Читать книгу Das Versehen - Johannes Storks - Страница 5
Szene 2
ОглавлениеKLARA, JOSEF (sitzen bei Tisch, essen)
KLARA Was willst Du trinken? Ein Bier?
JOSEF Hast Du denn Bier im Haus?
KLARA Hab mal wieder welches geholt.
JOSEF Na, schon recht (Klara holt ein Bier.)
KLARA Schmeckt’s Dir? Könntest ja auch mal was sagen.
JOSEF Gut, wie immer halt.
KLARA Früher, als Du mir den Hof gemacht hast, warst Du mal freundlicher.
JOSEF Was soll das jetzt?
KLARA Ich kam halt nur drauf, weil ich mich vorhin an unsere Hochzeit erinnert habe. Damals war ich dumm und jung, hab zwar studiert und wollte Lehrerin werden. Beim Dorffest haben wir uns kennen gelernt, erinnerst Du Dich? Ich bin extra ins Dorf gekommen, hab meine Tante besucht und abends sind wir dann zum Fest gegangen. Du hast mich zum Tanzen aufgefordert. Du warst kein guter Tänzer, bist mir mehrmals auf die Füße getreten. Aber das war egal. Kurze Zeit später hast Du mich gefragt, ob Du mich nach Hause bringen kannst. Und ich war ganz aufgeregt. Du bist ganz schön ran gegangen, wolltest mich küssen, warst ziemlich stürmisch. Na ja, jedenfalls hast Du gesagt, dass Du mich wiedersehen willst.
JOSEF Ja
KLARA Kaum war ich wieder an der Uni, da hast Du schon bei meinen Eltern um meine Hand angehalten. Ich wurde gar nicht erst gefragt. Aber so war das halt damals. Dir konnte es gar nicht schnell genug gehen. Ich wollte ja eigentlich gerne weiter studieren. Du hast eine Frau für den Hof gesucht.
JOSEF Ja, ja
KLARA Ich konnte mir ein Leben als Bäuerin nicht so recht vorstellen. Aber in der Stadt hätte ich auf Dauer auch nicht leben wollen. Lehrerin an einer Dorfschule, das war mein Traum. Die Eltern haben mir dann gut zugeredet, Du warst ja eine gute Partie. Und ein gut aussehender Mann warst Du auch. Also haben wir ziemlich bald geheiratet, ohne viel Drumherum.
JOSEF Warum erzählst Du das jetzt eigentlich alles?
KLARA Wenn ich die Leute da draußen sehe - die tun mir leid. Die müssen alles hinter sich lassen, ganz von vorne anfangen. Die hatten doch auch mal Träume. So wie ich. Meine Träume, die haben sich auch nicht erfüllt. Statt Lehrerin bin ich einfache Bäuerin geworden. Dabei hätte ich so gerne was mit Kindern gemacht. Mit eigenen Kindern hat’s dann auch nicht geklappt, an mir hat’s nicht gelegen. Und jetzt hocken wir hier allein herum und haben uns kaum noch was zu sagen. Aber die da draußen, die gehen weiter, immer weiter. Und werden immer mehr. Wie ein großer breiter Fluss…
JOSEF Hör auf mit dem Quatsch. Diese ganze Gefühlsduselei. Ich will keine Fremden im Haus haben. Basta. Du mit Deiner Hilfsbereitschaft. Bist Du überhaupt darauf vorbereitet? Wir haben es doch gut zu zweit. Was willst Du eigentlich?
KLARA Gut nennst Du das? Du hast mich angeschnauzt, mich angeschrien wie ein Tier, wenn Dir was nicht gepasst hat. Nie habe ich eine Entschuldigung von Dir gehört.
JOSEF (verärgert) Alles Dummheiten! Nur Worte! Was soll ich dazu sagen? So ist das Leben halt. Es besteht nicht aus Wünschen und Träumen.
KLARA Arbeiten von früh bis spät, Vieh füttern, Stall ausmisten, Garten pflegen, kochen, waschen, putzen – tagein, tagaus, Jahr um Jahr, und immer gute Miene zum bösen Spiel. Ich habe auf vieles verzichtet, habe es geduldig ertragen. Wie oft wäre ich gerne selbst geflohen, weg von Dir, weg von hier. Weg von dieser beschissenen Welt. Ich hatte es oft so satt! Ich werde es nie vergessen. Über all die Jahre bin ich alt geworden und konnte meinem Schicksal nicht entfliehen. Ich habe mich einfach damit abgefunden.
JOSEF Du hasst mich. Ich bezweifle, dass Dein Hass genug ist, um Dir zum Leben zu helfen Aber wird er genügen, um Dir beim Sterben zu helfen?
KLARA Ja, manchmal ist es Hass; es überfällt mich wie ein Fieber. Aber jetzt könnten wir endlich etwas tun, ausbrechen aus dem Bisherigen. Warum warten? Der Fluch meines Lebens ist es, nie ans Ziel gekommen zu sein. Einsamkeit und Stille, Stille und Einsamkeit, es ist ein Teufelskreis. Unser Leben hier ist wie abgeriegelt. Und ich konnte es nie aufbrechen. Aber jetzt…
JOSEF So viele Jahre hast Du gebraucht, nur um das zu erkennen? Fang wegen mir von vorne an. Aber dazu hast Du gar nicht den Mut. Was willst Du denn erreichen? Dich selbst bestätigen? Du könntest weiterleben wie bisher. Wen willst Du retten? Dich? Oder die da draußen auf der Straße? Die sollen ein Anreiz sein, dass Du Dich auf die alten Tage hin veränderst? Du bist wirklich verrückt. Hahaha, Du gehörst zu mir, mehr denn je.
(Es klingelt.)