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2.

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Philip Hasard Killigrew preßte die Lippen aufeinander. Der letzte Geschützdonner war verrollt, und die beiden ineinander verkeilten Rümpfe der zerschossenen Karavellen waren auf die Sandbank aufgelaufen.

Wenn Hasard sich zu diesem Zeitpunkt auf der „Isabella“ befunden hätte, wäre er jetzt genauso zufrieden gewesen, wie es Ben Brighton sicher war.

Für Hasard hatte sich die Lage indessen sehr zu seinen Ungunsten entwickelt. Eins war klar: Francis Drake konnte keine Rücksicht darauf nehmen, daß sich noch einige Männer der „Isabella“ an Land befanden. Er mußte seinen Auftrag, die Karavellen in der Dungarvanbai einzuschließen, ausführen – ganz gleich, ob ein paar Männer dabei ihr Leben ließen.

Hasards Blicke glitten zwischen der Sandbank, auf der die zerschossenen Karavellen festsaßen, und den restlichen drei spanischen Schiffen hin und her. Die drei Karavellen, die rechtzeitig gehalst hatten, um den tödlichen Kugeln der englischen Galeonen zu entgehen, kämpften sich mit halbem Wind gegen das ablaufende Wasser westwärts zurück in die Bai. Sie standen jetzt auf gleicher Höhe mit Hasard, und obwohl sie das Boot, das in einer Sandkuhle lag, nicht sehen konnten, hatte Hasard kein gutes Gefühl.

Er blickte wieder zur Sandbank hinüber.

Die Spanier hatten eine Menge Männer verloren, aber die, die sich an Land hatten retten können, genügten vollauf, um Hasard und seine sieben Männer in die Hölle zu jagen.

„Warum schießen sie die Kerle nicht zusammen?“ fragte Matt Davies wütend. „Die holen sich in aller Ruhe ihre Waffen von Bord, mit denen sie uns nachher massakrieren werden!“ Er spuckte in den Sand und hieb mit dem blitzenden Haken, der mit einer Ledermanschette am Stumpf seines rechten Unterarms befestigt war, durch die Luft.

„Vielleicht wissen sie nicht, daß wir noch hier hocken“, sagte Hasard ruhig. Sie durften nicht die Nerven verlieren. Irgendeine Möglichkeit mußte es geben, den Spaniern zu entgehen und zurück auf die „Isabella“ zu gelangen.

„Wenn die beiden Lecks im Boot dicht sind, segeln wir zur ‚Isabella‘ rüber“, sagte Dan O’Flynn. „Die Spanier haben die Hosen gestrichen voll. Die sind froh, wenn wir sie nicht angreifen.“

Die Männer begannen zu grinsen. Hasard war dem Bürschchen dankbar. Mit seiner großkotzigen Bemerkung hatte er die Männer beruhigt. Im Grunde hatte das Bürschchen ja auch recht. Wie oft waren sie in der letzten Zeit in brenzlige Situationen geraten! Und sie hatten noch jedesmal einen Ausweg gefunden.

Hasard sah, wie die ersten Spanier von den zusammengeschossenen Karavellen das Ufer erreichten und sich zusammenrotteten. Sie warteten auf das Boot, das zum zweitenmal von den Karavellen zurück zum Ufer gepullt wurde. Hasard konnte erkennen, wie die Spanier Waffen und Pulverfässer ausluden, und ein leichter Schauer kroch ihm über den Rücken, als er daran dachte, daß die Spanier diese Pulverfässer zu ihnen herüberschleudern konnten.

Die winzige Bucht, in der sie hockten, war von Felsen und Geröll umgeben. Die Stellung war gut, um ein paar mit Musketen und blanken Waffen angreifende Männer abzuwehren – gegen Pulverladungen waren sie hier nicht geschützt. Im Gegenteil. In der engen Bucht würde es sie alle erwischen. Und wenn es ihnen gelang, mit dem lecken Boot zu entfliehen, würden die Kanonen der spanischen Karavellen sie in Fetzen schießen.

Hasard sah, wie Gary Andrews, der hinter einem Felsen hockte und die Küste westwärts ihres Standpunktes beobachtete, zusammenzuckte. Bevor Andrews seinen Warnschrei ausstoßen konnte, wußte Hasard, was die Stunde geschlagen hatte.

Zuviel war an diesem Tag in der Dungarvanbai geschehen. Die Iren, die an dieser Ecke der grünen Insel schon immer rebellisch gewesen waren, fühlten sich bis aufs Blut gereizt.

Nachdem am Morgen ihr Waffenlager in die Luft gesprengt worden war, kochten sie vor Wut. Die Arbeit von drei Jahren war damit zum Teufel. Jetzt konnten sie wieder von vorn anfangen.

Außerdem hatten sie im Morgengrauen Blut geleckt, als es ihnen gelungen war, Burtons Truppe zu massakrieren.

„Wie viele sind es?“ fragte Hasard und packte seine Muskete fester.

„Mindestens zwei Dutzend“, sagte Gary Andrews schrill. „Sie rennen genau auf unsere Bucht zu. Sie müssen wissen, daß wir hier stecken.“

„Dreh nicht durch, Gary“, sagte Hasard. „Nimm deine Muskete und warte, bis ich den Befehl zum Schießen gebe. Und ziel ruhig, verstanden? Jeder Schuß muß sitzen!“

Alle nickten, obwohl Hasard nur Gary Andrews angesprochen hatte.

Hasard blickte auf die beiden gefesselten Männer, die unterhalb eines vorhängenden Felsens lagen. Einen Moment dachte er daran, Burton und seinen Profos loszubinden, damit sie an ihrer Seite gegen die Iren kämpfen konnten. Er schüttelte den Kopf. Das Risiko, daß Burton ihm in den Rücken schießen würde, war zu groß. Der Haß in den Augen des Gefesselten sagte Hasard genug.

Sie hörten schon das Gebrüll der heranlaufenden Iren.

Hasard warf noch schnell einen Blick zur Sandbank hinüber. Die Spanier von den zerstörten Karavellen hatten sich bereits auf den Weg gemacht, um über Land zu den anderen Karavellen zu gelangen.

Die drei restlichen Karavellen hatten beigedreht. Ein paar Männer auf den Achterdecks starrten herüber. Auf einer Karavelle wurde ein Boot zu Wasser gelassen.

Hasard fluchte leise. Das hatte ihnen noch gefehlt! Jetzt wurden sie von drei Seiten angegriffen. Und jede dieser Gruppen war ihnen überlegen!

Er fand keine Zeit mehr, sich einen Schlachtplan zu überlegen. Wie die Brandung von auflaufendem Wasser fielen die Iren über ihre Bucht her.

Hasard wartete, bis er das Weiße in den Augen der ersten Iren sehen konnte. Dann schrie er seinen Befehl zum Feuern hinaus.

Acht Musketen krachten auf einmal. Pulverdampf stieg auf und nahm den Männern der „Isabella“ für einen Moment die Sicht. Nur am Schreien der Verwundeten hörten sie, daß die meisten Kugeln getroffen hatten.

Sie bückten sich und rissen die anderen Musketen vom Boden hoch. Die Iren hatten den Schrecken über das erste, höllisch genau gezielte Feuer noch nicht überwunden, als die zweite Salve wieder sieben Männer von den Beinen riß.

Diesmal sah Hasard die Iren zusammenbrechen.

Ich möchte doch wissen, wer vorbeigeschossen hat, dachte er grimmig. Ein Grinsen verzog sein Gesicht, als der achte Mann in die Knie ging und langsam mit dem Gesicht in den hellen Sand fiel.

Die Verwirrung unter den Iren war vollkommen. Im Morgengrauen hatten sie einem Trupp Engländer das Fürchten beigebracht und anschließend einen nach dem anderen getötet, ohne selbst nennenswerte Verluste hinnehmen zu müssen. Jetzt lagen sechzehn von ihnen tot oder verwundet am Boden, ohne daß sie einen ihrer Gegner zu Gesicht gekriegt hatten.

Hasard erkannte seine Chance. Die Spanier waren noch weit entfernt. Das Boot hatte gerade erst abgelegt.

„Los, Männer!“ brüllte er aus Leibeskräften. „Zeigt es den rothaarigen Affen, wie ein Engländer kämpfen kann! Jagt sie in ihre Höhlen zurück!“

Stenmark, Batuti und Matt Davies schienen auf diesen Befehl nur gewartet zu haben. Sie sprangen hinter der Felsbarriere auf und hechteten mit einem Satz darüber. Hasard, Dan O’Flynn und Blacky waren nur einen halben Schritt hinter ihnen. Gary Andrews hatte seine Muskete am Lauf gepackt und schwenkte sie wild über dem Kopf. Seine Augen waren weit aufgerissen. Ein heiliger Zorn schien ihn gepackt zu haben. Er schwang sich von dem Felsen, hinter dem er gehockt hatte und griff die entsetzten Iren von der Seite an. Hinter sich hörte er Tom Smith keuchen, der mit weit vorgestrecktem Entermesser auf die Iren losstürmte.

Diese Crew war aus anderem Holz geschnitzt als die Engländer, die im Morgengrauen wie die Schafe zur Schlachtbank marschiert waren. Die Iren registrierten es in ihrer dumpfen Benommenheit. Aber Iren waren keine Feiglinge, und statt Fersengeld zu geben, wie es für sie am besten gewesen wäre, stellten sie sich dem fürchterlichen Feind entgegen und kämpften mit dem Mut der Verzweiflung.

Sie hatten den Ruf des jungen schwarzen Hünen vernommen, daß sie den Iren zeigen wollten, wie ein Engländer kämpft. Engländer? Dieses schwarze Ungeheuer mit den bleckenden Zähnen, das gutturale Schreie ausstieß, und dieser blonde Riese, der etwas brüllte, das sich wie „Heja“ anhörte, sollten Engländer sein?

Teufel waren das, die der finstersten Tiefe der Hölle entsprungen waren!

Die Iren warfen sich diesen Teufeln entgegen. Noch waren sie in der Übermacht. Sie wichen dem schwarzen Ungeheuer aus und warfen sich zu dritt auf Hasard, der einem von ihnen die Glocke seines Degens ins Gesicht stieß. Der Mann schrie auf. Aus einer klaffenden Wunde lief das Blut und verlieh seinem verzerrten Gesicht den Ausdruck eines Wahnsinnigen.

Hasard konnte den Messerstichen des zweiten Iren nur durch eine blitzschnelle Körperdrehung entgehen. Der Mann stolperte an ihm vorbei und lief genau in die vorgereckte Enterpike Dan O’Flynns. Der Ire krümmte sich zusammen. Sein Mund öffnete sich zu einem Schrei. Er brachte nur ein Gurgeln heraus, und als Dan die Waffe aus seinem Körper riß, fiel er zur Seite. In seinen Augen war schon kein Leben mehr.

Den dritten Iren schleuderte Hasard mit einem Fußtritt beiseite.

Neben sich hörte er einen wilden Schrei. Er drehte sich um. Trotz der bedrohlichen Situation konnte er sich ein Grinsen nicht verkneifen.

Batutis Gesicht war vor Enttäuschung verzerrt. Die verdammten Iren, gegen die er kämpfen wollte, wichen ihm aus! Jetzt rannte er hinter zwei Kerlen her, die ihre Waffen weggeworfen hatten und ihr Heil in der Flucht suchten.

Plötzlich stand Gary Andrews vor ihnen. Die schwere Muskete sauste durch die Luft und mähte den einen Iren um. Der rothaarige Mann vollführte einen Salto, klatschte mit dem Bauch in den Sand und streckte alle viere von sich.

Gary wollte schon ausholen, um dem nächsten den Schaft der Muskete ebenfalls um die Ohren zu schlagen, doch da brüllte Batuti ihn wütend an: „Nix hauen! Das sein mein Mann! Du suchen dir selber einen!“

Mit offenem Mund stand Gary Andrews da und beobachtete, wie Batuti sich den zweiten Iren schnappte und ihn durch die Mangel drehte, bis er besinnungslos neben dem anderen lag.

Batuti rieb sich zufrieden die Hände. Seine Augen glänzten, als er sich umdrehte und auf das Getümmel blickte, das immer noch vor der kleinen Bucht tobte.

Stenmark hielt zwei Iren, die nicht viel kleiner waren als er selbst, am Genick und knallte ihre Köpfe zusammen. Mit einem Seufzer legten sich die beiden Männer schlafen.

„Vorsicht, Stenmark!“ die helle Stimme Dan O’Flynns kippte über.

Der blonde Schwede zuckte zusammen und wirbelte herum. Pfeifend zerteilte ein Säbel dicht neben seiner Schulter die Luft. Stenmark packte zu. Er kriegte den Säbelarm zu fassen und drehte ihn herum. Der Ire heulte auf. Er wollte mit der anderen Faust zuschlagen, doch Stenmark stieß ihm den Ellenbogen zwischen die Zähne. Der Säbel fiel in den Sand.

Der Schwede ließ den heulenden Iren los und bückte sich nach dem Säbel. Doch wenn er geglaubt hatte, der Ire würde sich jetzt zur Flucht wenden, hatte er sich getäuscht. Wie ein Berserker griff der gedrungene Mann an. Sein Gesicht war rot, vor Wut verzerrt. Seine Faust öffnete sich. Stenmark sah einen Schleier auf sich zufliegen, und zu spät erkannte er, daß der Ire ihm Sand entgegenschleuderte. Er wollte die Augen zukneifen, doch er schaffte es nicht mehr.

Wie Feuer begannen seine Augen zu brennen. Er sah nichts mehr. Instinktiv stieß er den Säbel vor, aber er traf nur Luft. Er hörte ein Keuchen und dann einen fürchterlichen Schrei. Wie ein Wilder hieb er weiter mit dem Säbel um sich. Nur langsam begann sich der Schleier vor seinen Augen auszulösen.

„Willst du mir unbedingt die Rübe absäbeln?“ schrie Dan O’Flynn. „Halt endlich das Brotmesser still, verdammt noch mal, damit ich mir meine Pike wiederholen kann!“

Stenmark erstarrte. Er wischte sich mit der linken Hand über die Augen. Verschwommen sah er den Iren vor sich im Sand liegen. In seiner Brust steckte die abgekürzte Pike Dan O’Flynns. Das Bürschchen mußte seine fürchterliche Waffe dem Iren entgegengeschleudert haben. Der eiserne Haken hatte sich tief in den Brustkorb des Mannes gebohrt. Blut sickerte in den Sand und färbte ihn dunkel.

Als Dan bemerkte, daß Stenmark wieder sehen konnte, ging er außerhalb der Reichweite des Säbels um den Schweden herum und holte sich seine Pike zurück. Dann blickte er sich nach dem nächsten Gegner um. Batuti hatte sich den letzten Iren geschnappt und schleuderte ihn gegen einen Felsen. Leblos sank der Mann zu Boden.

Matt Davies und Blacky hielten die Iren, die inzwischen wieder zur Besinnung gekommen waren, in Schach. Der blitzende Haken an Matts rechtem Arm schien die rothaarigen Kerle besonders zu beeindrucken. Obwohl ihnen die Wut über die Niederlage in den Gesichtern geschrieben stand, wagten sie nicht, sich zu rühren.

„Jagt die Kerle davon“, sagte Hasard gepreßt. „Sie sollen ihre Verwundeten mitnehmen.“ Er drehte sich um und schwang sich wieder über die Felsbarriere, hinter der immer noch Burton und sein Profos gefesselt lagen.

Isaac Henry Burton zitterte vor Wut. Über sein feistes Gesicht mit den fleischigen Wangen und dem gespaltenen Kinn rann der Schweiß in Strömen. Wahrscheinlich hatte er die ganze Zeit über versucht, seine Fesseln zu lösen. Die blaßblauen Augen funkelten mordlustig, als Hasard auf ihn zutrat, ihn kurz herumwälzte und die Fesseln prüfte, die sich nicht um einen Deut gelockert hatten.

Hasard ging zur Felsbarriere zurück, nachdem er einen kurzen Blick auf die Bai geworfen hatte. Das Boot mit den Spaniern hatte die Hälfte der Strecke bereits geschafft. Die drei Karavellen waren vor Anker gegangen. Sie befanden sich außerhalb der Geschütze der englischen Galeonen.

„Gary, Tom und Blacky bleiben draußen und beobachten die Iren“, sagte Hasard. „Ich kenne die sturen Hunde. Die geben noch nicht auf. Wenn sie merken, daß wir von den Spaniern angegriffen werden, kehren sie auf der Stelle um und fallen wieder über uns her. Nehmt euch jeder so viele Musketen und Pistolen, wie ihr tragen könnt, und sucht euch eine gute Deckung. Schießt das nächste Mal früher, damit sie nicht erst an unsere Bucht herankommen.“

Die drei Männer nickten, während die anderen zurück über die Felsbarriere kletterten und ihnen die Musketen hinüberreichten. Kugeln und Pulver standen ihnen in ausreichender Menge zur Verfügung. Sie hatten sich aus dem Lager in den Drum Hills zur Genüge eingedeckt.

„Binden Sie mich los, Killigrew!“ kreischte Isaac Henry Burton plötzlich los. „Sie werden noch bereuen, was Sie getan haben. Ich bin ein Offizier Ihrer Majestät! Sie werden für Ihr Verbrechen am Galgen …“

Er verstummte. Seine Augen quollen hervor, und er wagte kaum noch zu schlucken, denn dann hätte der spitzgefeilte Haken an der Hand von Matt Davies die Haut an seinem Hals geritzt.

„Halt endlich deine große Schnauze, du widerliche Ratte“, sagte Matt böse, „sonst legen wir dich und deinen Profos um und behaupten, die Iren hätten es getan.“

Burton wurde zuerst bleich, dann traten rote Flecken auf seine schwammigen Wangen.

„Die Idee ist gar nicht mal so schlecht, Matt“, sagte Dan O’Flynn. „Ich hätte nicht gedacht, daß dir so etwas einfallen würde …“

Hasard hörte nicht mehr auf das Gespräch der Männer. Er schob seinen Kopf über den Felsen, der sie gegen die Bai abdeckte. Die Spanier waren schon ziemlich nah. In dem Boot saßen sechzehn Männer. Zehn davon waren Soldaten. Sie trugen Helme und Brustpanzer. Jeder von ihnen hatte eine Muskete bei sich, an ihren Hüften hingen Degen, mit denen sie verdammt gut umgehen konnten.

Hasard wußte, daß diese Spanier allein keine besonders große Gefahr für ihn und seine Männer darstellten. Sie befanden sich hier in sicherer Deckung hinter Felsen und Sandwällen, während die Spanier in dem Boot wie auf einem Präsentierteller saßen. Die Musketenkugeln würden sogar die Bootswand durchschlagen.

Viel mehr Sorgen bereiteten Hasard die anderen Spanier, die von den zusammengeschossenen Karavellen geflüchtet und nun auf dem Weg zurück zur Stiefelspitze – dem Landeplatz – waren, um an Bord der restlichen drei Karavellen zu gelangen. Sie hatten genügend Pulver bei sich, um eine Bombe zu basteln, die Hasard und seine sieben Männer in die Luft blasen konnte.

Verdammt, warum verfolgen die Galeonen die Spanier nicht? Gewiß, es war nicht leicht für die Schiffe, gegen das ablaufende Wasser die Bai hinauszusegeln, aber schließlich war ihre Bewaffnung der der Spanier weit überlegen, so daß das Risiko, selbst eine Niederlage einzustecken, ziemlich gering war.

Hasard blickte zur „Isabella“ hinüber. Ben Brighton konnte ihm nicht helfen. Er hatte kaum genügend Seeleute an Bord, um mit dem Schiff zu manövrieren. Aber an Bord der „Santa Cruz“ und der „Marygold“ waren genügend Leute, die ihnen zur Hilfe eilen konnten. Oder hatte Drake ihn und seine Männer bereits abgeschrieben?

Hasard hatte keine Zeit mehr, weiter darüber nachzudenken. Er konnte schon die Geräusche des Bootes hören. Die Riemen klatschten regelmäßig ins Wasser, und die gedämpfte Stimme eines Spaniers gab leise Befehle.

Dann war nur noch das leise Schwappen der von den Felsen zurückgeworfenen Wellen zu hören. Hasard winkte Batuti, Matt Davies und Stenmark heran. Die Männer hatten geladene Musketen in den Fäusten. Dan O’Flynn kroch auf einen Wink Hasards hin seitlich um den Felsen herum. Er sollte die Spanier von der Seite her mit ein paar Kugeln verunsichern, wenn es ihnen gelang, in die kleine Bucht zu stürmen.

Das Bürschchen grinste. In seinem Gürtel steckten vier Pistolen, und in jeder Hand hielt er eine Muskete. Jetzt fehlt nur noch das Messer quer im Mund, dachte Hasard, dann kippen die Spanier schon bei seinem Anblick aus den Stiefeln.

„Zielt auf die Köpfe oder die Beine“, flüsterte er den anderen zu. „Es ist nicht sicher, ob unsere Kugeln ihre Brustpanzer durchschlagen.“

Die Männer nickten. Batuti hatte die Zähne gefletscht. Er wartete wie die anderen auf den Moment, wenn der Bug des Bootes die Felsnadel passierte, die ihnen den Blick hinauf auf die Bai verwehrte. Sie durften sich nicht aufrichten, denn dann würde einer der Kapitäne auf den spanischen Karavellen sicher auf den Gedanken verfallen, ein paar Kanonen abzufeuern, ohne Rücksicht auf die eigenen Leute zu nehmen.

Hasard fluchte still vor sich hin. Es war bei den Spaniern nicht anders als bei den Engländern. Wenn es um den Erfolg einer Sache ging, war es gleichgültig, wie viele Menschen dafür sterben mußten.

Hasard haßte diesen Standpunkt, aber er wußte, daß er nichts daran ändern konnte.

Langsam schob sich die Bootsspitze um den Felsen, der wie ein langer Finger in die Bai ragte. Die Männer der „Isabella“ hatten ihre Musketen auf den Felsen gelegt und zielten sorgfältig. Sie hörten, wie Eisen gegen Felsen schlug. Wasser plätscherte, dann war wieder Stille.

In Hasards Hinterkopf begann es zu kribbeln. Er spürte, daß irgend etwas nicht in Ordnung war. Seine eisblauen Augen zuckten zu Dan hinüber, aber von dem Bürschchen war nichts zu sehen.

Und dann schob sich das Boot in seiner vollen Länge um die Felsnadel.

Außer den sechs Rudergasten befanden sich nur noch zwei Soldaten an Bord! Sie standen auf einer Ducht und zielten mit ihren Musketen auf die Felsen, hinter denen sich Hasard und seine Männer verbargen.

Fast hätte Hasard zu lange gezögert. Er sah, wie es in den Augen der Soldaten aufblitzte. Sie hatten die Gewehrläufe und die Köpfe entdeckt, die über die Felsen schauten. Sie wollten abdrücken, doch da fauchten ihnen die Kugeln der Engländer schon entgegen.

Die beiden Spanier hatten keine Chance. Die Kugeln aus Stenmarks Muskete riß dem einen das halbe Gesicht weg. Der Soldat kippte nach hinten und fiel auf einen der Rudergasten, die sich ins Boot geworfen hatten, nachdem die erste Salve aufgedonnert war.

Der zweite Soldat stürzte ins Wasser. Eine Kugel hatte seinen Helm getroffen und ihn bewußtlos geschlagen.

„Batuti und Matt!“ schrie Hasard und sprang auf. „Kümmert euch um die Rudergasten! Los, Stenmark, wir müssen die anderen Spanier aufhalten!“

Der Schwede hatte seine Muskete weggeworfen. Er hielt jetzt in jeder seiner mächtigen Pranken eine Pistole, die wie Spielzeuge aussahen. Gleichzeitig mit Hasard schwang er sich über den Felsen, hinter dem Dan O’Flynn verschwunden war.

Eine Muskete donnerte auf. Sie hörten einen gellenden Schrei, der von einem spanischen Soldaten stammen mußte.

Eine helle Stimme schrie: „Arwenack!“ Dann folgte der dünne Knall einer Pistole.

Mit Riesensätzen hastete Hasard und Stenmark auf die Stelle zu, an der geschossen wurde. Hasard spürte, wie ihm etwas Kaltes über den Rücken lief. Das Bürschchen kämpfte allein gegen eine Übermacht von acht spanischen Soldaten!

Hasard verscheuchte die Gedanken daran, was Dan alles passieren konnte. Der leichte Nordwind wehte ihm ins Gesicht und verwandelte die Schweißtropfen auf seiner Stirn in kleine kalte Perlen, die ihn in die Haut zu stechen schienen.

Hasard wich einem großen Felsbrocken aus, und dann sah er die von Felsen umrahmte kleine Bucht vor sich, in der ihr Boot lag.

Wieder krachte ein Pistolenschuß. Ein Spanier, der von den Felsen hinunter auf den Strand springen wollte, warf beide Arme in die Höhe. Sein Gesicht war von einem Augenblick zum anderen blutüberströmt. Die Muskete, die er in den Händen gehalten hatte, klapperte auf die Felsen und bohrte sich dann mit dem Lauf in den hellen Sand des schmalen Strandes.

Hasard blieb abrupt stehen, so daß Stenmark fast aufgelaufen wäre. Die Pistole in Hasards rechter Hand schwang hoch. Feuer und Rauch fauchten aus dem Lauf. Die Kugel riß einem Spanier das Bein unter dem Körper weg. Er stürzte zur Seite und krachte mit dem Helm auf den Lauf der Muskete, die er krampfhaft umklammert hielt. Hastig versuchte er sich aufzurichten, aber sein rechtes Bein knickte wieder ab. In seinen Augen war nichts als Angst. Den Mund weit geöffnet, starrte er auf Hasard und Stenmark, die schon wieder schossen.

Gott sei Dank! dachte Hasard erleichtert. Das Bürschchen war so vernünftig gewesen, in Deckung zu bleiben. Hasard hatte diesen Gedanken kaum zu Ende gedacht, da tauchte der Blondschopf hinter dem Felsen auf. Sein Gesicht war vom Kampfeseifer gerötet. Die Augen blitzten. Voller Begeisterung krähte er mit seiner Stimme, die sich überschlug: „Arwenack!“ und sprang über seine Deckung. Er stürmte mit vorgereckter Pike auf die restlichen vier spanischen Soldaten zu, die sich zu Hasard und Stenmark umgewandt hatten.

Der letzte Schuß von Hasard gab den Spaniern den Rest. Zwei von ihnen lagen mit blutigen Köpfen im Sand und rührten sich nicht mehr. Einer hockte mit wachsbleichem Gesicht an einem Felsen und preßte beide Hände auf den Leib. Zwischen seinen Fingern quoll dunkles Blut hervor. Der junge Bursche mit dem durchschossenen Bein hatte seine Muskete losgelassen und versuchte von den beiden großen Männern, die immer noch ihre rauchenden Pistolen in den Händen hielten, wegzukriechen.

Dan O’Flynn hieb einem Spanier mit der Pike den Helm vom Kopf.

„Schluß jetzt, Dan!“ brüllte Hasard. „Sie haben sich ergeben!“

Das Bürschchen hatte es in seinem Eifer nicht bemerkt, daß die Spanier ihren Widerstand aufgegeben hatten. Fast ein wenig enttäuscht zog er sich zu Hasard und Stenmark zurück.

Hasard nickte Stenmark zu. Der Schwede schnitt sein grimmigstes Gesicht und ging auf die Spanier zu. Er nahm ihnen die Waffen ab und befahl ihnen durch Gesten, daß sie ihre Helme und Panzer abnehmen sollten. Sie gehorchten widerspruchslos. In ihren Augen las Hasard das Entsetzen über die Wildheit, mit der sie hier am Strand empfangen worden waren.

Stenmark und Dan begannen die Spanier zu fesseln, auch den Jungen mit dem durchschossenen Bein. Der Mann mit dem Bauchschuß hatte ausgelitten. Als Dan ihn fesseln wollte, schaute er in zwei leere Augen.

Hasard war zurückgelaufen. Hoffentlich waren Batuti und Matt mit den spanischen Rudergasten fertig geworden. Wenn Batuti und Matt Davies auch zwei Kämpfer mit besonderen Qualitäten waren, so war eine dreifache Übermacht von spanischen Seeleuten nicht zu verachten. Hasard hatte schon oft erlebt, daß Seeleute nicht so leicht aufgaben wie Soldaten. Der Kampf mit den Naturgewalten hatte ihre Muskeln gestählt und ihren Willen darauf ausgerichtet, bis zum letzten Atemzug zu kämpfen.

Aber Batuti und Matt Davies brauchten keine Unterstützung mehr. Keuchend standen sie da, als Hasard auftauchte, um sich herum die sechs Rudergasten des spanischen Bootes.

Über die Brust Batutis zog sich ein breiter Streifen. Darunter glänzte die nackte, dunkle Bauchdecke. Über dem Gürtel staute sich das Blut. Die helle Segeltuchhose sog sich damit voll und färbte sich rot.

Batuti zog die Lippen in die Breite, als er Hasard auftauchen sah. Die beiden Reihen seiner makellosen Zähne leuchteten wie Perlen. Der Kratzer an der Brust schien ihm nichts auszumachen.

Matt Davies schaute weniger zufrieden drein. Auf seiner Stirn prangte eine eigroße Beule. Vor ihm im Sand lag ein Mann, alle viere weit von sich gestreckt. Ein blutiger Riß verlief über seine linke Gesichtshälfte bis zum Hals hinunter.

„Haut mir der Kerl doch glatt einen Riemen über die Birne, als ob mein Kopf aus Eisen sei“, sagte Matt wütend. „Aber der tut das bestimmt nicht noch mal.“

„Nix schlimm“, sagte Batuti und ließ seine Zähne blitzen. „Wenn Birne kaputt, dann kriegst du Haken auf den Hals.“

„Halt deine Klappe, du hinterhältiger Bastard“, sagte Matt und reckte drohend den Arm mit dem spitzgeschliffenen Eisenhaken vor. „Du hast genau gesehen, daß der Kerl von hinten mit dem Riemen auf mich losging! Ich hab dein Grinsen genau gesehen!“

Batuti blickte Matt Davies treuherzig an.

„Nix Grinsen“, sagte er. „Das war Schmerz wegen Streifschuß auf Brust.“

„Lüg mich nicht an, du nackter Affe!“ schrie Matt, der immer wütender wurde. „Den Kratzer hast du doch gar nicht gespürt!“ Hasard trat zwischen die beiden.

„Laß gut sein, Matt“, sagte er lächelnd. „Ihr könnt euch darüber weiter unterhalten, wenn wir wieder an Bord der ‚Isabella‘ sind. Fesselt die Spanier und bringt sie ins Boot. Wir müssen endlich sehen, daß wir hier verschwinden. Ich habe keine Lust, länger in dieser Falle zu hocken und zu warten, bis die Iren und die Spanier mit allen Männern über uns herfallen.“

„Aye, aye“, sagten die beiden wie aus einem Mund. Sie suchten sich Stricke und Lederriemen, die die Spanier als Gürtel trugen, und fesselten die bewußtlosen Rudergasten. Sie gingen nicht gerade sanft mit den Männern um, aber die spürten davon wenig.

Hasard hockte sich auf den Felsen, von dem aus er die Umgebung nach allen Seiten überblicken konnte. Er stöhnte leise auf, als er sah, daß die Spanier drei weitere Boote zu Wasser gelassen hatten. Wahrscheinlich sollten sie die Engländer, die dort am Ufer hockten, den Schiffbrüchigen den Weg zu den letzten drei Karavellen versperrten und wahrscheinlich für die Sprengung in den Drum Hills verantwortlich waren, endgültig in die Hölle jagen.

Östlich der kleinen Bucht, in der Hasard sich mit seinen Männern verbarg, sah Hasard Bewegung im Gelände. Die schiffbrüchigen Spanier waren nicht mehr allzuweit entfernt. Jetzt fehlte nur noch, daß sich auch die Iren in Dungarvan darauf besannen, daß es doch nicht so schwierig sein könne, einem Haufen von acht verfluchten Engländern zu einer vernünftigen Himmelfahrt zu verhelfen.

Hasards sehnsüchtiger Blick glitt hinüber zu den englischen Galeonen. Was er sah, ließ sein Herz plötzlich schneller schlagen. An der Steuerbordseite der „Marygold“ wurde ein Boot zu Wasser gelassen! Nacheinander stiegen fünfundzwanzig Soldaten hinein. Hasard konnte nicht erkennen, wer der letzte war. Wahrscheinlich „Black“ John Norris selbst. Er war bekannt dafür, daß er gefährliche Operationen gern selbst anführte.

Als Hasard zurück zu den spanischen Karavellen blickte, sank seine Hoffnung wieder. Das Boot von Drakes Schiff hatte fast die doppelte Entfernung wie die spanischen zurückzulegen. Wenn auch die Iren und die Schiffbrüchigen von Land angriffen, würde Norris mit seinen Soldaten erst hier eintreffen, wenn keiner der Männer von der „Isabella“ mehr am Leben war.

Hasards Augen verdunkelten sich, als er auf den gefesselten Burton und seinen vierschrötigen Profos sah. Diesen Kerlen hatten sie es zu verdanken, daß sie hier wie die Mäuse in der Falle hockten. Am liebsten hätte Hasard Batuti befohlen, Burton und seinen Profos in die Bai zu werfen.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 7/III

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