Читать книгу Sagenbuch des Erzgebirges (Johann August Ernst Köhler) (Literarische Gedanken Edition) - Johann August Ernst Köhler - Страница 14
II. Spukgeister- und Gespenstersagen.
ОглавлениеSpukgeister und Gespenster sind nach Otto Henne-Am-Rhyn (die deutsche Volkssage) die Schatten der Götter; Götter werden zu Gespenstern, d. h. zu geisterhaftem täuschenden Trug (Jacob Grimm, deutsche Myth. 1835, S. 512), zu Phantomen, welche Menschen verlocken. Aber ebenso werden auch Menschen, deren Seelen nach der Sage häufig zur Strafe für begangenes Unrecht nicht der Seligkeit teilhaftig wurden, zu Gespenstern, und sie müssen nun zwischen Himmel und Erde schweben oder auch wohl zu den Stätten wiederkehren, an denen sie einst auf Erden wandelten.
Daß die alten heidnischen Götter zu gespenstischen Wesen wurden, erklärt sich aus der Zähigkeit, mit welcher unsere Vorfahren noch lange die Erinnerung an jene Göttergestalten bewahrten, obschon diese Erinnerung nach und nach in soweit verblaßte, als die ursprünglichen Züge sich verwischten und die Begriffe finsterer und abschreckender Gewalten an ihre Stelle traten. (Grimm a. a. O., S. 515.)
Als Beweis hierfür ist an erster Stelle Wuotan (Wodan) oder Odhin, der Herr des Himmels, und somit der Sterne, Wolken und Stürme zu nennen. Begleitet von den Walkyren, den Schlachtjungfrauen, und den in der Schlacht gefallenen Helden, ritt er auf seinem weißen Rosse Sleipnir dahin. Kampf gegen Menschen und Tiere ist die Tugend der Helden und darum ziehen letztere auch durch die Wälder, um zu jagen, und vor ihnen flüchtet das gehetzte Wild; als Geister ziehen sie jetzt durch die Lüfte. (Zapf, Sagenkreis des Fichtelgebirges, S. 2.)
Wuotans Zug ist in der Volkssage zum wilden Heer, der Gott selbst aber zum wilden Jäger geworden. Begründet wird diese Annahme in erster Linie durch skandinavische Sagen und Redensarten; so glaubt z. B. der schwedische Bauer im Sturmesgeheul des Gottes Jagd mit Rossen und Wagen zu vernehmen, und in Schonen nennt man ein nächtliches Geräusch »Odens Jagd«. Ähnlich sagt man in Mecklenburg und Pommern, daß »Wode jage«, und in Schwaben wird das wilde Heer zum »Wuetes«- oder »Wuotes«-, in Mittel- und Süddeutschland aber zum »wütenden Heere«. Und wenn nach einer unserer Sagen der wilde Jäger bei Schönlinde mit »hölzernen Hunden,« d. h. jedenfalls »Holzhunden« oder Wölfen jagt, so verweisen auch letztere auf Odhins Wölfe Geri und Freki, die er nach dem nordgermanischen Mythus täglich füttert. So reicht die Sage vom wilden Jäger und der wilden Jagd bis in das germanische Heidentum zurück. Sie verknüpft sich jedoch nicht nur mit dem Sturmgott Wuotan, sondern auch mit anderen Göttern, selbst Göttinnen und Helden. In Schwaben wurde noch im 16. Jahrhundert an die Spitze der wilden Jagd ein Gespenst mit Namen Berchtold, die männliche Gestaltung der Berahta gesetzt, und so mochten auch heidnische Göttinnen, besonders die genannte Berahta und Holda, welche einst feierlich durch das Land zogen, später nach dem Volksglauben auch das wilde Heer zu bestimmten Zeiten anführen. Wenn Frau Holda an der Spitze ihres Geisterheeres dahinzog, versah Eckhart mit dem weißen Stabe das Amt eines Herolds. Neben Eckhart war nach dem Volksglauben auch Dietrich von Bern ein zweiter Held des gespenstischen Zuges, (Grimm, a. a. O., S. 522–524), wenigstens heißt im Bereiche des Erzgebirges (bei Schönlinde) der wilde Jäger noch »Banditterch,« ebenso wie er in einer oberlausitzischen Sage (Haupt, Sagenbuch der Lausitz, No. 138) »Pan«, d. h. Herr »Dietrich« heißt, der einst ein Raubritter war, welcher wegen seiner Frevel zum wilden Jäger wurde. Der Übertragung der Sagen von Wuotan als wilden Jäger auf die historische Person Dietrichs von Bern wird auch von W. Mannhardt (die Götter der deutschen und nordischen Völker, S. 119) gedacht. Der Gotenkönig Theodorich, welcher in der Sage als Dietrich von Bern fortlebt, soll, – so ging schon im 12. Jahrhundert die Rede, – lebend auf einem Rosse ins Totenreich geritten sein. In Westfalen und Niedersachsen wird dagegen der wilde Jäger auf die historische Person eines braunschweigischen Oberjägermeisters namens Hackelbärend oder Hackelberg bezogen, der zur Strafe für sein eifriges Jagen als wilder Jäger spuken soll. Hackelbärend, d. h. Mantelträger, ist jedoch, wie Jacob Grimm vermutet, ein Beiname des Wuotan, denn des Gottes Schultern umhüllte ein weiter schwarzer Mantel, wenn er auf seinem Rosse dahinbrauste. (Grimm a. a. O., S. 517. Mannhardt, die Götter der deutschen und nordischen Völker, S. 108.)
Nach einer erzgebirgischen Sage (aus Karlsfeld) besteht das Gefolge des wilden Jägers aus den Seelen von Jägern, welche im Leben Übles gethan haben; ähnlich spricht auch der Volksmund in Böhmen (Grohmann, Sagenbuch aus Böhmen und Mähren I., S. 74), daß dem wilden Jäger die Seelen der Verdammten in Gestalt von glühenden Hühnern folgen, und eine norwegische Sage erzählt, daß diejenigen Seelen, welche nicht so viel Gutes thun, daß sie den Himmel, und nicht so viel Böses, daß sie die Hölle verdienen, wie Trunkenbolde und Spötter zur Strafe bis ans Ende der Welt umreiten sollen. (Grimm, a. a. O., S. 525.) Neben denen, die ihre Christenpflicht vergessen haben, sollen auch die ungetauft gestorbenen Kinder und die eines gewaltsamen Todes Umgekommenen zum Gefolge des wilden Jägers gehören, da diese nach einem engherzigen christlichen Dogma vom Himmel verschmäht, dem heidnischen Gotte zufallen. (Henne-Am Rhyn, a. a. O., S. 530.) Wie bei uns im Erzgebirge hörte man auch in der Lausitz beim Durchziehen der wilden Jagd das Anschlagen wie von »Dachshunden« (Haupt a. a. O., N. 39.), und diejenigen, welche den wilden Jäger anriefen, erhielten bei uns wie in der Lausitz und im Harz ein Stück übelriechendes Aas. (Haupt a. a. O., No. 144. Veckenstedt, Wendische Sagen, S. 43, 44, 50. Gillwald, der Harz in Geschichte und Sage, S. 21.) So hören wir dieselben Sagenklänge in den verschiedensten Gegenden unseres Vaterlandes; überall ist das Schattenbild des germanischen Gottes in seinen wesentlichen Eigenschaften gleich; denn er zieht wiederholt dieselbe Straße, führt die Wanderer in der Nachtzeit irre und ist erzürnt, wenn man sein Huh, Huh! oder das Gekläff seiner Hunde nachahmt. Daher gilt auch heute das Gebot, sich bei seinem Nahen nieder auf die Erde zu werfen und ihn nicht anzurufen, wie dies auch eine durch den Kult gebotene Forderung an unsere heidnischen Vorfahren war, wenn Gott Wuotan im Sturme durch die Wipfel der Bäume brauste.
Wie die Sagen vom wilden Jäger, dem ähnlich in unserm Gebirge der Katzen- und Bachreiter, sowie der unheimliche Hans Michel erscheinen, sind auch diejenigen vom Reiter ohne Kopf, der bei uns ein Schrecken der Holzdiebe ist, auf Wuotan zurückzuführen. Ein Reiter ohne Kopf zieht durch die Waldungen des Saallandes, und wenn er junge Leute, welche um Mitternacht auf einem Kreuzwege horchten, vertrieb und verfolgte und diese dann glücklich vor ihm die Hausthüre verschlossen hatten, so geschah ein schwerer Schlag an die Thüre und am anderen Morgen war der tiefe Eindruck eines Hufeisens zu sehen. (L. Zapf, a. a. O., S. 4.) Das Hufeisen weist uns auf Odhins oder Wuotans Roß hin. – Fremdartig ists in einer unserer Sagen, daß der Reiter ohne Kopf auf schwarzem Rosse sitzt, da sowohl dem wilden Jäger als auch Wuotan übereinstimmend sonst nur ein weißer oder grauer Schimmel zugewiesen wird; doch trägt der Reiter einen schwarzen Mantel und um ihn flattert eine Krähe und verkündet den Tod. Einen schwarzen Mantel trägt auch der wilde Jäger, welcher am Roßberge in der Schweiz wohnt (Henne-Am Rhyn, a. a. O., S. 521), und zu Wuotan als wildem Jäger gesellen sich die Totenvögel Eule und Rabe (Mannhardt a. a. O., S. 108); letzterer aber wird in dem Volksglauben vielfach auch durch die Krähe vertreten. – Kopflos tritt meist der wilde Jäger auf, wenn ihn der Glaube als Geist eines ruhelos umhergehenden Herrn, der das Volk durch seine Härte quälte, auffaßt. H. Heine (Sagen, Märchen und Bilder aus dem Harze, 1878, S. 55.) bemerkt, daß bei Meißen der wilde Jäger ein Mann im grauen Rocke, mit hohen Sporenstiefeln, einem Jagdhorne und ohne Kopf sei, der auf einem Grauschimmel reite, und auf der Insel Möen jagt im Grünewalde Wuotan mit einer Meute Hunde hoch zu Roß, einen Spieß in der rechten Hand und das Haupt unter dem linken Arme tragend. (Mannhardt a. a. O., S. 153.) – Die Göttin der Unterwelt war nach dem Glauben der Germanen Hel, nach demjenigen der slavischen Bevölkerung Böhmens die Morana; wenn eine von ihnen erschien, zeigte sie einen Todesfall an. Ursprünglich war die Hel wahrscheinlich die Mutter alles Lebens, zu der auch alles Leben wieder zurückkehrte. Daher wurde sie auf Grund dieser Doppelseite ihres Wesens, in ihrer Eigenschaft als Gebieterin über Leben und Tod, halb menschenfarbig, halb schwarz vorgestellt, und beide Farben tragen auch noch vielfach nach den Überlieferungen der Sage die verwünschten Jungfrauen und Frauen, welche ihre Schattenbilder sind und die teils freundlich, teils feindlich in das Leben der Menschen eingreifen. (Henne-Am-Rhyn, a. a. O., S. 549.) Die weiße Frau zu Neuhaus erscheint bei fröhlichen Gelegenheiten im langen weißen Talar, bei Todesfällen aber in schwarzen Handschuhen. Einen Todesfall verkündet auch die weiße Frau zu Venusberg. – Ihre Doppelnatur kennzeichnet sich bei den weißen Frauen noch dadurch, daß sie nach der Volksüberlieferung bald als blühende schöne Jungfrauen, bald wieder als häßliche alte Weiber erscheinen. Ich rechne dazu die Erscheinung am weißen Fels bei Hartenstein, welche in ihrer Wandelbarkeit an die schöne Jungfrau am Fuße des Nußhardt im Fichtelgebirge erinnert, und die nur dann erlöst werden kann, wenn sie von jemandem zu der Zeit, da sie als häßliches Weib wiederkommt, auf die Stirne geküßt wird. Man sieht sie zuweilen mit einem Rechen an der Sonne Flachsknoten ausbreiten, und dadurch erinnert sie an die Hulda oder Frau Holle, die freundliche Göttin, welche den Flachsbau beschirmte und die fleißigen Spinnerinnen belohnte, die faulen aber bestrafte. Zur Weihnachtszeit hielt sie ihre Umzüge, aber sie fuhr auch nach anderen Überlieferungen, ihrer ursprünglichen Natur entgegen, auf einem Wagen mit dem wilden Heere schreckhaft durch die Lüfte, und Hexen bildeten dann ihre Gesellschaft. (Henne-Am-Rhyn, a. a. O., S. 554.) Ihre abgeschwächten Abbilder sind vielleicht die zwei Jungfrauen des Breiten- und Röthelsteins, die in feuriger Kutsche mit dergleichen Pferden umherfahren und dann im Röthelsteine verschwinden; beide erscheinen zuweilen in schwarzen Kleidern. – Hexenähnlich erscheint uns auch das Fegeweib des Katzensteins, das mit einem Besen die durch die Luft fliegenden Kugeln wegfegt, bis es endlich durch einen frommen Spruch machtlos wird.
Die Überlieferungen von diesen ursprünglich göttlichen Wesen, welche zum Zeichen ihrer Göttlichkeit gewöhnlich weiß gekleidet erscheinen, fließen vielfach zusammen. So erscheint die Frau Holle in Norwegen und Schweden als die Berg- und Waldfrau Hull oder Huldra; sie liebt Musik und Gesang wie das über die Mulde bei Zelle schwebende Fräulein, welchem musicierende Bergleute ein Ständchen bringen, oder wie die Lieder singende Jungfrau des Braunsteins und das Schloßfräulein im Schönjungferngrunde bei Oberwiesenthal, welches die Laute spielt. Auch die Huldra wird bald jung und schön, bald alt und finster gedacht, und wenn sie grau gekleidet und alt an der Spitze ihrer Herde im Walde angetroffen wird, hat sie einen Melkeimer in der Hand. Ich bin geneigt, die Jungfrau auf dem Ziegenschachter Wege bei Breitenbach für identisch mit ihr zu halten, obschon sie durch die Sage zu einer wegen schlechten Maßes der verkauften Milch verwünschten Jungfrau wird, die nun ruhelos umher wandeln muß; sie trägt in der Hand ein Milchseidel und einen grünen Kranz auf dem Kopfe.
Wie die Hulda und die mit ihr verwandte Berahta beschenken auch die weißen Frauen einzelne Menschenkinder mit scheinbar wertlosen Dingen, welche sich später in Gold verwandeln. Ich verweise aus unserm Sagenkreise in dieser Beziehung auf die weiße Frau des hohen Steins bei Graslitz, von welcher ein armer Hirte eine wunderthätige Rute und Laub empfing, das sich in Goldstücke verwandelte; ähnliches wird auch von einem Hirten erzählt, den die Jungfrau des Lautersteins beschenkte, und als die beiden musicierenden Bergleute der Jungfrau bei Klösterlein Zelle ein Ständchen brachten, erhielt jeder von ihnen ein Blumensträußchen, deren eines sich in Gold verwandelte, weil es nicht weggeworfen wurde.
Die den Melkeimer in einer Hand tragende Huldra gehört als Bergfrau offenbar zu den weißen Frauen, welche nach dem Glauben unserer heidnischen Vorfahren ihren Sitz in den Wolken hatten und von da der Erde himmlische Milch, den Regen, spendeten. Wenn man ihre Wohnungen nach einem anderen Glauben auch auf die Berge verlegte, so erklärt sich dies daraus, daß die Wolken von den Naturvölkern auch als Berge angesehen wurden. Die weißen Jungfrauen hängen als Wolkenfrauen häufig Wäsche auf oder bleichen Linnen. Dies thun die Fräulein im Schönjungferngrunde am Fichtelberge und die Jungfrau des Grauensteins; als der letzteren einmal die ausbreitete Wäsche geraubt wurde, verwandelte sich dieselbe in zischende Ottern. Bemerkenswert ist übrigens, daß die Grauensteiner Jungfrau keinen Kopf hat, und sie erinnert dadurch an eine der zahlreichen weißen Frauen des Vogtlandes, welche zuweilen aus den unterirdischen Gemächern der Teufelskanzel bei Ranis hervortritt und an der Stelle des Kopfes zwei goldene Hörner trägt. (Rob. Eisel, Sagenbuch des Vogtlandes, No. 235.) Die Jungfrauen auf dem Hausberge bei Graslitz hängen Wäsche auf, die sich beim Näherkommen in Spinngewebe verwandelt. Anderwärts im Gebirge scheint man die aufgehängte und plötzlich wieder verschwindende Wäsche den Holzweibeln zugeschrieben zu haben. (S. Dämonensagen.)
Da die Wolke in der Vorstellung unserer Vorfahren sowie der Slaven auch als Brunnen galt, so wohnen weiße Jungfrauen nicht bloß auf Bergen, sondern auch in Brunnen. Die Sage erzählt von einem Wunderbrunnen auf dem Fichtelberge, an dem man zu Zeiten eine Jungfrau gesehen hat. Durch diese Brunnenjungfrauen werden wir auch wieder auf die mütterliche Gottheit der Erde Nerthus und auf Frau Holle hingewiesen, welche den Aufenthalt in Brunnen liebten; in der Mittagsstunde sah man sie als weiße Frauen daselbst baden und dann wieder verschwinden. (Jac. Grimm, deutsche Mythologie, S. 166.) Derartigen Überlieferungen begegnet man in den meisten Gauen unseres deutschen Vaterlandes; so badet auch oft eine weiße Frau in dem Heribertsborn, welcher auf dem Höhenzuge Grünscheid bei Solingen entspringt. (Leibing, Sagen und Märchen des Bergischen Landes, No. 54.) Ebenso sind derartige Sagenklänge auch in Böhmen heimisch; dort wird die gütige Jungfrau Lida, welche in Brunnen wohnt und nur in mondhellen Nächten hervorkommt, auf Lada, die slavische Göttin des Frühlings und der Liebe zurückgeführt. (Grohmann, Sagenbuch von Böhmen, S. 33.)
Die auf und in den Bergen, besonders solchen, welche ehemals Burgen trugen, wohnenden weißen Jungfrauen, denen die Sage gewöhnlich ein Schlüsselbund beilegt, und von denen sie erzählt, daß sie unermeßliche Schätze hüten (s. die Schatzsagen), sind ebenfalls göttliche Wesen. Grohmann (a. a. O., S. 34) meint, daß unter ihnen in Böhmen die Tochter des Donnergottes Perun, die jungfräuliche Göttin Devana zu verstehen sei, welche Hanus als Göttin des Lichtes deutet. Während des Winters, wenn das Licht durch trübe Wolken verdeckt wird, ist dieselbe in die Wolkenberge verbannt, und sie wartet auf den Frühling, welcher sie wieder befreien soll. So warten auch die in das Innere der Berge verbannten Jungfrauen, und vielfach ist es eine Blume, welche den Zugang zu ihrem Gefängnisse öffnet. Nach Schönwerth aber ist die Schätze hütende Jungfrau in den rein deutschen Bezirken die verhüllte Erdenmutter, die bereits genannte Hel, oder auch die Nerthus oder Freya; letztere, als Gemahlin Wuotans und Wolkenfrau, nähert sich in vielen Zügen der slavischen Devana, soweit sie aber neben der Herrschaft über Winde, Wolken und Blitze auch Macht über den Sonnenschein besaß und so auch der Erde Segen spendete, verschmolz sie wieder mit der Erdgöttin. (Mannhardt a. a. O., S. 271.) Aller Germanen Mutter und somit die gemeinsame Ahnfrau aller auf den Burgen herrschenden adeligen Geschlechter ist die Erde. Diese göttlichem Geschlechte angehörende Ahnfrau erscheint nun nach der Volkssage noch heute an denjenigen Plätzen, wo ihre Kinder wohnten, welche das Christentum für sich gewann. Durch dasselbe will auch sie erlöst werden, und sie bietet daher ihre Schätze, um dafür Ruhe zu erlangen und wieder mit den Ihrigen vereint zu werden. (Zapf, Sagenkreis des Fichtelgebirges, S. 22.)
Einen mythischen Hintergrund haben die Sagen von gespenstischen Hunden, Hähnen und Hasen. Erstere erscheinen gewöhnlich schwarz, vereinzelt aber auch feurig, und erschrecken die einsamen Wanderer. Vielleicht sind sie in einigen unserer Sagen auf die Hunde der Schicksal verkündenden Nornen zurückzuführen, und damit sind sie auch Verkündiger des Todes oder Krankheit bringend, wie der schwarze Pudel, welcher sich zuweilen auf dem Hemberge bei Bockau sehen läßt. Wo der Hund in Gesellschaft einer Jungfrau im Innern des Berges Schätze hütet, ist derselbe Sarmr, der Hund der Unterwelt.
Daß auch der Hahn mythisch ist, erzählt uns die nordische Götterlehre, nach welcher der Hahn Fialan kräht, ehe das Weltende herannaht; durch Hähne werden Hexen und böse Geister verscheucht und ein schwarzer Hahn ist nach dem Volksglauben dem Teufel geweiht. Ebenso tritt auch der Hahn in den Schatzsagen auf. So führt z. B. ein solcher diejenigen irre, welche auf dem Burgberge bei Lichtenberg den daselbst liegenden Schatz heben wollen. In böhmischen Sagen vertreten goldene Hähne die Stelle von Schätzen, und Hühner legen auch nach anderen Überlieferungen goldene Eier. – Endlich sprechen für die mythische Bedeutung des Hasens viele abergläubische Meinungen; so ist z. B. im Vogtlande ein Hase, welchen man beim ersten Ausgange zuerst erblickt, Unglück verkündend. Er ist ein Göttertier, denn die Göttin Hulda ließ sich bei ihrer nächtlichen Wanderung, welche sie als Mond ausführte, von Hasen Lichter voraustragen. Als einst ein Arbeiter in Blauenthal nach einem an der nahen Steinwand, wo sich auch andere Spukgespenster sehen lassen, wiederholt nächtlich erscheinenden weißen Hasen schlug, war er in der nächsten Nacht tot.
Unter den erzgebirgischen Spukgeschichten giebt es viele, nach denen die Seelen verstorbener Menschen, welche der himmlischen Ruhe nicht teilhaftig geworden sind, auf Erden umherwandeln. »Sie gehen um«, wie der Volksmund sagt, denn sie bleiben als schattenhafte Wesen in der Nähe des Ortes, welcher ihnen einst in ihrem irdischen Leibe als Wohnplatz angewiesen war. Nicht immer ist dies, wie bei dem Rachhals zu Aue, nach dem Volksglauben eine Strafe für begangenes Unrecht, oft sind diese Gespenster warnende Geister, ja sie haben sich vereinzelt selbst zu gutmütigen Hausgeistern umgewandelt. Andererseits aber werden auch solche Gespenster zu Quälgeistern, die sich gleich böswilligen Kobolden dem Wanderer aufhocken, oder ihre Angehörigen in anderer Weise ängstigen; dies thun z. B. das Gespenst, welches als feuriger Hund bei Graslitz erscheint, und die gespenstischen Frauen, welche ihre Ehemänner beunruhigen. Der »schwarze Mann«, mit welchem Namen sich häufig die Kinder gegenseitig schrecken, ist ein Schattengeist, der zuweilen nur erscheint, um zu drohen, ohne jemandem sonst weiter ein Leid zuzufügen. Teilweise, wie in Schneeberg, meldet die Sage bloß, daß er sich sehen läßt, sie teilt aber über die Bedeutung und Ursache seines Erscheinens nichts weiter mit. An anderen Orten, wie in Königswalde, ist er ein bösartiges Wesen, welches ein eben getauftes Kind holen will; er erinnert so an den Vernichtungsgott Surtr. Ursprünglich aber ist der schwarze Mann wohl auf den Schutzgeist zurückzuführen, welchen jeder Mensch zu eigen hatte. (Rochholz, deutscher Glaube und Brauch, I. S. 104.)
Die Sagen von den umherwandelnden Geistern Verstorbener werden durch altheidnischen Glauben begründet. Nach demselben tritt mit dem Tode keine Vernichtung ein, ja der Krieger ist nach solchem Glauben imstande, auch im Grabe einen ins Land fallenden Feind zurückzuschrecken. Der deutsche Häuptling Iwar befiehlt sterbend, daß man ihn an derjenigen Landesgrenze begrabe, an welcher am meisten feindliche Einfälle zu befürchten seien. (Rochholz a. a. O., S. 117.) Nach der Darstellung der Edda behalten die Helden ihren Körper; kämpfen sie doch in Walhalla mit vollkommenem Leibe, den keine Wunden töten; aber die Bösen,
»die Männer, die Meineid und Mord verübt
Und zur Untreu' verleitet des andern Geliebte,«
kommen in einen Saal, »fern von der Sonnen, das Thor gegen Norden am Leichenstrand. Da saugt und frißt an entseelten Leichen der wölfische Neidhagen«. (Edda, die Kunde der Wala 13.) Wenn also nach diesem altheidnischen Glauben der Leib der Bösen vernichtet und in den Urstoff aufgelöst wird, so müssen ihre Seelen ruhelos auf der Erde umherwandeln, bis ihre Strafzeit vorüber ist und sie einen anderen Leib finden.
So ist also der Gespensterglaube ein Überrest heidnischer Vorstellungen, welche in die Gegenwart hineinragen, deren Ursprung jedoch dem Volke nicht bekannt, deren tiefere Bedeutung vergessen worden ist.