Читать книгу Seewölfe - Piraten der Weltmeere 226 - John Roscoe Craig - Страница 6

3.

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Der Wind hatte gedreht, und die Karacke lief mit Backbordhalsen hart am Wind. Die Piraten waren guter Dinge, seit sie wußten, daß der Kapitän Kurs West befohlen hatte. Viele von ihnen hatten einen Großteil ihres Vermögens in Port Caché, das sie nur ungern gegen die Ungewißheit getauscht hätten, beim Angriff auf die Silberschiffe eine fette Beute aufzutun.

Der Kutscher stand in seiner kleinen Kammer und starrte auf den kleinen Lederbeutel, den er in der Hand trug. Ein Grinsen huschte über seine Züge. Dieser Hasard war doch ein Teufelsbraten!

Trotzdem fühlte sich der Kutscher in seiner Haut nicht wohl. Hasard hatte ihm zwar erzählt, daß der Koch gesagt hätte, die Männer würden nach dem Gift nur drei Tage schlafen, aber er war sich dessen nicht sicher. Wenn sie nun alle Piraten vergifteten?

Ach was, dachte der Kutscher. Er hatte Ratatouille, den buckligen, zwergenhaften Koch gesehen. Der konnte keiner Fliege was zuleide tun.

Er dachte zurück. Vor zwei Stunden war er mit den drei Piraten an Bord zurückgekehrt. Sie hatten tatsächlich zwei Bergschafe erwischt. Die Mannschaft, die früher mit den Arbeiten am Großmast fertig geworden war als erwartet, hatte gejubelt. Die Aussicht auf ein saftiges Stück Fleisch hob ihre sowieso schon gute Stimmung noch mehr.

Der Kutscher hatte beide Schafe dem kleinen Koch gegeben. Er selbst hatte sich für die Piraten vom Achterdeck nur ein paar gute Stücke ausbedungen. Als Ratatouille das Schlachten der Schafe in der Kuhl beaufsichtigte, hatten Hasard und Philip den Kutscher zur Seite gezogen und in den Verschlag geführt, dessen Gestank den Kutscher fast aus den Stiefeln gehoben hätte.

„Wie kann man es hier drin nur aushalten!“ hatte er gesagt.

„Man gewöhnt sich an alles“, war Hasards lakonische Antwort gewesen. Dann hatte er eine Schachtel von einem Wandbord geholt und dem Kutscher entgegengehalten.

„Dies ist ein Gift“, hatte er geflüstert, „wenn man es ins Essen mischt, schlafen die, die es zu sich genommen haben, mindestens drei Tage.“

„Woher weißt du das?“ hatte der Kutscher stirnrunzelnd gefragt.

„Der Koch hat es uns erzählt. Er wollte schon mal die ganze Mannschaft in einen Tiefschlaf versetzen und dann abhauen, damit sie ihn nicht mehr quälen können.“

„Und was sollen wir damit?“

„Mann!“ hatte Hasard hervorgestoßen. „Wenn wir die Mannschaft einschläfern, können wir die Karakke übernehmen und auf Dad warten.“

Mehr hatte der Kutscher nicht erfahren. Ratatouille war aufgetaucht. Er hatte dem Kutscher das Fleisch übergeben und gemeint, daß es Zeit wäre, das Essen vorzubereiten. Er hatte den Kutscher aus dem Verschlag geschoben und die Zwillinge angetrieben, alles zurechtzulegen, was sie zum Kochen brauchten.

Der Kutscher hatte plötzlich vor dem Verschlag gestanden und gespürt, daß er etwas in der Hand hielt. Es war ein kleiner Lederbeutel, den Hasard ihm zugesteckt hatte, und er wußte genau, was sich darin befand.

Er war zu Matt Davies hinübergegangen und hatte ihm alles berichtet. Matt war begeistert gewesen. Er war überzeugt, daß die „Isabella“ noch an diesem Tag wieder vor der kleinen Insel auftauchen würde. Sie brauchten also nur hier zu warten. Ein Tag würde ihnen auf jeden Fall genügen.

Jetzt stand der Kutscher vor dem Feuer und starrte auf den Lederbeutel. Langsam öffnete er ihn. Weißes Pulver befand sich darin. Er wußte nicht, wie groß die Dosis für die zwölf Männer sein mußte, für die er kochte. Er hatte den Inhalt der Schachtel nicht gesehen und wußte nicht, wieviel von dem Gift Hasard abgefüllt hatte.

Er packte den Lederbeutel mit der Rechten und wollte alles in die Soße kippen, als er den Ruf an Deck hörte.

„Schiff Backbord voraus in Sicht!“

Voraus? Das konnte nicht die „Isabella“ sein.

Der Kutscher zog den Lederbeutel wieder zu und hörte im selben Moment, wie Türen auf dem Gang geöffnet wurden. Schritte polterten über die Planken. Die Stimme Le Requins hallte über das Quarterdeck, und der Ausguck antwortete aus dem Mars. Der Kutscher konnte allerdings nicht verstehen, was er rief.

Dann ging es wie ein Schrei über Deck.

„Spanier!“

Der Kutscher fluchte. Er nahm den Ledereimer mit Wasser, der neben dem Feuer stand, und kippte ihn in die Esse. Zischend stieg Dampf auf und füllte die kleine Kammer. Das Essen würde ausfallen, daran gab es keinen Zweifel, denn wenn sich der Spanier näherte, brauchte Le Requin jede Hand, um ihm entweder davonzusegeln oder aber zu bekämpfen.

Nachdem er sich überzeugt hatte, daß das Feuer verlöscht war, verließ er die Kammer und eilte aufs Quarterdeck. Der Bootsmann und der Schotte jagten die Leute in die Wanten. Es sah so aus, als wolle Le Requin einem Kampf ausweichen.

Die Galeone war schon mit bloßem Auge gut zu erkennen. Der Ausguck schrie hinunter, daß es sich um einen Zweidecker handele, der mindestens dreißig Kanonen mit sich führe.

Der Kutscher wurde blaß. Es war ein spanisches Kriegsschiff, das wahrscheinlich hier vor den Jungferninseln patrouillieren und die Bewegungen der Piraten beobachten sollte.

„Schiff klar zum Gefecht!“ brüllte Le Requin.

Für einen Moment war es still auf dem Schiff. Alle starrten den Kapitän an, als ob sie ihn nicht richtig verstanden hätten. Als dann die Befehle zur Kursänderung auf den Spanier zu über Deck hallten, wußte jeder, was die Stunde geschlagen hatte. In den Augen des Bootsmanns las der Kutscher, daß dieser annahm, Le Requin sei schon genauso verrückt wie der Comte de Fauvenoir, der die „L’Exécuteur“ noch bis gestern geführt hatte.

„Es bleibt uns keine andere Wahl, Nicolas“, sagte Le Requin. „Wenn die Spanier feststellen, daß sich in dieser Gegend kein einziger Pirat aufhält, werden sie mißtrauisch. Wir müssen die Galeone versenken, damit die Spanier keine Möglichkeit haben, ihre Beobachtung irgend jemand mitzuteilen.“

„Haben wir eine Chance?“ fragte der Bootsmann heiser.

Le Requin verzog sein narbiges Gesicht zu einem harten Grinsen. „Man hat immer eine Chance, wenn man an sein Glück glaubt und auf seine Kraft und seinen Mut vertraut.“

Der Kutscher schaute den Vorbereitungen zu, die Le Requin befohlen hatte. Statt unter vollem Zeug weiterzusegeln, ließ er die Fock und das Großsegel bergen. Alle Männer, bis auf die paar, die die Segel zu bedienen hatten, wurden unter Deck befohlen oder hatten sich so zu verbergen, daß sie von dem anderen Schiff aus nicht gesehen werden konnten.

Der Kutscher starrte gebannt auf die heranrauschende Galeone. Die Stückpforten waren geöffnet, die Kanonenrohre ragten daraus schußbereit hervor.

Hoffentlich hat sich Le Requin nicht verrechnet, dachte der Kutscher, und die Spanier schossen die Karacke erst einmal in Fetzen, bevor sie fragten, wer sich auf dem Schiff befand. Schließlich rechneten sie damit, daß sich in dieser Gegend Piraten aufhielten.

Der Kutscher hatte sich, als der Befehl Le Requins über Deck hallte, daß sich jeder zu verbergen habe, in die Kuhl verdrückt und war zu dem Verschlag hinübergelaufen, wo auch Ratatouille das Feuer bereits gelöscht hatte.

Flüsternd fragte der Kutscher Hasard, ob er schon …

Hasard schüttelte heftig den Kopf, als ob er sagen wolle, daß er doch nicht blöd sei.

Der Kutscher befahl ihnen, sich unter Deck zu begeben, und da auch Ratatouille den Verschlag verließ, widersprachen sie nicht.

Die Spanier verhielten sich im Bewußtsein ihrer unüberwindlichen Stärke wie Dummköpfe. Sie ließen die Karacke, an deren Großmast jetzt die Flagge Kataloniens wehte, ungehindert an sich heran. Sie reagierten auch noch nicht, als die erste Breitseite der Karacke in ihr Backbordschanzkleid schlug und die Batterie im oberen Deck fast vollständig zerstörte. Erst als die Karacke eine Halse fuhr, um ihrerseits ihre Backbordkanonen zum Einsatz zu bringen, schienen die Spanier zu bemerken, daß der Feind gefährlicher war, als sie vermutet hatten.

Doch die ersten Treffer hatten sie so aus dem Gleichgewicht gebracht, daß sie keine Chance mehr gegen die Piraten hatten. An Deck der Karacke wimmelte es plötzlich von Piraten, und die meisten Spanier schlossen bereits mit ihrem Leben ab.

Le Requin hatte allerdings nicht vor, die Galeone entern zu lassen. Er wollte sie versenken.

Die nächste Breitseite bohrte sich mit ohrenbetäubendem Krachen in den Rumpf der Galeone. Fast augenblicklich hatte das Schiff Schlagseite. Entsetzte Schreie übertönten das Bersten des Großmastes.

Die Piraten begannen zu jubeln. Sie hatten die Galeone tödlich getroffen, ohne selbst auch nur eine Kugel hinnehmen zu müssen.

Le Requin ließ abdrehen. Er wollte aus sicherer Entfernung abwarten, was geschah.

Boote wurden zu Wasser gelassen. Einige von ihnen kenterten, bevor ein Mann sie bestiegen hatte. Dann schlug die Galeone um. Es hörte sich an, als rülpse die See. Männer wurden durch die Luft geschleudert und klatschten ins Wasser. Für einen Moment ragte der Vormast der Galeone noch aus dem Wasser, dann verschwand auch er.

Nur ein heiles Boot war zurückgeblieben. Männer schwammen darauf zu und versuchten, sich am Dollbord hochzuziehen. Andere, die bereits im Boot saßen, schlugen ihnen mit den Riemen auf die Finger. Fast wäre das Boot gekentert.

Le Requin gab den Befehl, das Boot zu versenken. Er konnte es sich nicht erlauben, einen der Spanier an Land gelangen zu lassen. Zu leicht war es möglich, daß die Spanier noch vor dem Angriff auf die Silberflotte gewarnt wurden.

Die erste Kugel lag etwas zu kurz.

Mit zusammengepreßten Lippen sah der Kutscher, wie die Spanier aus dem Boot hechteten. Sie hatten offensichtlich erkannt, daß die Piraten es sich als Ziel ausgesucht hatten.

Die zweite Kugel zerfetzte es in tausend Stücke.

Le Requin befahl, auf den alten Kurs zurückzugehen. Das Großsegel und die Fock wurden wieder geheißt, und die Karacke nahm Fahrt auf.

Der Kutscher, der neben Matt Davies und Stenmark auf der Kuhl stand, wollte gerade mit ihnen besprechen, ob sie doch noch das Gift ins Essen mischen sollten, als der Ausguck im Mars schon wieder Schiffe meldete. Eins Steuerbord voraus, ein anderes weit im Osten vor den Inseln, die sie hinter sich gelassen hatten.

Matt Davies schüttelte den Kopf.

„Warte mit dem Gift“, flüsterte er. „Wenn die Piraten ausgeschaltet sind und wir laufen einem Spanier vor die Kanonen, sind wir geliefert.“

„Hoffentlich findet Hasard deine Mütze“, murmelte Stenmark. „Hast du sie auch nicht so versteckt, daß niemand sie findet?“

„Für wie blöd hältst du mich?“ fragte der Kutscher wütend. „Ihr könnt froh sein, daß ich bei euch bin, sonst hätten euch die Piraten schon an Land abgemurkst.“

„Ich hab dich jede Nacht in mein Gebet eingeschlossen“, erwiderte Stenmark grinsend.

Der Schock war ziemlich groß, als sie in die Flußmündung einliefen und niemanden am Ufer entdecken konnten.

Hasard wußte, daß niemand mehr auf dieser Insel war, jedenfalls nicht lebend. Denn sonst hätten sie die „Isabella“ längst entdecken müssen und sich am Ufer eingefunden.

Trotzdem schickte er ein Boot ans Ufer, um nach Spuren zu suchen. Vielleicht hatten die Piraten die Männer und die Zwillinge aufgestöbert und getötet.

Bill hatte sofort den Steinhaufen entdeckt, der ein paar Yards vor der Waldschneise aufgestapelt war. Als er dann die Mütze des Kutschers fand und darin das beschriftete Stück Leinen, brach er in Jubel aus. Er lief mit den anderen, die ihn an Land begleitet hatten, zum Boot zurück, und sie pullten zur „Isabella“ hinüber.

Alle waren froh, daß die Zwillinge, Matt Davies, Stenmark, Blacky, Batuti und der Kutscher noch am Leben waren. Sie liefen sofort wieder aus, da sie wußten, daß der Vorsprung der Karacke kaum mehr als fünf Stunden betragen konnte.

„Wir waren zu lange unterwegs“, sagte Ben Brighton, als die „Isabella“ hart am Wind auf westlichen Kurs ging. „Ich hab noch nie was von diesem Port Caché gehört.“

„Es wird eine kleine, unbekannte Bucht sein“, sagte Hasard. „Wenn wir die Karacke vorher nicht einholen sollten, werden wir ganz schön suchen müssen. Vielleicht wird uns nichts anderes übrigbleiben, als in der Mona Passage zu kreuzen und zu warten, bis die Karacke Kurs auf die Turks-Inseln nimmt.“

„Mal nicht den Teufel an die Wand“, sagte Ben. „Auch wenn die Karacke schnell ist, bis wir Espanola erreicht haben, haben wir sie längst erwischt.“

„Du vergißt, daß wir sie nicht angreifen können“, warf Hasard ein. „Oder willst du riskieren, daß einer von unseren Leuten dabei draufgeht?“

Ben Brighton fluchte unterdrückt und starrte zum Mars hinauf, wo Arwenack herumturnte.

„Noch keine Mastspitze in Sicht?“ brüllte er hinauf.

Dan O’Flynns Gesicht erschien über der Segeltuchverkleidung. Er schüttelte den Kopf.

„Ich werde mir die Karten von Espanola ansehen“, sagte Hasard und wandte sich um. „Vielleicht finde ich irgendeinen Hinweis.“

Ben Brighton nickte, obwohl er wie Hasard wußte, daß die Zeichen des Kutschers nicht ausreichten, auch nur den ungefähren Standort von Port Caché zu bestimmen.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 226

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