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Aber an diesem Tag kamen keine Abfälle. Es kam etwas anderes.

Hoch oben in der Luft brummte ein Flugzeug, Wie ein winziges Insekt kroch es über den tiefblauen Himmel. Es war eine alte DC-3, eine Dakota, die Postkutsche des Zweiten Weltkriegs. Ein unförmiger, gedrungener Rumpf, eckig abstehende Flügel und zwei surrende Propellerkreise. Der Pilot in der vergitterten Kanzel trug eine Lederhaube und einen unmodernen Fliegerdreß – beides Requisiten, die in modernen Flugzeugen längst nicht mehr vertreten sind.

Mühsam quälte sich die Maschine vorwärts. , In ihrem Laderaum war eine schwere Last verstaut, die das altersschwache Flugzeug bis an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit beanspruchte. Aber die Motoren hatten einen gesunden Klang, und der Pilot grinste zufrieden. In weniger als zwei Stunden würde er sein Ziel erreicht haben.

Wenn er aus dem linken Fenster der Kanzel blickte, sah er bis zum Horizont den Atlantik. In der Sonne glänzte der Ozean wie flüssiges Blei. Rechts, in etwa fünfzehn Seemeilen Entfernung, zog sich einegewaltige dunkle Masse parallel zu seiner Flugbahn dahin: die Küste von Brasilien. Was er dort sah, war Dschungel, ein riesiges, unerschlossenes Gebiet, in dem nur ein paar Indianer hausten. Nein, von dort drohte ihm keine Gefahr. Es war eigentlich überflüssig geswesen, sich außerhalb der brasilianischen Hoheitsgewässer zu halten. Aber so war er schon immer gewesen. Lieber einige Vorsichtsmaßnahmen zuviel als zuwenig. Das Prinzip hatte sich bewährt. Die Last hinten im Laderaum war der beste Beweis dafür.

Und dann sah er die andere Maschine.

Es war das Aufblitzen einer Glasscheibe, das ihn aufmerksam machte. Er kniff die Augen zusammen, weil die Sonne ihn blendete, und er sah die andere Maschine erst, als sie schon verhältnismäßig dicht herangekommen war.

Er zerquetschte einen Fluch zwischen den Zähnen. Er war Bomberpilot im Zweiten Weltkrieg gewesen, und er kannte diesen Trick. Jedes. Jagdflugzeug versuchte, den Gegner aus der Sonne heraus anzugreifen.

Aber, zum Teufel, man schrieb das Jahr 1969. Ringsum war tiefster Frieden.

Die andere Maschine kümmerte das nicht. Sie donnerte genau auf ihn zu. Er sah die blitzende Propellerscheibe, die auffallend steil abgewinkelten Flügel und die engmaschig vergitterte Pilotenkanzel. Und er bildete sich ein, ein höhnisches Grinsen vom Gesicht des gegnerischen Piloten ablesen zu können.

Den Flugzeugtyp kannte er genau. Es war eine alte Moskito, ein amerkanisches Jagdflugzeug aus dem Zweiten Weltkrieg. Für heutige Verhältnisse war sie hoffnungslos veraltet, aber sie war immer noch fast dreihundert Stundenkilometer schneller als die Dakota, und sie war dafür konstruiert, Mühlen, wie die Dakota, abzuschießen.

Der Pilot begriff blitzartig. Er drückte den Steuerknüppel nach vorn und zwang sein überlastetes Flugzeug in den Sturzflug.

Aus dem schlanken Leib des Moskitojägers stachen plötzlich Blitze. Das Stakkato eines Zwillings-MG übertönte das Dröhnen der Flugzeugmotoren. Die Dakota ; erbebte, als ihr Rumpf ein paar Treffer abbekam, aber das Ausweichmanöver hatte sie aus der Schußbahn gebracht.

Donnernd brauste die Moskito vorbei, beschrieb eine enge Kurve und nahm die Verfolgung auf.

Der Pilot der Dakota wußte, daß er keine Chance hatte, dem Jäger zu entkommen. Nicht, solange seine Maschine so überlastet war. Es kostete ihn alle Mühe, sie aus dem Sturzflug abzufangen.

Seine Gedanken jagten sich. Im Krieg hatte er solche Situationen oft genug erlebt, aber da war er immer im Pulk geflogen, und ringsum hatten die eigenen Jäger einen Schirm gebildet, der kaum zu durchbrechen war. Nur einmal war es ihm passiert, daß er aus dem Rudel gedrängt worden war und verzweifelt versucht hatte, einen deutschen Jäger abzuschütteln. Damals hatte er seine Bombenlast im Notwurf abgeladen, um besser manövrieren zu können.

Er preßte die Lippen zusammen. Selbst, wenn er gekonnt hätte, hätte er seine Last nicht abgeworfen. Um keinen Preis der Welt. ‘

Er drehte den Kopf. Die Moskito kam jetzt von hinten, arbeitete sich langsam, aber unaufhaltsam an ihn heran.

Der Pilot biß sich die Lippen blutig. Für solche Situationen brauchte man einen Heckschützen. Es war ein verdammt bitteres Gefühl, diesem Angriff wehrlos ausgesetzt zu sein.

Er wartete, bis der Gegner wieder das Feuer eröffnete, und riß dann die Dakotascharf nach rechts. Er mußte versuchen, über Land zu kommen. Das war seine einzige Chance, wenn er überhaupt noch eine hatte. Er wußte jetzt genau, worauf es dem Jäger ankam. Die Moskito wollte ihn abschießen, solange er über dem offenen Meer war. Also mußte er die Küste erreichen. Er mochte zwar nicht daran denken, wie eine Notlandung im dichten Dschungel ausfallen würde, aber er hatte keine andere Wahl.

Sein Ausweichmanöver hatte ihm zwar einen kleinen Vorsprung verschafft, aber schon kurvte der Jäger heran. Wieder setzte er zum Sturzflug an, fing die Dakota dicht über der Wasseroberfläche ab und zog sie steil empor, während rings um ihn die Geschosse durch die Luft prasselten.

Er glaubte zu spüren, wie seine überforderte Maschine in den Nähten knackte, während die Moskito mit höhnischer Leichtigkeit ihre Schleifen drehte.

Aber noch war das Glück auf seiner Seite. Er näherte sich der Küste. Schon konnte er den hellen Streifen erkennen, der sich vor der dunklen Wand des Dschungels entlangzog, schon glaubte er, Einzelheiten wahrzunehmen. Noch ein paar Minuten, und er hatte es geschafft.

Und dann erwischte es ihn endgültig.

Die Moskito stand plötzlich schräg über ihm, hatte die Sonne im Rücken und griff aus der denkbar günstigsten Schußposition an. In langen Feuerstößen jagte sie ihre tödliche Last in den Leib der taumelnden Dakota, aus deren Rumpf sich Fetzen lösten. Dann explodierte der Treibstofftank. Eine riesige Rauchfahne zog sich hinter dem Flugzeug her.

Die Dakota taumelte dem Wasser zu, fing sich wieder, ging in den Gleitflug über, und dann setzte sie hart auf der Wasseroberfläche. auf.

Der mächtige Tigerhai, eine knappe Meile entfernt, spürte den Aufschlag und erwachte aus seiner Trägheit.

Die Dakota sank rasch. Ihre schwere Ladung zog sie in die Tiefe. Das Wasser löschte den Brand, während ausströmendes Benzin brennend auf der Wasseroberfläche trieb.

Wie durch ein Wunder war der Pilot unverletzt geblieben. Er hämmerte wütend gegen die verklemmte Kanzel, schlug sich die Fäuste blutig und bekam sie auf, gerade als das Wasser hereingurgelte. Er schnappte sich seine Schwimmweste und zwängte sich hinaus.

Mit wilden Schwimmstößen suchte er dem Sog der untergehenden Maschine zu entkommen, ohne in die brennende Benzinlache zu geraten. Seine schwere Fliegerkombination saugte sich voll und zerrte ihn nach unten, bis er endlich in die Schwimmweste geschlüpft war. Zischend blies sie sich auf, als er endlich das Ventil eingeschlagen hatte.

Dann trieb er im warmen Wässer und starrte nach oben. Er wußte, wie es weitergehen würde. Der Gegner donnerte im Tiefflug heran. Genau dort, wo der Ölfleck und treibende Trümmer die Absturzstelle anzeigten, warf er einen gelben Farbbeutel ab. Der sich rasch ausbreitende Farbfleck würde die Stelle so lange markieren, bis eine exakte Peilung vorgenommen worden war. Der Rest war klar. Das Meer war hier höchstens fünfzig Meter tief. Kein Problem für gut ausgerüstete Taucher.

Der Pilot hätte vor Wut heulen können, aber im Augenblick hatte er noch andere Sorgen. Da war die Frage, ob die Moskito ihn entdeckte. In diesem Fall würde der andere ein Scheibenschießen veranstalten,

Und selbst wenn er unentdeckt blieb, war es fraglich, ob er schwimmend ans Ufer gelangen würde. Er schätzte die Entfernung auf höchstens , acht bis zehn Seemeilen – kein Problem, vorausgesetzt, daß nichts dazwischenkam, etwa eine ungünstige Strömung, Barracudas oder Haifische.

Er tastete nach der Patrone mit dem chemischen Mittel gegen Haifische. Vielleicht half es, aber sicher war das nicht. Keiner der Giftmischer, die das Mittel erfunden hatten, hatte bislang Lust verspürt, es auszuprobieren.

Dagegen war die Wirkung klar, die das aus seinen verletzten Händen sickernde Blut haben würde. Hilflos starrte er auf die dunklen Fäden, die sich im azurblauen Wasser verloren.

Genau zu diesem Zeitpunkt bekam der mächtige Tigerhai die Blutwitterung in die stumpfe Nase und jagte lös. Sein Kurs kreuzte sich mit dem des Schiffes, das jetzt ebenfalls Fahrt aufgenommen hatte. Auch an Bord des Schiffes . waren Haie.

Menschliche Haie.

Ein riesiger Mann betrat die offene Garage in der Kings Road. Alles an ihm war unförmig, besonders der Schatten, den er auf den Zementboden warf.

Dort waren erst nur ein Paar lange Beine in einem Overall zu sehen, während der Rest unter einem hochgebockten Mercedes-Coupé verschwand. Jetzt rollte der ölverschmierte Monteur unter seinem Wagen hervor und starrte auf das Fleischgebirge, das sich vor ihm auftürmte.

„Hallo, Mr. Barry“, sagte der Riese. Er hatte einen rumpelnden Baß, der an das Entgleisen eines Zuges der Hochbahn erinnerte. Ein mächtige Pranke streckte sich Joe entgegen. „Erfreut, Sie anzutreffen. Ich bin Buddy Fleischer.“

„So sehen Sie auch aus“, fuhr es Joe heraus.

„Haha!“ lachte der Riese. „Ich weiß, ich wirke wie ein Kinderschreck. Aber Sie habe ich hoffentlich nicht erschreckt – oder?“

„Nicht im geringsten“, versicherte Jo. „Was kann ich für Sie tun, Mr. Fleischer?“

„Ich komme im Auftrag von Mr. Hugh Greene“, verkündete Fleischer gewichtig und wartete auf Jos Reaktion. Die bestand in einem Achselzucken. Der Name sagte Joe nichts. Er erhob sich und massierte sich den Nacken.

„Und?“ fragte er.

„Hugh Greene ist der Erdölkönig von Texas“, klärte Fleischer ihn auf. „Achtzig Millionen Dollar schwer.“

„Jetzt verstehe ich“, sagte Joe trocken. „Und Sie helfen ihm, diese schwere Last zu tragen.“

Buddy Fleischer überlegte, bis er das begriffen hatte, und nickte dazu: „So kann man es ausdrücken. Ich bin sein Leibwächter.“

„Schön, Mr. Fleischer, was hat das mit mir zu tun?“

„Mein Boß hat einen Job für Sie.“

Joe schüttelte den Kopf.

„Dankend abgelehnt. Ich übernehme zur Zeit keine Arbeit.“

„Ich weiß.“ Grinsend zog Fleischer eine Zeitung aus der Tasche und tippte auf eine Meldung in der Gesellschaftsspalte. „Sie haben die Blair-Bande so lange gehetzt, bis den Brüdern Blair die Luft ausging und sie sich freiwillig in Sing-Sing zur Erholung anmeldeten. Und jetzt wollen Sie sich auch erholen. Hier steht, daß Sie im Long Island Sound angeln wollen, vierzehn Tage lang, stimmt’s?“

„Stimmt“, sagte jo.

„Aber Mr. Barry! Im Sound gibt es doch höchstens ein paar Sardinen – winzige Dinger, die Sie mit dem Vergrößerungsglas suchen müssen, damit sie über den Haken gehen. Während es vor der Küste von Texas Schwertfische gibt, die bis zu acht Meter lang sind, Haie von zwölf Zentnern, die Sie nur mit Hilfe eines Krans ins Boot hieven können. Das, Mr. Barry, nenne ich angeln. Und dazu die hübschen Go-Go-Girls in Hugh Greenes Privatharem!“

Joe zog mißtrauisch die Brauen zusammen.

„Besteht der Job darin, daß ich irgend etwas angeln soll?“

„Natürlich nicht. Das ist nur der Köder, damit Sie überhaupt nach Texas kommen. Mr. Greene ist überzeugt davon, daß Sie für ihn arbeiten werden. Wenn Sie es aber ablehnen – was Ihnen natürlich freisteht –, lädt er Sie ein, vierzehn Tage sein Gast in Texas zu sein und mit seiner Jacht im Golf von Mexiko auf Großfischfang zu gehen – ohne jede Verpflichtung für Sie. Ist das ein Angebot?“

Joe massierte sich das Kinn.

„Klingt nicht schlecht.“

Fleischer strahlte.

„Sehen Sie! Achtzig Millionen auf dem Konto machen es möglich, großzügig zu sein. Mr. Greenes Privatjet steht startbereit auf dem Flugplatz. Wir können sofort aufbrechen.“

Genau sechs Stunden später landete, die zweistrahlige Beechcraft auf der staubigen Piste von Greene City in Texas.

Greene City, der Wohnsitz Hugh Greenes, war, wie der Name sagte, eine grüne Oase in der Wüste. Ein Herrenhaus im mexikanischen Stil, mit schattigen Patios, umgeben von Palmen und Agaven. Die Zufahrtsstraße war ebenfalls von Palmen gesäumt. Nur ein Texaner konnte ermessen, was der Unterhalt dieser Oase mitten in der Wüste verschlingen mußte.

Ein vollklimatisierter Cadillac holte sie am Flughafen ab. Joe besah sich den Fahrer, der mit seinem breitrandigen Sombrero und den hochhackigen Cowboystiefeln wie ein Filmsheriff aussah. Vermutlich hatte er die gleiche Funktion wie Bud Fleischer. Mr. Greene hatte es also nötig, sich mehrere Gorillas zu halten.

Der Cadillac rollte bis in den klimatisierten Patio. Ein Mexikaner sprang herbei und riß die Tür auf.

„Hier entlang, Señor Barry“, sagte er.

Joe betrat eine Halle von den Dimensionen eines Flugzeugträgerdecks. Seine Füße versanken bis zu den Knöcheln in einem Perserteppich. Die ganze Wand der Halle war verglast und gab den Blick auf ein strahlendblaues Schwimmbecken frei.

Der Teppich schlug Wellen, als sich ein kleiner, drahtiger Mann hindurchpflügte. Hugh Greene war einen Kopf kleiner als Jo. Er wirkte straff wie eine Stahlfeder. Sein Gesicht war scharf gezeichnet wie der Kopf eines römischen Cäsaren. Irgendwie schaffte er es, seine Umwelt zu überragen.

„Willkommen in Texas, Mr. Barry“, sagte er und streckte Joe die Hand hin. Seine Stimme klang angenehm. „Ich danke Ihnen, daß Sie meiner Einladung gefolgt sind.“ Er wies auf einen Ledersessel. „Nehmen Sie Platz! Was wollen Sie trinken?“

„Bourbon“, sagte Jo.

Greene klatschte in die Hände.

„José, bring uns den Grant!“ Zu Joe gewandt, erklärte er: „Das ist ein neunzigjähriger Bourbon. Er stammt aus dem Besitz des Bürgerkriegsgenerals Ulysses Grant, daher nenne ich ihn so. Grant war ein Nordstaatler, aber sein Whisky ist vorzüglich.“

„Woher kennen Sie nur meine Lieblingsmarke?“ fragte Joe grinsend.

Greene lächelte zurück.

„Das war nicht schwer. Das Teuerste ist immer am beliebtesten. Aus diesem Grunde bin ich ständig darum bemüht, mein Vermögen zu vermehren, obwohl man gelegentlich glauben könnte, achtzig Millionen seien genug. Aber das stimmt nicht. Genug hat man nie. Ich nehme an, daß das auch für Sie gilt, Mr. Barry. Und damit kommen wir zur Sache. Wollen Sie einen Job übernehmen, der Ihnen einen Reingewinn von hunderttausend Dollar einbringen kann?“

Joe verschluckte sich fast. Er stellte sein Glas ab.

„Ist der Job legal?“ fragte er mißtrauisch.

„Wo denken Sie hin! Legal schon, aber ziemlich schwierig. Normalerweise habe ich meine Leute, die alle meine Probleme lösen. Dieser Fall würde meine Angestellten jedoch überfordern, und deshalb habe ich mir von außerhalb den besten Mann geholt. Der beste Mann muß auch den besten Preis bekommen. Also hunderttausend und Vergütung sämtlicher Spesen, wenn es sein muß, einschließlich Einbau eines neuen Herzens durch Dr. Cooley.“

„Sehr großzügig“, sagte Jo. „Erklären Sie mir, worum es sich handelt,“

Greene griff in die Tasche und brachte eine Fotografie zum Vorschein.

„Darum“, sagte er schlicht.

Das Bild zeigte ein junges Mädchen, knapp zwanzig, ein bildhübsches Gesicht, lange schwarze Haare, ausdrucksvolle dunkle Augen. Joe stieß einen leisen Pfiff aus, betrachtete dann das Römerprofil Hugh Greenes und fand eine gewisse Ähnlichkeit.

„Ihre Tochter?“ fragte er.

„Erraten! Das ist Julie Greene. Neunzehn Jahre alt. Mein einziges Kind.“

„Was ist mit ihr?“

„Die uralte Geschichte. Sie ist ausgerissen. Und Sie sollen sie zurückholen, Mr. Barry.“

„Wenn das so ist, wird meine Spesenrechnung bescheiden sein“, brummte Jo. „Alles, was ich brauche, ist ein großer Sack und eine Rolle Leukoplast für die Kratzwunden.“

„Wenn der Fall so einfach läge, hätte ich Bud Fleischer damit beauftragt“, sagte Greene. „Sie wissen erst die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte sieht noch schlimmer aus. Meine Tochter befindet sich in der Gewalt von Gangstern.“

Joe zog die Brauen hoch.

„Kidnapping?“

„Nein. Wenn es das wäre, hätte ich selbstverständlich die Polizei eingeschaltet. Der Fall ist komplizierter. Sie hat sich freiwillig einer Gangsterbande angeschlossen.“

„Das würde man ihr dem Bild nach nicht Zutrauen“, sagte Jo.

„Stimmt, Vermutlich liegt Ihnen jetzt die Bemerkung auf der Zunge, daß der Apfel nicht weit vom Stamm fällt. Aber das ist es nicht. Es ist vielmehr die ebenfalls uralte Geschichte von der Tochter aus gutem Hause, die sich in einen Bösewicht verknallt hat und mit ihm durchgebrannt ist.“

Hugh Greene stand auf, schüttete den neunzigjährigen Bourbon hinunter wie Mineralwasser und sagte bekümmert:

„Ich habe ganz unten angefangen, Barry. Ich habe eine Menge schmutziger Dinge in meinem Leben mitmachen müssen und mir viele Schwielen eingehandelt. Julie wollte ich das ersparen. Sie hat die beste Erziehung bekommen, die man sich nur wünschen kann. Sie war in den teuersten Internaten des Landes, in Williamsburgh, in Vassar und in Gulfe, und sie hätte sich einen tollen Burschen zum Heiraten aussuchen können. Aber was tat sie? Sie schnappte diese neumodischen Protestideen auf und brach aus dem, ihrer Ansicht nach, spießigen Wohlstandsmilieu ihres reichen Vaters aus. Wenn die wüßte, wie wenig spießig ich in Wirklichkeit bin!“

„Wie ist sie an die Gangster geraten?“ „Das geschah vor einem Monat. Sie hatte ihre Abschlußprüfung in Gulfe bestanden. Zur Belohnung schenkte ich ihr eine Ferienreise auf unserer Jacht – zusammen mit Freunden.“

„Und?“

„Nach genau einer Woche kamen die Freunde per Flugzeug zurück, während die Jacht in Brasilien vor Anker gegangen war, Sie erzählten eine haarsträubende Geschichte, Julie hatte in Recife einen jungen Mann kennengelernt, und sich Hals über Kopf in ihn verliebt. Der junge Mann vertrug sich nicht mit ihren Freunden, also wurden die Freunde kurzerhand an Land gesetzt, Eine Woche später folgte die Schiffsbesatzung.“

„Moment mal, ich denke, das Schiff gehört Ihnen?“

„Allerdings. Aber momentan führt Julie das Kommando. Ihr Freund vertrug sich nicht mit der Besatzung, also flog die Besatzung. Und an Bord kam eine neue Mannschaft, die unserem jungen Liebhaber paßte,“

„Warum haben Sie nicht eingegriffen?“

„Wollte ich ja. Aber inzwischen hatte ich erfahren, um welche Art Leute es sich bei Julies Freund und seiner Mannschaft handelte. Gangster sind das, gemeine Verbrecher. Sie haben mir eine Nachricht zugespielt, daß es Julie übel ergehen werde, wenn ich ihnen in die Quere käme.

„In die Quere? Wobei?“

Greene füllte sein Glas nach.

„Sie müssen wissen, mein Jacht, die ,Ballerina’ ist nicht einfach ein Vergnügungsschiff. Sie hat gewisse Ausrüstungen an Bord, mit denen man die Beschaffenheit des Meeresbodens untersuchen, kann.

Ich bin im Ölgeschäft, Barry. Die großen ölfuncle werden heuzutage im Meer gemacht. Vor der texanischen Küste habe ich ein halbes Dutzend Bohrinseln im Golf von Mexiko stehen. Aber der Einsatz einer dieser riesigen Stahlinseln ist ein teures Geschäft. Vorher müssen Geologen den Meeresboden überprüfen, ob sich das Risiko lohnt, und das tun sie von Bord der Ballerina‘ aus.“

„Sie haben also Echolote, Sonden, Bohrgeräte und Tauchausrüstungen an Bord?“

„Plus einer kompletten Bergungsausrüstung“, bestätigte Greene. „Genau darauf scheint es der Bande anzukommen. Sie sind darauf aus, irgendwelche Dinge vor der brasilianischen Küste aus dem Meer zu fischen. Was es ist, weiß ich nicht. Ich vermute, Sie wollen ein Schiffswrack ausplündern.

Jedenfalls ist das Unternehmen kriminell, denn es geht in aller Heimlichkeit vor sich. Die ,Ballerina‘ ist dafür wie geschaffen. Die Ausrüstung der Jacht hüte ich wie ein Staatsgeheimnis. Kein Mensch, außer meinen engsten Mitarbeitern, weiß davon. Was meinen Sie, was sonst für ein Tauziehen um die Ölkonzessionen einsetzen würde, wenn die ,Ballerina‘ irgendwo einmal längere Zeit kreuzt.“

„Ich verstehe“, sagte Joe, der aufmerksam lauschte.

„Offiziell ist die Jacht auf Vergnügungsreise. In Wahrheit ist eine Gangsterbände an Bord, die einen versunkenen Schatz, oder so etwas aus dem Meer holen will. Und meine Tochter spielt mit. Wie sie dazu gebracht wurde, weiß ich nicht. Vielleicht hat unser Freund ihr erzählt, der Familienschmuck sei ins Meer gefallen und seine Mutter werde mit gebrochenem Herzen sterben, wenn er ihn nicht wiederbeschaffen könne. Ist ja auch egal. Liebe macht bekanntlich blind. Hinzu kam eine schon seit längerem schwelende Proteststimmung gegen mich. Das also ist die Situation.“

„Haben Sie die Polizei verständigt?“ Der Ölmillionär schüttelte den Kopf.

„Nein. Aus einer ganzen Reihe von Gründen nicht. Erstens habe ich meine Probleme immer ohne die Polizei geregelt, zweitens befindet sich die ,Ballerina vor der brasilianischen Küste, also außerhalb der Zuständigkeit der amerikanischen Polizei.

Der brasilianischen Polizei traue ich nicht über den Weg. Und außerdem – keine Polizei der Welt kann gegen das Schiff etwas unternehmen, solange es auf hoher See ist. Und das wird es in kritischen Situationen sein. Sie sehen, mit Hilfe der Polizei löst man diesen Fall nicht.“

Joe betrachtete ihn nachdenklich.

„Das Ganze ist mehrere Wochen her. Ich nehme nicht an, daß Sie diese Zeit untätig waren.“

„Natürlich nicht. Ich habe Informationen eingeholt. Ich wollte herauskriegen, was gespielt wird, und erst als ich das wußte, faßte ich meinen Entschluß, mich an Sie zu wenden, Barry.“ Greene trat an einen Sekretär, betätigte die Türautomatik und nahm eine Mappe heraus. „Hier ist alles zusammengestellt, was ich herausbekommen habe. Es war nicht ganz einfach, aber ich habe ein gutes Informationsnetz. Mit Geld kann man eine Menge machen.“

Er nahm ein Foto und ließ es angeekelt auf den Tisch fallen.

„Das ist der Bursche, in den sich meine Tochter verknallt hat. Er ist Amerikaner, dreiunddreißig Jahre alt, mehrere Vorstrafen. Er heißt Dave Baxter. Von Beruf ist er Bergungsexperte, aber in Wahrheit ist er ein ganz gewöhnlicher Gangster. Die Staatsanwaltschaft in New Orleans sucht ihn als wichtigen Zeugen wegen einer Rauschgiftsache. Was das bedeutet, wissen Sie. Und in Miami, Florida, existiert ein Haftbefehl gegen ihn. Dort sucht man ihn wegen Versicherungsbetrugs.“

Joe nahm das Foto und besah es. Es zeigte einen jungen. Mann mit gleichmäßigen Gesichtszügen, vollem dunklem Haar, nicht unsympathisch, bis auf die kalten graublauen Augen.

„Ihre Tochter ist minderjährig“, sagte Jo.

„Ich weiß, nach texanischem Recht könnte ich Anklage wegen Entführung einer Minderjährigen erheben. Das werde ich auch tun, sobald der Bursche hier ist. Vorläufig geht es nicht. Die Anklage würde Interpol ins Spiel bringen und die Fahndung bei der Polizei in Brasilien lanen, und genau das will ich ja vermeiden.“

Greene legte ein weiteres Foto auf den Tisch. Es zeigte einen bulligen Mann in Kapitänsuniform, etwa fünfzig Jahre alt.

„Das ist Lorne Huxley, derzeit Skipper der ,Ballerina’. Ein Mann, der im Krieg einen Minensuchzerstörer führte, dem Alkohol verfiel, wegen Trunkenheit degradiert wurde, schließlich desertierte und fünfzehn Jahre in Fort Leavenworth abgesessen hat. Danach schipperte er im Südamerikaverkehr auf alten Seelenverkäufern herum, die regelmäßig überversichert waren und in irgendeinem Sturm kenterten, wobei sich außer Huxley niemand retten konnte. Ein besonders sympathischer Zeitgenosse. Er wird zur Zeit in fünf Bundesstaaten gesucht.“

Ein weiteres Foto zeigte einen schmalen Burschen mit schwarzen Haaren.

„Das ist Juan Benitez, der König der Messerstecher von Recife. Man streitet sich, ob die Zahl seiner Opfer unter fünfzig oder darüber liegt. Er kann keine Fliege sehen, ohne ihr mindestens ein Bein auszureißen, ein kaltblütiger Mörder und ein grausamer Sadist.“

Greene, warf Joe die Mappe über den Tisch.

„Das sind nur die Hauptfiguren. Außerdem sind noch sieben oder acht Typen an Bord, die in die gleiche Kategorie einzureihen sind. Sie verstehen sicher, daß ich meine Tochter von dieser kriminellen Clique befreien möchte. Sie verstehen aber auch, daß ich kein Risiko eingehen will.

Julie weiß vermutlich gar nicht, in welche Geschichte sie da hineingeschlittert ist. Sie wird sich nicht freiwillig herausholen lassen, und ihre Komplizen werden sie auch nicht gehen lassen. Die Geschichte ist also mächtig verzwickt. Der geringste Fehler, und es gibt Tote. Ein Fall für den besten Mann.“

Joe stellte sein Glas ab.

„Okay, Mr. Greene. Ich übernehme den Fall, unter der Voraussetzung, daß Sie mir völlig freie Hand lassen.“

Der Millionär lächelte dünn.

„Das versteht sich von selbst. Ich kann Ihnen schon deshalb nicht ins Handwerk pfuschen, weil ich keine Ahnung habe, wie Sie dies Problem anpacken werden. Aber ein bißchen Unterstützung kann ich Ihnen schon geben. Sie bekommen ein eigenes Flugzeug, eine Douglas Skyservant. Sie ist speziell für den Busch gebaut. Notfalls können Sie damit sogar auf einem Ast landen, wenn er nur breit genug ist. Ferner bekommen Sie jeden Ausrüstungsgegenstand, den Sie anfordern, egal, was es ist und wieviel es kostet. Und dann gebe ich Ihnen meine persönliche Wunderwaffe mit.“

„Buddy Fleischer?“ fragte Joe ahnungsvoll.

„Erraten. Buddy ist zwar nicht der hellste. Aber falls Sie jemals mit der gegnerischen Mannschaft in den Clinch geraten, werden Sie feststellen, daß er Gold wert ist. Ich denke, so etwas können Sie gebrauchen.“

Von seinem Hotelzimmer aus meldete Joe ein Gespräch mit dem Hauptquartier der New York City Police an. Als es kam, verlangte der Lieutenant Antony Starr. Der Captain war der schwergewichtigste Mann der New Yorker Polizei und gleichzeitig Joe Barrys bester Freund.

„Wo steckst du?“ trompetete Starr in die Muschel. „Ich denke, du bist irgendwo am Sound beim Angeln.“

„Mir ist etwas dazwischengekommen“, berichtete Jo. „Ich bin in Texas, auf dem Wege nach Brasilien. Ich werde dort nach einem jungen Mädchen angeln. Und ich brauche ein paar Informationen von dir.“ „Immer wenn du nicht weiterweißt, verwechselst du uns mit einem Auskunftsbüro.“

Dafür verwechselt ihr mich oft genug mit einem Nothelfer für hilflose Polizisten“, gab Joe zurück. „Also hör zu! Mein Auftraggeber ist Hugh Greene, ein Ölmillionär aus Texas. Er hat mir zur Unterstützung ein wandelndes Fleischpaket namens Bud Fleischer mitgegeben.“

„Klingt allerliebst.“

„Nicht wahr? Die Bande, mit der ich es zu tun habe, befaßt sich mit illegalen Bergungsaktionen. Sie wird von einem Amerikaner namens Dave Baxter geführt. Eine wichtige Rolle spielt ferner ein ehemaliger Skipper namens Lorne Huxley sowie ein Brasilianer namens Juan Benitez. “

„Und wo steckt deine Puppe?“

„Sie ist die Tochter Hugh Greenes und angeblich von Dave Baxter verführt worden. Der ganze Verein hält sich in der Gegend von Recife, Brasilien, mit Greenes Jacht ,Ballerina’ auf und sucht dort nach einem versunkenen Schatz oder etwas Ähnlichem.“

„Und du willst den Schatz selbst heben, die Tochter heiraten, Greene beerben und die Gangster ins Kittchen bringen, wofür du auch noch den Ruhm kassierst.“

„So ungefähr. Irgend etwas kommt mir an der Geschichte faul vor. Was es ist, kann ich aber noch nicht. sagen. Mir sind alle Figuren in diesem Spiel unbekannt. Es sind Südstaatler oder Brasilianer, und du weißt, daß ich hier unten nicht so zu Hause bin wie an der Ostküste. Daher sind einige Informationen lebenswichtig.“

„Well, ich kann’s versuchen, aber es wird einen Augenblick dauern. Schließlich bin ich nur für Manhattan zuständig, und wenn mich nicht alles täuscht, hört Manhattan nördlich des Rio Grande auf. – Wo kann ich dich wieder erreichen?“

„Überhaupt nicht“, sagte Jo. „Ich rufe dich wieder an. Streng dich an, Alter!“

„Danke für die Aufmunterung“, grollte der Captain. „Richtig erfrischend sind solche Ratschläge.“

Joe legte den Hörer auf und lauschte einen Augenblick, Dann ging er auf Zehenspitzen zur Tür und riß sie blitzschnell auf.

Vor ihm stand Bud Fleischer und lächelte auf ihn herunter, ohne erschrocken zu sein. Wahrscheinlich, überlegte Joe flüchtig, dauerte es immer ein paar Sekunden, bis sich ein plötzlicher Schreck durch die Fettmassen hindurchgearbeitet hat.

„Das Flugzeug ist startklar, Mr. Barry“, sagte Buddy Fleischer sanft.

Joe sah ihn nachdenklich an. Einen Partner, der heimlich an der Tür lauschte, mochte er nicht. Überhaupt nicht.

Privatdetektiv Joe Barry - Dollarhaie greifen an

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