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UND DIE WEIBER!

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Schnitzlers Blick auf die Frauen ist nicht unproblematisch – wobei wir hier nicht von seinen literarisch „überformten“ Frauengestalten sprechen wollen. Die „Weiber“, so verrät die Sprache des Tagebuchs, sind anders: Sie sind „Geschöpfe“ oder auch „Wesen“, immer wieder deutlich zu spüren ist ein leicht verächtlicher, despektierlicher Ton, der an die zynische Sprache der k. k. Kasernen und an den Halbwelt-Jargon des Praters erinnert, an Milieus, die dem jungen Schnitzler nicht unbekannt sind und die auch sein Frauenbild prägen: Hier wurzelt seine Überzeugung von der grundsätzlichen „Lügenhaftigkeit“ der „Weiber“ und ihrer allzeit möglichen Untreue, von ihren „sonderbaren Launen“ und ihrer Dummheit – ja, der Medizinstudent Schnitzler macht die Erfahrung, dass die Mädchen, die er so kennenlernt, ihm an Bildung und Intellekt nicht das Wasser reichen können, eine Erfahrung, die auch seine späteren Beziehungen belastet, denn er wird diesen penetranten Gestus der Überlegenheit nicht mehr los – davon zeugt etwa in den Briefen an seine Geliebten die häufig verwendete Anrede-Formel „mein Kind“. Einen wohltuenden Kontrast dazu bilden Schnitzlers literarische Texte, denn hier setzt er diese Formel geschickt ein, um das gesellschaftliche Ungleichverhältnis zwischen Mann und „gefallener“ Frau zu illustrieren: So verrät etwa der Musiker Emil Lindbach, unverkennbar ein Alter Ego Schnitzlers, in der Erzählung Frau Berta Garlan seinen Dünkel genau mit dieser Wendung.

Glaubt man Schnitzler selbst, so ist es die überaus schmerzvolle Enttäuschung über den „Verrat“ Marie Glümers, die ihn dazu bewegt, im Umgang mit seinen Freunden aus Rache deren zynische Sprache in Bezug auf Frauen zu übernehmen: „Im Reden über die Weiber ist bei uns ein sehr roher Ton eingerissen“, wobei er mit „uns“ sich und seine Kumpel Richard Beer-Hofmann, Leo Van-Jung und Felix Salten meint (TB, 8. März 1896); bereits in den „Mizi I“ brieflich übermittelten Hasstiraden des Jahres 1893 schwelgt er in wüsten Beschimpfungen: Sie sei zu einem „gefälligen Schwein“ geworden, eine „Komödiantenhure“ voll „unsäglicher Gemeinheit, Geilheit und Verlogenheit“, deren Leib „vom Schweiß und Samen jenes Schauspielers, Gauners und Gecken befleckt“ sei. (Brief an Marie Glümer vom 2. Juni 1893) So wütend und gnadenlos Schnitzler hier in Momenten ehrlicher Wut über seine Mizi und ihren Liebhaber herfällt, so geschickt weiß er – wenn notwendig – Frauen über seine wahren Gedanken und Absichten zu täuschen – er spricht zu ihnen von „Liebe“, obwohl er nur allzu gut weiß, dass dieses Wort nicht dazu taugt, die Natur seiner Beziehungen tatsächlich richtig und wahrhaftig zu beschreiben. „Liebe“, so erkennt er auch im Tagebuch, ist ein Begriff, der für vieles stehen kann: Sie ist „Sinnlichkeit“, also Sex, ist „Leichtlebigkeit“ und „Behaglichkeit“, manchmal freilich auch – wie im Fall von Olga Waissnix – grande passion (TB, 4. Mai 1895), auf die jedoch unausweichlich Gleichgültigkeit und Kälte folgen.

Schnitzlers Bettgefährtinnen halten sich, bezaubert durch seine verführerische Sprache der „Liebe“, für auserwählt und sind doch nur Episode, manchmal „was Hübsches zum Erinnern“ oder nur ein willkommenes instrument de plaisir, manchmal auch rasch lästig, „ekelhaft“ und „zuwider“, werden als „Dirnen“, „geile Luder“ und „Canaillen“ abgestempelt, vor allem aber sind sie „Weiber“. Wenn es nun so ist, dass Schnitzler einen „hohen ethischen Anspruch“ an die Sprache stellt und einen „unerbittlichen Maßstab“ an seine Wortwahl im Tagebuch legt, wie es Peter Michael Braunwarth formuliert hat, wenn es so ist, dass er „im Gebrauch des Worts immer verantwortungsvoll und seriös“ ist, dann muss es gestattet sein, seine Sprache auch tatsächlich mit diesem Maßstab zu messen. Ja, Worte machen gesellschaftliche Realität spürbar, das ist Schnitzlers Überzeugung und das gilt auch für seine Tagebucheinträge: Sie führen uns ein „Ich“ vor Augen, das auch sprachlich gefangen ist in der letztlich Frauen verachtenden Welt des Fin de Siècle.

Es ist eine Welt des Scheins und der Lüge: In seiner Rolle als einfühlsamer Kavalier und „Frauenversteher“ fördert Schnitzler die Illusion von Liebe bei seinen Sexualpartnerinnen, solange es ihm opportun scheint, er spricht noch von großen Gefühlen, auch wenn ihm ein „Mädel“ schon längst wieder „gleichgiltig“ ist. Er verwendet den romantisch verklärten Begriff „Liebe“, obwohl er dessen armselige Brüchigkeit nur allzu deutlich durchschaut und weiß, dass sich dahinter verlogene bürgerliche Doppelmoral verbirgt.

Erklärtes Ziel einer jeden Affäre ist es, die betreffende Frau zu „besitzen“ – ja, es ist dieser Begriff der Aneignung, den Schnitzler bevorzugt für den Sexualakt wählt: Er „besitzt“ Frauen zum ersten und zum letzten Mal, „anstandshalber“ und – der Herr Doktor ist nicht zimperlich – „gegen ihren Willen“, in kalten Hotelzimmern und gemütlichen Vorstadtwohnungen, im sommerlichen Wienerwald und im Comfortable, dem speziellen Fiaker für alle Paare, die Grund haben, allzu viel Öffentlichkeit zu meiden, und über kein Absteigequartier in der Nähe verfügen. Sein bevorzugter Typus ist das junge „süße Mädel“, am besten ohne viel Herumgerede gleich „frisch und naiv genossen“ – so sind sie ihm am liebsten.

Das Wort vom „Besitzen“ der Frauen bildet zweifellos ein Erfolgserlebnis ab, einen gewissen Stolz und die Zufriedenheit des erfahrenen Liebesstrategen über die Eroberung: Als „Gefallene“ gehen sie ein in sein erotisches Imperium.

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