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2.

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Gustave Le Testu rieb sich die Hände, als er die drei Wagen inspiziert hatte. Das war der größte Transport, den er bisher hatte abfangen können. Er wußte, daß die Musketen und Pistolen, die Hieb- und Stichwaffen und das Pulver englischen Ursprungs waren. Noch hatte er nicht herausgefunden, wieso Engländern daran gelegen sein könnte, den undurchsichtigen Heinrich von Bourbon zu unterstützen, der mit spanischen Spitzeln und Spionen gemeinsame Sache machte.

Heinrich von Bourbon war Hugenotte, aber Le Testu nahm dem verschlagenen Mann nicht ab, daß er für diese Überzeugung auch kämpfen würde. Sein Ziel war es, den Thron Frankreichs zu besteigen, und dafür würde er wahrscheinlich auch seinem protestantischen Glauben abschwören.

Le Testu blickte seinem Freund Montbars entgegen, der mit zwei anderen Männern im Wald verschwunden war, nachdem sie Schüsse gehört hatten und die drei Männer, die dem Spanier gefolgt waren, sich nicht hatten blicken lassen.

„Was ist, Montbars?“ fragte er den hochgewachsenen Korsen, dessen jettschwarze Augen im Schein der Flammen von innen heraus zu leuchten schienen.

Der Korse nahm den dunklen Hut ab und fuhr sich durchs graue Haar. Sein markantes Gesicht mit dem energischen Kinn drückte Ärger aus.

„Die Idioten haben sich von dem Kerl überrumpeln lassen“, sagte er mit Verachtung in der Stimme. „Sie sind alle drei tot, und von dem Kerl war nirgends etwas zu sehen.“

Gustave Le Testu zuckte mit den Schultern.

„Er wird sich im Wald versteckt haben“, sagte er. „Er allein kann uns nicht gefährlich werden. Laß vorsichtshalber eine Nachhut zurück, falls er wagen sollte, uns zu folgen.“

Montbars nickte. Er teilte vier Männer ein und schärfte ihnen ein, vorsichtig zu sein. Dann ging er zu den Wagen hinüber, die abfahrbereit waren. Man hatte sie auf dem schmalen Weg bereits gewendet.

Von Saint Brieuc würden sie ihre Beute nach Dinard bringen, dort in Boote umladen und über die Bucht in ihr Versteck verfrachten, in dem sie schon eine ganze Menge Waffen gehortet hatten.

Le Testu gab das Zeichen, und die Wagen setzten sich in Bewegung. Die meisten Straßenräuber gingen zu Fuß neben den Wagen her, nur wenige hatten wie Le Testu und Montbars Pferde.

Als sie die Hauptstraße von Brest nach Rennes überquert hatten, lenkten die Fahrer die Wagen auf unwirtliche Wege, die hinauf zur Küste führten. Dorthin wagten sich nur selten die Soldaten Heinrich von Bourbons.

Die Nacht wich langsam einer milchigen Morgendämmerung, und Müdigkeit hatte fast alle Wegelagerer übermannt. Selbst die Fahrer kämpften dagegen an.

„Noch eine Stunde, Männer!“ rief Le Testu. „Dann legen wir eine Pause ein, und ihr könnt den Tag über schlafen!“

Er hatte noch nicht ausgesprochen, als er das dumpfe Dröhnen vernahm, das den Boden unter den Hufen seines Pferdes zu erschüttern schien. Er drehte sich fragend zu Montbars um.

„Reiter!“ preßte der Korse zwischen den Lippen hervor. „Verdammt, das können nur Soldaten sein!“

Sie befanden sich mit den drei Wagen gerade auf einer freien Strecke zwischen zwei Waldstücken. Nirgends gab es eine Möglichkeit, sich zu verbergen oder Deckung zu suchen.

Gustave Le Testu trieb sein Pferd an, um es vor den ersten Wagen zu bringen. Dann weiteten sich seihe dunklen Augen.

Fast zwei Dutzend Soldaten tauchten mit Geschrei auf galoppierenden Pferden vor ihnen auf, Pistolen und Säbel in den erhobenen Fäusten. Sie schälten sich aus der milchigen Dämmerung wie Geister, die der Erde entsprungen waren.

„Fahrt die Wagen zu einem Kreis!“ brüllte Le Testu. „Holt euch Waffen von den Wagen, und dann schießt sie über den Haufen!“

Er wollte sein Pferd herumreißen, doch in diesem Moment fiel der erste Schuß. Das Tier bäumte sich unter ihm auf, wieherte gequält und brach in der Hinterhand zusammen.

Le Testu war mit einem Satz aus dem Sattel. Nur mit Mühe entging er den schlegelnden Hufen seines Pferdes, das auf die Seite gefallen war und im Todeskampf noch um sich schlug.

Geduckt rannte Le Testu zu den Wagen hinüber. Seine Männer hatten schnell reagiert, doch die Sechsergespanne waren von dem nun hereinbrechenden Bleigewitter verrückt geworden und zerrten einen der Wagen wieder aus dem Ring, ohne daß die Straßenräuber etwas dagegen unternehmen konnten.

Le Testu sah, wie seine Leute die Planen von den Wagen fetzten und sich Musketen und Pistolen holten. Er verfluchte seine Nachlässigkeit, nicht mit einem Kampf gerechnet zu haben. Er wußte, daß dieser Fehler wahrscheinlich tödlich war, und während seine Männer bereit waren, bis zum letzten Atemzug zu kämpfen, sah er sich nach einer Fluchtmöglichkeit um.

Im Augenblick war es unmöglich, denn die Soldaten waren ausgeschwärmt und umzingelten die drei Wagen. Der dritte hatte sich in den ersten verkeilt, und die in Panik geratenen Percherons, von denen einer schon von einer Kugel niedergestreckt worden war, brachten die Männer hinter den Wagen in Gefahr.

Erst jetzt wurden die Schüsse der Soldaten erwidert. Eine Wolke von Pulverdampf erhob sich bei den Wagen und vermischte sich mit der milchigen Dämmerung.

Le Testu konnte nur noch Schemen erkennen, die an den Wagen vorbeijagten. Er schoß einen der Soldaten aus dem Sattel, aber der Mann erhob sich wieder und humpelte davon.

Plötzlich war Montbars, der Korse, neben ihm.

„Wir sind verloren!“ brüllte der Mann mit den jettschwarzen Augen. „Wir müssen versuchen, durch ihre Reihen durchzubrechen!“

Le Testu griff nach der Hand des Korsen, die dieser ihm entgegenstreckte, und saß mit einem Ruck hinter ihm auf dem Rücken des Apfelschimmels.

Der Pulverdampf hüllte das Kampfgetümmel immer mehr ein. Die Männer bei den Wagen schossen wie verrückt und schafften es, die Soldaten von den Wagen fernzuhalten.

Einzig Le Testu und Montbars schienen die wirkliche Gefahr erkannt zu haben. Le Testu duckte sich tief hinter dem Korsen, als dieser seinem Pferd die Hacken in die Seiten stieß und den Grauschimmel mit wilden Schreien antrieb.

Einem Soldaten, der plötzlich an ihrer Seite auftauchte, warf Le Testu die leergeschossene Pistole an den Kopf. Er sah, wie der Uniformierte aus dem Sattel fiel, dann waren zwei andere vor ihnen, und Montbars mußte den Grauschimmel herumreißen.

Wir schaffen es nicht! schrie es in Le Testu. Er hatte mit der rechten Hand ein armlanges Messer aus der Scheide am Gürtel gezogen und hieb damit auf einen Soldaten ein, der versuchte, Montbars mit seinem Säbel aus dem Sattel zu fegen.

In diesem Augenblick brach die Hölle los. Le Testu fühlte sich wie von einer Riesenfaust angehoben und in die Luft geschleudert. Er versuchte noch, sich an Montbars festzuklammern, aber die Gewalten, die an ihm zerrten, waren zu stark.

Ein ohrenbetäubendes Krachen war in der Luft, das sich zu einem Höllenlärm steigerte. Der Soldat mit dem Säbel war plötzlich verschwunden. Der Himmel hatte sich grellrot gefärbt, und als Le Testu von einer neuen Druckwelle um die eigene Achse gewirbelt wurde, sah er, wie aus allen drei Wagen immer wieder Lichtblitze hervorzuckten, begleitet von donnerndem Krachen.

Er rappelte sich auf. Ein wiehernder Schweißfuchs wollte an ihm vorbei. Instinktiv griff Le Testu nach den hängenden Zügeln und hängte sich daran.

Er wurde einige Schritte mitgeschleift, bevor das Tier schnaubend stehenblieb und Le Testu sich in den Sattel schwingen konnte.

„Montbars!“ brüllte er durch den Lärm.

Eine hochgewachsene Gestalt tauchte neben ihm auf, das dunkle Gesicht rauchgeschwärzt. Zuerst erkannte er den Mann nicht und wollte schon mit dem langen Messer nach ihm stechen, doch dann entblößte der Korse sein Gebiß, und an den blitzenden weißen Zähnen und dem verwegenen Grinsen erkannte Le Testu den Kumpan. Er zerrte Montbars in den Sattel und trieb den Schweißfuchs an, der sofort in Galopp fiel und froh zu sein schien, dem Inferno zu entgehen.

Le Testu beugte sich weit über die Mähne des Fuchses. Erst als er die Laubbäume des kleinen Waldstückes erreicht hatte, wagte er, sich umzudrehen.

Eine dichte, undurchdringliche Rauchwolke, aus der immer noch Blitze schossen, hüllte die drei Wagen ein. Gestalten taumelten aus dem Qualm hervor, wurden aber von den Soldaten, die sich außerhalb des Qualms zurückgezogen hatten, mit Kugeln und Säbelhieben empfangen. Le Testu sah keinen von seinen Leuten, der es geschafft hätte, den tödlichen Ring zu durchbrechen.

Dann sah er, daß man auch sie entdeckt hatte. Doch nur wenige Soldaten waren noch zu Pferde. Die höllische Explosion der Pulverfässer auf den Wagen hatte die meisten Tiere das Weite suchen lassen, nachdem sie ihre Reiter abgeworfen hatten.

Zwei Soldaten wendeten auf den Befehl eines Offiziers ihre Pferde und preschten hinter dem Schweißfuchs her, auf dem Le Testu und Montbars saßen.

Le Testu ließ dem Schweißfuchs die Zügel frei. Er merkte sofort, daß er ein ausgezeichnetes Tier erwischt hatte, das trotz der doppelten Last, die es zu tragen hatte, ein starkes Tempo vorlegte. Sie jagten den Weg entlang, der durch das Waldstück führte. Als sie über die nächste freie Strecke galoppierten, erkannte Montbars, der sich umgedreht hatte, daß die beiden Soldaten ihre Pferde am Rande des Waldstückes gezügelt hatten.

„Sie geben auf!“ brüllte er Le Testu ins rechte Ohr. „Die Hosenscheißer haben Angst! Wahrscheinlich werden sie ihrem Offizier irgendein Märchen erzählen, weshalb sie die Verfolgung abbrechen mußten!“

Le Testu lachte wild auf, obwohl ihm nach allem anderen als nach Lachen zumute war.

Doch wichtig war erst einmal, daß sie ihr Leben gerettet hatten. Alles andere ließ sich wahrscheinlich wieder einrenken. Er ahnte, daß keiner seiner Leute den Soldaten entgangen war. Die meisten von ihnen waren sicher tot. Le Testu hoffte, daß sich alle bis zum letzten Atemzug verteidigten, denn wenn jemand den Soldaten in die Fänge geriet, erwartete sie der Galgen. Auch für Le Testu bestand dann eine Gefahr. Jeder seiner Leute kannte das Versteck, in dem er die geraubten Waffen verborgen hatte, die er für seine gerechte Sache brauchte.

Er schüttelte die Gedanken ab und trieb den Schweißfuchs wieder an.

„Achtung!“ brüllte Montbars und warf sich gegen den Rücken von Le Testu.

Dieser spürte, wie der Schweißfuchs plötzlich unsauber ging, und dann stand der helle Knall einer Muskete in der morgendlichen Luft.

Mit einem Satz waren Le Testu und Montbars vom Rücken des stolpernden Schweißfuchses. Sie überrollten sich am Boden und waren schon wieder auf den Beinen, als der Schweißfuchs zusammenbrach, noch einmal mit den Hufen zuckte und dann still lag.

Le Testu sah die kleine graue Wolke vor dem Dunkel der Bäume, wo die beiden Soldaten angehalten hatten. Er sah, daß sich Montbars ziemlich in ihren Absichten getäuscht hatte. Sie dachten nicht daran, die beiden flüchtigen Schnapphähne entwischen zu lassen. Ihre triumphierenden Schreie waren bis hierher zu hören, und als sie ihre Pferde wieder in Galopp trieben, hetzten Le Testu und Montbars auf das nächste Waldstück zu, das etwa hundert Schritte vor ihnen lag.

Die Zunge hing ihnen aus dem Hals, als sie endlich zwischen den ersten Bäumen waren. Die Reiter hatten mächtig aufgeholt und waren nur noch fünfzig Schritte von dem toten Schweißfuchs entfernt.

Le Testu und Montbars sahen, wie sie ihre Tiere zurückrissen und auf den toten Fuchs starrten. Sie unterhielten sich eine Weile, schauten ein paarmal zum Wald und zogen dann ihre Pferde herum. Wie von Furien gejagt, hetzten sie zurück.

Le Testu blickte Montbars an.

„Verstehst du das?“ fragte er den Korsen.

Montbars schüttelte den Kopf.

„Keine Ahnung“, sagte er. „Vielleicht hast du ein Pferd erwischt, das für irgend jemanden eine große Bedeutung hat. Vielleicht fürchteten sie, daß man ihnen den Hals abschneidet, weil sie den Schweißfuchs erschossen haben.“

Le Testu zuckte mit den Schultern. Ihm war es gleichgültig, aus welchem Grund die Soldaten umgekehrt waren. Hauptsache, sie hatten die Flucht geschafft. Er nickte Montbars zu, und sie begannen, nach Norden zur Küste zu marschieren.

Der Sturm hatte sie gezwungen, in der Bucht von Sillon de Talbert Schutz in einer Felsenhöhle zu suchen. Sie hatten ein kleines Feuer entzündet und ein Kaninchen gebraten, das der Korse mit seinem Messer erlegt hatte.

Dann waren sie vom Kanonendonner aufgeschreckt worden, der mit dumpfem Gebrüll über die Bucht hallte. Der Sturm hatte ihnen die Geräusche einer harten Schlacht an die Ohren getragen. Zeitweise hatten sie sogar brüllende Stimmen vernommen, deren Klang sie davon überzeugte, daß es englische Schiffe waren, die im Kampf mit irgendwelchen französischen Piraten lagen.

Dann hatten sie beobachtet, wie Männer an Land schwammen. Wahrscheinlich war ihr Schiff untergegangen. Sie hatten es nicht gewagt, ihre Höhle zu verlassen, aber in Le Testu war ein Plan gereift, den er in der ersten Morgendämmerung, die von feuchten Nebelbänken durchzogen wurde, Montbars mitteilte.

„Die armen Hunde sind fertig“, sagte er. „Sie werden froh sein, wenn sie irgendwo ihre Klamotten trocknen können. Weißt du was, Montbars? Wir werden sie sammeln, und dann haben wir eine neue Bande, mit der wir unsere Aufgabe fortführen können.“

„Es sind Kerle, die gegen die Engländer gekämpft haben“, meinte der Korse zweifelnd. „Vielleicht sind es Soldaten Seiner katholischen Majestät.“

Le Testu wiegte den Kopf.

„Wir werden sehen“, sagte er. „Komm, wir wollen nicht solange warten, bis sie sich in alle Winde verstreut haben.“

Der Sturm hatte etwas abgeflaut, als sie die Höhle verließen und in dem riesigen Waldgebiet untertauchten, in dem auch die Schiffbrüchigen verschwunden waren.

Der Nebel verschluckte fast alle Geräusche.

Montbars und Le Testu hatten Mühe, einander wiederzufinden, wenn sie sich mal ein wenig voneinander trennten, um in den dichten Schwaden ein größeres Stück des Waldes abzusuchen.

Es wollte nicht richtig hell werden an diesem Morgen. Immer wieder starrte Le Testu zu den Wipfeln der Kiefern hinauf, in denen der Nebel nistete und herunterdrückte. Wie ein feuchtes Tuch legte er sich auf die Haut der beiden Männer, die verbissen weitersuchten.

Montbars war es schließlich, der sagte: „Sie werden sich weiter ins Land zurückgezogen haben Vielleicht befürchten sie, daß sie von den Engländern auch hier noch verfolgt werden.“

Le Testu hob die Schultern. Er glaubte nicht recht daran, aber wenn hier, so nahe unter der Küste, niemand zu finden war, mußte es wohl so sein, wie Montbars sagte.

Sie hielten schnurstracks nach Osten, und schon nach einer halben Stunde bewahrheitete sich die Vermutung des Korsen. Durch Nebelschleier leuchtete ihnen das Rot eines Feuers entgegen.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 284

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