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2.

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„Nimm deine dreckigen Griffel weg!“

Stenmarks Stimme klang schneidend. Er starrte den Giftzwerg wütend an, der sich an sein Lager geschlichen und nach dem breiten Ledergurt getastet hatte, der Stenmark als Kopfkissen gedient hatte.

Der Franzose, der nicht mehr als fünf Fuß maß, verzog sein schmales Gesicht zu einem Grinsen und erwiderte in gebrochenem Englisch: „Zeigt uns, was Ihr in den Gürteln versteckt, Suédois, dann habt Ihr eure Ruhe.“

„Ich kann dir was aufs Maul geben, Franzmann, dann hab’ ich auch meine Ruhe“, sagte Stenmark böse. Er band seinen breiten Ledergürtel, den Will Thorne ihnen allen genäht hatte, wieder um. Er dachte nicht daran, irgend jemandem auf die Nase zu binden, daß der Segelmacher der alten „Isabella“ Perlen, Juwelen und Goldstücke darin vernäht hatte, mit denen er ein halbes Königreich aufkaufen konnte. Der Giftzwerg vor ihm sah aus, als würde er einem Mann schon wegen ein paar Sous die Kehle im Schlaf durchschneiden.

„Du kannst nicht immer auf das Ding aufpassen, Suédois“, sagte der Giftzwerg. „Ich bin von Natur aus neugierig.“

Stenmark konnte sich nicht mehr beherrschen. Er trat einen schnellen Schritt vor, packte den kleinen Mann vorn am Hemd und hob ihn ohne große Mühe hoch.

„Hör mal zu, du halbe Portion!“ stieß er schnaubend hervor. „Du gehst mir langsam auf den Geist. Wenn du noch mal deine langen Griffel nach meinem Gürtel oder einem von meinen Kameraden ausstreckst, dann kannst du mit den Fischen Haschen spielen, verstanden?“ Er ließ den Giftzwerg los, daß dieser auf die Planken stürzte, sein Gleichgewicht verlor und sich auf den Hosenboden setzte.

Doch wie der Blitz war er wieder hoch. Das Grinsen war aus seinem Gesicht verschwunden. Seine kleinen, dunklen Augen blitzten vor Wut.

Stenmark konnte gerade noch ausweichen, als die rechte Hand des Franzosen vorzuckte und die schmale Klinge eines Messers sein Hemd an der Seite aufriß.

Er stieß einen überraschten Schrei aus. Instinktiv packte seine Linke zu und umklammerte das Handgelenk des Giftzwerges so hart, daß diesem nichts anderes übrigblieb, als das Messer loszulassen. Der Teufel mochte wissen, woher der Kerl das Ding so schnell gezaubert hatte.

Als es auf die Planken polterte, klatschte Stenmarks Linke bereits in das schmale Gesicht des Franzosen, der daraufhin ein Gebrüll anstimmte, als würden die Türken das Schiff entern.

Plötzlich waren Stenmark und der Giftzwerg nicht mehr allein im Vordeck. Ein Berg von einem Mann schob sich neben den kleinen Franzosen und baute sich drohend vor Stenmark auf. Ohne den Blick von dem Schweden zu nehmen, fragte er den Kleinen etwas. Der sprudelte ein paar Worte heraus, und Stenmark war überzeugt, daß der überwiegende Teil davon Lügen waren.

Der Riese starrte Stenmark aus grauen Augen an. Er sagte etwas, was Stenmark nicht verstand. Dann zuckte seine Faust vor, aber der Schwede war darauf gefaßt gewesen und wich geschickt aus. Er hatte mit der Rechten die Schnalle seines breiten Ledergürtels wieder geöffnet, und als der Riese sich schnaufend herumwarf, um ihn wieder anzugreifen, schleuderte er seinen Gürtel mit einer blitzschnellen Bewegung hoch, so daß die Schnalle dem großen Franzosen um die Ohren klatschte.

Stenmark wußte, wen er vor sich hatte. Der Riese war der Decksälteste der „Mercure“, und in seinen Fäusten sollte die Kraft eines Hammers stecken. Das hatte ihm den Namen „Marteau“ eingebracht, was im Englischen Hammer hieß.

Als der Riese röhrend in die Knie ging und sich die aufgeplatzte linke Wange hielt, wich Stenmark vorsichtshalber zwei Schritte zurück. Aus den Augenwinkeln sah er, daß ein weiterer Franzose auftauchte, ein blonder Kerl, der zwar etwas kleiner war als Marteau, dafür vielleicht aber noch breiter. Er war ein Bretone und sprach von allen Männern an Bord das beste Englisch.

„Was ist hier los?“ fragte er Stenmark.

„Der Giftzwerg wollte mir meinen Gürtel klauen“, erwiderte Stenmark, „dann hat er Marteau ein paar Lügen erzählt, und der ist auf mich losgegangen.“

Die stahlblauen Augen des Bretonen verengten sich. Offensichtlich gefiel ihm nicht, daß Stenmark seine Kameraden als Lügner beschimpfte. Er wandte sich an den Decksältesten, der sich langsam erhob, und fragte ihn was auf Französisch.

Stenmark fluchte leise in sich hinein. Er fragte sich, wo seine Kameraden blieben. Sie mußten doch auch bemerkt haben, daß hier im Vorschiff was los war!

Als der Giftzwerg zu grinsen begann, wußte er, daß die Sache brenzlig wurde. Der Bretone, der der Bootsmann der „Mercure“ war, wandte sich wieder an Stenmark. Er wies auf den breiten Ledergürtel, den Stenmark in der rechten Hand hielt.

„Zeig uns den Gürtel!“ befahl er hart.

Stenmark schüttelte den Kopf.

„Ihr müßt ihn euch schon holen, wenn ihr ihn haben wollt!“ sagte er kalt.

Ein Grinsen zog die etwas wulstigen Lippen des Bretonen in die Breite. Mit einer ausholenden Bewegung wies er auf Marteau und dann auf sich.

„Glaubst du, daß du gegen uns beide lange auf den Beinen bleibst?“ fragte er. „Gib den Gürtel her, und du ersparst dir ein paar gebrochene Rippen.“

Stenmark war sich klar darüber, daß hier mit Worten nichts mehr auszurichten war. Er entschied sich, die Lücke nebem dem Decksältesten, in der der Giftzwerg stand, zu nutzen, um aus dem Vorschiff auf die Kuhl zu gelangen, wo sich Carberry, Ferris Tucker und die anderen aufhalten mußten.

Er fintete plötzlich auf den Bretonen zu, sein Gürtel wirbelte wieder durch die Luft, traf den Decksältesten abermals am Kopf, wich zur Seite aus und rammte den Giftzwerg mit der Schulter, daß dieser wie von einem Katapult geschleudert gegen einen Balken prallte und schreiend zu Boden ging.

Auch Stenmark schrie. Allerdings nicht vor Schmerzen. Er brüllte seinen Kampfruf hinaus, der seine Kameraden zu Hilfe holen würde.

„Arwenack!“

Fast hätte er es geschafft, an Marteau, dem Hammer, vorbei in die Kuhl zu entwischen. Doch der Riese, der bestimmt vom Schlag mit dem schweren Ledergürtel Ohrensausen hatte, war noch so weit bei Besinnung, daß er instinktiv sein rechtes Bein zur Seite ausstreckte.

Stenmark sah es zu spät. Er stolperte. Mit rudernden Armen versuchte er, sein Gleichgewicht zu halten, schaffte es nicht und krachte schwer auf die Decksplanken.

Marteau ließ sich einfach auf ihn fallen. Die mächtigen Pranken des Riesen krallten sich in den Ledergürtel und versuchten, ihn Stenmark zu entreißen.

Der Schwede schüttelte schnell seine Benommenheit ab. Er stieß seine linke Faust hoch und traf Marteaus Nase. Der Riese brüllte vor Schmerzen. Offensichtlich hatte Stenmark seine empfindlichste Stelle erwischt. Dennoch ließ der Kerl den Gürtel nicht los.

Neben sich spürte er das Zittern der Planken. Er fragte sich, warum der Breteone nicht in den Kampf eingriff. Als er den Kopf etwas drehte, sah er den Grund. Der Bootsmann lag neben ihm auf den Planken, alle viere von sich gestreckt.

„Ed! Gott sei Dank“, flüsterte er.

Er sah, wie Edwin Carberry den Riesen, der immer noch auf ihm hockte, im Genick packte und ihn hochriß. Klatschend landete Carberrys Handrücken im Gesicht des Decksältesten, dann erhielt der Riese einen Stoß und taumelte gegen den Giftzwerg, der sich gerade wieder aufgerappelt hatte. Zusammen gingen die beiden zu Boden.

Hinter Carberry tauchten Ferris Tucker, Blacky und Jeff Bowie auf. Sie schirmten das Geschehen vor den anderen Franzosen ab, die den Lärm mitgekriegt hatten und nachsehen wollten, was es wohl im Vorschiff gegeben hatte.

Carberry zog Stenmark zur Seite.

„Was war los?“ fragte er.

Stenmark berichtete keuchend.

„Sie sind ganz versessen darauf, zu erfahren, was es mit unseren Gürteln auf sich hat“, sagte er zum Schluß. „Ich glaube, daß wir noch eine Menge Ärger kriegen.“

„Wir sollten die Schneckenfresser alle über Bord schmeißen“, knurrte Blakky, „dann hätten wir unsere Ruhe.“

Carberry schüttelte den Kopf. Sein hartes, narbiges Gesicht spiegelte die Sorgen wider, die ihm die Entwicklung an Bord der „Mercure“ bereitete.

„Ich werde mir den Bootsmann mal vorknöpfen, wenn er wieder klar aus der Wäsche gucken kann“, sagte er grollend. „Wenn er Stunk an Bord haben will, dann kann er ihn kriegen. Er braucht nur das Maul ein bißchen zu weit aufzureißen, dann werde ich es ihm kalfatern, daß er sich durch die Nase ernähren muß.“

„Affenarsch!“ krächzte „Sir John“, der auf Carberrys Schulter flatterte und nach seinem Ohr hackte.

„Halt’s Maul, wenn ich rede“, sagte Carberry.

Ferris Tucker wiegte den Kopf und schaute seine Kameraden an, die sich inzwischen alle um ihn, Stenmark und Carberry geschart hatten.

„Ich habe auch schon überlegt, ob wir mal mit dem Kapitän oder mit Duval, seinem Steuermann, reden sollen“, sagte er nachdenklich. „Ich glaube kaum, daß das Erfolg haben wird. Wir müssen uns mit der Mannschaft auseinandersetzen. Wenn sie merken, daß mit uns nicht gut Kirschen essen ist, werden sie uns in Ruhe lassen.“

„Du meinst, wir sollen sie alle durchmangeln?“ fragte Bill grinsend.

„Wenn sie es nicht anders wollen, warum nicht?“ erwiderte Ferris. „Allerdings sind wir nur acht, und sie bringen mit dem Steuermann siebzehn Mann auf die Beine. Außerdem weiß ich nicht, wie sich Finnegan und Rogers verhalten werden.“

Carberry wischte Ferris’ Bedenken mit einer kurzen Handbewegung beiseite.

„Auf jeden von uns zwei Mann“, sagte er. „Das ist doch kein Verhältnis. Vielleicht sollten sich der Kutscher, Bill und Luke als Reserve zur Verfügung halten, damit sie einspringen können, wenn einer von uns anderen ein bißchen müde geworden ist.“

Es schien für sie alle klar, daß eine Kraftprobe unausweichlich war. Sie waren bereit, noch in dieser Minute loszulegen und den Schneckenfressern zu zeigen, was es hieß sich mit der Crew des Seewolfes aus Arwenack anzulegen.

Mit grimmigen Gesichtern starrten sie dem Bretonen und Marteau, dem Decksältesten entgegen, als die aus dem Vorschiff auftauchten und leicht schwankend über die Kuhl zum Achterdeck hinüberschlurften. Offensichtlich wollten sie dem Steuermann und dem Kapitän Bericht erstatten, daß die verdammten Engländer aufsässig wurden.

Jack Finnegan und Paddy Rogers, die beiden Engländer, die von der „Mercure“ aus dem Wasser gefischt worden waren, wichen den wütend vorbeistampfenden Franzosen aus.

Den beiden Männern war noch deutlich die Anstrengung ihres Zwangsaufenthalts auf dem Mars ihres gesunkenen Schiffes anzusehen. Sie hatten einen schlimmen Kampf mit den Elementen und mit drei Holländern hinter sich, in dem es um Wasser und damit ums nackte Überleben gegangen war. Jack Finnegan hatte nicht viel erzählt, aber Luke Morgan, der sich viel um die beiden gekümmert hatte, wußte inzwischen eine Menge von den beiden.

„Ich werde mit Jack und Paddy sprechen“, sagte Luke. „Ich glaube nicht, daß sie sich auf die Seite der Franzosen schlagen werden, wenn es hart auf hart geht. Und neutral können sie auch nicht bleiben.“

„Tu das“, sagte Ferris. „Zwei Mann mehr können nicht schaden. Auch wenn Ed allein mit den Schneckenfressern fertig werden würde.“

„Ja, ja“, murmelte Jeff Bowie. „Unser Profos und die große Schnauze von seinem Papagei.“

Carberry blickte ihn drohend an, sagte aber nichts. Schließlich konnten sie gerade jetzt keinen Streit unter sich gebrauchen. Aber irgendwann würden sie wieder ein eigenes Schiff haben, und dann würde er Jeff übers Deck jagen, bis ihm das Wasser im Hintern zu kochen begann!

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 262

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