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Vorwort

„Mir mißfallen Propheten und gleichermaßen blinde Fanatiker, die niemals an ihrem Glauben und an ihrer Mission gezweifelt haben.“

Cioran

Glaube und Zweifel wurden theologisch lange Zeit als sich ausschließende Gegensätze betrachtet. Dahinter steht die Auffassung des Glaubens im Sinne eines Für-wahr-Haltens. Glaube ist aber ein existentieller Akt, der zum Menschen als solchen immer schon dazu gehört. Damit gewinnt der Zweifel aber auch eine positive Bedeutung, bewahrt er den Menschen doch letztlich davor, fundamentalistisch und fanatisch zu werden. Es gilt somit, dieses „Dilemma des Menschseins“ (J. Ratzinger) auszuhalten. Das macht Werner Schüßler in seinem Beitrag anhand des Glaubensverständnisses von Karl Jaspers, Peter Wust und Paul Tillich deutlicht.

Obwohl der Zweifel in keinem guten Ruf steht und auf dem Ackerfeld des Glaubens wie Unkraut erscheint, ist er auch im Neuen Testament präsent. Die Jünger Jesu zweifeln bis in die Schlussszene des Matthäusevangeliums hinein. Auch Petrus zweifelt. Ohne handfesten Beweis will Thomas – der notorische Zweifler – nicht glauben. Sie alle portraitieren eindrucksvoll einen viel versprechenden, zukunftsbahnenden und konstruktiven Zweifel. Dieser ist geboten, damit der Glaube vorwärts kommt. Zweifel ist kein Unkraut, wie Hans-Georg Gradl in seinem Beitrag deutlich macht, sondern viel eher ein Düngemittel, damit der Glaube reif und reflektiert, standfest und authentisch werden kann. Der Glaube braucht den Zweifel, damit er suchend bleibt und nicht zur Ideologie verkommt.

Wo uns Bilder der Gewalt im Namen Gottes abstumpfen lassen und Flüchtlinge mit anderem Glauben irritieren, hat es der christliche Glaube schwer. Das Schweigen Gottes, die Nichterfahrung seines Wirkens und die Macht des Bösen bewirken von jeher das Zweifeln des Menschen an Gottes Existenz. Als Mensch wird auch Jesus von solchen Zweifeln tief infrage gestellt. Der Zweifel des gläubigen Menschen an Gott ist weder ein Mangel noch eine Krankheit. Er wirkt wie eine offene Wunde, die der Mensch versorgen muss. Diese Wunde lässt Sehnsucht nach Gott aufkommen. Wo Menschen sich anderen und ihm öffnen, wird die „Zwei-teilung“, die das „Zwei-feln“ hervorbringt, auf „Ein-heit“ hin überwunden. Johannes Schelhas kann in seinem Beitrag aufzeigen, dass ein Mensch um der Zuwendung Gottes zum Menschen willen zweifelt. Die Mutter Jesu gibt dies modellhaft zu erkennen.

Um die Rolle des Zweifels im spirituellen Leben geht in dem Beitrag der Benediktinerin Mirijam Schaeidt. Dabei zeichnet sie zunächst grob den Weg eines intensiveren spirituellen Lebens nach, mit möglichen Fallen und Momenten der Verunsicherung darin, die das weitere Wachstum aber erst ermöglichen. In weiteren Schritt wird sodann der Zweifel in Bezug auf die drei theologischen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe näher beleuchtet und auf das Entwicklungspotenzial hingewiesen, das nicht nur für den Einzelnen, sondern schließlich auch für den Weg der Kirche als ganze verborgen ist in der Erfahrung der Verunsicherung und des vorübergehenden Verlustes von Beheimatung im Glauben.

Die Beiträge werfen so von philosophischer, theologischer und spiritueller Perspektive her spannende Schlaglichter auf die dem Menschen notwendig innewohnende Polarität von Glaube und Zweifel, die es auszuhalten gilt. Denn was wäre die Alternative, führt doch die Unterdrückung des Zweifels letztlich zu Fundamentalismus und Fanatismus?

Trier, im Juli 2016Hans-Georg Gradl, Mirijam Schaeidt, Johannes Schelhas, Werner Schüßler
Glaube und Zweifel

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