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2. Die Heimkehr

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Als der langersehnte Tag seiner Freilassung letztendlich gekommen ist, haben wir das Jahr, in dem in Westdeutschland - ein Jahr nach Gründung der Bundeswehr - erneut die Wehrpflicht eingeführt wird: 1956.

Die Sonne scheint bei Antons Ankunft in Deutschland. Im Grenzdurchgangslager Friedland hält er sich nicht lange auf, denn er hat es satt, mit seinem Laufzettel Schlange zu stehen: Registrierung, Entlausung, Wäsche- und Kleiderausgabe, ärztliche Untersuchung, Schlafplatzzuweisung ...

Wie jeder heimgekehrte Soldat, wird auch er vom Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes befragt. Draußen am Zaun des Lagers stehen verzweifelte Ehefrauen und Mütter, die ihm mit ausgestreckten Armen Fotos entgegenhalten, weil sie um ein Lebenszeichen ihrer verschollenen Angehörigen bitten. Er hat es satt, die Hoffnung der Suchenden nur enttäuschen zu können. Also macht er sich sofort wieder auf den Weg, mit Bahn und Omnibus.

Jedoch, als er in Dingeln eintrifft, bewölkt sich der Himmel. Am Rande des Dorfes sind einige neue Häuser zu sehen. Aber die vertrauten Gebäude befinden sich an ihrem Platz, da der Ort von den Bomben verschont geblieben ist. Es sieht vieles aus wie damals, vor dreizehn Jahren. Auffallen tun dem Spät-Heimkehrer mehrere Autos. Früher fuhren hier fast nur Pferdewagen.

Stimmungsvollerweise sind gerade jetzt die Kirchturmglocken zu hören. Dieselben, die vor achtzehn Jahren seine Hochzeit begleiteten und schon am 1. September des Folgejahres den Kriegsbeginn verkündeten.

Keiner, der ihm begegnet, erkennt den abgemagerten Mann mit den tiefen Gesichtsfalten und dem langsam schlurfenden Gang wieder. Als er das schwarze Dach seines Hauses immer größer werden sieht und darüber die dunklen Wolken, muss er daran denken, wie er seinerzeit diese Straße entlang auf sein Zuhause zueilte, und welche schrecklichen Ereignisse darauf folgten.

Aber das ist alles lange vorbei. Und jetzt ist er wieder da. Jetzt endlich kann seine Zukunft sich zum Guten wenden. Nachdem was er hinter sich hat, kann nur alles besser werden.

Während er den Klingelknopf betätigt, rast sein Herz vor Aufregung. Das gleiche vertraute Gebimmel.

Darauf hört er drinnen Geraschel und Näherkommen. Die Tür öffnet sich. Doch was ist das? Ein Kind steht vor ihm und fragt: »Ja?«

Perplex blickt Anton den Jungen an. Letzterer trägt zu seinem grünen, kurzärmeligen Hemd eine dunkelgraue, kurze Hose aus dünnem Wollstoff, deren schmale Träger, aus demselben Material, hinten über Kreuz laufen. An den Füßen luftige, braune Sandalen ohne Strümpfe. Anton versucht, sich höflich zu verständigen: »Oh! Entschuldigung. Wohnt hier nicht mehr ...?« Er sieht auf das Namensschild neben dem Eingang und stockt: »Brunisch!« Erneut starrt er ungläubig auf sein Visavis.

Der Junge fragt: »Was wollen Sie denn?« Dabei denkt er an die Hausierer, die einem ständig irgendwas andrehen wollen. Aber dieser hier macht einen besonders ungepflegten Eindruck.

»Ich wohne hier!«, antwortet Anton.

»Was? Sie sind wohl beknackt!« Mit diesen Worten will der Knabe die Haustür wieder schließen.

Doch Anton hindert ihn daran und drückt sie erregt wieder auf: »Hör mal, du Rotzbengel! Ich weiß zwar nicht, was hier gespielt wird, aber ich lass’ mich doch nicht von einem Dreikäsehoch wie dir aus meinem eigenen Haus aussperren!«

Erschrocken läuft der Überrumpelte ins Hausinnere: »Hilfe! Da ist ein Verrückter! Der Kerl hat einfach die Tür aufgestoßen!«

Als Anton sich im Flur umguckt, kann er einige Veränderungen feststellen. Da sind zwar noch die von ihm eigenhändig weiß getünchten Wände mit dem aufgerollten grünen Blattmuster. Und der weinrote mit dunklen Ornamenten verzierte Teppich-Läufer, mit dem sowohl der ebene Boden als auch die steile Treppe ausgelegt ist.

Neu dagegen sind ein Kruzifix oben über dem Türrahmen, zwischen dessen Christus-Füßen ein getrockneter Buchsbaumstrauß gesteckt wurde sowie links neben der Tür ein winziges Weihwasserbecken, welches mittels einer Wandhalterung in Schulterhöhe befestigt ist. Die Halterung wird von einem Bildnis der Jungfrau Maria geziert. Darunter prangt ein lateinischer Spruch, den Anton nicht verstehen kann. Verwundert späht er in die kleine Schale, und tatsächlich befindet sich sogar eine Flüssigkeit darin. Außerdem steht auf dem Boden in der Ecke ein Blechnapf, der jenen gleicht, in welchen er in der Gefangenschaft sein Essen erhielt, wenn es mal etwas gab. Nur, dass dieser hier viel mehr glänzt.

»Fass! Fass!«, hört er eine laute Frauenstimme keifen. Auf einmal rast ein Schäferhund in den Flur und stürzt sich auf den hilflosen Zurückgekehrten.

»Arhh ...!«, schreit dieser vor Schmerzen, als die Zähne sein Bein packen.

»Hans, aus!«, krächzt die Stimme nun, worauf das Tier sofort hechelnd von seinem Opfer ablässt. Als der Gebissene aufschaut, sieht er seine ungläubig dreinblickende Angetraute. »Anton, du?«

»Ja, ich bin es«, erwidert er zaghaft mit wackeliger Stimme, beeindruckt von der "Begrüßung", die ihm zuteil geworden ist.

»Das tut mir Leid. Aber ich konnte ja nicht ahnen, dass du das bist. So was — dass du doch noch kommst!«

»Hast du denn meine Post nicht bekommen?«

Die Hausherrin schüttelt mit zerknitterter Miene den Kopf und drückt die Tür rumsartig zu: »Post? Ich habe keine Post bekommen.«

»Aber ich habe dir doch so oft geschrieben.«

»Wahrscheinlich haben die Russen das nicht weitergeleitet. Warum sollten sie auch? Sind doch unsere ehemaligen Feinde. Du bist vielleicht naiv.«

Anton vermutet, dass seine Frau Recht hat. Deshalb sagt er nichts mehr dazu, sondern beklagt die Art seines Empfanges: »Was ist denn hier los? Ich komm’ an — ein wildfremder Bengel macht die Tür auf und will mich nicht reinlassen! Dann hetzt du eine beißwütige Bestie auf mich, in meinem eigenen Haus! Verdammt! Was hat das zu bedeuten?«

»Na, nu’ aber halblang! Erstens mal: Hermann ist kein wildfremder Bengel, sondern dein Sohn. Und Hans ist keine beißwütige Bestie, sondern seit langem unser treuer Hund. Und dass du doch noch mal nach Hause kommst, damit konnte ich ja wirklich nicht rechnen. Du bist aber grau geworden. Da ist es doch kein Wunder, dass dich der Junge nach den alten Fotos nicht erkennen konnte. Na ja, jetzt bist du da. — Hermann, nu’ hol schon den Verbandskasten!«

Der Knabe, welcher noch vor Staunen den Mund offen stehen hat, gehorcht, ohne ein Wort herauszubringen. Auch Anton kann die Neuigkeiten gar nicht fassen: »Was redest du da? "Mein Sohn" sagst du?«

»Na klar. Was denn sonst? Still jetzt! Da kommt er.«

»Gut, aber darüber sollten wir uns mal gleich ausführlich unterhalten.«

»Hier, Mutter«, stellt der Junge brav den Verbandskasten hin.

Der Freigekommene schaut mit bittenden Augen erwartungsvoll seine Gemahlin an.

Doch die reagiert darauf ganz anders, als er sich das vorgestellt hatte: »Na los! Du brauchst gar nicht so blöd zu gucken! Du kommst hier als Pascha zurück und denkst wohl, ich hätte nichts Besseres zu tun, als dich zu bedienen! Ich habe mich die ganze Zeit alleine durchschlagen müssen! Das bisschen Blut kannst du ruhig alleine abtupfen! Wenn du meinst, ich bedien’ dich wie früher, dann hast du dich geschnitten!«, schlägt es ihm kühl entgegen.

»Ist ja schon gut, Hilde. Ich verbinde mich schon selbst. Aber dann will ich dich unter vier Augen sprechen. — Sag mal, mein Junge, wie alt bist du denn?«, wendet Anton sich nun an das zuhörende Kind.

»Zwölf.«

»So, zwölf schon? Aha.«

»Wieso? Du, als mein Vater, musst das doch wissen, oder?«

»Hm, ja. Eigentlich hast du Recht. — Donnerwetter! Der Bursche ist aber nicht auf den Mund gefallen.«

»Ja, ich kann dir sagen: Manchmal ist es wirklich nicht einfach, mit dem Bengel zurechtzukommen. — Hermann, du gehst jetzt auf dein Zimmer! Dein Vater und ich müssen uns jetzt erst mal alleine unterhalten.«

»Ja, Mutter.«

Herr und Frau Brunisch begeben sich nun ins Wohnzimmer, wo er mit der Familiengeschichte hadert: »Also Hilde, so ein Unglück! Das uns das passieren musste!«

»Meinst du den Krieg, oder was?«

»Ja, das auch, aber ich meine natürlich den Jungen! Denkst du vielleicht, ich bin blöd? Ich weiß doch genau, dass er nicht von mir sein kann. Damals, als sich das Drama abgespielt hat, sind wir doch nicht zusammen ins Bett gegangen. Hans ist der Vater. Oder hast du etwa noch andere Kerle gehabt?«, zieht der ausgediente Soldat argwöhnisch in Betracht.

»Was fällt dir ein! Natürlich nicht! Du weißt ganz genau, dass es nicht meine Schuld war! Es ist passiert! Und? Was sollte ich denn machen?«

»Konntest du’s nicht wegmachen lassen?«

»Nein. Wo denn, hier im Dorf?«

»Oh, verdammt! Verdammt, so ein Unglück!«, ärgert Anton sich und hält die Hände vor sein Gesicht. »Oh, Hans, mein alter Freund, wie konntest du mir das antun?«

»Rede doch nicht mit den Toten!«, beschwert die Ehefrau sich.

Daraufhin kontert er: »Musstest du ihn auch noch Hermann nennen? Warum nicht gleich Adolf?«, womit er andeuten will, dass der Namenspatron nach ihrer politischen Einstellung gewählt wurde.

»Du weißt genau, dass es damals noch eine Ehre war, so zu heißen! Außerdem weiß ich gar nicht, was du willst. Es ist doch ein schöner Name, passend für einen deutschen Jungen.«

»Ja, ich weiß: Du warst ja von Anfang an dafür gewesen, für die Braunhemden!«

»Hör auf mit diesen alten Geschichten! Du bist ja ...! Ein ganz altehrwürdiger Name ist das. Man hat mir erzählt, es gab einen Hermann schon vor Christi. Da war eine Schlacht im Teuteberger Wald. Und da gibt’s heute noch ein Hermannsdenkmal. Weißt du das nicht?!«

»Und warum hast du dir diesen Mistköter angeschafft? Scheinst ja viel Geld zu haben, wenn du dir auch noch so ein Viech kaufen und ernähren kannst!«

Als wenn der Hund ahnen würde, was man über ihn spricht, beginnt er laut zu knurren.

»Ich habe ihn zu meinem Schutz gebraucht. Du weißt ja nicht, wie es damals hier zuging in dem Durcheinander kurz nach dem Krieg. Überall Herumtreiber! Keine Ordnung mehr. — Ruhig, Hans!«, gibt sie Befehl.

»Jetzt sag mir aber mal eins: Wieso hast du das Viech "Hans" genannt? Willst du mich denn in den Wahnsinn treiben, Weib? Dann musst du den echten Vater deines Kindes ja wohl doch geliebt haben!«

»Red doch nicht solch einen Unsinn! Hans hieß schon so, als ich ihn bekommen habe. Kannst du mir vielleicht sagen, wie man einem Hund, der jahrelang auf den Namen "Hans" gehört hat, plötzlich beibringen soll, auf einen anderen Namen zu hören?! Außerdem, die Mühe wollte ich mir nicht machen. Was ist schon ein Name? Ich habe keine Angst vor einem Namen! Und du doch sicher auch nicht, oder?«

Anton schüttelt den Kopf und schweigt einen Moment. Dann bittet er: »Hast du was zu trinken im Haus? Ich könnte was vertragen.«

»Was willst du denn?«

»Was Scharfes.«

Während man trinkt, geht das Gespräch besinnlicher weiter. Weil ihm vorhin beim Reinkommen der neue Wandschmuck auffiel, vermutet er: »Du bist ja wohl sehr fromm geworden, hast dir sogar ein eigenes Weihwasserbecken hingehängt.«

Ganz froh, dass ihr Mann sich, nach der schwierigen Situation, offenbar wieder beruhigt hat, schmunzelt sie und meint: »Ach das? Ja, das sieht doch ganz hübsch aus, nicht wahr? Schön vornehm, wie bei besseren Leuten. Und ich muss ja auch darauf achten, dass das Kind mit Gott erzogen wird.«

»So, so. Lässt du etwa das Wasser extra in der Kirche vom Pfarrer weihen?«

»Wie? Welches Wasser? Da ist doch gar keines drin. Das ist doch nur so. Das ist Kunst.«

»Vorhin war da Wasser drin«, sagt Anton.

Ungläubig sieht die Hausherrin nach. Als sie es persönlich festgestellt hat, wird sie wütend: »Das muss Hermann gewesen sein. Na warte, dem Lümmel werd’ ich die Flausen austreiben!«

Während Anton im Wohnzimmer sitzen bleibt und weiter den Trunk genießt, läuft seine Gattin die Treppe rauf, um ihren Sohn zur Rede zu stellen: »Hast du unten im Flur das Wasser in das Schälchen unter die Maria gegossen?«

Ohne die Aufregung zu verstehen, erwidert Hermann: »Ja, warum? Ich wollte doch nur sehen, wie lange es dauert bis es verdunstet ist.«

Daraufhin gibt sie ihm eine Ohrfeige und befiehlt: »Mach das nicht noch mal! Das ist Gotteslästerung! Du willst doch in den Himmel kommen. Außerdem blamierst du mich vor deinem Vater! Was soll der denn von mir denken, wenn ich dich nicht erziehen kann?!«

»Aber das habe ich doch nicht so gemeint«, versucht er die Strenge zu mildern.

»Widersprich mir nicht andauernd! Hast du verstanden?!«

»Ja, Mutter.«

Anschließend geht sie zurück ins Wohnzimmer und berichtet, was vorgefallen war.

Der Ex-Wehrmachtsangehörige versucht zu akzeptieren, was er nicht ändern kann: »Da kommt man nach dreizehn Jahren nach Hause und hat von heute auf morgen einen zwölfjährigen Sohn.«

»Ja, so kann es kommen, Anton.«

»Na Hilde, nu’ erzähl mal. Was gibt’s sonst noch Neues?«

Sie überlegt und antwortet: »Ja, der Neffe von Hans wohnt jetzt nebenan. Er hat das Haus geerbt, nachdem Hans für tot erklärt worden ist.«

»Ach! Hat er etwa was gemerkt?«

»Wo denkst du hin?! Jeder hier denkt doch, Hans ist im Krieg gefallen.«

»Na, das ist auch gut so«, erwidert Anton melancholisch nachdenklich. »Wohnt der Neffe auch allein drüben?«

»Bis jetzt: ja. Er ist noch nicht lange da, erst ein paar Monate. Was der im Garten zu arbeiten hat! Das ist ja alles ganz verwildert. Kein Wunder, nachdem das Haus so lange leer stand. Ich versuche ja jeden Kontakt mit ihm zu vermeiden, damit er mir nicht zu viele Fragen stellt.«

»Kennst du den Spruch?:

"Das Leben ist wie eine Hühnerleiter, man kommt vor lauter Scheiß nicht weiter."

— Hat mir ein Kamerad in Russland beigebracht.«

Sie kritisiert: »Na, also weist du! Wenn der Junge das hört! Du musst doch ein bisschen gebildet sein.«

Nach einem Augenblick des Schweigens erinnert sich Anton an einen Gedanken, welcher ihm seinerzeit anlässlich der ungewollten Einziehung kam: »Stell dir mal vor, Hilde, mir wäre damals, als ich meinen Einberufungsbefehl bekommen habe, das Beil beim Hühnerschlachten abgerutscht, wie ich die Idee hatte. Dann hätte das alles nicht passieren können. Ich wäre immer bei dir gewesen und nicht in Gefangenschaft geraten.«

»Man hätte dir niemals geglaubt. Das hab’ ich dir doch schon damals gesagt. Ausgerechnet beim Einberufungsbefehl! Da sieht doch ein Blinder mit ‘nem Krückstock, dass was faul ist.«

»Mag sein. Ach, ja«, stöhnt er, »als wenn vierzehn/achtzehn für den Kaiser nicht gereicht hätte. Da hat mein Frauchen noch in die Windeln gemacht.«

»Andere Männer mussten auch ran, nicht nur du!«

So redet man und Anton trinkt bis tief in die Nacht hinein. Er hat sich das erste Mal nach dem Krieg betrunken. Auf wackeligen Beinen schwankt er ins Bett.

Am nächsten späten Vormittag geht er durch den Garten, welcher sich von seiner schönsten Seite zeigt. Es ist wieder einmal Mai. Die Apfelbäume blühen, und die meisten Blumen haben bereits ihre bunten Blüten geöffnet. Ein launischer Wind weht, mal heftig, dann wieder ganz sanft.

Langsam, mit ungutem Gefühl, nähert er sich der Stelle, wo er seinerzeit die Leiche vergraben hat. Je mehr Gras über die Sache gewachsen ist, desto mehr bereut er, was er damals getan hat und meint: Es hätte völlig genügt, wenn ich ihm dafür die Zähne eingeschlagen hätte. Aber so was ... Der ebene Boden lässt auch nicht das Geringste, von dem was er verbirgt, erahnen. Hier vor dem Gebüsch muss es gewesen sein, denkt sich Anton. Heute ragen einem dort sträucherartige Gebilde entgegen. Als er näher hinsieht, stutzt er: »Kirschen!«

Einen Moment später kommt seine Ehepartnerin dazu, und er stellt sie aufgeregt zur Rede: »Wie konntest du da nur Kirschbäume pflanzen, ausgerechnet an dieser Stelle?«

»Mensch, fahr mich doch nicht so an! Warum soll ich denn nicht?!«

»Hilde, wir haben doch damals extra noch darüber gesprochen, dass man nichts zum Essen da einpflanzen sollte. Du weißt doch, wegen des Leichengiftes!«

»Ach, du alter Doofkop’! Glaubst du wirklich, dass man nie mehr etwas Essbares da pflanzen darf! Ja, in der ersten Zeit! Aber das heißt doch nicht für immer! Zuerst hatte ich Fliedersträucher da. Die Kirschbäumchen sind ja noch nicht lange dort! Kapiert?«, entfährt ihr provokant.

»Ist ja schon gut, Hilde«, lenkt er demzufolge ein.

»Diese Kirschen schmecken sogar besonders köstlich. Sie gedeihen richtig prächtig. Du kannst ja probieren, wenn du mir nicht glaubst.«

Doch Anton verzieht abwertend das Gesicht vor Abscheu und erwidert aufs energischste: »Nein. Nein, ich will das nicht.«

Sie schüttelt verständnislos den Kopf und findet: »So ein Angsthase! Na, vielleicht später mal.«

»Nein, Hilde.«

»Also, so was Feiges!«

An einem Sonntagnachmittag findet einer der raren Augenblicke statt, an welchem die Familie zusammen im Wohnzimmer sitzt. Der Heimgekehrte sinniert über das Leben, während er ab und zu genüsslich einen Schluck Schnaps seine Kehle hinuntergluckern lässt: »Scheiß-Krieg — hat alles kaputtgemacht. Elender Scheiß-Krieg! Ich sag’ dir: Wenn der nicht gewesen wäre, hätt’ das nie passieren können!«

»Das hast du nun schon dreißigmal gesagt. Mann, laber doch nicht immer dasselbe rum!«, beschwert sich seine nervgeplagte Vermählte. Anschließend ist es einen Moment ruhig.

Dann kommt von Anton: »Kolberg ... hm, Kolberg. Hilde, hast du mal einen Film gesehen, der "Kolberg" heißt?«

»Nein. Was soll denn das? Denkst du vielleicht, ich bin die ganze Zeit nur im Kino gewesen? Ich muss putzen gehen, damit ich was zu Essen habe. Von der Wohlfahrt allein kann man doch nicht leben.«

»Ich habe da mitgemacht.«

»Wo, Vater?«, fragt der Sprössling höflich.

»Im Osten.

"Im Osten geht die Sonne auf,

im Süden ist ihr Mittagslauf,

im Westen muss sie untergeh’n,

im Norden ist sie nie zu seh’n"«, schiebt der Antwortende ein Gedicht dazwischen, bevor er genauer informiert: »In der Schorfheide bei Berlin war das. Da haben sie einen Farbfilm gedreht. Der hieß "Kolberg". Und da bin ich mitmarschiert.«

»Der Alte spinnt sich was zurecht«, behauptet Frau Brunisch.

»Nein Hilde, das ist wahr! Ein Propagandafilm. Dein Führer hat alles kaputtgeführt. Scheiß-Führer!«

»Jetzt reiß dich aber zusammen, Mann! Was soll denn der Junge von dir denken?«

»Du glaubst wohl immer noch an deinen Führer, was?«, hat Anton den Eindruck.

»Hör mir doch bloß mit dem Unsinn auf!«

Da meldet sich Hermann abermals zu Wort: »Guck mal, Mutter: Vater hat graue Haare und rote Haare. Krieg ich später auch mal rote Haare?«

»Hahaha...!«, bricht der Angetrunkene daraufhin in lauthalses Gelächter aus.

»Nein, Junge. Wahrscheinlich nicht«, entgegnet die Gefragte.

»Warum nicht?«, will Hermann weiter wissen.

»Manche Sachen vererben sich eben und manche nicht. Du hast meine blonden Haare geerbt.«

Der wiedergekehrte Herr des Hauses grölt dazu: »Ha! Was du ererbt von deinen Vätern ...! Hahahaha...!«

Völlig ahnungslos, kann der Nachkömmling nicht verstehen, was Anton auf einmal so lustig findet: »Warum lacht Vater so?«

»Ach, deinem Vater ist heute nicht gut. Und jetzt frag nicht weiter!«

Hermann kommt Antons Verhalten komisch vor. Er merkt natürlich, dass dieser betrunken ist. Nur, warum der Mann sich betrinkt, das kann er nicht verstehen. Aber er spürt, dass die Sache seiner Mutter peinlich ist und dass er gehorchen muss.

Herr Brunisch versucht, sich an die Umstände zu gewöhnen, so schwer es ihm auch fällt. Aber er schafft es nicht. Das Schreckliche, was hinter ihm liegt; zusätzlich die nach all dem, ihm unfreundlich gesinnte Ehefrau; und dann auch noch dieses Kind, welches seinem leiblichen Vater von Tag zu Tag ähnlicher wird. Dies alles ist zu viel für den vom Leben enttäuschten Menschen. Er flüchtet sich immer mehr in den Alkohol. Das führt häufigerweise zu Unstimmigkeiten zwischen den in den Jahren auseinander gelebten Eheleuten:

»Jetzt ist aber Schluss, du alter Säufer! Den ganzen Tag nur rumsitzen und saufen! Das ist alles, was du noch kannst! Anstatt dich mal um eine Arbeit zu bemühen!«

»Lohnt sich doch gar nicht mehr. Ich beantrage meine Rente.«

»Das hat man davon, wenn man sich von einem älteren Mann einfangen lässt! Die Männer wollen sich immer nur bedienen lassen! Noch einmal jung sein mit dem Verstand von heute. Nie wieder würde ich heiraten!« Mit diesen Worten nimmt Frau Brunisch die Schnapsflasche vom Tisch und will sie verstecken.

Aber Anton springt auf, reißt sie ihr wieder aus der Hand und verpasst ihr eine Ohrfeige: »Du bist wohl nicht ganz richtig im Kopf, deinem lieben Mann das Getränk wegzunehmen!«

Der Hund steht daneben und bellt wild drauf los.

»Das wagst du nicht noch mal! Ich warne dich, du Trunkenbold! Das nächste Mal hetzte ich Hans auf dich!«

»"Hans, Hans!", immer nur: "Hans!" Was hat der Scheißköter in der Küche zu suchen!«, entgegnet Anton entnervt.

»Das ist meine Küche! Und ich bestimme, ob mein Hund darin ist oder nicht!«

»So was! Dem Ehemann das Einzige wegzunehmen, was er noch hat, meine Medizin.«

»Schämst du dich nicht vor dem Jungen?! Ihm so ein schlechtes Beispiel zu geben!«, versucht sie ihm jetzt deutlich zu machen, obwohl besagter bei dieser Szene nicht dabei ist.

»Ist doch dein Junge! Wo steckt der Strolch überhaupt? Treibt sich wohl schon wieder draußen rum! Was?«

»Hermann ist bei einem Freund.«

»Ach, bei einem Freund! Ganz wie sein Vater damals, was? Er ist ihm ja auch wie aus dem Gesicht geschnitten!«

»Nu’ hör aber auf! Du wirst noch mal mein Sargnagel sein, wenn du so weitermachst!«

Immer wieder zieht es Anton zu dem geheimgehaltenen Grab. Ihm ist, als wenn eine magische Anziehungskraft davon auf ihn ausstrahlen würde. Er steht traurig davor und muss an vergangene, glücklichere Zeiten vor dem Krieg denken, die er mit seinem dort liegenden Freund verbracht hat. Es kommt ihm fast vor, als ob der Tote ihm diese Erinnerungen erzählen würde, gerade so, als wenn er ihm damit etwas ganz Bestimmtes sagen will.

»Guten Tag, Herr Brunisch!«, ruft plötzlich eine fremde Männerstimme von weitem.

Anton blickt sich, aus seinen Erinnerungen gerissen, um. Nun sieht er eine hünenhafte Erscheinung hinter dem Gartenzaun auf dem Grundstück stehen, das früher Hans Kuchenbäckers war. Die einfach gekleidete Gestalt wird, trotz ihrer zwei Meter und drei, von Anton für kaum über einundzwanzig Jahre geschätzt. Pechschwarzes Haar, dunkelbraune fast ebenfalls schwarze Augen sowie ein beinahe athletischer Oberkörper sind weitere Merkmale. Der an der verborgenen Grabstätte so unerwartet Angesprochene geht auf den freundlich lächelnden Mann zu: »Guten Tag!«

»Ihre Frau hat mir schon erzählt, dass sie nun erst aus russischer Gefangenschaft zurückgekehrt sind. Na, da möchte ich Ihnen alles Gute wünschen.«

»Recht schönen Dank. Sind Sie der Neffe von Hans Kuchenbäcker?«

»Ja. Oh, Entschuldigung, dass ich mich nicht vorgestellt habe. Kuchenbäcker, Peter Kuchenbäcker. Für Ihren Sohn muss es sicher auch ein komisches Gefühl sein, mit elf oder zwölf erst den Vater kennen zu lernen. Tja, so ist das mit dem Krieg. Sie haben sicher auch viel durchgemacht, nicht wahr?«

»Ja, das kann man mit Gewissheit sagen. Also, ich sag’s Ihnen ganz ehrlich: Wenn ich gewusst hätte, dass es so schlimm wird, dann hätte ich mir gleich die Kugel gegeben.«

»Na, Kopf hoch, Herr Brunisch. Nun haben Sie es ja überstanden. Herr Brunisch, ich wollte Sie noch was fragen: Ihr Hermann hat mir erzählt, dass Sie mit meinem Onkel ganz gut befreundet waren. Nun ist es ja so, dass er seit ‘43 als vermisst gilt. Aber man hat ihn nie gefunden. Sie wissen sicher auch nichts Näheres darüber, oder?«

»Nein, leider nicht. Wir haben uns während der Militärzeit aus den Augen verloren. Tut mir Leid, dass ich Ihnen da nicht weiterhelfen kann.«

»Da kann man nichts machen. Immerhin werden ja noch weit über eine Million vermisst. Ich dachte, jetzt, wo Sie auch nach so langer Zeit noch gekommen sind ... Denn die Russen haben ja 1950 schon behauptet, alle deutschen Gefangenen freigelassen zu haben. Und dann stellte sich heraus, dass sie doch noch Abertausende hatten, die sie als Arbeitssklaven behalten wollten. Gott sei Dank hat euch Meister Adenauer endlich herausgehauen! Halten Sie es da nicht auch für möglich, dass mein Onkel doch noch lebt und von denen festgehalten wird?«

»Tja, ich will Ihnen da keine falschen Hoffnungen machen. Ich meine, ich kann es nicht ausschließen, aber ich glaube es eigentlich nicht. Wissen Sie, ich kann auch nicht erklären warum, aber irgendwie fühle ich, dass mein Freund Hans tot ist.«

»Ja — ja, ich verstehe. Manchmal haben wir wohl alle diese seltsamen Vorahnungen. Ja, dann will ich Sie mal nicht weiter aufhalten, Herr Brunisch.«

»Ach, Sie haben mich doch gar nicht aufgehalten, Herr Kuchenbäcker. Im Gegenteil: Es war mir eine große Freude, Sie kennen zu lernen. Glauben Sie mir. Wir werden uns sicher noch mal ausführlich unterhalten über Ihren Onkel, wenn ich mich hier erst wieder richtig eingelebt habe und mich an alles gewöhnt habe.«

»Ja, das glaube ich, dass das nicht einfach ist. Na, dann alles Gute für die Zukunft, Herr Brunisch.«

»Danke. Auf Wiedersehen, Herr Kuchenbäcker!«

»Auf Wiedersehen!«

Aufgeregt berichtet Anton seiner Frau von dem Gespräch: »... Scheint ja ein richtig netter Mann zu sein, dieser Neffe. Genauso nett, wie sein Onkel früher mal war. Hilde, ich grübel’ und grübel’ immer noch darüber und kann es einfach nicht begreifen, wie Hans uns so was antun konnte.«

»Ach, jetzt geht die Leier wieder los! Kannst du diese alte Sache nicht endlich mal ruhen lassen?!«

»Reg dich doch nicht so auf, Hilde. Manchmal glaube ich wirklich, dir wäre es lieber gewesen, wenn ich nicht wiedergekommen wäre.«

Frau Brunisch schweigt bedeutsam.

Einige Wochen ist Anton jetzt zu Hause. Die Streitereien zwischen dem Ehepaar nehmen immer mehr zu. Als er eines Tages abermals zu tief ins Glas geblickt hat, folgt eine emotionsgeladene Auseinandersetzung:

»Wo ist Hermann? Ist dein Sohn schon wieder nicht zu Hause?«

»Was meinst du wohl, warum der Junge so oft weggeht?! Doch nur, damit er dich nicht hier besoffen herumhocken sehen muss!«

»Rede doch nicht solchen Unsinn, Hilde! Bloß, weil ich ein bisschen trinke?«

»Phh! "Ein bisschen"! Das ich nicht lache! Du hängst doch fast den ganzen Tag an der Flasche! Das ist doch das Einzige, was du kannst: Saufen! Und sonst nichts!«

»Ich will dir was sagen, Hilde. Das ist ... bloß, weil ich ... meinen Kummer ertränken muss. Hilde, ich ... ich kann das nicht mehr ertragen hier! Jeden Tag ...jeden Tag werde ich daran erinnert.«

»Ach, du alter Saufkopf warst doch noch nie ein richtiger Mann!«

»Was soll das heißen, Weib?«

»Ich will dir sagen, was das heißen soll! Ich habe es jetzt satt mit dir! Hörst du: endgültig satt! Du kannst hingehen wo der Pfeffer wächst! Der Hans, das war ein richtiger Mann! Damit du es nur weißt: Ich war ganz wild auf ihn! Ich hab’ ihn verführt! Und ich wäre froh gewesen, wenn es anders herum ausgegangen wäre und du jetzt da hinten liegen würdest! So, jetzt weißt du endlich Bescheid, was für ein Versager du eigentlich bist!«

Nun also erfährt Anton die Wahrheit. Seine Gesichtszüge versteinern sich und laufen vor unbändigem Zorn rot an. Anschließend bricht es aus ihm heraus: »Was! Du ...!« Er springt auf und legt im Affekt seine Hände um ihren Hals!

Doch dann stockt er: »Nein ... nein, du Hexe! Nicht noch einmal! Noch mal bringst du mich nicht dazu, einen Menschen umzubringen! Selbst dich nicht! Ich ... ich hab’s geahnt! All die Jahre hab’ ich’s gewusst. Hans war genauso ein feiner Kerl wie sein Neffe! Weißt du ... weißt du, was ich jetzt mache?! Ich gehe rüber zu ihm ...«, mit dem Zeigefinger in Richtung des Nachbargrundstückes deutend, »... und sag’ ihm alles!«

»Bist du wahnsinnig, du alter Säufer!«, entsetzt sich die Offenbarte. Ihr Hund befindet sich gerade hinten im Garten, so dass dieser nicht tätig werden kann.

»Alle ... alle sollen es wissen, wie du deinen lieben Mann betrogen hast!« Anton torkelt auf die Haustür zu.

Hildegard Brunisch zieht blitzschnell das Fleischmesser aus der Schublade!

In dem Moment, als Anton die Türklinke herunterdrückt, spürt er den stechenden Schmerz im Rücken!

Wütend dreht er sich um: »Du ...!«

Weiter kommt er nicht, denn sie hat gleich nach dem ersten Stich das Messer herausgezogen, um es ihm nun heftig von vorne in den Bauch zu rammen: »Da hast du! Da hast du! Du altes besoffenes Schwein!«

Die Kräfte verlassen den schwer Verletzten. Hilflos sinkt er zusammen!

Kühl und berechnend wäscht die perfide Frau die Mordwaffe in der Küchenspüle ab, wischt sie anschließend im Geschirrtuch trocken und legt sie zurück in die Schublade, gerade so, als wenn sie nur ein Stück Rindfleisch damit geschnitten hätte.

Dann holt sie die, bereits für diesen Fall bereitgelegte alte Decke aus dem Keller. Ja, Hildegard Brunisch hat schon die ganze Zeit mit dem Gedanken gespielt, ihren Gatten auf diese Art aus dem Wege zu räumen. Zum einen aus Rache, dafür dass er den Mann, den sie schließlich doch mehr begehrt hatte, umgebracht hat. Zum anderen, weil sie einfach nicht mehr mit ihm zusammen leben wollte, aber bei einer Scheidung befürchten müsste, das Haus mit dem geliebten Garten zu verlieren. Als Anton jetzt betrunken loslaufen wollte, um die Wahrheit über Hans Kuchenbäcker und sie auszuposaunen, war es deshalb nur eine günstige Gelegenheit für sie, sich ihren Wunsch zu erfüllen.

Die Hausherrin breitet die muffige Decke auf dem Fußboden aus und zieht den Toten darauf. Eiskalt werden Feudel und Eimer genommen, um das Blut vom Boden aufzuwischen.

Ein kurzer Blick auf die Uhr: kurz nach vier. Es wird also noch lange dauern, bis Hermann nach Hause kommt. Triumphierend setzt sie sich auf den Stuhl und raucht genüsslich Zigaretten, kostet diesen Moment so richtig aus.

Dann, nach einer Weile, als das Blut um die Stichwunden schon etwas getrocknet ist, wickelt sie die Leiche ganz in die Decke ein, schaltet das Licht im Keller an und packt ihr unglückliches Opfer, um es die Kellertreppe hinunterzuziehen. Doch sie unterschätzt dessen Gewicht, welches es sich in den letzten Wochen - ausgehungert wie er war - angeeignet hat. ln dem Augenblick, wo sie das Bündel von der ersten auf die zweite Stufe schleifen will, rutscht ihr der Stoff aus den Fingern. Hildegard Brunisch verliert das Gleichgewicht und — kann gerade noch eine Holzstange des Geländers greifen, an der sie sich festhält, sonst wäre sie von der schweren Last mitgerissen worden.

Während der Tote die steile Treppe hinunterpoltert, rollt er aus der Decke, um mit einem markerschütternden Rumps unten aufzuschlagen.

Zornig steigt die Furie hinab: »Musst du verfluchter Kerl mir denn immer Schwierigkeiten machen!« Wütend wird ihm ein Tritt versetzt. »Na, jetzt bist du wenigstens unten!«

Sie umhüllt Anton erneut mit der Decke und schleift ihn in den Kellerraum, wo altes Gerümpel herumsteht. Dort legt sie den leblosen Körper hin und versteckt ihn notdürftig. Nun sucht sie Stufe für Stufe die graue Zementtreppe ab, ob nicht doch irgendwo ein Blutfleck hingespritzt ist. Aber es ist keiner zu finden.

Sorgfältig kalkulierend geht Frau Brunisch ins Schlafzimmer und packt die meisten Sachen ihres Mannes in zwei Koffer, um diese ebenfalls im Keller zu verstecken. Beinahe wäre das Rasierzeug aus dem Badezimmer vergessen worden.

Dann holt sie den Hund herein. Aber als das Tier in den Flur kommt, jault es laut los und springt immer wieder an die Kellertür.

»Hans, ruhig! Sitz!«

Doch der Vierbeiner gehorcht einfach nicht. Seine feine Nase scheint genau zu riechen, was unten im Keller liegt!

Die Mörderin nimmt jetzt einen Stock und beginnt, auf ihn einzuschlagen. Einen Moment lässt der Hund von der Tür ab. Doch gleich darauf folgt lautes Bellen, und er tritt erneut auf die Tür ein!

Schließlich sieht die Frau - in ihrer Wut - keine andere Lösung, um das Vorgefallene geheimzuhalten, als abermals zum Fleischmesser zu greifen und das Tier ebenfalls niederzustechen!

Anschließend trägt sie den Kadaver vor die Terrasse.

Später, als der Sohn nach Hause kommt, beweist sie abermals ihr ausgeprägtes Talent, Lügengeschichten aufzutischen: »Hermann, es ist etwas passiert.«

»Was denn, Mutter?«

»Dein Vater hat uns verlassen.«

Die Verblüffung ist verständlicherweise groß: »Was? Wo ist er denn hingegangen?«

»Das hat er nicht gesagt. Aber ich muss dir leider noch eine schlechte Nachricht mitteilen: Hans ist tot.«

»Was? Wieso?«, fragt er verstört.

»Dein Vater hat ihn getötet, bevor er gegangen ist.«

»Oh, dieser verdammte Schuft! Mutter, wie konnte er das bloß tun?«

»Ja, dein Vater ist eben ein hartherziger Mann.«

»Aber wie ist denn das alles überhaupt gekommen?«

»Na, er hat wieder rumgesoffen, und wir haben uns gestritten. Den Hans hat das natürlich aufgeregt, so dass er laut gebellt hat. Plötzlich hat der besoffene Kerl das Fleischmesser aus der Schublade genommen und auf den armen, hilflosen Hund eingestochen, so lange bis er tot war. Dann hat er gesagt, dass er nicht mehr mit uns zusammen leben will und dass er gehen will, bevor du nach Hause kommst. Er hat seine Sachen gepackt und ist abgehauen.«

»So was Komisches«, urteilt der Sohn mit schüttelndem Kopf.

»Ich bin so fertig von all der Aufregung. Deshalb habe ich Hans erst einmal vor die Terrasse gelegt. Nachher will ich ihn begraben.«

»Ich verstehe das gar nicht. Wie konnte uns Vater das nur antun?«

»Ich habe dir doch gesagt, dass er ein hartherziger Mann war. Ich kann so was ja auch nicht verstehen. Vielleicht hat er im Krieg so viel erlebt, dass er einen Dachschaden bekommen hat. Du weißt ja, dass er säuft, und dann hat er eben keine Kontrolle mehr über das, was er tut.«

»Aha, also der Scheiß-Alkohol.«

Zufrieden über sich selbst, dass sie dem Jungen die Story glaubwürdig erzählt hat, bestätigt sie ihm noch mal: »Ja, der Alkohol. Das Getränk des Teufels!«

Doch nach einem Augenblick des Schweigens bohrt er weiter nach: »Aber trotzdem: Wie kann man nur so was machen? Und warum?«

»Nu’ hör aber auf!«, entgegnet sie ungeduldig. »Ich hab’ jetzt genug mitgemacht! Was ich brauche, ist Ruhe und nicht deine ewige Fragerei! Frag mich nicht immer dasselbe! Ich habe dir eben alles genau erzählt. Mehr kann ich dir auch nicht sagen! Was willst du denn noch?!«

»Was ist denn mit dir los?«, entweicht es leichtsinnigerweise dem offenherzigen Halbwaisen.

»Ach, auch noch frech werden! Überhaupt geht das nicht mehr so weiter mit dir! Jetzt, wo dein Vater nicht mehr da ist, erlaube ich nicht mehr, dass du dich so viel mit deinen Freunden draußen herumtreibst!«

»Aber ...«, will er sich verteidigen.

»Nichts da "Aber"! Jetzt werden andere Seiten aufgezogen, mein Bürschchen!«, wettert es ihm entgegen. »Ich habe dir bis heute viel zu viel durchgehen lassen! Damit ist nun Schluss! Du siehst ja selbst, was aus deinem Vater geworden ist! Willst du etwa auch so werden wie er?!«

»Nein, Mutter.«

»Siehst du! Also muss ich aufpassen, dass aus dir nicht auch so ein Säufer und Herumtreiber wird! Denn ich will dich zu einem anständigen Menschen erziehen!«

»Aber ...«

»Hast du verstanden?!«

»Ja, Mutter.«

»So ist es brav, Hermann. Also, wir werden jetzt noch etwas zu Abendbrot essen. Dann werde ich den Hund begraben, und du gehst artig ins Bett, verstanden?«

»Ja, Mutter. Darf ich ihn denn noch kurz ansehen, um mich wenigstens noch von ihm zu verabschieden, wo sich doch Vater nicht einmal bei mir verabschieden wollte? Ich will auch für ihn beten.«

»Na gut. Wenn du es verkraften kannst, ihn so zu sehen, dann bitte. Aber nicht, dass du dann wieder Alpträume hast und nicht schlafen kannst!«

»Nein, nein. Ich werde schon keine Alpträume davon haben. Ich bin doch kein Baby mehr«, versichert er.

»Dann ist es ja gut. Aber mach nicht so lange!«

Nachdem sich der Junge das tote Tier angesehen hat, wird zu Abend gegessen. Es ist ein schweigsames Mahl. Hermann nimmt kaum etwas zu sich, da es ihn doch ziemlich mitgenommen hat, das erkaltete Lebewesen blutbeschmiert vor sich liegen zu sehen. Und da die frischgebackene Witwe sich von seinen staunenden und beobachtenden Blicken gestört fühlt, befiehlt sie alsbald: »Du isst ja doch nichts mehr. Also, geh ins Bett!«

»Ja, Mutter. Das werde ich Vater nie verzeihen!«

»Also, vergiss nicht, vor dem Einschlafen noch einmal für den armen Hans zu beten!«

»Nein, bestimmt nicht.«

»Und denk daran: Deine Mutter hat heute so viel Ärger gehabt. Ich muss mich ausruhen und brauche dringend Ruhe! Deshalb will ich heute nichts mehr von dir hören! Hast du mich verstanden?«

»Ja natürlich, Mutter. Gute Nacht!«

»Gute Nacht, Hermann!«

Hildegard Brunisch ist froh, als ihr Sohn endlich im Bett liegt, denn sie hat viel zu tun. Zuerst nimmt sie denselben alten Spaten, mit welchem bereits Anton damals ihren Geliebten verscharrt hat und begräbt den Hund vor der Terrasse.

Sobald der Kadaver unter der Erde liegt, fängt es zu regnen an. Die Frevlerin geht rein, um eine Weile Geduld zu üben. Denn es ist auch noch nicht dunkel genug für die weitere Arbeit. Und sie will sicher sein, dass Hermann wirklich tief schläft. Abwartend setzt sich die hartgesottene Person auf die Couch im Wohnzimmer, um abermals das Aroma einiger Glimmstengel in sich hineinzuziehen. Regentropfen knistern an der Fensterscheibe und laufen an dieser hinunter. Während die Meuchlerin genüsslich den Rauch aus dem Mund in die Luft bläst, fällt ihr Blick auf eines der alten Fotos, welche auf dem Büfett stehen. Davon schaut ihr Anton eindringlich entgegen. Das Bild wird dort weggenommen und in eine Schublade gelegt.

Nun stellt sie sich vor die Zimmertür ihres Sohnes und lauscht. Es hört sich an, als wenn er schlafen würde. Aber weil sie sich hundertprozentig überzeugen will, drückt sie vorsichtig die Türklinke herunter. Die heimliche Beobachterin schleicht sich in den Raum, um ihm ins Gesicht zu blicken. Der Junge hat beide Augen geschlossen, scheint nichts zu merken.

Sie schließt sorgsam die Tür und bemüht sich anschließend, so lautlos wie möglich wieder nach unten zu kommen. Denn die Holztreppe knackt unüberhörbar, was Sie, liebe Leser, sich ähnlich vorstellen können wie das Geräusch, was Sie vernehmen, wenn Sie den ersten Biss in ein besonders knuspriges Knäckebrot tun; bloß um ein Vielfaches lauter! Deshalb war es eine Torheit, überhaupt hochzugehen; aber dumme Leute machen eben dumme Sachen. Als die Stufen vorüber sind, wird noch einen Moment abgewartet. Nichts regt sich.

Inzwischen hat der Regen fast aufgehört. Die Frau schreitet in den dunklen Garten, zu der Stelle wo Hans Kuchenbäcker liegt. Sie beginnt, ein kleines Stück daneben ein neues Loch auszuheben. Jetzt nieselt es nur noch kaum bemerkbar. Doch es herrscht eine hohe Luftfeuchtigkeit. Auf jedem Häufchen der schweren nassen Erde, welche gestochen wird, ragen lange, sich windende Regenwürmer heraus. Ein moderiger Geruch steigt vom Boden empor.

Nach ungefähr einer viertel Stunde wird es unversehens etwas heller. Die heimliche Totengräberin erschrickt. Das Licht kommt vom Fenster ihres Sohnes. Sie lässt sofort die Schaufel fallen und läuft - so schnell sie kann - ins Haus. Instinktiv greift sie die Streichhölzer, um sich eine Zigarette anzuzünden. Dann schlendert sie scheinbar gelassen in den Flur.

Der Junge kommt gerade auf die Wohnzimmertür zu, als sie sich begegnen: »Mutter, ist alles in Ordnung?«

»Natürlich, Hermann. Warum?«

»Na, ich habe mich nur gewundert, weil hier noch Licht brennt. Schläfst du denn noch nicht?«

»Ich habe dir doch gesagt, dass ich heute Abend meine Ruhe haben will. Ich werd’ dich doch nicht fragen, wann ich ins Bett zu gehen habe!«, erwidert sie ungehalten.

»Aber ... ich habe mir doch nur Sorgen gemacht.«

»Ich wollte noch ein bisschen rauchen. Willst du mich kontrollieren?! Warum bist du nicht im Bett?!«

»Ich konnte nicht schlafen. Es hätte ja auch sein können, dass der gemeine Schuft wieder zurückgekommen ist, um mit uns das gleiche zu tun wie mit Hans.«

Erneut nimmt die Heimtückische gerne zur Kenntnis, dass das Kind von dem, was sie ihm gesagt hat, tief überzeugt ist, und sie antwortet: »Ach, da brauchst du keine Angst zu haben. Der Kerl kommt nicht zurück. Das weiß ich genau. Also los, zurück ins Bett! Und dass du mir ja nicht noch mal ankommst!«, ermahnt sie mittels bedrohlicher Betonung.

»Ja, Mutter. Ist gut.«

Nachdem die Zigarette beendet wurde, kehrt sie zu dem halb ausgehobenen Loch zurück, um ihr Werk fortzusetzen. Ab und zu vergewissert sie sich mit einem Blick aufs Haus davon, dass das Licht in Hermanns Zimmer aus ist.

Als der Hohlraum groß genug erscheint, macht sich die Täterin abermals auf den Weg zurück ins Haus, stellt sich erst an das untere Ende der Holztreppe, spitzt die Ohren, und da kein Laut zu vernehmen ist, fährt sie weiter fort mit der Ausführung ihres Planes: Sie steigt die Kellertreppe hinab zu Antons Leiche. Das Bündel wird von ihr mit beiden Händen gepackt und zur Treppe geschliffen, dann Stufe für Stufe nach oben gezogen. Der starke Wille und die Verbissenheit geben ihr die Kraft dazu.

In dem Moment, als sie gerade die obere Kellertür aufgedrückt hat, hört sie das Knacksen und Quietschen der Holztreppe über sich!

Das rigorose Weib hat inzwischen die Gelassenheit verloren. Sie hat Angst, dass ihr Sohn etwas mitkriegt. Sofort schließt sie die Tür wieder und legt den Toten, so sanft wie möglich, auf den Boden.

Die knarrenden Stufen verstummen bereits!

Schweißperlen bilden sich auf ihrer Stirn. Was ist, wenn der Junge jetzt...?

Ob er vielleicht irgendetwas hat, weshalb er nicht schlafen kann? Ob ihm übel ist oder so was? Wegen der Aufregung? Weil er den Hundekadaver gesehen hat?

Wenn ihn schon der Anblick des toten Tieres so schockiert hat, was würde dieser Anblick dann erst bei ihm auslösen? Kaum vorzustellen, dass er damit fertig würde! Ob er ihr glauben würde, wenn sie einfach behauptet, dass sie es aus Notwehr getan habe? Wenn nicht, was soll sie dann tun? Er würde auch bestimmt nicht mehr glauben, dass Anton den Hund auf dem Gewissen hat! Würde sie den Rest ihres Lebens im Zuchthaus verbringen?

Nun ist es ruhig. Wahrscheinlich steht Hermann jetzt da und überlegt, ob er es wagen soll zu rufen!

Womöglich reißt er gleich die Tür auf und sieht sie - mit der Leiche bei sich - dastehen!

Schlagartig gibt es ein Geschepper!

Der an ihr rechtes Bein gelehnte Leichnam hat sich, durch das Eigengewicht, aus seiner Schräglage heraus zur Seite gewälzt. Dabei muss er den leeren Putzeimer umgestoßen haben. Blech ist nicht leise!

Doch einen Sekundenbruchteil danach beginnt auch das Wasser der Toilettenspülung aufzurauschen. Anschließend ist erneut die Belastung der Holztreppe zu hören. Frau Brunisch atmet auf.

Nach einigen Augenblicken des Abwartens ist es wieder still. Die Gattenmörderin tritt erst ohne den Toten in den Flur, um noch einmal sicherzustellen, dass die Gefahr der Entdeckung wirklich vorüber ist. Alles in Ordnung. Demzufolge wird die Decke samt ihres leblosen Inhaltes mit hartnäckigen Fäusten gegriffen und Meter für Meter hinaus zu ihrem Bestimmungsort gezogen. Die fäulnisgeschwängerte Luft erschwert das Atmen. Aber einen Vorteil hat der vergangene Regen für Frau Brunischs makaberes Handeln: Auf dem rutschig nassen Rasen gleitet die Last leichter entlang.

Als sie schließlich mit Anton vor dessen offenem Grab angekommen ist, wickelt sie ihn aus, zerrt ihn an den Rand des Abgrundes und lässt ihn respektlos hineinfallen. Dumpf schlägt der Körper auf den düsteren Grund seiner zukünftigen Ruhestätte. Ohne eine Pause einzulegen, schaufelt die auf ihre eigentümliche Art geschiedene Ehefrau mit der wurmhaltigen Erde ihren Mann zu. Sie verteilt diese am Ende so geschickt, dass kein Hügel entsteht, sondern der Boden genauso eben wie vorher aussieht und nichts von dem, was er verbirgt, erahnen lässt. Als die Arbeit fertig ist, begibt sie sich ins Haus zurück und legt die Decke in den Keller.

Am nächsten Vormittag spielt die abgebrühte Person, eiskalt berechnend, bei einer alten Freundin eine Theatervorstellung, welche ihres gleichen sucht: »Alice, es ist etwas Furchtbares geschehen!« Sie wimmert gekonnt, quetscht sogar einige Tränen heraus.

»Hilde, was ist denn los? Hat Anton wieder getrunken?«

»Mein Mann ... Mein Mann hat mich verlassen!«

»Ach ...«

»Ja, und ... meinen Hans hat er auch umgebracht! ...«

»So ein verdammter Kerl!«

»Was hab’ ich bloß für ein schweres Los! Lässt der Schuft mich einfach mit dem Jungen sitzen!«

»Na Hilde, du hast es ja nicht leicht mit ihm gehabt. Kannst ja froh sein, dass du den Säufer los bist! Andere Männer sind auch aus dem Krieg zurückgekehrt und sind keine Trinker geworden! Das arme unschuldige Tier tut mir nur Leid. Aber darüber wirst du sicher bald hinwegkommen.«

Später findet zwischen Mutter und Sohn eine Unterredung statt, die dieser nie vergessen wird:

»Das war heute wieder ein Tag in der Schule, nichts als Ärger!«, möchte er berichten. Aber statt Verständnis und Trost erwartet ihn etwas anderes:

»Hermann, ich muss mit dir reden! Wie du weißt, habe ich dir ja schon gestern gesagt, dass ich dich strenger erziehen muss, damit aus dir eines Tages ein richtiger Mann und ein anständiger Mensch wird, nicht so ein Taugenichts und Trunkenbold wie dein Vater!«

»Ja, Mutter.«

»Siehst du, da kann man mal sehen, was aus so einem Jungen werden kann, wenn er nicht die richtige Erziehung genießt! Dabei hatte ich doch so lange auf die Rückkehr deines Vaters gewartet, damit er mir auch hilft, dich richtig zu erziehen. Ich wusste ja nicht, dass er sich so verändert hat, zum Schlechten meine ich. Verstehst du das?«

»Ja, natürlich. Aber ...«

»Und nun ist er weg. Du bist jetzt schon ein großer Junge mit deinen zwölf Jahren. Deshalb ist es das Beste, wenn ich dich in ein Internat gebe.«

»Aber Mutter! Ich ...!«, reagiert er völlig verstört über die jähe Mitteilung.

»Keine Widerrede! Du brauchst eine Vaterfigur! Dort sind Leute, die sich um dich kümmern werden und aus dir einen richtigen Mann machen!«

Bald ist es so weit. Das Kind mit dem Namen Hermann Brunisch wird in ein Kloster im fernen Bayern gesteckt. Seine Mutter wird von den Nachbarn bedauert, so auch vom jungen Kuchenbäcker: »Guten Tag, Frau Brunisch!«

»Guten Tag!«

»Der Hermann hat mir von Ihrem schweren Schicksalsschlag erzählt.«

»So? Was hat er denn gesagt?«, fragt sie argwöhnisch nach.

»Na, dass Ihr Mann im angetrunkenen Zustand den Hans erstochen und sie dann verlassen hat. Das ist bitter. So was hätte ich von Ihrem Mann nie gedacht. Wir haben uns doch mal so nett unterhalten. Dass er Sie jetzt mit dem Kind einfach sitzen lässt und seine Pflichten als Vater vernachlässigt!«

»Naja, was soll man machen? Das Leben muss ja weitergehen.«

»Ja, wissen Sie, man muss immer alles mit Humor nehmen. Zum Beispiel ist es doch ein Witz in dieser Situation, dass Ihr Hund genauso hieß wie mein Onkel. Weil ...«, schmunzelt der hoch gewachsene Erbe, »... ich meine, wenn ich sage: "lhr Mann hat den Hans erstochen." Wenn einer das hört, dann könnte er glatt meinen, dass von meinem Onkel die Rede sei.«

Die Angesprochene macht ein ernstes Gesicht, als sie diese als Aufheiterung geplante Anmerkung vernimmt.

Erschrocken darüber, er könne der Nachbarin zu viel zugemutet haben, reagiert der junge Mann sensibel: »Entschuldigen Sie. Ihnen ist jetzt sicher nicht nach Scherzen zumute. Sie haben sicher Ihren Hund sehr gern gemocht.«

»Ja, aber nun ist es ja schon ein paar Wochen her. Ich musste nur gerade, wo Sie das sagen, an Ihren toten Onkel denken«, erklärt sie. »Was wohl aus dem geworden ist?«

»Tja — das werden wir wohl nie erfahren.«

Fleischpflanzerl

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