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Man schrieb das Jahr 1587. Im spanischen Ausrüstungshafen Cadiz herrschte Hochbetrieb. Auf der Reede ankerten eine Vielzahl schwerbewaffneter Kriegsgaleonen. Darunter mächtige Brocken von über tausend Tonnen. Und immer noch liefen neue Schiffe die Reede von Cadiz an.

Offiziere und Mannschaften der heransegelnden Schiffe wußten nicht, warum man sie nach Cadiz beordert hatte, und an Bord der Verbände kursierten die wildesten Gerüchte.

Aber mit einem ganz entscheidenden Handicap hatte die spanische Flotte zu kämpfen: Viele Schiffe waren zu alt und den Anforderungen bei Sturm kaum noch gewachsen: Außerdem mangelte es der spanischen Flotte entschieden an guten Seeleuten und Kapitänen, die Erfahrung genug hatten, um auch mit schwierigen Situationen fertig zu werden. Hinzu kam noch der Umstand, daß gerade manche der kleineren Galeonen hoffnungslos überladen war und viel zu tief im Wasser lag, das laufende und stehende Gut der Takelage zu wünschen übrigließ und obendrein noch die Ladung in den Schiffen unsachgemäß verstaut und gegen plötzliches Übergehen nur unzureichend gesichert war.

Solche Verhältnisse und Zustände herrschten auch auf einigen Schiffen des andalusischen Kampfverbandes, der am Vortag die Straße von Gibraltar passiert hatte und sich jetzt durch den plötzlich aufkommenden schweren Sturm mit Kurs auf Cadiz durch die vom Atlantik heranrollenden Brecher kämpfte.

Admiral Don Nerja stand auf dem Achterdeck seines Schiffes, der fast achthundert Tonnen großen Kriegsgaleone „Almeria“. Die „Almeria“ war ein Zwei-decker neuester Bauart. Die Reise nach Cadiz war zugleich auch ihre Jungfernfahrt. Sie führte als Bewaffnung fünfzig Zwanzigpfünder, etliche Mörser schwersten Kalibers und auf dem Vor- wie Achterkastell verteilt insgesamt zehn Drehbassen.

Die Besegelung der „Almeria“ verteilte sich auf vier Masten, der Mast auf dem Achterdeck hatte einen gewaltigen Lateinerbesan.

Admiral Nerja ließ seine Blicke über das Hauptdeck, das durch Schiffslaternen erhellt wurde, gleiten. Die Achthundert-Tonnen-Galeone war viel zu schwach bemannt. Er wußte das, und deshalb beunruhigte ihn der Sturm. Denn nicht nur sein Schiff verfügte über eine zahlenmäßig viel zu schwache Besatzung, sondern auch etliche der anderen. Sein Verband zählte acht Schiffe, darunter auch drei völlig veraltete Zweihundertfünfzig-Tonner. Der Teufel mochte wissen, warum er so plötzlich nach Cadiz hatte aufbrechen müssen, aber der königliche Kurier hatte keinerlei Zweifel daran gelassen, daß der Befehl umgehend zu befolgen sei und keinerlei Fragen gestellt werden durften. Auch nicht von ihm, Admiral Don Nerja.

Die „Almeria“ arbeitete trotz ihrer achthundert Tonnen schwer in der hochgehenden See. So groß sie war, so schwerfällig zeigte sie sich bei diesem Wetter. Da war ihr manches der kleineren Schiffe des Verbandes weit überlegen.

Die „Almeria“ segelte als letztes Schiff. Das war nicht die vorgeschriebene Ordnung, hatte sich jedoch bei Ausbruch des Sturmes so ergeben. Nur hin und wieder erschien auf den heranrollenden Wogen auch der Schatten von einem der anderen Schiffe des Verbandes und verschwand dann sogleich wieder in einem Wellental.

„Madre de Dios!“ sagte der Admiral, als die „Almeria“ schwer nach Steuerbord überholte. Er wurde gegen die an Steuerbord befindliche Nagelbank geworfen, rutschte auf dem nassen, glitschigen Deck aus und stürzte zu Boden.

Fluchend und stöhnend rappelte er sich wieder auf. Seinem ersten Offizier, der sofort herbeigeeilt war, dankte er durch eine Handbewegung.

„Danke, Senor Estéban, nicht nötig. Aber etwas anderes bereitet mir bei diesem Wetter Sorgen: Nehmen Sie sofort ein paar Leute und kontrollieren Sie die Ladung mittschiffs. Sie wissen, daß wir eine ganze Ladung Kanonen und Lafetten an Bord haben. Von den Eisenkugeln, der Unmenge von Pulverfässern, Musketen und anderen Waffen ganz abgesehen. Wenn diese Ladung verrutscht, Senor …“

Der Admiral sprach nicht aus, was dann geschehen würde. Sein erster Offizier wußte es auch so. Er wußte sogar noch mehr: Durch die Hektik des Aufbruchs war es unvermeidlich gewesen, daß einfache Seesoldaten einen Teil der Ladung in der „Almeria“ gestaut hatten. Niemand hatte mit einem solchen Sturm gerechnet. Schließlich stellte die Reise von Gibraltar nach Cadiz normalerweise kein Problem dar, zumal die Schiffe meist auch noch günstigen Wind hatten. So hatte man im Verband des Admirals ziemlich sorglos auf das Glück vertraut. Genau das sollte der „Almeria“ zum Verhängnis werden.

Senor Estéban winkte einen der Bootsmänner herbei und erteilte ihm die entsprechenden Befehle. Dann salutierte er kurz.

„Senor Admiral, ich werde mich um diese Sache persönlich kümmern. Ich erstatte Ihnen dann später ausführlich Meldung.“

Admiral Don Nerja nickte. Gleichzeitig beschloß er, einen Rundgang über das Schiff zu unternehmen, um sich zu vergewissern, daß jeder auf seinem Posten war. Er kontrollierte den Kurs, gab den Steuerleuten auf dem Achterdeck entsprechende Befehle und stieg aufs Hauptdeck hinunter. Er mußte damit rechnen, von überkommenden Seen durchnäßt zu werden, aber das war ihm im Augenblick höchst gleichglütig. Den Admiral plagten ganz andere Sorgen.

Ein paar Meilen vor dem Achthundert-Tonnen-Giganten des Admirals kämpfte eine Zweihundertfünfzig-Tonnen-Karacke erbittert mit dem Sturm. Das Schiff war uralt und knackte nicht nur in allen seinen Verbänden, wenn es von einem der gewaltigen Brecher überrollt wurde, sondern es war auch hoffnungslos überladen. Ebenfalls mit Kanonen, Pulver und Proviant.

Der Kommandant, ein noch junger und ziemlich unerfahrener Offizier, klammerte sich auf dem wie wild hin und her torkelnden Achterkastell fest. Er war vor Seekrankheit grün im Gesicht und hatte sich so oft übergeben, daß sein Magen nun nur noch mit äußerst schmerzhaften Krämpfen reagierte.

Er sah gerade noch den Brecher, der von Backbord her auf das Schiff zurollte. Die Karacke lag ohnehin schon tief und schwerfällig in der See. Nur unwillig richtete sie sich wieder auf, wenn einer der Brecher sie nach Steuerbord überrollte und dabei in die aufgewühlte See drückte.

Längst war ein Teil der völlig unerfahrenen Seesoldaten über Bord gewaschen worden, andere waren von den wenigen erfahrenen Seeleuten unter Deck gescheucht worden. Aber selbst etliche der Seeleute hatten sich inzwischen an Wanten oder Masten festgelascht, weil sie den Gewalten der Brecher nicht mehr standzuhalten vermochten.

Der Brecher rollte heran, und der Kommandant der Karacke starrte ihm aus weit aufgerissenen Augen entgegen. Im Mondlicht glänzte der gigantische Wasserberg tückisch auf, ehe er die todwunde Karacke, die sowieso schon viel zu viel Wasser genommen hatte, unter sich begrub.

Dem Kommandanten war, als ob um ihn herum das Inferno ausgebrochen sei. Er wurde von den Wassermassen vom Achterdeck aufs Hauptdeck hinuntergespült und verfing sich irgendwie zwischen zwei Geschützen. Nur das bewahrte ihn davor, von dem Brecher in die See hinausgespült zu werden.

Er merkte nicht, wie die See zwei der drei Masten erbarmungslos abknickte, wie sie die schweren Geschütze an Steuerbord aus den Brooktauen riß und über Bord spülte, nachdem die schweren Rohre das Schanzkleid und die Stückpforten zerschlagen hatten. Er hörte auch nicht, wie die schweren Lateinersegel an Deck klatschten und die herunterkrachenden Gaffelruten etliche Männer erschlugen. Und er merkte nichts mehr davon, daß die Karacke endgültig aus dem Ruder lief und in der tobenden See sofort querschlug, denn auf dem Achterkastell gab es keinen Mann mehr, der am Ruder stand.

Und doch überlebte der Kommandant dieses Mal noch, aber nur, damit ihm der grauenhafte Anblick nicht erspart blieb, der sich seinen Augen bot, als er das Bewußtsein wiedererlangte, Wasser spuckte und sich auf die Füße quälte.

Der gepeinigte Mann, den man zum Dienst auf See dereinst gepreßt hatte, glaubte, die Hölle habe ihre Sendboten persönlich geschickt, um ihn ins ewige Fegefeuer zu zerren.

Er sah den gigantischen Schatten, den Berg von einem Schiff, das auf die sinkende und von der wilden See völlig zerschlagene Karacke mit schäumender, gischtender Bugwelle zuhielt und sich rasendschnell zu nähern schien. Dann war die Luft, die ganze Welt erfüllt vom berstenden Krachen, vom Splittern des Holzes und vom Schreien der wenigen Überlebenden, als sich der Achthundert-Tonnen-Rumpf der „Almeria“ in die Karacke bohrte.

Der Kommandant spürte den wahnsinnigen Schmerz, als sich der Rumpf seines Schiffes wie eine Pappschachtel unter der Wucht des Anpralls zusammenschob und ihn zu Tode quetschte. Er schrie, aber auch sein letzter Schrei verhallte ungehört. Und so versank er in dieser Sturmnacht mit seinem Schiff und mit seinen Männern in den Fluten des Atlantiks, während die schwere Kriegsgaleone alles zermalmend über die Karacke hinwegwalzte.

Admiral Don Nerja wurde bei dem Anprall aufs Achterdeck geschleudert. So heftig, daß er sich diesmal nicht sogleich wieder erhob. Das Wrack der Karakke, über das sich die „Almeria“ schob, ehe sie es unter Wasser drückte, schlug ein Loch in den mächtigen Bug und drückte einen Teil der Backbordseite ein. Gurgelnd schoß das Wasser in die Galeone, während sie weit nach Steuerbord überholte – so weit, daß die Ladung, die Senor Estéban und seine Männer wieder festzurren wollten, endgültig überging.

Donnernd lösten sich die schweren Geschützrohre, zermalmten Kisten und einen Teil der Männer und rutschten zusammen mit den Lafetten gegen die Steuerbordwand des Rumpfes. Aber die „Almeria“ hatte Glück – der mächtige Rumpf hielt der Belastung stand. Trotzdem krängte das große Schiff von diesem Moment an stark nach Steuerbord, und der heulende Sturm drückte es zusammen mit den Brechern noch tiefer in die See.

Wenig später hasteten die Zimmerleute über Deck. Die Leckstelle war gemeldet worden, und der Kampf ums Überleben begann. Die Leckdichtungstrupps leisteten Übermenschliches in dieser Nacht, aber sie schafften es. Auch wenn die „Almeria“ viel Wasser genommen hatte, auch wenn Senor Estéban und die Männer, die den Zusammenprall im Laderaum mittschiffs überlebt hatten, irgendwann vor Erschöpfung umkippten – die „Almeria“ schwamm, sie überstand den Sturm.

Admiral Don Nerja hatte schnell gehandelt, als er den ersten Überblick über die Katastrophe, von der sein eigenes und ein anderes Schiff seines Verbandes betroffen worden war, gewonnen hatte.

Ihm war sofort klar geworden, daß die Almeria nur dann eine Überlebenschance hatte, wenn es ihm gelang, auf dem kürzesten Weg die Küste anzulaufen und das Schiff entweder auf Grund zu setzen oder einen geschützten Ankerplatz zu finden.

Don Nerja war erfahren genug, um auch zu begreifen, daß es für sein angeschlagenes Schiff jetzt das beste war, vor dem Sturm herzulaufen. Deshalb trieb er die Männer an die Brassen und steuerte Kurs Ost. Cadiz konnte nicht mehr weit sein, aber es war ihm in diesem Moment auch völlig gleichgültig, wo er auf die Küste stieß. Es gab eine ganze Reihe von Buchten, und selbst der drohende Legerwall, also vom Sturm an die Küste getrieben zu werden, erschien ihm immer, noch besser, als hier draußen in den tobenden Elementen sein Ende zu finden.

Außerdem verfügte die „Almeria“ über sehr große und sehr starke Anker. Im übrigen erlaubten der eingedrückte Bug sowie das angeschlagene und nur notdürftig abgedichtete Vorschiff auch gar keine andere Maßnahme, als vor dem Sturm herzulaufen und den Brechern wenigstens an der kritischen Stelle keine Angriffsmöglichkeit mehr zu bieten.

Daß seine Entscheidung – zwar nur mit sehr viel Glück – richtig gewesen war, das merkte Admiral Don Nerja, als der Sturm etwas abflaute und sich die Morgendämmerung über die Kimm schob. Seine Galeone steuerte geradewegs eine Bucht an, die Don Nerja kannte. Er wußte, daß sie etwa fünfzig Meilen südlich von Cadiz lag. Und besser hätte er es gar nicht treffen können, denn diese Bucht bot auch gleichzeitig Schutz vor dem Sturm.

Don Nerja entschloß sich schnell. Zusammen mit Don Estéban, der mit blutverschmiertem Gesicht auf dem Achterdeck neben ihm stand, nachdem das weitere Übergehen der Ladung von ihm und seinen Männern in todesmutigem Einsatz verhindert worden war, beriet er, wo sie am besten ankern sollten. Sein Schiff war zu groß, um einen der Seitenarme anzusteuern, außerdem auch viel zu schwerfällig, um in dem engen Gewässer manövrieren zu können.

„Senor Admiral, ich würde raten, noch etwas weiter in die Bucht zu segeln, dort zu ankern, und zwar an einer Stelle, die für ein späteres Wenden noch breit genug ist, und alle Segel schon jetzt zu bergen. Wir laufen genug Fahrt, um den Ankerplatz zu erreichen. Unsere Segelmanöver dauern andernfalls mit den wenigen erfahrenen Seeleuten zu lange und würden unser Schiff erneut gefährden.“

Der Admiral nickte, und Senor Estéban gab die nötigen Befehle.

Eine gute halbe Stunde später hatte die „Almeria“ ihren Ankerplatz erreicht.

„Senor Estéban, lassen Sie den Anker ausbringen. Anschließend den Heckanker, damit das Schiff auch bei diesem Wetter sicher gehalten wird. Lassen Sie die „Almeria“ aber so legen, daß unsere Geschütze sowohl die Einfahrt als auch den inneren Teil der Bucht unter Kontrolle haben. Ich glaube nicht an Feinde, aber dieses verdammte Piratengesindel könnte in dieser Bucht vor dem Sturm Zuflucht gesucht haben. Wir werden die Bucht später absuchen. Eine alte Vorsichtsmaßnahme von mir, die Sie sich merken sollten, sobald Sie selber einmal Kommandant eines Schiffes sind!“

Senor Estéban salutierte. Minuten später rauschte die schwere Ankertrosse aus, und der Anker klatschte ins Wasser der Bucht. Abermals Minuten später folgte auch der Heckanker: Dann lag die Achthundert-Tonnen Galeone still in der Bucht, eine drohende Silhouette, die die Bucht beherrschte.

Das Unerwartete geschah eine halbe Stunde später. Auf dem oberen Geschützdeck löste sich durch die Unvorsichtigkeit eines Seesoldaten donnernd der Schuß aus einem der Zwanzigpfünder. Der Sturm, der genau aus der richtigen Richtung wehte, trug den Explosionsdonner zur „Isabella“ hinüber, die nach wie vor versteckt im gar nicht weit vom Ankerplatz der „Almeria“ entfernten Seitenarm der Bucht an ihrer Ankertrosse zerrte.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 140

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