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Kunjana

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Soll ich Dir ein Geheimnis verraten? Das darfst Du aber keinem weiter erzählen! Ich mag Birat, das Nashorn mit dem großen Horn, nicht. Und seinen Freund mag ich auch nicht. Und Elina, das kleine, dicke Nashorn schon gar nicht.

Ich mag Menschen viel lieber. Von den Menschen bekomme ich leckeres Futter und sie streicheln mich und machen viele Fotos von mir. Sie nennen mich Kunjana. Das bedeutet „Das Mädchen aus dem Wald“ auf Nepalesisch. Ich wohne in einem kleinen Dorf in Nepal, hier spricht man Nepalesisch.

Weißt Du, wo Nepal ist? Ich weiß es. Es ist ganz weit weg. Du musst viele Stunden mit dem Flugzeug fliegen, so weit weg ist Nepal. Vom Flughafen weg dauert es dann noch fast einen ganzen Tag mit dem Auto, dann erst bist Du in meinem Dorf.

Ich bin ein Nashornmädchen, ein kleines Panzernashorn-Mädchen. Ich habe ein süßes kleines Hörnchen auf der Nase, sagt meine Mama. Es ist nicht wirklich meine Mama, ich lebe nur bei ihr. Sie heißt Michaela. Ich kann mich an meine richtigen Eltern nicht erinnern. Es gab eine große Überschwemmung nach dem letzten Regen. Michaela hat mich im Wald neben dem Fluss gefunden und gerettet. Deshalb hat sie mir den Namen Kunjana, das Mädchen aus dem Wald, gegeben.

Ich war damals noch ein ganz kleines Nashornbaby. Ein süßes kleines Nashornbaby. Heute bin ich schon groß und schlimm, sagt Michaela. Ich soll tagsüber mit den anderen Nashörnern spielen und nicht den Touristen nachlaufen.

Aber von den Touristen bekomme ich doch immer leckere Bananen. Es hat sich herum gesprochen, dass in meinem Dorf ein Nashorn lebt, das Bananen mag. Doch Michaela sagt, ich soll Heu und Gräser und Blätter und Gemüse fressen. Das fressen richtige Nashörner. Bananen sind kein richtiges Nashornfutter, Affen fressen Bananen. Ich bin kein Affe, sondern ein richtiges Nashorn. Ich mag trotzdem Bananen! Ich liebe Bananen, sie schmecken soooo lecker! Bananen sind mein Lieblingsfutter, mein allerliebstes Lieblingsfutter.

Es kommen viele Touristen in mein Dorf. Sie wollen mich, das kleine Nashornmädchen, das von den Menschen gerettet wurde, sehen. Weißt Du, was Menschen sind? Ich weiß es. Menschen sind Zweibeiner, sie haben nur zwei Beine und sie haben sooo leckere Sachen in der Küche versteckt. Bist Du auch ein Mensch?

Und weißt Du, was Touristen sind? Ich weiß es. Warst Du schon ein Mal in einer fremden Stadt? Ja? Dann bist Du auch schon mal ein Tourist gewesen.

Wenn die Touristen zum Mittagessen ins Dorf kommen, schlafe ich meistens unter einem Sonnenschirm im Garten. Nach dem Essen setzen sich die Touristen zu mir und streicheln meinen Rücken, meinen Kopf, meine Stirn und meine Oberlippe. Das mag ich ganz besonders. „Wenn Kunjana eine Katze wäre, würde sie jetzt schnurren“, sagt Michaela. Ich bin keine Katze, ich bin ein Nashorn. Schnurren kann ich nicht, aber ich kann viele verschiedene Geräusche machen. Ich kann sogar wie ein Pferd schnauben. Kannst Du das auch?

„Oh, ist die süß!“, „Die ist ja herzig!“, „So etwas Goldiges will ich auch haben!“ sagen die Touristen. „Wir müssen gut auf Kunjana aufpassen!“ sagt Michaela. „Die Touristen sind so begeistert von ihr. Eines Tages will ein Tourist die Süße mit nach Hause nehmen. Gut, dass sie schon so groß und schwer ist, dass man sie nicht mehr einfach aufheben und wegtragen kann. Kunjana muss jetzt endlich mehr Kontakt zu Nashörnern haben und sich weniger mit den Touristen beschäftigen.“

Aber ich mag nicht mit den anderen Nashornkindern spielen. Die anderen Nashornkinder sind langweilig. Und sie geben mir nichts von ihrem Futter. Keinen einzigen Halm darf ich mir nehmen.

Elina rümpft immer ihre Oberlippe, wenn ich zu ihr gehe, und schimpft „Du riechst schon wieder nach Touristen und nach Bananen. Wäh, komm mir bloß nicht zu nahe!“ Elina, ihr Name bedeutet „Die Kluge“, ist ein kleines, dickes Nashornmädchen. „Elina kann besonders gut riechen, sie findet alles. Eines Tages wird Elina noch bei der Polizei als Fährtensuchhund arbeiten“, sagt Michaela. Als Elina noch ganz klein war, wollten böse Menschen sie fangen und mitnehmen. Sie haben Elina mit einer Banane in ihr Auto gelockt. Doch sie konnte sich befreien und weglaufen. Seither hat sie Angst vor Menschen. Und sie mag den Geruch von Bananen und Touristen nicht. Nur den Geruch von Michaela mag sie. Von ihr hat Elina auch gelernt, mit ihrer feinen Nase einer Geruchsspur zu folgen.

Wenn die Touristen wieder weggehen und ich noch eine weitere Banane möchte, gehe ich einfach in die Küche. Oben im Regal hinter dem Tisch liegen die Bananen. Ich liebe Bananen. Bananen sind mein allerliebstes Lieblingsfutter. Michaela weiß das, darum sperrt sie die Küchentür auch immer zu.

Soll ich Dir noch ein Geheimnis verraten? Ich weiß, wie man in die Küche rein kommt, auch wenn die Tür zugesperrt ist. Ich nehme einfach Anlauf und, schwups, stehe ich schon in der Küche. Meine Menschen-Mama musste die Tür schon zehn Mal reparieren lassen und jedes Mal einen neuen Korb kaufen. Der Weidenkorb, in dem die Bananen immer lagen, schmeckt so lecker. Den Korb habe ich auch immer verspeist. Jetzt verwendet Michaela einen Korb aus Plastik und die Küche hat eine Stahltür bekommen. Doch ich komme trotzdem hinein. Ich gehe einfach durch die Wand.

Die Wand ist ja nur ganz dünn und ich bin schon ein großes starkes Nashorn. Ich kann das. Das Loch in der Wand schaut lustig aus. Auch das Gesicht meiner Menschen-Mama sah lustig aus, als sie das Loch erblickte. Michaela hat nichts dazu gesagt. Ich weiß aber, dass sie deswegen sehr böse war. Ich darf seither nimmer ins Haus und schon gar nicht in die Küche.

Kunjana

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