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Claus Vetterling

Grabungsleitung: Aufgaben
und Verantwortung

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, unterscheidet sich jede Ausgrabung von der nächsten. So ändert sich auch die Aufgabe, ein Ausgrabungsprojekt zu planen, zu organisieren und durchzuführen, jeweils u.a. in Abhängigkeit von Art und Größe des zu erforschenden Geländes. Grundsätzlich wird zwischen Lehr-, Forschungs- und Rettungs- oder Notgrabungen unterschieden. Die Übergänge zwischen allen sind fließend.

Lehrgrabung:Ausgrabung und Fundaufarbeitung werden im Rahmen einer Lehrveranstaltung eines Universitätsinstituts zum Zweck der Vermittlung von Methoden und Techniken an Studierende durchgeführt.
Forschungsgrabung:Dank umfangreicher zeitlicher und finanzieller Mittel kann der Gesamtbefund ohne Druck ausgegraben und umfassend wissenschaftlich bearbeitet werden.
Rettungsgrabung:Aufgrund unmittelbar bevorstehender Baumaßnahmen o. Ä. besteht akute Gefährdung der archäologischen Befunde; diese müssen so gut wie möglich in knappem zeitlichen Rahmen erforscht werden.

Bei jeder Ausgrabung gilt:


Werden hier bereits Fehler begangen, nützt keine noch so zuverlässige und akribische Auswertung: Die archäologische Grabung ist Zerstörung, wenn auch eine dokumentierte. Man hat nur einen Versuch, der muss gelingen! Danach bleibt ein Loch aus dem 21. Jahrhundert. Umsicht und Ruhe sind daher essentielle Voraussetzungen für die Durchführung und Mitarbeit. Die Vorgehens- und Arbeitsweise muss jedem Befund einzeln angepasst werden; nie darf dieser einem vorgefertigten Dokumentationssystem untergeordnet werden!

Auf Lehr- und Forschungsgrabungen kann sich der Grabungsleiter1 vollständig auf die archäologischen und wissenschaftlichen Belange konzentrieren. Hier ist seine Aufgabe in erster Linie die Koordinierung von Personal und Gerät, so dass die Befunde den wissenschaftlichen Ansprüchen gemäß ausgegraben und dokumentiert werden. Er hat die Verantwortung, ein auswertbares Ergebnis zu erzielen, das dann die Grundlage für die publizierte Interpretation (Verbreitungskarten, Chronologie, Kulturhistorie etc.) bildet.

Diese Aufgaben obliegen ihm auch bei einer Rettungsgrabung, bei der er jedoch unter deutlich höherem zeitlichen und organisatorischen Druck steht. Hier müssen zusätzlich Entscheidungen getroffen werden, ob eine Gesamtausgrabung der vorhandenen Fläche möglich und nötig ist oder man sich auf einzelne Bereiche beschränken kann und muss.

In seltenen Fällen wird der Grabungsleiter bei der Ausgrabung selbst mit Hand anlegen. Seine Aufgabe ist es, den Überblick zu behalten. Alle auf dem Areal gesammelten Informationen laufen bei ihm zusammen und er führt den wissenschaftliche Dokumentationsapparat: den (digitalen) Gesamtplan der Ausgrabungen, Listen von Personal, Befunden, Zeichnungen, Fotografien etc., die zentrale Nummernvergabe für Schnitte, Plana, Profile, Befunde usw. Bei archäologischen Untersuchungen im baulichen Bestand, v.a. bei großen Stadtkerngrabungen, wird der Leiter zum Manager. Aufgrund des enormen Zeitdrucks rückt seine eigene wissenschaftliche Arbeit in den Hintergrund. Sie wird von Grabungstechnikern und Mitarbeitern durchgeführt. Bei ausreichendem Budget, also nur in den seltensten Fällen, steht ihm zudem eine weitere Person als Dokumentationsassistenz zur Verfügung.

Der Grabungsleiter (eines Rettungsgrabungsprojekts) ist:

verantwortlicher und verlässlicher Ansprechpartner für alle am Projekt Beteiligten.

Repräsentant des lokalen Amts für Denkmalpflege und damit zwangsweise Vermittler zwischen diesem und dem jeweiligen Bauträger oder Auftraggeber:

Die Untersuchung ist von ihm so zu planen und durchzuführen, dass ein reibungsarmer Ablauf bei fachgerechter Bearbeitung des archäologischen Befunds in kürzester Zeit gewährleistet ist. Der Spagat zwischen den meist konträr verlaufenden Meinungen von Denkmalamt (z.B. möglichst umfangreiche und genaue Dokumentation) und Bauherrn (z.B. möglichst schneller Abschluss der Ausgrabungen, um Verzögerungen im Bauplan zu vermeiden) muss geleistet werden.

verantwortlich für die Klärung von Problemen innerstädtischer Grabungen:

die Abfuhr des ausgehobenen Grabungsschutts aufgrund fehlender Lagermöglichkeiten auf oder bei der Fläche,

die Berücksichtigung der häufigen Kontamination dieses Erdmaterials (Beprobung),

die Berücksichtigung von Umweltauflagen zu Lärm und Staubentwicklung.

Entscheidungsträger und Belangter in Sachen Sicherheitsmaßnahmen (Verschalung von Grabungsschnitten, Abstützung, Bekleidungsvorschriften): Diese stehen oft im Widerspruch zu Termin- und Kostendruck.

Eine wichtige Vorbereitungsmaßnahme für all die hier aufgelisteten Entscheidungen ist das Anlegen von im Grabungsbüro ausliegenden Listen zu Personal, beteiligten Transportfirmen, Beprobungsinstitutionen, Bezugspartnern von Maschinen und Equipment, Forschungseinrichtungen für naturwissenschaftliche Untersuchungen wie 14C, Dendrochronologie etc., Spezialisten für Sonderbefunde wie Brunnen, Latrinen und Gräber u.v.m. sowie deren jeweiligen Ersatzmöglichkeiten, so dass im Notfall ein rascher Austausch beim Auftauchen von Problemen vorgenommen werden kann.

1 Im Folgenden wird der Einfachheit halber bei allen Berufsbezeichnungen die maskuline Form verwendet, obwohl natürlich auch Frauen diese Positionen ausfüllen.

Grabungsleitfaden

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