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Zweites Kapitel

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Ein Gast auf der Alm

Das Frührot glühte über den Bergen, und ein frischer Morgenwind rauschte durch die Tannen und wiegte die alten Äste mächtig hin und her. Das Heidi schlug seine Augen auf, der Ton hatte es erweckt. Dieses Rauschen packte das Heidi immer im Innersten seines Wesens und zog es mit Gewalt hinaus unter die Tannen. Es schoss von seinem Lager auf und hatte kaum Zeit, sich fertig zu machen; das musste aber doch sein, denn Heidi wusste nun recht gut, dass man immer sauber und ordentlich aussehen muss.

Jetzt kam es von dem Leiterchen herunter. Des Grossvaters Lager war schon leer; Heidi sprang hinaus. Draussen vor der Tür stand der Grossvater und schaute den Himmel an nach allen Seiten hin, wie er jeden Morgen tat, um zu sehen, wie der Tag werden wollte.

Es zogen rosige Wölkchen oben hin, und mehr und mehr blaute der Himmel, und drüben floss es wie lauter Gold über die Höhen und das Weideland, denn eben kam droben die Sonne über die hoben Felsen heraufgestiegen.

„O wie schön! O wie schön! Guten Tag, Grossvater“, rief das Heidi heranspringend.

„So, sind deine Augen auch schon hell?“ gab der Grossvater zurück, dem Heidi die Hand zum Morgengruss hinhaltend.

Jetzt lief das Heidi unter die Tannen und hüpfte vor Freuden über das Tosen und Sausen da droben unter den wogenden Ästen herum, und bei jedem neuen Windstoss und lauten Wipfelbrausen jauchzte es auf vor Wonne und sprang noch ein wenig höher.

Unterdessen war der Grossvater zum Stalle hingegangen und hatte dem Schwänli und Bärli die Milch abgenommen; dann hatte er beide schön geputzt und gewaschen zur Bergreise und brachte sie nun auf den Platz heraus. Als das Heidi seine Freunde erblickte, kam es herangesprungen und fasste sie beide um den Hals, begrüsste sie zärtlich, und sie meckerten fröhlich und zutraulich, und jede von den Geissen wollte dem Heidi mehr Zuneigung beweisen und drückte ihren Kopf noch immer näher an seine Schultern heran, so dass es zwischen den zweien fast zerdrückt wurde. Aber das Heidi hatte keine Furcht, und wenn das lebhafte Bärli gar zu arg bohrte und drängte mit seinem Kopfe, dann sagte das Heidi: „Nein, Bärli, du stösst ja wie der grosse Türk“, und augenblicklich zog Bärli seinen Kopf zurück! und stellte sich ganz anständig hin, und das Schwänli hatte auch schon seinen Kopf in die Höhe gereckt und machte eine vornehme Gebärde, so dass man deutlich sehen konnte, es dachte bei sich: „Das soll mir denn keiner nachsagen, dass ich mich benehme wie der Türk.“ Denn das schneeweisse Schwänli war noch ein wenig vornehmer als das braune Bärli.

Jetzt hörte man von unten herauf die Pfiffe des Peter ertönen, und bald kamen sie heraufgesprungen, die lustigen Geissen alle, voran der flinke Distelfink in hohen Sprüngen. Gleich war das Heidi wieder mitten in dem Rudel drin, und vor lauter stürmischen Begrüssungen wurde es hin- und hergeschoben, und dann schob es wieder ein wenig; denn es wollte zu dem schüchternen Schneehöppli vordringen, das ja von den grösseren immer wieder weggedrängt wurde, wenn es dem Heidi entgegenstrebte.

Nun kam der Peter heran und tat einen letzten, fürchterlichen Pfiff, der sollte die Geissen aufscheuchen und der Weide zujagen, denn er wollte Platz bekommen, um dem Heidi etwas zu sagen. Die Geissen sprangen ein wenig auseinander auf den Pfiff hin; so konnte der Peter vorrücken und sich nun vor das Heidi hinstellen.

„Du kannst einmal wieder mitkommen heut“, war seine etwas störrige Anrede.

„Nein, das kann ich nicht, Peter“, entgegnete das Heidi. „Jeden Augenblick können sie jetzt von Frankfurt kommen, und dann muss ich daheim sein.“

„Das hast du schon manchmal gesagt“, brummte der Peter.

„Es gilt aber immer noch, und es gilt, bis sie kommen“, gab das Heidi zurück. „Oder meinst du etwa, ich müsse nicht daheim sein, wenn sie von Frankfurt zu mir kommen? Meinst du etwa so etwas, Peter?“

„Sie können zum Öhi kommen“, versetzte der Peter knurrend.

Jetzt ertönte von der Hütte her die kräftige Stimme des Grossvaters: „Warum geht’s nicht vorwärts mit der Armee? Fehlt’s am Feldmarschall oder an den Truppen?“

Augenblicklich machte der Peter kehrum, schwang seine Rute in der Luft, dass sie sauste und alle Geissen, die den Ton wohl kannten, auf und davon rannten, der Peter hinter ihnen drein, alle miteinander in vollem Trabe den Berg hinan. —

Seit das Heidi wieder daheim beim Grossvater war, kam ihm hier und da etwas in den Sinn, woran es vorher nicht gedacht hatte. So machte es jetzt alle Morgen mit grosser Anstrengung sein Bett zurecht und strich so lange daran herum, bis es ganz glatt aussah. Dann lief es in der Hütte hin und her, stellte jeden Stuhl an seinen Ort, und was etwa da und dort herumlag oder -hing, das kramte es alles in den Schrank hinein. Dann holte es einen Lappen herbei, kletterte auf einen Stuhl hinauf und rieb so lange mit seinem Lappen auf dem Tische herum, bis dieser ganz blank war. Wenn dann der Grossvater wieder hereinkam, schaute er wohlgefällig um sich und sagte etwa: „Bei uns ist’s jetzt immer wie Sonntag, das Heidi ist nicht vergebens in der Fremde gewesen.“

Auch heute hatte Heidi, nachdem der Peter fortgetrabt war und es mit dem Grossvater. gefrühstückt hatte, sich gleich an seine Geschäfte gemacht; aber es wurde fast nicht fertig damit. Draussen war es heut morgen gar so schön, und alle Augenblicke geschah wieder etwas, was das Kind in seiner Tätigkeit unterbrach. Jetzt kam durch das offene Fenster ein Sonnenstrahl so lustig hereingeschossen, und es war geradezu, als riefe er: „Komm heraus, Heidi, komm heraus!“ Da konnte es nicht mehr drinnen bleiben, es rannte hinaus. Da lag der funkelnde Sonnenschein um die ganze Hütte herum, und auf allen Bergen glänzte er und weit, weit das Tal hinunter, und der Boden dort am Abhang sah so goldig und trocken aus, es musste ein wenig darauf niedersitzen und umherschauen. Dann kam ihm auf einmal in den Sinn, dass das Dreibeinstühlchen noch mitten in der Hütte stand und der Tisch noch nicht geputzt war vom Morgenessen. Nun sprang es schnell auf und lief in die Hütte zurück. Aber es währte gar nicht lange, so sauste es draussen so mächtig durch die Tannen, dass es dem Heidi in alle Glieder fuhr, es musste schon wieder hinaus und ein wenig mithüpfen, wenn alle Zweige da droben hin- und herwogten und rollten. Der Grossvater hatte einstweilen hinten im Schopf allerlei Arbeit zu verrichten; er trat von Zeit zu Zeit unter die Tür hinaus und schaute lächelnd Heidis Sprüngen zu. Eben war er wieder zurückgetreten, als mit einemmal das Heidi laut aufschrie:

„Grossvater, Grossvater! Komm, komm!“

Er trat rasch wieder heraus, fast erschrocken, was mit dem Kinde sei. Da sah er, wie dieses dem Abhange zulief, laut schreiend: „Sie kommen, sie kommen! Und voran der Herr Doktor!“

Das Heidi stürzte seinem alten Freunde entgegen. Dieser streckte grüssend die Hand aus. Wie das Kind ihn erreicht hatte, umfasste es zärtlich den ausgestreckten Arm und rief in voller Herzensfreude: „Guten Tag, Herr Doktor! Und ich danke auch noch viel tausendmal!“

„Grüss Gott, Heidi! Und wofür dankst du denn schon?“ fragte freundlich lächelnd der Herr Doktor.

„Dass ich wieder heim konnte zum Grossvater“, erklärte ihm das Kind.

Dem Herrn Doktor ging’s wie ein Sonnenschein über das Gesicht. Diesen Empfang auf der Alp hatte er nicht erwartet. Im Gefühl seiner Einsamkeit war er unter tiefsinnigen Gedanken den Berg hinaufgestiegen und hatte noch nicht einmal gesehen, wie schön es um ihn her war, und dass es immer schöner wurde. Er hatte angenommen, das Kind Heidi werde ihn kaum mehr kennen; es hatte ihn so wenig gesehen, und er kam sich vor wie einer, der kommt, den Leuten eine Enttäuschung zu bereiten, und den sie darum nicht ansehen mögen, weil er ja die erwarteten Freunde nicht mitbringt. Statt dessen leuchtete dem Heidi die helle Freude aus den Augen, und voller Dank und Liebe hielt es immer noch den Arm seines guten Freundes fest.

Mit väterlicher Zärtlichkeit nahm der Herr Doktor das Kind bei der Hand. „Komm Heidi“, sagte er in freundlichster Weise, „führe mich nun zu deinem Grossvater und zeige mir, wo du daheim bist.“

Aber das Heidi blieb noch stehen und schaute verwundert den Berg hinunter.

„Wo sind denn Klara und die Grossmutter?“ fragte es jetzt.

„Ja, nun muss ich dir’s sagen, was dir leid tun wird, wie mir auch“, erwiderte der Herr Doktor. „Sieh, Heidi, ich komme allein. Klara war recht krank und konnte nicht mehr reisen, und so kam auch die Grossmama nicht mit. Aber dann im Frühjahr, wenn die Tage wieder warm und schön lang werden, dann kommen sie ganz sicher.“

Das Heidi stand sehr betroffen da; es konnte gar nicht fassen, dass es nun alles, was es so sicher vor sich gesehen hatte, auf einmal gar nicht mehr sehen sollte. Regungslos stand es eine Weile wie verwirrt von dem Unerwarteten. Schweigend stand der Herr Doktor vor ihm, und ringsum war alles still, nur hoch oben hörte man den Wind durch die Tannen sausen. Da fiel es dem Heidi auf einmal wieder ein, warum es heruntergelaufen sei, und dass der Herr Doktor ja gekommen sei. Es schaute zu ihm auf. Da lag etwas so Trauriges in den Augen, die zu ihm niederschauten, wie es noch gar nicht gesehen hatte; so war es nie gewesen, wenn der Herr Doktor in Frankfurt es angeblickt hatte. Das ging dem Heidi zu Herzen; es konnte nicht sehen, dass jemand traurig war, und nun gar der gute Herr Doktor. Gewiss war er so, weil Klara und die Grossmama nicht hatten mitkommen können; es suchte schnell nach einem Trost und fand ihn.

„O, es währt gewiss nicht lange, bis es wieder Frühling wird, und dann kommen sie ja bestimmt“, tröstete das Heidi, „bei uns währt es gar nie lange, und dann können sie ja viel länger dableiben, das will die Klara gewiss noch lieber; und jetzt wollen wir zum Grossvater hinauf.“

Hand in Hand mit dem guten Freunde stieg es nun zu der Hütte hinan. Es war dem Heidi so sehr daran gelegen, den Herrn Doktor wieder froh zu machen, dass es ihn noch einmal zu überzeugen anfing, es währe so wenig lange auf der Alm, bis die langen, warmen Sommertage wiederkommen, dass man es kaum merke, und dabei wurde das Heidi selbst so überzeugt von seinem Trost, dass es oben dem Grossvater ganz fröhlich entgegenrief:

„Sie sind noch nicht da, aber es währt gar nicht lange, so kommen sie auch.“

Für den Grossvater war der Herr Doktor kein Fremder, das Kind hatte ja so viel von ihm gesprochen. Der Alte streckte seinem Gaste die Hand entgegen und bewillkommte ihn mit Herzlichkeit. Dann setzten sich die Männer auf die Bank an der Hütte, auch für das Heidi wurde da noch ein Plätzchen gemacht, und der Herr Doktor winkte ihm freundlich, dass es neben ihm sitzen solle. Nun fing er an zu erzählen, wie Herr Sesemann ihn ermuntert habe, die Reise zu machen, und wie er auch selbst gefunden, es möchte gut für ihn sein, da er sich seit langem nicht mehr recht frisch und rüstig kühle. Dem Heidi sagte er dann ins Ohr, es werde bald noch etwas den Berg heraufkommen, das aus Frankfurt mit hergereist sei und ihm eine viel grössere Freude machen werde als der alte Doktor. Das Heidi war sehr gespannt darauf, zu erfahren, was das sein könne. Der Grossvater ermunterte den Herrn Doktor sehr, die schönen Herbsttage noch auf der Alm zuzubringen oder wenigstens an jedem schönen Tage heraufzukommen, denn hier oben zu bleiben, dazu konnte ihn der Alm-Öhi nicht einladen, da war ja keine Gelegenheit, den Herrn einzulogieren. Er riet aber seinem Gaste, nicht bis nach Ragaz zurückzukehren, sondern unten im Dörfli ein Zimmer zu beziehen, das er im dortigen Wirtshause in einer einfachen, aber ganz ordentlichen Art finden werde. So könnte der Herr Doktor jeden Morgen nach der Alm heraufkommen, was ihm wohltun müsste, meinte der Öhi; auch würde er dann gern den Herrn noch auf allerlei Punkte führen, weiter hinauf in die Berge, wo es ihm gefallen sollte. Diesem gefiel der ganze Vorschlag sehr wohl, und es wurde festgesetzt, dass er ausgeführt werden sollte.

Unterdessen war die Sonne in den Mittag gekommen; der Wind hatte sich schon lange gelegt, und die Tannen waren ganz still geworden. Die Luft war für die Höhe noch mild und lieblich und säuselte. erfrischende Kühle um die sonnenbeschienene Bank.

Jetzt stand der Alm-Öhi auf und ging in die Hütte hinein, tam aber gleich wieder und brachte einen Tisch heraus, den er vor die Bant hinstellte.

„So, Heidi, nun hol herbei, was wir zum Essen brauchen“, sagte er. „Der Herr muss nun vorlieb nehmen; ist unsere Küche auch einfach, so ist das Esszimmer doch anständig.“

„Das meine ich auch“, erwiderte der Herr Doktor, indem er auf das sonnenbeleuchtete Tal hinunterschaute, „und die Einladung nehme ich gern an, hier oben muss es schmecken.“

Das Heidi lief nun hin und her wie ein Wiesel und brachte herbei, was es nur drinnen im Schranke finden konnte; denn dass es den Herrn Doktor bewirten durfte, war ihm eine ungeheure Freude. Der Grossvater bereitete unterdessen das Mahl und trat nun heraus mit dem dampfenden Milchkruge und dem goldig glänzenden Käsebraten. Dann schnitt er schöne, durchsichtige Schnitten von dem rosigen Fleisch herunter, das er hier oben an der reinen Luft getrocknet hatte. Dem Herrn Doktor schmeckte sein Mittagsmahl so gut, wie das ganze Jahr durch noch kein einziges Mal.

„Ja, ja, hierhin muss unsere Klara kommen“, sagte er jetzt; „da wird sie zu ganz neuen Kräften gelangen, und wenn sie eine Zeitlang isst wie ich heute, so wird sie rund und fest werden, wie sie in ihrem Leben noch nie war.“

Jetzt kam von unten herauf einer angestiegen, der hatte einen grossen Ballen auf dem Rücken. Wie er oben bei der Hütte ankam, warf er seine Last auf den Boden hin und sog ein paar gute Züge von der frischen Almluft ein.

„Ah, da kommt, was mit mir von Frankfurt hergereist ist“, sagte der Herr Doktor aufstehend, und das Heidi mit sich ziehend trat er an den Ballen hin und fing an, ihn aufzulösen. Als die erste, schwere Hülle weg war, sagte er:

„So Kind, nun fahr weiter fort und hol dir deine Schätze selbst heraus!“

Das Heidi tat so, und wie nun alles auseinanderrollte, schaute es mit grossen, verwunderten Augen auf die Dinge hin. Erst als der Herr Doktor wieder herzutrat und von der grossen Schachtel den Deckel weghob, dem Heidi bedeutend: „Sieh, was die Grossmutter zum Kaffee bekommt“, da schrie es auf vor Freuden: „Oh! Oh! Jetzt kann die Grossmutter einmal schöne Kuchen essen“ und sprang rings um die Schachtel herum und wollte gleich alles zusammenpacken und zur Grossmutter hinuntereilen. Aber der Grossvater sagte, gegen Abend wollten sie dann miteinander den Herrn Doktor begleiten und die Sachen mitnehmen. Jetzt fand das Heidi auch das schöne Säckchen Tabak und brachte es schnell dem Grossvater herüber. Das gefiel ihm sehr wohl; er füllte gleich sein Pfeifchen damit, und die beiden Männer sprachen nun, auf der Bank sitzend und grosse Rauchwolken von sich blasend, über allerhand Dinge, während das Heidi hin und her sprang von einem seiner Schätze zum anderen. Auf einmal kam es wieder zu der Bank zurück, stellte sich vor den Gast hin, und sowie die erste Pause im Gespräch entstand, sagte es sehr bestimmt:

„Nein, das andere hat mir nicht mehr Freude gemacht als der alte Herr Doktor.“

Die beiden Männer mussten ein wenig lachen, und der Herr Doktor sagte, das hätte er nicht gedacht.

Als die Sonne bald hinter die Berge hinabsteigen wollte, stand der Gast auf, um seine Rückreise nach dem Dörfli anzutreten und dort Quartier zu nehmen. Der Grossvater packte die Kuchenschachtel, die grosse Wurst und das Tuch unter seinen Arm, der Herr Doktor nahm das Heidi an die Hand, und so wanderten sie den Berg hinunter bis zur Geissenpeter-Hütte. Hier musste das Heidi Abschied nehmen; es sollte drinnen bei der Grossmutter warten, bis es wieder abgeholt würde vom Grossvater, welcher seinen Gast nach dem Dörfli hinunter geleiten wollte. Als der Herr Doktor dem Heidi die Hand zum Abschied bot, fragte es: „Wollen Sie etwa gern morgen mit den Geissen auf die Weide hinaufgehen?“, denn das war das Schönste, was es kannte.

„Es bleibt dabei, Heidi“, erwiderte er, „wir gehen zusammen.“

Nun gingen die Männer weiter, und das Heidi trat bei der Grossmutter ein. Erst schleppte es mit Anstrengung die Kuchenschachtel mit; dann musste es wieder hinaus, um die Wurst zu holen — denn der Grossvater hatte alles vor der Tür niedergelegt —, nachher musste es erst noch einmal hinaus, das grosse Tuch zu holen. Es brachte alles so nahe an die Grossmutter heran, als nur möglich, damit sie recht alles berühren könne und wisse, was es sei. Das Tuch legte es ihr auf die Knie.

„Es ist alles aus Frankfurt, von der Klara und der Grossmama“, berichtete es der hocherstaunten Grossmutter und der verwunderten Brigitte, der die Überraschung so in die Glieder gefahren war, dass sie unbeweglich zugeschaut hatte, wie das Heidi mit der grössten Anstrengung die schweren Gegenstände hereingeschleppt und nun alles vor ihren Augen ausgebreitet hatte.

„Aber gelt, Grossmutter, die Kuchen freuen sich furchtbar stark? Sieh nur, wie weich sie sind!“ rief das Heidi immer wieder, und die Grossmutter bestätigte: „Ja, ja, gewiss, Heidi; was sind das auch für gute Leute!“ Dann strich sie wieder mit der Hand über das warme, weiche Tuch und sagte: „Aber das ist etwas Herrliches für den kalten Winter! Das ist etwas so Prächtiges, dass ich nie geglaubt hätte, ich könnte in meinem Leben dazu kommen.“

Das Heidi aber musste sich sehr verwundern, dass die Grossmutter an dem grauen Tuch noch mehr Freude haben konnte als an den Kuchen. Die Brigitte stand immer noch vor der Wurst, die auf dem Tische lag, und schaute sie fast mit Verehrung an. In ihrem ganzen Leben hatte sie nie eine solche Riesenwurst gesehen, und diese sollte sie nun selbst besitzen und einmal sogar anschneiden; das kam ihr unglaublich vor. Sie schüttelte den Kopf und sagte zaghaft: „Man wird doch noch den Öhi fragen müssen, wie das gemeint sei.“

Aber das Heidi sagte ganz ohne Zweifel: „Das ist zum Essen gemeint und gar nicht anders.“

Jetzt kam der Peter hereingestolpert: „Der Alm-Öhi kommt hinter mir drein, das Heidi soll —“; er konnte nicht mehr weiter. Seine Blicke waren auf den Tisch gefallen, wo die Wurst lag, und der Anblick hatte ihn so überwältigt, dass er kein Wort mehr fand. Aber das Heidi hatte schon gemerkt, was kommen sollte, und gab schnell der Grossmutter die Hand. Der Alm-Öhi ging zwar jetzt nie mehr an der Hütte vorbei, ohne schnell hereinzutreten und die Grossmutter zu grüssen, und sie freute sich auch immer, wenn sie seinen Schritt hörte, denn er hatte jedesmal ein ermunterndes Wort für sie; aber heute war es spät geworden für das Heidi, das alle Morgen mit der Sonne draussen war. Der Grossvater aber sagte: „Das Kind muss seinen Schlaf haben“, und dabei blieb er. So rief er durch die offene Tür der Grossmutter nur eine gute Nacht zu und nahm das heranspringende Heidi bei der Hand, und unter dem flimmernden Sternenhimmel hin wanderten die beiden ihrer friedlichen Hütte zu.

Heidi kann brauchen, was es gelernt hat

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