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1. Kapitel

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Rod Camuro wußte, daß Turbers Leute alles tun würden, um ihm das Fell über die Ohren zu ziehen. Er ahnte nur nicht, daß sie diese Operation gerade heute vornehmen wollten.

Seit Camuro sich mit einigen Leuten von der Turber Gang abgesetzt hatte, war Yul Turber hinter ihm her, wie der Teufel hinter einer armen Seele. Verständlich, denn kein Gangsterboß sieht es gern, wenn seine Leute Geschäfte auf eigene Rechnung machen. Und Camuro hatte eigene Geschäfte gemacht. Die Männer, die mit ihm gegangen waren, hatten gewut, da unter Camuro die Bucks schneller heranrollten.

An diesem Abend fuhr Rod Camuro von Scranton nach New York. Den Highway hatte er vorhin verlassen; auf kleinen Nebenstraßen fühlte er sich wohler. Er würde zwar etwas länger brauchen, um an sein Ziel zu kommen, aber Camuro hatte Zeit.

Glaubte er.

Daß er auf diesen Glauben weder Häuser noch sonst etwas bauen konnte, sollte er bald merken.

Camuro klemmte sich eine Zigarette zwischen die Lippen und drehte das Autoradio lauter. Mit nahezu achtzig Meilen zog der Wagen über die Straße. Der Gangster wußte, daß er dieses Tempo nicht mehr lange würde durchhalten können. Er hatte eben die Stadtgrenze von New York City passiert, und die Straße, über die er jetzt fuhr, wand sich einige Meilen weiter hinauf in die Berge. Camuro kannte diese Gegend wie seine Westentasche.

Der Gangster drückte auf einen kleinen Knopf am Armaturenbrett. Mit leisem Summen glitt die linke Seitenscheibe herunter. Camuro ließ die erst halbgerauchte Zigarette wie einen Leuchtkäfer im Fahrtwind davonflattern und blickte dabei in den Außenspiegel.

Da sah er die beiden Lichter eines Wagens, der etwa eine halbe Meile hinter ihm fuhr.

Camuro liebte es nicht, jemanden im Rücken zu haben. Und außerdem fielen ihm sofort Yul Turber und dessen Männer ein. Er beschloß, der Sache auf den Grund zu gehen, und drosselte die Geschwindigkeit. Als der andere Wagen nicht aufholte, sondern ebenfalls langsamer fuhr, stand für Camuro fest, daß er Verfolger auf den Fersen hatte.

Aber er war keineswegs besorgt. Er grinste sogar, als er das Gaspedal langsam bis zum Anschlag durchtrat und den Tachometer klettern ließ. Dann riß er den Wagen in die erste Kurve der Bergstrecke. Mit wimmernden Reifen gehorchte das Fahrzeug der Richtungsänderung.

Der Gangster bezweifelte, daß seine Verfolger den Weg genauso gut kannten wie er; sie würden stark abbremsen müssen, sobald sie die erste Haarnadelkurve erreichten.

Wenig später stellte Camuro befriedigt fest, daß der andere Wagen zurückgeblieben war; mit voll aufgeblendeten Lichtern kurvte er weit unter ihm durch die Spitzkehren.

Camuro schaltete das Radio ab. Die Strecke erforderte jetzt seine ganze Aufmerksamkeit.

Bald würde er oben sein. Dann konnte er die anderen an sich vorbeifahrenlassen. Er brauchte seinen Wagen nur seitwärts in die Büsche zu lenken. Seine Verfolger würden weiterbrausen, ohne zu merken, daß er ihnen entwischt war. Bei diesem Gedanken kicherte Camuro in sich hinein. Er war bester Laune.

Als er den Wagen um eine der letzten Kurven gerissen hatte, wurde sein Gesicht starr. Die Lichtfinger seiner Scheinwerfer erfaßten einen Packard, der mit seiner ganzen Länge die schmale Straße blockierte.

„Verdammt“, entfuhr es Camuro. Dann stieg er in die Bremsen. Er merkte, wie der Wagen leicht unter ihm wegrutschte.

Das Fahrzeug stand noch nicht, als Camuro schon draußen war. Keine Sekunde zu früh.

Dort, wo der Packard stand, bellte eine Maschinenpistole auf. Die Kugeln durchschlugen die Windschutzscheibe seines Wagens.

Camuro sah sich entsetzt um. Seine Augen suchten nach einem Fluchtweg. Die anderen hatten ihn in der Zange. Sie waren vor und hinter ihm. Der Weg nach rechts und links war ihm versperrt; auf der einen Seite der Straße erhob sich eine senkrechte Felswand, auf der anderen gähnte der Abgrund.

Camuro rannte in die Richtung, aus der er gekommen war. Jeden Augenblick mußte er damit rechnen, daß die Scheinwerfer des Wagens, der hinter ihm gewesen war, auftauchte.

Eine Salve ratterte hinter ihm her. Die Kugeln klatschten neben ihm in den Asphalt. Camuro sah, daß die Felswand jetzt nicht mehr so steil war. Er zog sich an einem Felszacken in die Höhe. Als er sich einige Meter über der Straße befand, hörte er den anderen Wagen herankommen.

Er duckte sich und preßte sich eng an den Felsen. Schweiß lief ihm über das Gesicht. Wenn sie ihn hier entdeckten, konnten sie ihn wie eine Tontaube abschießen. Er wagte nicht, auf die Straße zu blicken.

Dann beleuchteten die Scheinwerfer des heranbrummenden Wagens für Sekunden die Stelle, an der Camuro hing. Der Gangster kniff die Augen zusammen und preßte die Zähne aufeinander. Doch das Licht huschte weiter.

Langsam zog Camuro sich höher. Er mußte vorsichtig sein. Ein falscher Tritt, und er würde hinuntersausen wie eine Atlas-C-Rakete nach einem Fehlstart. Dann brauchten seine Gegner ihn nur noch aufzusammeln.

Die Verfolger hatten gemerkt, daß ihr Opfer von der Straße verschwunden war. Sie leuchteten mit Handlampen den Felsen ab. Fünf Mann zählte Camuro. Jetzt hatten sie die Stelle erreicht, an der er aufgestiegen war.

„Hier muß es sein“, schrie unten jemand. Sofort begann das Licht langsam zu Camuro hinaufzuklettern, der eben einen Sims in der Wand erreicht hatte und jetzt verzweifelt versuchte, seine Ausmaße denen des schmalen Felsvorsprunges anzupassen.

Doch als er sein rechtes Bein noch näher an den Körper zog, stieß er gegen einen Stein. Der Stein setzte sich in Bewegung und riß andere mit sich. Eine kleine Lawine landete vor den Füßen der Verfolger.

Der Mann mit der Maschinenpistole schien diese Bewegung gesehen zu haben. Er jagte eine Salve zu Camuro hinauf. Klatschend prallten die Kugeln rings um Camuro gegen den Felsen und verloren sich sirrend und pfeifend in der Nacht.

Camuro blinzelte hinter seiner Dekkung hervor. In seiner Rechten hielt er jetzt einen großkalibrigen Revolver. Langsam schob er den Arm vor.

Dann ratterte es unten wieder. Gesteinssplitter prasselten auf Camuro nieder. Er zog seinen Arm zurück. Camuro war kein schlechter Schütze, aber gegen eine Tommygun konnte er mit seinem Schießeisen wenig ausrichten.

Als das Rattern unten aufgehört hatte, riskierte er wieder einen Blick. Jetzt sah er nur noch drei Männer auf der Straße. Versuchten die anderen von der Seite oder von oben an ihn heranzukommen?

Undeutlich sah Camuro die Tommygun in den Händen eines der Männer. An den Geräuschen hörte er, daß der Schütze ein neues Magazin einschob.

Camuro hob wieder den Arm. Er zielte und drückte ab. Der Schuß klang dumpf im Vergleich zu dem metallenen Hämmern der Maschinenpistole.

Der Mann unten kam nicht mehr dazu, den Verschluß der Waffe einrasten zu lassen. Er zuckte zusammen. Sein Oberkörper machte eine leichte Drehung nach links, dann sank der Mann zu Boden. Die Maschinenpistole polterte über den Abgrund. Der Schütze hatte auf der anderen Seite der Straße gestanden, um eine bessere Sicht auf den Felsen zu haben.

Über sich hatte Camuro eine Höhlung entdeckt, die tief genug war, um sich darin den Blicken seiner Gegner zu entziehen. Jetzt richtete er sich auf und zog sich schnell höher. Er mußte die Verwirrung seiner Verfolger ausnutzen.

Camuro hatte Glück. Er erreichte die rettende Deckung, bevor die anderen Gangster mit ihren Revolvern ein wütendes Feuer eröffneten. Hier konnte er sich verteidigen, solange seine Munition reichte.

Die Gangster schienen einzusehen, daß sie an Camuro nicht herankommen konnten; sie gaben die Schießerei bald auf.

Rod Camuro wartete. Langsam und zäh vertropften die Minuten. Dann hörte er einen Motor anspringen. Ein Wagen entfernte sich. Wollten sie ihn damit herunterlocken? — Camuro beschloß, das Tageslicht abzuwarten.

Es wurde eine unbequeme Nacht für ihn. Die Stille machte den Gangster nervös. Als es endlich hell zu werden begann, atmete er erleichtert auf.

Er riskierte einen Blick auf die Straße. Von seinen Gegnern und dessen Fahrzeugen war nichts mehr zu sehen. Hatten sie sich aus dem Staub gemacht?

Er traute dem Frieden nicht. Da er hier auf dem Felsen aber nicht Wurzeln schlagen konnte, verstaute er seine Waffe und machte sich an den Abstieg. Ungehindert erreichte er die Straße. Er zog seinen Revolver wieder hervor und sah sich mißtrauisch um. Nichts rührte sich.

Als er vor seinem Wagen stand, öffnete er die Tür. Aber er stieg nicht ein. Camuro konnte sich nicht vorstellen, daß man ihn die halbe Nacht verfolgt hatte, um ihn dann ungeschoren zu lassen. Irgend etwas war da faul.

Er ließ die Wagentür wieder los. Vielleicht hatten sie ihm eine Bombe unter den Wagen praktiziert?

Camuro bückte sich. Er wußte genau, wo man an einem Auto eine Sprengladung anbringen konnte. Doch er entdeckte nichts.

Kopfschüttelnd erhob Camuro sich wieder. Er streckte die Hand aus, um die Wagentür wieder zu öffnen. Da spürte er den Schlag im Rücken. Bohrender Schmerz ergriff jeden Nerv sei nes Körpers und trieb ihm dunkle Schleier vor die Augen. Er versuchte, sich dagegen zu wehren, doch seine Kräfte reichten nicht aus. Langsam ging er in die Knie.

*

„Ist der Mann vernehmungsfähig?“ fragte Lieutenant Antony Starr den dienst habenden Arzt im Hartford-Main-Hospital.

„Alles okay. Er bat Glück gehabt Die Kugel ist schräg aufgetroffen und wurde vom Schulterblatt abgelenkt.“ Neugierig blinzelten die kleinen grauen Augen des Doc Starr an. „Der Mann ist wohl wuchtig für Sie, weil Sie zwei Beamte hier auf gestellt haben? Meinen Sie, er will entwischen?“

„Das nicht, Doc“, brummte der Captain. „Wir fürchten eher, daß die Leute, die ihm das Ding verpaßt haben, ihn noch mal in die Finger bekommen könnten.“

Der Doc hätte gern mehr über die Geschichte erfahren, aber Antony Starr fand, daß er dem Knochenflicker genug erzählt hatte.

„Ich gehe jetzt rauf zu Camuro“, sagte er kurz und wandte sich schnell ab.

Wenig später si and er vor dom Bett des Gangsters.

„Nun, Camuro, wie goht“s? — Der Doc sagt, sie hätten Glück gehabt.

Der Gangster reagierte nicht. Stur sah er nach oben, als hinge an der Decke ein Pin-up-Girl.

„Mach keine Mätzchen, Camuro, versuchte der Captain ihn aufzu muntern. „Oder hast du dir heute nacht die Stimmbänder erkältet?“

Camuro warf Starr einen gehässigen Blick zu.

„Laß mich in Ruhe, knurrte er bissig.

„Machen wir uns nichts vor. Camuro.“ Starr griff in die Manteltasche und zog eine Zeitung hervor. „Wir wissen doch, wer hinter der Sache steckt. Die Spatzen pfeifen es von den Dächern, und in den Zeitungen steht es auch schon. Hier …“ Er hielt dem Gangster die Zeitung vor die Nase.

„Der Gangster krieg geht wieder los“,

lautete die Schlagzeile, und im Untertitel fragte das Blatt:

„Hat sich Camuro gegen den großen Tu rber au fgelehnt?“

Camuros Augen blickten jetzt, interessiert. Doch dann drehte er das Gesicht zur Wand.

„Die Zeitungsschmierer spinnen“, sagte er verächtlich. „Wahrscheinlich haben, sie keinen anderen Stoff und nehmen jetzt harmlose Bürger aufs Korn.“

„ … die sich nachts in den Bergen gegenseitig mit Blei bearbeiten“, ergänzte Starr grinsend. „Hör auf mit dem Theater! Wir wissen, daß du bei Turber die erste Geige gespielt hast.“

„Was wollt ihr eigentlich von mir?“ Camuros Augen funkelten den Captain feindselig an. „Kann ich was dafür, wenn ich auf einer einsamen Straße von Landstreichern überfallen werde?“

„Ich habe noch keine Landstreicher gesehen, die Tommyguns als Spazierstöcke benutzen“, erwiderte Starr. Sein Ton war jetzt um einige Grade schärfer. „Wir haben die Maschinenpistole gefunden.“

„Ihre Anschauungen sind veraltet“, höhnte Camuro. „Heute gibt es eben Landstreicher mit Maschinenpistolen.“

„Dann ist meine Annahme, daß harmlose Bürger nicht mit Revolvern in der Gegend herumballern, wohl auch veraltet, wie? — Du hast auf alle Fälle mitgemischt — natürlich in Notwehr!“

Camuro leckte sich über die trockenen Lippen. Diese Wendung des Gesprächs gefiel ihm nicht.

„Selbst wenn ich die Leute kenne, würde ich es Ihnen nicht sagen“, knurrte er.

„Ich würde mir das noch mal überlegen. Wenn du uns einiges über Yul Turber erzählst, könnte ich vielleicht ein gutes Wort für dich einlegen. Immerhin ist ja bei dir auch noch einiges offen.“

„Das habe ich nicht nötig“, antwortete Camuro kurz, aber Starr spürte doch, daß der Gangster angebissen hatte.

„Du hast doch nicht etwa den Mann vergessen, der dir heute nacht im Weg war?“

„Welchen Mann?“

„Den Toten. Wir fanden ihn am Abhang unterhalb der Straße. Offensichtlich hat man ihn dort binuntergeworfen.

„Und was habe ich damit zu tun?“ fragte Camuro. Doch seine Verständnislosigkeit. wirkte nicht sehr überzeugend. „Ich lag oben neben meinem Wagen, als ich gefunden wurde.“

„Ich habe ja auch nicht gesagt, daß du ihn in die Schlucht geworfen hast“, grinste Starr. „Das taten die anderen. — Du hast ihn nur umgelegt.“

„Ich soll …“

„Wir fanden eine Kugel in seiner Brust. Eine Revolverkugel.“

„Na und? — Jeder zweite hat doch heute eine Waffe in der Tasche.“

Starr lächelte den Gangster mitleidig an.

„Du vergißt nur, daß die Waffen sich alle voneinander unterscheiden. Und weißt du, Camuro, wenn man die Geschosse aus ein und derselben Waffe miteinander vergleicht, dann findet man dieselben charakteristischen Merkmale …“

Rod Camuro sah seine Felle wegschwimmen. Die Ironie in der Stimme des Captains trieb ihm das Blut ins Gesicht. Er versuchte, seine Aufmerksamkeit wieder auf das nicht vorhandene Pin-up-Girl an der weißgetünchten Zimmerdecke zu konzentrieren.

„Ich brauche dir wohl nicht zu erzählen, welche Kugeln wir miteinander verglichen haben“, fuhr Starr fort. „Du hast den Mann umgelegt, daran besteht kein Zweifel.“

Camuro war nachdenklich geworden. Eine Weile herrschte Stille. Dann räusperte sich der Gangster.

„Was soll ich tun?“ fragte er rauh.

„Du könntest mir zum Beispiel einiges über Turber erzählen.“

Camuro wiegte bedenklich den Kopf.

„Schätze, das ist ziemlich viel verlangt“, brummte er. „Aber ich kann es mir ja mal überlegen.“

Starr ging zur Tür.

„Laß nicht zu viel Zeit vergehen“, riet er. Dann schloß er die Tür hinter sich.

Der Captain war zufrieden. Er hatte mehr erreicht, als er angenommen hatte. Das glaubte er wenigstens.

*

Mitternacht war vorbei, als die Klingel im Zimmer des diensthabenden Arztes aufschrillte. Der Doc, der auf dem Ledersofa lag und in einem Journal blätterte, stand auf und ging zu einer Tafel hinüber, auf der eine kleine rote Lampe rhythmisch aufleuchtete. Zimmer 17, stellte er fest. Er stutzte. Lag nicht auf Zimmer 17 dieser Verbrecher, von dem das ganze Hospital sprach.

Er zog seinen weißen Kittel über und verließ den Raum. Vor der Tür zu Nummer 17 döste ein Polizist. Als er den Doc sah, stand er auf.

„Ist etwas nicht in Ordnung?“

„Scheint so. Ihr Schützling hat geklingelt.“

„Vielleicht will er ’nc Pulle Whisky.“

„Wir werden sehen.“ Der Arzt öffnete die Tür zum Krankenzimmer. Der Polizist folgte ihm.

Als der Doc das Licht eingeschaltet hatte, sahen sie es.

Rod Camuro lag zusammengekrümmt in seinem Bett. Er schien starke Schmerzen zu haben. Sein Gesicht war verzerrt. Er preßte die Hände an den Leib.

„Was ist denn mit Ihnen los?“ fragte der Doc.

„Mein Bauch! Ihr habt mich vergiftet. Verdammt“, preßte Camuro stöhnend hervor.

Der Doc schaltete wie Stirling Moss auf dem Nürburgring.

„Schnell, holen Sie die Schwester! Er muß in den Behandlungsraum. Magen auspumpen.“

Der Cop spurtete los. Kurz darauf erschien er mit einer Schwester. Gemeinsam verluden sie den Patienten auf eine fahrbare Trage.

Camuro stöhnte dabei wie eine achtzigjährige Frau beim Treppensteigen.

„Ich gehe runter und rufe den Captain an“, sagte der Polizist, als er die Tür des Krankenzimmers hinter der Schwester und dem Doc geschlossen hatte.

Die Schwester rollte Camuro in den Behandlungsraum.

„Wecken Sie den Oberarzt“, befahl der Doc. „Ich kümmere mich um den Mann.“

Als die Schwester das Zimmer verlassen hatte, beugte der Arzt sich über Camuro, der noch immer seine Hände auf dem Leib preßte.

„Sie müssen die Arme hochnehmen, sonst kann ich sie nicht untersuchen“, sagte der Arzt.

Camuro hob zögernd die Arme.

Der Arzt zog sein Stethoskop aus der Tasche und beugte sich über den Gangster.

Hierauf hatte Camuro gewartet. Er ließ seine gefalteten Hände auf das Genick des Arztes herabsausen. Der Doc ging in die Knie und streckte sich dann fast lautlos am Boden aus.

Rod Camuro sprang von der Trnge. Blitzschnell befreite er den Doc von den wichtigsten Kleidungsstücken, und eine, knappe Minute später verließ er im weißen Kittel den Behandlungsraum.

Er wußte ungefähr, wohin er sich wenden mußte. Die hübsche, junge Schwester, die ihn am Tge betreut hatte, war der Meinung gewesen, daß man nicht alle Tage Gelegenheit hatte, sich mit einem richtigen Mann aus der Unterwelt zu unterhalten. Sie war bereitwillig auf seine geschickt geführte Unterhaltung eingegangen und hatte ihm manche Frage erschöpfend beantwortet.

Mit dem Personallift fuhr Camuro nach unten. Niemand begegnete ihm. Dann hatte er den Lieferanteneingang erreicht. Die Tür war verschlossen, aber der Schlüssel steckte innen. Der Gangster grinste zufrieden, als er in der Dunkelheit verschwand.

*

Rod Camuro hatte das Ende des Parkes, in dem die Gebäude des Hospitals lagen, erreicht. Vorsichtig blickte er auf die Straße. Er mußte schnell wegkommen. Bestimmt hatte man sein Verschwinden schon bemerkt, und wenn erst eine Funkstreife hier auftauchte, dann waren seine Chancen nur noch gering.

Zunächst warf er den weißen Kittel weg. Dann lauschte er. Nichts. Entschlossen trat er auf die Straße.

Plötzlich hörte Camuro hinter sich ein Geräusch. Er fuhr herum. Ein Wagen näherte sich. Camuro zog sich in die Büsche zurück.

Der Wagen rollte langsam heran. Mißtrauisch sah Camuro ihm entgegen. Der Wagen wurde langsamer. Der Gangster hielt den Atem an. Als der Wagen mit einem leichten Ruck fast genau vor ihm hielt, griff der Gangster sich unter die Achsel — aber da war nichts.

Camuro hörte Stimmengemurmel aus dem Innern des Fahrzeuges. Dann öffnete sich die Beifahrertür. Rod Camuro kniff die Augen zusammen. War das nicht… Er hatte richtig gesehen.

Mit einem Satz hechtete der Gangster über den schmalen Gehsteig, riß die hintere Wagentür auf und sprang in den Fond.

„Gut, daß ihr gekommen seid“, keuchte er. „Fahr zu! Jeden Augenblick können Cops hier auftauchen.“

Die Verblüffung der beiden Männer im Wagen dauerte nur Sekunden. Dann schaltete der schmächtige Fahrer und gab Gas. Der andere, der die Figur eines Preisboxers hatte, schlug die Tür neben sich wieder zu.

„Woher hast du gewußt, daß wir hier sind, Boß?“ fragte der Fahrer nach der ersten Kurve, die sie vom Gelände des Hospitals wegführte.

„Hatte keine Ahnung. Ich mußte schleunigst raus aus dem Laden, weil die Cops mir was anhängen wollten, womit ich nichts zu tun habe.“

„Willst du mir erzählen, daß du rein zufällig gerade jetzt herausgekommen bist?“

„Sicher! Wer hätte mir denn sagen sollen, daß ihr auf mich wartet?“

Der Schmächtige kicherte.

„Wir haben nicht auf dich gewartet. Wir wollten dich nur besuchen. Das gehört sich doch gegenüber einem kranken Freund, oder?“

„Mitten in der Nacht?“

„Ja, anders war es nicht möglich. Ich wollte gestern nachmittag schon einmal zu dir, aber als ich die beiden Cops gesehen habe, bin ich umgekehrt. Wir haben uns gedacht, daß wir vielleicht in der Nacht besser an dich herankommen können.“

Camuro steckte sich eine Zigarette an. Er hatte jetzt ein schwaches Gefühl im Magen. Seine Schulterwunde schmerzte wieder.

„Warum habt ihr’s so eilig gehabt, mich zu sprechen? — Gibt es was Neues?“

Der Fahrer nickte.

„Du willst doch Turber ans Leder, nicht wahr?“

„Was hat das mit eurem Besuch bei mir zu tun?“

„Ganz einfach: Wir haben einen ganz tollen Job angeboten bekommen. Bei diesem Job fällt nebenbei ab, daß wir Turber und seinen Leuten Manieren beibringen können!“

„Verstehe kein Wort!“ brummte Camuro.

„Hör zu. Ich werde dir alles der Reihe nach erzählen: Wie haben in deiner Bude auf dich gewartet, als wir einen Anruf erhielten. Der Mann am anderen Ende der Leitung wollte dich sprechen. Er sagte, es sei sehr wichtig. Er habe dir das Geschäft deines Lebens anzubieten. Wir könnten bald in Dollars schwimmen, wenn wir für ihn arbeiteten.“

„Und ihr Hornochsen habt dem Mann natürlich sofort versichert, daß wir genau der richtige Verein sind, um alle mögliche Dreckarbeit zu verrichten, stimmt’s? Wer weiß, wer uns da in eine Falle locken wollte!“

„Glaube ich nicht“, antwortete der Schmächtige überzeugt. „Außerdem habe ich mich erst einmal dumm gestellt. Ich habe ihm gesagt, daß du nicht da wärst. Dann habe ich versucht, ihn auszuholen. Er hat allerdings nicht viel gesagt. Das einzige, was ich in Erfahrung bringen konnte, ist, daß der Bursche irgendeinen neuen Trick hat, von dem er sich eine Menge verspricht.“

„Was hat euch der Märchenonkel noch alles erzählt?“

„Er sagte nur, wir sollten uns mit ihm in Verbindung setzen, wenn wir an der Sache interessiert sind.“

„Hat er euch etwa seine Telefonnummer dagelassen?“ spottete Camuro.

„Natürlich nicht. Ich denke aber, wif sollten uns die Sache wenigstens überlegen.“

„Wir reden nachher darüber“. Camuro lehnte sich bequem in die Polster zurück. — „Wohin fahren wir jetzt eigentlich?“ fragte er plötzlich. „Ihr wollt mich doch nicht in meine alte Bude bringen? Dort würden sie mich zuerst suchen.“

„Keine Sorge, wir haben das Hauptquartier verlegt, als wir von deinem Zusammenstoß mit Turbers Leuten aus der Zeitung erfuhren. Dort, wo wir dich hinbringen, wird dich niemand vermuten. — Was wollten die Cops eigentlich von dir? Du kannst doch nichts dafür, wenn du von irgendwelchen Leuten überfallen wirst.“

„Hab ich auch gesagt. Ich habe aber einen von Turbers Leuten umgelegt. Sie wollten mir die Sache als Mord auslegen, wenn ich nicht singe.“

„Verdammte Brut! Sieht ihnen ähnlich“, knurrte der Dicke neben dem Fahrer. Es war sein erster Gesprächsbeitrag.

Der Wagen brummte nun in Richtung Hoboken.

„Wo geht’s denn noch lang“, erkundigte Camuro sich.

„Wirst schon sehen. Wir sind gleich da.“

Minuten später lenkte der Schmächtige den Wagen in eine unbelebte Seitenstraße. Vor einem niedrigen Haus stoppte er das Fahrzeug.

„My home is my castle“, grinste der kleine Mann. „Wir sind da, Boß.“

Camuro stieg aus. Aufmerksam sah er sich in der Straße um.

„Ihr habt recht, hier wird uns bestimmt keiner vermuten“, sagte er dann zufrieden.

Als Rod Camuro das Haus betrat, fand er auch die sechs anderen Mitglieder seiner Bande vor. Nachdem er die Fragen seiner Leute nach Turbers Überfall beantwortet hatte, fragte er:

„Ihr habt also einen großen Coup ausgemacht?“

Die acht Männer nickten einstimmig. Es wurde plötzlich ruhig im Raum.

„Ich habe dem Chef schon von der Geschichte erzählt“, ergriff der Schmächtige wieder das Wort. „Es ist gut, daß du da bist, Boß. Der Unbekannte sagte uns, daß wir durch eine Zeitungsanzeige mit ihm in Verbindung treten können.“

„Ich glaube, ihr spinnt.“ Camuro schüttelte den Kopf. „Habt ihr etwa inseriert: Camuros Arbeitsgruppe sucht neuen Job?“

„Laß dir doch zu Ende erzählen“, sagte der Schmächtige ungeduldig. „Ich habe mit dem Mann ein Losungswort ausgemacht. Die Zeitungsanzeige sollte folgenden Wortlaut haben:

Wellensittich, gelbweiß gestreift, entflogen. Mitteilungen an …“

„Und darunter wolltet ihr dann unsere Adresse schreiben?“

„Quatsch. Ich habe die Anzeige heute aufgegeben, mit einer Telefonnummer. Es ist dieselbe, die unser Telefon hier hat.“

„Da seid ihr ja auf eine glänzende Idee gekommen. Dann hättet ihr auch gleich die Adresse dazuschreiben können!“

Camuro war rot geworden. Er war wütend und konnte sich kaum noch beherrschen.

Der Schmächtige grinste. „Beruhige dich. Die Telefonnummer haben wir uns nur ausgeliehen.“ Er wies auf einen rothaarigen, untersetzten Mann. „Harry hat eine Leitung angezapft und unser Telefon so angeschlossen, daß wir über diese Nummer erreichbar sind. Ehe das jemand merkt, ist unser Geschäft längst erledigt. Wir brauchen diese Nummer also nur für diesen einen Anruf.“

Camuro wandte sich an den Rothaarigen.

„Meinst du wirklich, Harry, daß die Sache klappt?“

„Hundertprozentig, Boß“, versicherte Harry selbstzufrieden.

„Dann wollen wir mal abwarten, was euer großer Unbekannter von uns will“, sagte Camuro. Der Spott in seiner Stimme war nicht zu überhören.

Privatdetektiv Joe Barry - Killer-Reigen

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