mittelgroß und hager. Seine Gesichtshaut erinnerte an gegerbtes Leder. Die Frisur war auf Länge eines Streichholzkopfes gekürzt. Es war genau die Art Frisur, die in den Gefängnissen und Zuchthäusern des Landes verpaßt wurde.

Er trug einen flotten Einreiher — zu flott für einen Gentleman, und er fuhr einen unauffälligen Wagen, einen Chevrolet 58. Daß die Mühle einen frisierten Motor hatte und jedem Polizeiauto zwischen Hudson River und Mississippi davonfuhr, sah man ihr nicht an. Unauffälligkeit war ein Prinzip, das der Mann bis zur Perfektion entwickelt hatte. Die Rostflecken an seinem Wagen waren ebenso gepflegt wie das drehbare Nummernschild. Man hätte die Nummerntafel übrigens drehen können soviel man wollte, es wäre immer eine falsche Nummer herausgekommen.

Der Gentleman, der keiner war, hatte New York am frühen Nachmittag verlassen. Gemächlich bummelte er über die Küstenstraße in Richtung Atlantic City. Er hatte Zeit. Nichts verabscheute er so sehr wie Zeitdruck. Unter Zeitdruck handeln, bedeutete ein zusätzliches Risiko eingehen, das bedeutete einen vermeidbaren Luxus. Das fand er unelegant. Der Gentleman liebte die Eleganz.

Er erreichte Atlantic City um fünf Uhr nachmittags. Das bedeutete, daß er noch fünf Stunden Zeit hatte, um die letzten Einzelheiten seines Planes auszufeilen.

Über eine Stunde verwandte er darauf, den Wagen zu überprüfen. Er ging sehr pedantisch vor. Er überprüfte die Zündanlage, Spritzufuhr, Batterie und Reifendruck, kontrollierte den Ölstand und überzeugte sich davon, daß das Nummernschild vom Wageninneren aus reibungslos gewechselt werden konnte. Große Coups waren schon an viel unbedeutenderen Details gescheitert.

Zwischen sechs und sieben, als der Verkehr am dichtesten war, fuhr er mehrmals eine bestimmte Route ab. Sie begann stets am Shelton-Hotel und endete an der Einfahrt zur US-Route 18, die von Atlantic City aus in östlicher Richtung führte. Die Straßen waren so belebt, daß er sicher sein konnte, nicht aufzufallen.

Auf einen Besuch im Shelton verzichtete er. Er wollte um jeden Preis verhindern, daß es Zeugen gab, die sich später womöglich an ihn erinnern würden. Außerdem hatte er die Anatomie des Shelton-Hotels genau im Kopf. Er war auch genau über jede Einzelheit der geplanten Sophie-Tucker-Party informiert.

Um acht Uhr parkte sein Wagen auf einem einsamen Platz am Strand, zwei Meilen nördlich von Atlantic City. Reglos, bleigrau lag das Meer vor ihm. Nur einzelne Wellen leckten müde am Sand. Die Sonne stand schräg über dem Festland; der Wagen warf einen langen Schatten, fast bis ans Wasser.

Der Mann war bereit.

*

Kurz nach zehn Uhr — der aufgehende Mond hing daumenbreit über dem Horizont — kam Leben in die regungslose Gestalt. Er startete die Maschine und schaltete die Standlichter ein. Fast lautlos beförderte der Elefant unter der Haube das schwere Gefährt auf die Straße.

Elf Minuten später hatte er das Shelton-Hotel erreicht.

Der massige Hotelblock, unmittelbar am Wasser gelegen und fünfzehn Stockwerke hoch, warf sein strahlendes Licht in die Nacht. Aus dem Erdgeschoß kamen Musikfetzen. Der riesige Parkplatz vor dem Hotel war überfüllt.

Der Besucher ohne Einladung stellte seinen Wagen so ab, daß er, mit dem Kühler zur Straße, unmittelbar an der Ausfahrt parkte und in Sekundenschnelle zu erreichen war. Der Mann stieg aus, überquerte mit abgewandtem Gesicht den erleuchtèten Vorplatz und erreichte den Side Walk. Das ist ein breiter Weg aus Holzplanken, der sich in Atlantic City den ganzen Strand entlangizieht. Die Hotels, die unmittelbar am Wasser stehen, haben alle einen eigenen unterirdischen Zugang zum Strand, der unter dem Side Walk hindurchführt.

Der Mann wählte diesen Weg, weil er die einzige Möglichkeit bot, ungesehen das Hotel zu erreichen.

Fünf Minuten später stand er im gekachelten Keller des Shelton-Hotels. Das Türschloß hatte seinem Spezialdietrich so wenig Widerstand entgegengesetzt, daß es die Mühe nicht lohnt, ihn zu erwähnen.

Der Mann ging rasch und zielbewußt vor. Jeder Handgriff war genau geplant. Er passierte die Tür mit der Aufschrift „Nur für Angestellte“ und erreichte über eine Wendeltreppe das Erdgeschoß. Zwei Minuten später stand er vor dem Office des Hoteldirektors. Bisher war ihm niemand begegnet. Sophie Tuckers Party hielt das Personal in Atem.

Der Mann langte in die Schulterhalfter und zog eine Luger heraus. Er versah die Waffe mit einem Schalldämpfer. Dann brachte er einen abgeschnittenen Damenstrumpf zum Vorschein und zog ihn sich über den Kopf.

Der Mann zögerte keine Sekunde. Er stieß die Tür auf und war mit einem Satz im Office.

Der Hoteldirektor an seinem Schreibtisch riß die Augen auf.

„Hände hoch!“ rief der Maskierte halblaut. „Keine Bewegung oder es knallt!“ Er drückte die Tür hinter sich zu.

„Was, in aller Welt —“, ächzte der Direktor verstört.

„Schön ruhig bleiben. Nimm die Finger von der Alarmanlage, du getünchtes Grab“, sagte der Maskierte scharf. Er trat vor den Mann und drückte ihm die Luger auf die silbergraue Krawatte. „Den Schlüssel zum Safe!“ knurrte er.

„Ich verstehe nicht, was Sie wollen? Da sind um diese Zeit keine fünfhundert Dollar drin.“

„Den Schlüssel“, wiederholte der andere.

Der Hotelmanager schielte auf die Waffe und zog es vor, nichts mehr zu sagen. Wortlos rückte er den Schlüssel heraus.

„Jetzt stell die Kombination ein. Los, Mann, beeil dich. Ich habe einen ziemlich nervösen Zeigefinger.“

Der Direktor beeilte sich, dem Befehl zu folgen. Es klickte leise, als die Zahlen in die richtige Kombination einrasteten. Dann klappte die Stahltür des Wandsafes auf.

Der Gangster handelte rasch. Er trat von hinten an den Hoteldirektor heran und hieb ihm die umgedrehte Waffe über den Schädel. Stöhnend sank der Mann zusammen. Der Maskierte überzeugte sich davon, daß er wirklich bewußtlos war. Dann stopfte er hastig die wenigen Geldscheine aus dem Safe in die Tasche. Das reichte gerade, um die Betriebsunkosten zu decken. Das eigentliche Kassieren stand erst noch bevor.

Der erste Teil seines Planes’hatte reibungslos geklappt. Jetzt kam der riskanteste Teil.

Er nahm die Maske ab und stopfte sie in die Tasche. Dann öffnete er die Tür und steckte den Kopf hinaus. Niemand war zu sehen. Wenn es ihm gelang, den Bewußtlosen bis zum Eingang des Festsaales zu bringen, ohne daß jemand Verdacht schöpfte, hatte er gewonnen.

Er beugte sich über den regungslosen Mann und zerrte ihn in die Höhe. Dabei kam er ins Schwitzen. Der Bursche hatte Gewicht. Das müssen die vielen guten Hotelmenüs sein, dachte der Einbrecher. Er legte den Arm um den Nakken des Bewußtlosen und schleifte ihn auf den Gang.

Er schien Glück zu haben. Kein Mensch begegnete ihm auf dem Weg zur Treppe. Jetzt hatte er nur noch ein paar Stufen nach unten, dann über einen Vorplatz, und er war an einer der Türen zum großen Saal. Er spannte die Muskeln an. In diesem Augenblick hörte er vor sich Stimmen. Einige Partygäste kamen direkt auf ihn zu.

Dem Gangster gerann das Blut zu Eiskörnchen. Er mußte blitzschnell handeln, sonst war alles aus. Hastig schleifte er den Bewußtlosen bis zur ersten Stufe und ließ ihn dort in sich zusammenfallen. Er selbst setzte sich daneben. Die Schritte kamen näher.

Fieberhaft wühlte er in seinen Taschen, bis er eine Zigarette fand. Die schob er dem Mann neben sich zwischen die schlaffen Lippen.

Jetzt waren die Partygäste herangekommen. Es waren zwei Männer in weißen Smokingjacketts. Der Gangster beugte sich so vor, daß sie sein Gesicht nicht sehen konnten und sprach in der Art eines Betrunkenen auf seinen stummen Partner ein.

„Ich s-s-s-sage dir, Jack, der alte Einstein und seine Relati-Relativ-Relativitätstheorie hatte doch r-recht.“

Die beiden Männer gingen an ihm vorbei. Belustigt sahen sie auf die beiden vermeintlich Betrunkenen. „Die scheinen ja mächtig getankt zu haben“, hörte er einen sagen. Dann war die Gefahr vorbei.

Er atmete auf. Das war noch mal gutgegangen. Jetzt hatte er es eilig, den wichtigsten Teil seines Planes hinter sich zu bringen.

Er schleifte den Bewußtlosen bis vor den, Eingang zum Festsaal und ließ ihn dort fallen. Zwei Sekunden später war er verschwunden.

Mrs. Gloria Vandeput, eine füllige Mittfünfzigerin, die so rosig war wie eine Martinsgans im Frühherbst, war eine intime Feindin von Sophie Tucker. Das lag vor allem daran, daß ihre eigene Party im New Yorker Marberry-Hotel vor sechs Monaten bei weitem nicht so glanzvoll gewesen war, wie Sophie Tukkers heutiger Abend. Der Grund hierfür war, daß Gloria Vandeputs Großvater im Laufe eines börsenfleißigen Lebens nur ungefähr fünf Millionen zusammengekratzt hatte, und daß seine Nachfahren im Laufe von achtzig Jahren das meiste davon verputzt hatten. Mit anderen Worten: Sophie Tucker war reicher.

Gloria Vandeput war also in der erklärten Absicht auf die Party gekommen, auf Dinge zu achten, über die sie später im vertrauten Kreise lästern konnte. Was sie allerdings finden sollte, übertraf ihre kühnsten Erwartungen bei weitem.

Auf dem Weg nach draußen stolperte sie über den Körper des bewußtlosen Mannes.

Sie schrie gellend auf, und dann explodierte die Party.

Die ersten, die heranstürmten, sahen nur den leblosen Mann. Der Ruf „ein Toter“ hallte durch den Saal.

Sophie Tucker kapierte nicht sofort, was passiert war. Sie bekam nur eines mit: Skandal. Sie legte Wert auf äußerste Vornehmheit, und nichts konnte ihr peinlicher sein als ein Skandal. Irgendeine Schlägerei, dachte sie schreckensbleich.

Die Aufregung steigerte sich. Eine dichte. Menschentraube hatte sich am Saalausgang gebildet. Ihre Leibwächter hatten sie verlassen und arbeiteten sich durch die Gänge auf den Kern der Aufregung zu.

Plötzlich fühlte sich Sophie Tucker an der Hand gefaßt.

„Kommen Sie schnell, Madam“, sagte jemand neben ihr. „Ein Überfall. Bewaffnete Gangster. Sie müssen sich in Sicherheit bringen.“

Sie war viel zu aufgeregt, um den Sinn der Worte voll zu erfassen. Willenlos folgte sie dem fremden Mann. Erst als sie draußen auf der Terrasse stand, wurde ihr klar, was los war.

„Wer sind Sie?“ fragte sie angstvoll.

Der Mann grinste höhnisch.

„Ein Freund. Guten Freunden pflegt man Geschenke zu machen — oder? Das hat Ihnen doch Ihr englisches Kinderfräulein beigebracht. Los, her mit dem Schmuck, aber schnell!“

Sie erstarrte. Ihre Augen weiteten sich vor Schreck. Dann öffnete sich ihr Mund zu einem gellenden Schrei.

„Hilfe!“

Das war Sophie Tuckers größter Fehler. Blitzschnell warf ihr der Mann eine dünne Nylonschnur um den Hals und zog erbarmungslos zu. Sie bäumte sich auf. Der Mann keuchte. Auf seiner Stirn bildeten sich kleine Schweißtropfen.

Dann sackte ihr Körper schlaff und leblos zusammen.

Der Mann sah sich um. Niemand war auf der Terrasse. Eilig machte er sich daran, ihr den Schmuck abzunehmen. Es war nicht viel. Nur ein paar Gegenstände, die sich mühelos in den Taschen verstauen ließen. Aber das Zeug war eine halbe Million wert.

Dreißig Sekunden später verließ er die Terrasse. Er erreichte seinen Wagen, startete ihn und jagte mit hoher Geschwindigkeit davon. Zum gleichen Zeitpunkt wählte der völlig verstörte Hotelportier die Nummer der Polizei.

Sophie Tucker fand man erst eine ganze Weile später. Ihre Augen starrten gebrochen in den Nachthimmel.

Sie war tot.

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