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STURZ DER VERDAMMTEN

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I.

Gott warf mich aus wie ein Kristall, ein Körnlein war ich schwebend in seinen Gewässern,

ich spannte Tiefe und Höhe, und Höhe und Tiefe schufen mein Angesicht.

Solch Angesicht schuf ich mir, daß ich es trage untröstlich und unwandelbar,

durch maßlos verwobene Vielfalt, daß ich es trage ewig und unwandelbar.

Du Fischer Gott, viel ist seither verflossen.

Kinder trug man in Särglein silbernen Holzes zur kühlen Erde.

An Deinen Angeln winde ich mich verhöhnt und höckerig,

umkränzte mich mit Wiese und Wald und Ebenmaß Deines Gelächters.

Woge, die mich zerschlug, Berg, darin ich erstickt, Frost, daran ich zerbarst

und ihr, Lüste und Schmerzen, Ja und Nein, daraus ich mich wob und wirkte,

ihr seid, ich aber bin nicht. — An Gottes Angeln

schwanke ich matt und verworfen, unwissend, was er mit mir fahe.

Er irrt, ein Gelächter, mir über die Fläche des Herzens,

er zehrt mir an Krippen der Seele und leert sie aus,

er schlägt sich als Atem leise an meine Spiegel,

er schreitet vorüber und hat weder Gruß noch Sinn.

Schwer ist und trostlos unwandelbaren Antlitzes zu sein,

zu verschäumen im Dunkel, zu verhallen in eigener Weite.

Finster schufen wir uns die Welt, erhaben, voll großer Geste.

Doch eh’mals in silbernen Barken war Süße und Licht.

II.

Weh uns, weh der Schwere, Schwere schwer ohne Boden, ohne Rast,

weh uns, weh dem Sturze, unendlich entfielen wir Deiner Verneinung, Herr.

Grenze setztest Du, Tod und Verwandlung,

durch tausend Verwandlungen ewig stürzen wir totwärts ins Dunkel.

Unser Fall ist ab und auf, rechts und links, ohne Gegend, ohne Raum,

unser Maßloses hast Du zerrissen zu Vielfalt, verklebt in schmerzlichem Widerspiel,

unser einiger Strahl brach sich an Deinen Flächen und sonderte sich in schwirrende Weltensysteme.

Wehe, wer nimmt von uns Antlitz verzerrt und bresthaft,

Verfluchung unserer Schönheit, die sich aufbaut wie Hohngelächter eines anderen Gottes.

Verfelst sind wir gleich Erzadern in die Kurzatmigkeit Deiner Ordnung.

Mit Dir, Gott, Palisade, haben wir uns gegen uns umgürtet.

Siehe, es ist Frühling, bunter Frühling und alle Frauen werden schön.

Siehe, es ist fahle Herbstzeit und das Gewässer orgelt klagend im Haine.

Soweit ich mich weite in Unmaß der Mitternacht, die smaragden sich auftut:

Zerspalten bin ich in Du und Ich, in Sinn und Gebilde.

Dieses ist unser Sturz, den niemand von uns nimmt, der Sturz der Verdammten:

Gefesselt sind unsere Häupter an diese Scholle Ordnung, die lastend uns mitreißt.

Wissend zu sein, ward uns nicht, Unwissenheit ward uns nicht,

wie flackernder Pechkranz, geschleudert ins Dunkel versinkt unsre Seele.

III.

(Chor der Pferde)

Aus Mühsal der Verschirrung, spitzem Hetzwort, dröhnenden Asphalten,

aus Häuserflucht, die engend uns umwölbt und dem Getön der kriegerischen Städte

auf leisem Floß entglitten wir durch fieberndes Gewässer, drauf der Mond

wie eine Flöte hing, die blanke Münzen in die Wellen träuft.

In diesem Weideland, umsäumt von dem Kristall der Nacht

(Aquamarin ertönt, Topase lächeln da und dort),

in sanften Umriß hingelagert träumen wir durch Stundenflut,

der Hufe Munterkeit ist eine Herde bunten kleinen Feldgetiers.

In Stollen eingekantet und genährt von Fäulnis, drein sich böses Wort wie giftger Ampfer mengt,

war unser Herz ein schwelend Grubenlicht, gehängt an rauhe Klippen, wo kein Halm ergrünt.

Wir barsten in Kolonnen wiehernd schreckenvoll und türmten uns zu schauerlichem Babel der Vernunft.

Wir brachen ein in fahler Vorstadt sonndurchglüht und großer Zulauf zerrt an uns und Polizist.

O Mensch, in Schwere eingebettet, Schwankung zwischen Auf- und Niedergang,

Verwandlung, reinlich abgeteilt vom Grenzenlosen, angeufert an das Nichts,

in sich gesondert weh in Ja und Nein, Versagung pflanzend in das Herz der Welt,

o Mensch, abreiß ich alle Riegel, weh, was zerrst Du meinen wunden Leib.

Satanisch ist Dein Thule, abgeebbt von Gott!

Versargt in schiefgefügte Satzung taumelst Du durch Maskenwirrsal unverwandt,

indessen er, pfadlos und süß im Zittern unserer Weichen bebt,

parforcegehetzt von Dir, blutroter Reiter im Geheimnis Deiner Welt.

IV.

Auf den Boulevards Deiner Seele wirst Du, o Mensch, einstmals Dir selbst begegnen,

auf den Boulevards und den Brücken, vergeblich beschritten von viel unkundigen Füßen.

Dich wirst Du finden, den dunklen Sucher, von allen verlassen,

der seinen Schatten aufsammelt vom Boden, daß er niemand verletze.

Leise wird Dein Tritt sein von Haus zu Haus, alle Tore wirst Du versperren

und alle Schlüssel schleuderst Du hinter Dich, in die seufzende Schwärze des nächtlichen Flusses.

Du lässest die Straßen sich rollen wie hitziges Blech, Deine Hand zerdrückt die grünliche Frucht der Laternen,

sogar den Hunden und Fledermäusen wirst Du mit fahlem Messer und spitzem Steinwurf begegnen.

Deine Gefährten werden sein die Seellosen, die Bäume und die Gestirne,

alle Pfade wirst Du hinaustragen in die Wüste und sie im Winde zerstreuen,

zwischen Deinen Fingern werden die Dimensionen wie spröde Stäbe zerbrechen

und den Raum, darin Du verkapselt Dich mühtest, reißest Du auf nach allen Seiten hin, maßlos.

Wohl Dir, Du guter Wälzer der Augen, des Eis nicht zerschmilzt zu zeitlicher Träne,

den Gott nicht mehr einsam macht, nicht mehr das Weib mit sinnlos klaffendem Mantel umlauert.

Wohl Dir, Maskenzertrümmerer, Finder eigenen Unheils, Selbstverneiner:

Das schimmernde Sein hast Du zum Nichtsein gemacht und Dich gelöst zu düstergroßer Verklärung.

Endlos ist Dir das wehe Gelände des Schmerzes,

darinnen Du schreitest und schwarzes Brot der Versagung issest,

ewig ist Dir das phosphorfarbene Schlafwandlerlächeln,

das nicht zerschellt in den hohlen Grüften der Erde.

Sturz der Verdammten (Johannes Urzidil) (Literarische Gedanken Edition)

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