Читать книгу Monster Attack (3). Im Auge der Höllenschlange - Jon Drake - Страница 5
Eine neue Aufgabe
ОглавлениеTonnenweise Wasser strömte tosend über den Rand der Harkerfälle. Im Sonnenlicht glitzerte es wie ein Diamantvorhang. Umhüllt vom Dunst der herabstürzenden Fluten, sah Berron zu dem gewaltigen Kraftwerk hinauf, das über ihnen aus dem Wasserfall hervorragte. Techniker auf Schwebeplattformen nahmen Reparaturen an der Fassade vor.
»Wann kann es wieder in Betrieb genommen werden?«, wandte sich Berron an die Direktorin des Kraftwerks. Sie stand neben ihm und überblickte die Arbeiten.
»Die notwendige Maschinerie ist weitgehend unbeschädigt«, antwortete sie. »Aber es wird ein paar Wochen dauern, bis wir wieder bei voller Leistung sind. Zum Glück ist das Wasser inzwischen komplett von Dredmar-Gift gereinigt.«
Berron war froh, das zu hören. Erst jetzt fiel ihm auf, dass die violette Färbung des Wassers tatsächlich verschwunden war. Alles, was er auf der Wasseroberfläche sah, war das Spiegelbild seines Kampfhelms, aus dem die dunklen Gläser seiner Sonnenbrille zurückstarrten.
Cassars Wasserzufuhr war also nicht länger verseucht. Der Giftfluss war versiegt, als der Höllenschlund der Dredmar zerstört und der Tyrann Acido geschlagen worden war. Berron bekam eine Gänsehaut unter seiner Wächterrüstung, als er an den Tyrannen zurückdachte. Im Kraftwerk war er dem riesigen, schleimigen Wesen gegenübergetreten. Nun hatte er schon gegen zwei Tyrannen gekämpft, die beide entsetzliche Fähigkeiten besessen hatten. Sie waren so etwas wie die Generäle der Dredmar-Armee. Das Beängstigende daran war, dass im Reich der Dredmar noch Hunderte von ihnen warten mochten. So genau konnte das keiner sagen.
Cerrie kam auf ihrem Hoverboard zu ihnen geschwebt und wischte sich die öligen Hände an ihrem Alchemistenumhang ab. Ihre Ausbildung erlaubte ihr, bei den Reparaturen am Kraftwerk behilflich zu sein. Die Forscherdrohne Poe begleitete sie. »Alles in Ordnung bei dir?«, fragte Cerrie, an Berron gewandt.
»Im Moment ja. Aber ich freue mich schon auf ein bisschen Ruhe, wenn wir wieder in Cassar sind.«
»Ich auch!«, sagte Cerrie. »Bisher hab ich die Bibliothek nie besonders aufregend gefunden. Aber ätzenden Schleimgeschossen auszuweichen und mit Berserkern zu kämpfen, ist mir dann doch etwas zu viel der Aufregung. Jetzt kann ich mir nichts Schöneres vorstellen als einen staubigen Arbeitsplatz und ein langweiliges Chemiebuch.«
Ein grässliches Knarren ertönte über ihnen und jemand schrie: »Passt auf!«
Berron hob den Kopf und sah, wie sich ein großer Stahlträger von den Stützen des Kraftwerks löste und herabfiel. Es war schon zu spät, um ihm noch auszuweichen. Alle erstarrten, als der Stahlträger geradewegs auf sie zuraste.
»Oh, oh!« Überall auf Poes Metallgehäuse blinkten panisch Lämpchen auf.
Instinktiv sprang Berron an Cerries Seite und streckte einen Arm über seinen Kopf. Sein gesamter Körper erzitterte, als der Stahlträger auf den Panzerhandschuh traf und daran abprallte. Der Träger überschlug sich und bohrte sich mit einem Ende tief in die Erde.
»Bin ich tot?« Die Kraftwerksdirektorin lag mit vor Schreck weit aufgerissenen Augen auf dem Boden.
»Sie sind gesund und munter«, sagte Cerrie, die selbst ein bisschen blass im Gesicht war. »Berron sei Dank.«
»So etwas habe ich ja noch nie gesehen!« Die Kraftwerksdirektorin starrte Berron voller Ehrfurcht an – und vielleicht auch ein bisschen verängstigt. »Wie kommt es, dass du nicht zerquetscht wurdest?«
»Das war doch nichts!«, sagte Berron, obwohl sein Herz hämmerte. Er schob den Stahlträger beiseite, überprüfte seinen Panzerhandschuh und sah, dass er eine kleine Delle abbekommen hatte.
»Ich glaube, du wirst stärker«, sagte Cerrie.
Das hätte eigentlich etwas Gutes sein sollen, aber die Besorgnis in Cerries Stimme verunsicherte Berron. Sie hatte zweifellos recht. Ihm war auch schon aufgefallen, dass sich beim Kampf mit Acido und den Berserkern die Kraft seiner Muskeln gesteigert hatte. Manchmal erschreckte ihn seine Stärke selbst. Machte ihm sogar Angst.
Berron hatte sich verändert – seit jenem Tag in Cassar, als ein Berserker ihn mit einer Kralle verwundet und dadurch infiziert hatte. Er konnte höher springen, schneller rennen, länger und heftiger kämpfen. Das war natürlich von Vorteil und auf jeden Fall besser, als sich in einen Zombie zu verwandeln. Denn zu so einer hirnlosen Kreatur wäre jeder andere Mensch an seiner Stelle geworden.
Aber es gab noch weitere Veränderungen – Schattenseiten. Berron war jetzt genauso lichtempfindlich wie alle Dredmar. Zum Glück hatte Cerrie ihm die spezielle Sonnenbrille angefertigt, sodass er auch am Tag nach draußen konnte. Diese Brille war zwar recht auffällig und verdeutlichte, dass er anders als die übrigen Menschen war. Aber damit konnte er leben. Beängstigender war die Wut, die nun viel leichter in ihm aufflammte. Wenn er zornig wurde, fiel es ihm richtig schwer, sich wieder zu beruhigen. In den schlimmsten Momenten färbte das Gift der Dredmar, das durch seine Adern floss, seine Augen komplett schwarz. Seine Verwandlung war Fluch und Segen zugleich und sie schritt immer weiter voran.
Berrons Gedanken wurden unterbrochen, als ein surrendes Geräusch an seine Ohren drang. Eine würfelförmige graue Botendrohne schwebte vom nahen Wald heran. Sie suchte die Umgebung ab und flog dann auf Berron und Cerrie zu. Als sie näher kam, sah Berron, dass sie das offizielle Zeichen des cassarischen Senats trug. Sie stieß gegen Poe und drängte ihn aus dem Weg.
»Entschuldige mal!«, schimpfte die Forscherdrohne.
Eine winzige Klappe öffnete sich in der Seite der Botendrohne und ein Lichtstrahl erzeugte ein Hologramm. Es zeigte Senatorin Thine. Sie stand in der Mitte des Großen Saals im Hohen Turm und trug ihr Alchemistengewand.
»Hallo, ihr beiden! Ich bin froh, dass es euch gut geht«, sagte die Senatorin. »Wir warten gerade darauf, dass Major Banestead sich der Übertragung zuschaltet. Er befindet sich noch auf dem Weg zurück in die Stadt.«
Ein zweites Hologramm flackerte neben ihrem auf. Es zeigte den Kommandanten der cassarischen Streitkräfte. Einen Tag zuvor hatte er sich von Berron und Cerrie getrennt. Er war mit seinen Gardisten auf einem defekten Hovercraft flussabwärts getrieben, um Verstärkung zu holen. Nach der Landschaft im Hintergrund zu urteilen, war er noch immer auf dieser Reise.
»Könnt ihr das verdammte Ding nicht endlich zum Laufen bringen?«, sagte er zu jemandem, den man nicht sehen konnte.
»Haben wir doch, Sir«, erwiderte eine Stimme. »Übertragung läuft.«
Banestead richtete die Augen nach vorn und hob das Kinn. Seine Uniform war mit Orden behangen. »Ah ja, natürlich! Gut.« Als er Berron und Cerrie bemerkte, verfinsterte sich sein Blick. »Wie ich sehe, seid ihr noch am Leben«, sagte er in schroffem Tonfall. »Lagebericht, bitte!«
Berron räusperte sich, um Meldung zu erstatten, aber Banestead unterbrach ihn. »Ich habe das Mädchen gemeint, nicht dich.«
Berron ballte die Hände zu Fäusten und Cerrie ergriff das Wort. »Berron hat den Dredmar-Tyrannen Acido besiegt und wir haben den Höllenschlund geschlossen. Jetzt gelangt kein Gift mehr in den Fluss.«
»Ausgezeichnete Neuigkeiten!«, sagte Senatorin Thine. »Und gut gemacht, ihr beiden.«
Banestead sah aus, als ob er aus dem Hologramm springen und Berron eigenhändig erwürgen wollte.
»Allerdings wurde das Kraftwerk beschädigt«, sprach Cerrie weiter. »Wenn Sie weitere Techniker herschicken könnten, würden die Reparaturen vielleicht schneller vorangehen.«
»Selbstverständlich«, sagte Senatorin Thine.
»Ihr beiden seht zu, dass ihr zurück nach Cassar kommt«, knurrte Banestead. »Wir können es nicht gebrauchen, dass zwei Kinder da draußen herumlaufen und sich in Schwierigkeiten bringen.«
Berron biss sich auf die Zunge. Er gewöhnte sich langsam an das Misstrauen des Majors und wusste, dass es hauptsächlich auf Eifersucht beruhte. Tatsache war, dass Berron Cassar nun schon zweimal gerettet hatte. Die Stadt war den Massen an Dredmar einfach noch nicht gewachsen – auch wenn die Alchemisten immer mehr Lux-Waffen schmiedeten. Bis sie einen Weg fanden, die Oberhand zu gewinnen, war die Menschheit in Gefahr. Dieser Gedanke rief in Berron eine Erinnerung wach.
»Ich muss Ihnen etwas zeigen.« Er griff in seine Tasche und holte einen kugelförmigen Metallanhänger hervor. »Meine Eltern haben das für mich hiergelassen.«
Banestead schnaubte verächtlich. »Deine Eltern sind tot, Hyrall.«
»Ich glaube nicht, dass das stimmt.« Berron versuchte, ruhig zu bleiben. Er erklärte, dass ihm der Gegenstand von einer der Arbeiterinnen im Kraftwerk übergeben worden war. Sie hatte behauptet, ihn von zwei Menschen erhalten zu haben, die für die Dredmar arbeiteten. Die beiden hätten ihr aufgetragen, den Anhänger direkt an Berron weiterzugeben. Nach ihrer Beschreibung war Berron sicher, dass es sich bei dem Paar um seine Eltern handeln musste.
Allein die Metallkugel zu berühren, fühlte sich schon besonders an. Denn wenn er recht hatte, hatten seine Eltern sie ebenfalls berührt. Jahrelang hatte er gedacht, sie wären tot, gestorben bei einer Explosion in ihrer Forschungsstation, die Berron als Einziger überlebt hatte. Auch wenn es keinen eindeutigen Beweis dafür gab, vermutete er jetzt jedoch, dass sie irgendwie davongekommen waren. Dass die Dredmar sie gefangen genommen und ihnen ihren Willen aufgezwungen hatten.
Wie schon zuvor drehte er beide Hälften des Anhängers auseinander. Ein Hologramm erschien – eine Reihe miteinander verbundener und sich drehender Kugeln. Er hielt es näher an den optischen Sensor der Drohne.
»Wir glauben, dass es eine Art Moleküldesign ist«, erklärte Cerrie.
»Gut beobachtet!« Senatorin Thine kniff die Augen zusammen. »Es sieht aus wie Lux … Halt, nein! Nicht ganz. Es ist irgendwie abgewandelt …«
»Wir haben uns gefragt, ob das der Schlüssel zu einer neuen Waffe sein könnte«, sagte Cerrie. »Vielleicht ein Weg, die Dredmar ein für alle Mal zu besiegen.«
»Dreh es bitte einmal für mich«, bat Thine.
Berron gehorchte, damit die Senatorin es von einem anderen Blickwinkel aus betrachten konnte.
»Ich sehe zwei Elemente, die nicht dahingehören. Mondsilber und Hema – beide sehr selten. Und ein dritter Bestandteil, den ich nicht identifizieren kann – ich müsste es genauer untersuchen.«
»Das könnte bloß ein Trick sein, um uns abzulenken«, warf Banestead ein.
»Nein!«, erwiderte Berron. »Ich habe es Ihnen doch gesagt – das kommt von meiner Mutter und meinem Vater.«
»Okay, Hyrall.« Banestead starrte ihn eindringlich an. »Falls sie am Leben sind – hast du nicht gerade gesagt, dass die Menschen, die diese Formel übergeben haben, für die Dredmar arbeiten? Und da erwartest du, dass wir ihnen vertrauen?«
»Wenn sie wirklich für die Dredmar arbeiten, dann haben sie wahrscheinlich keine andere Wahl!«, protestierte Berron. »Der Anhänger und sein Inhalt beweisen doch, dass sie die Dredmar auch besiegt sehen wollen!«
»Oder sie wurden von ihnen verwandelt und auf ihre Seite gezogen«, sagte Banestead. »In dem Fall wäre diese Formel eine Falle. Nach allem, was wir wissen, könnte es genauso gut ein Rezept für eine Bombe sein. Und sie explodiert genau dann, wenn wir sie zusammensetzen.«
Berron schwieg. Er hatte kein gutes Argument, um Major Banestead zu widersprechen. Cerrie, die seine Entmutigung spürte, legte ihm eine Hand auf den Arm.
»Diese Fragen sind zur Zeit unmöglich zu beantworten«, sagte sie. »Aber könnten wir in der Zwischenzeit schon mal diese Bestandteile auftreiben?«
Thine wirkte nachdenklich. »Nicht so einfach. Mondsilber ist außerordentlich selten. Deine Eltern haben damit experimentiert, Berron. Aber ich bezweifle, dass wir in der Stadt überhaupt etwas davon haben. Was die Hema-Kristalle betrifft, so haben wir ihre Gewinnung schon vor Jahrhunderten aufgegeben. Damals um die Zeit des ersten Dredmar-Angriffs.«
Poe piepte. »Ich glaube, die alten Hema-Minen sind nie erschöpft worden. Und sie sind nur eine halbe Tagesreise von hier entfernt.«
»Hema ist sehr empfindlich, wenn es Sonnenlicht ausgesetzt wird«, sagte Thine. »Diese Minen waren tief unter der Erde.«
Poe piepte erneut. »Die Aufzeichnungen aus der Zeit vor dem Angriff sind zum größten Teil verloren. Aber es gab Geschichten über häufige Explosionen, bei denen viele Arbeiter getötet wurden.«
»Sehr beruhigend.« Cerrie warf Berron einen besorgten Blick zu.
Es klang in der Tat gefährlich. Doch wenn sie dadurch eine neue Waffe im Kampf gegen die Dredmar herstellen konnten und vielleicht auch Berrons Eltern finden würden …
»Wir könnten jetzt dorthin gehen«, sagte Berron.
»Auf KEINEN Fall!«, platzte Major Banestead heraus. »Wenn das, was du über deine Eltern sagst, wahr ist – dass sie für die Dredmar arbeiten …«
»Gegen ihren Willen!«, warf Berron ein.
»Wie auch immer«, sagte der Major. »Worauf ich hinauswill, ist, dass die Dredmar dich womöglich benutzen. Um dich gegen Cassar aufzubringen.«
»Ich bin kein Verräter!« Berrons Blut begann zu kochen. Wut strömte durch seinen Körper. Beinahe hätte er die Botendrohne gepackt, um sie gegen die Felsen zu schmettern. Er sah, wie sich Cerries Augen weiteten – sie schien die Veränderung in ihm zu spüren. Die schwarze Finsternis der Dredmar-Energie pulsierte durch seine Adern und strömte in seine Augen. Zum Glück trug er seine Sonnenbrille, sodass weder Thine noch Banestead es mitbekamen.
»Wenn diese Kristalle als Teil einer Waffe genutzt werden können«, sagte Banestead, »dann ist das ein militärisches Projekt. Ich werde ein Spitzenteam von Gardisten zusammenstellen und …«
»Wir sind näher dran«, unterbrach ihn Cerrie. »Und wir kommen schneller voran. Senatorin Thine, wir haben uns bereits bewiesen. Tatsache ist, dass eine Einheit von Gardisten viel mehr Aufmerksamkeit auf sich zieht als wir.«
Die Senatorin nickte. »Ihr müsst einen reinen Kristall finden. Er darf keinen Makel aufweisen.«
»Senatorin …«, setzte Banestead an.
»Wir lassen Poe den Kristall analysieren«, sagte Cerrie schnell. Die Forscherdrohne piepte zustimmend.
»Gute Idee«, erwiderte Thine.
Banesteads Gesicht war dunkelrot angelaufen vor Zorn. »Ich muss aufs Schärfste protestieren!«
»Berron und Cerrie übernehmen die Mission«, sagte Thine, dann lächelte sie den beiden zu. »Viel Glück. Meldet euch, wenn ihr den Kristall habt. Aber seid vorsichtig.«