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Fall 1 Der Gastwirt

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Allgemeines Verwaltungsrecht: Maßgeblicher Zeitpunkt
Überprüfbarkeit unbestimmter Rechtsbegriffe
Verwaltungsprozessrecht: einstweiliger Rechtsschutz, § 80 Abs. 5 VwGO
Besonderes Verwaltungsrecht: Rücknahme/Widerruf der Gaststättenerlaubnis, § 15 GastG
Unzuverlässigkeit

Sie sind Richter und Ihnen liegt eine Akte mit folgendem Inhalt vor:

Herr A betreibt eine Gaststätte mit gültiger Gaststättenerlaubnis. Zunächst läuft alles gut. Nachdem er jedoch zwei Mal rechtskräftig wegen unerlaubten Besitzes bzw. Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in seiner Gaststätte verurteilt worden ist, er in großem Umfang seine steuerlichen Pflichten verletzt hat und mehrmals wegen Verstößen gegen die Regelungen des Nichtraucherschutzgesetzes aufgefallen ist, widerruft die zuständige Behörde die Gaststättenerlaubnis und ordnet die sofortige Vollziehung der Maßnahme an. Nach erhobenem Widerspruch gegen den Widerruf wendet sich A mit einem entsprechenden Antrag an das zuständige Gericht.

Prüferin: Was fällt Ihnen bezüglich der Zulässigkeit ein?
Kandidat: Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet aufgrund der öffentlich-rechtlichen streitentscheidenden Normen des Gaststättengesetzes. Insbesondere ist fraglich, was die statthafte Antragsart gemäß §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO mit Blick auf sein Antragsbegehren darstellt.
Prüferin: Sie sprechen von statthafter Antragsart und nicht von Klageart?
Kandidat: Ja, denn augenscheinlich geht es um ein Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz. Die Behörde hat die sofortige Vollziehung angeordnet, sodass gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO die aufschiebende Wirkung entfällt. Mit dem Antrag ersucht der A schnellstmöglich Rechtsschutz dagegen.
Prüferin: So ist es. Und welche Antragsart ist nun statthaft?
Kandidat: Nach der maßgeblichen Abgrenzungsnorm des § 123 Abs. 5 VwGO ist vorrangig ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zu prüfen. Dafür müsste in der Hauptsache eine Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO statthaft sein. Hier wendet sich der A gegen den Widerruf der Gaststättenerlaubnis, wofür eine Anfechtungsklage statthaft wäre. Damit ist grundsätzlich im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft. Wie dargelegt, entfällt aufgrund der Anordnung der sofortigen Vollziehung die aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO, sodass der Antrag darauf gerichtet ist, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs nach § 80 Abs. 5 S. 1 Var. 2 VwGO wiederherzustellen.
Prüferin: Gut. Sehen Sie weitere Probleme in der Zulässigkeit?
Kandidat: Nicht wirklich. Einzig könnte kurz das Rechtsschutzbedürfnis erwähnt werden. Die Hauptsache dürfte nicht offensichtlich unzulässig, namentlich verfristet, sein. Dies ist jedoch nicht ersichtlich. Außerdem ist ein vorheriger Antrag bei der Behörde nach § 80 Abs. 6 S. 1 VwGO nicht zu stellen. Dies ist nur in den Fällen des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO der Fall. Der Widerspruch ist, wie erforderlich, erhoben worden. Einer Klageerhebung vor Stellung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO bedarf es aufgrund des eindeutigen Wortlautes des § 80 Abs. 5 S. 2 VwGO nicht.
Prüferin: Richtig soweit. Und wie würden Sie die Begründetheit des Antrags beurteilen?
Kandidat: Der Antrag ist begründet, wenn die Anordnung der sofortigen Vollziehung formell nicht ordnungsgemäß ist und/oder das individuelle Aussetzungsinteresse das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt. Dies richtet sich nach einer summarischen Prüfung der Hauptsache.
Prüferin: Und wonach bestimmen Sie, ob die Anordnung der sofortigen Vollziehung formell ordnungsgemäß ist?
Kandidat: Dies richtet sich nach § 80 Abs. 3 VwGO. Die Anordnung muss eine Begründung hinsichtlich des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung beinhalten. Diese darf nicht floskelhaft sein und muss auf die spezielle Situation eingehen. Die Behörde muss erkennen lassen, dass sie das Regel-Ausnahme-Verhältnis des § 80 VwGO erkannt hat. Ob die Gründe tatsächlich vorliegen, wird dabei nicht geprüft. Vielmehr geht es hier nur darum, dass eine Begründung für den Sofortvollzug überhaupt gegeben ist.
Prüferin: Genau so ist es. Und wie fällt die summarische Prüfung der Hauptsache aus?
Kandidat: Nun ja, die Hauptsache hat Erfolg, wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig ist und den Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO. Die taugliche Ermächtigungsgrundlage ergibt sich aus § 15 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GastG.
Prüferin: Absolut richtig. Aber was halten Sie von §§ 48 und 49 VwVfG?
Kandidat: Die §§ 48 und 49 VwVfG stellen die allgemeinen Regelungen hinsichtlich der Rücknahme und des Widerrufs von Verwaltungsakten dar. Ergibt sich jedoch aus dem Fachrecht eine speziellere Regelung, ist diese vorrangig.
Prüferin: Ja. Darf denn dann noch auf die allgemeinen Regelungen zurückgegriffen werden?
Kandidat: Das kommt auf die spezielle Regelung an. Durch Auslegung der Regelung ist zu ermitteln, ob für die Anwendung der allgemeinen Vorschriften Raum besteht oder ob diese abschließend ist.
Prüferin: Und wie verhält es sich im Gaststättenrecht?
Kandidat: Das Gaststättengesetz regelt in § 15 GastG sowohl die Rücknahme als auch den Widerruf einer Gaststättenerlaubnis. Nach § 15 Abs. 1 GastG ist eine Erlaubnis zurückzunehmen, wenn bekannt wird, dass bei ihrer Erteilung Versagungsgründe nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG vorlagen. Dies stellt eine gebundene Entscheidung dar, die erfolgen muss, wenn sich der Gaststättenbetreiber als unzuverlässig darstellt. § 48 VwVfG hingegen stellt eine Ermessensvorschrift dar und eröffnet weitere Rücknahmegründe. Dieser ist damit weiterhin neben § 15 Abs. 1 GastG anwendbar.
Prüferin: Gilt dies auch für den hier geltenden Widerruf?
Kandidat: § 15 Abs. 2 GastG stellt eine gebundene Entscheidung für einen Widerruf der Erlaubnis dar, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die die Unzuverlässigkeit des Gaststättenbetreibers und damit die Versagung der Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG rechtfertigen. Darüber hinaus eröffnet § 15 Abs. 3 GastG jedoch eine Ermessensentscheidung mit verschiedenen Widerrufsgründen. Ein Rückgriff auf die allgemeine Widerrufsvorschrift des § 49 VwVfG und die dort enthaltenen Widerrufsgründe ist damit gesperrt.
Prüferin: So ist es. Zurück zum Fall. Die formelle Rechtmäßigkeit der Widerrufsanordnung unterstellt, ist der Verwaltungsakt materiell rechtmäßig?
Kandidat: Dafür müssten die Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage gegeben sein. Namentlich müssten Tatsachen eintreten, die die Versagung der Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG rechtfertigen würden. Dies ist dann der Fall, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt. Beispielhaft werden verschiedene Punkte genannt, die die Unzuverlässigkeit begründen, zum Beispiel, dass der Antragsteller dem Trunke ergeben ist.
Prüferin: Und was fällt Ihnen zum Begriff der Unzuverlässigkeit ein?
Kandidat: Zunächst stellt der Begriff der Unzuverlässigkeit einen unbestimmten Rechtsbegriff dar. Dieser ist jedoch voll gerichtlich überprüfbar.
Prüferin: Ist das bei unbestimmten Rechtsbegriffen immer der Fall?
Kandidat: Grundsätzlich ja, es bestehen aber einige Ausnahmen. Dies ist immer dann der Fall, wenn der Behörde ein eigener Beurteilungsspielraum eingeräumt wird und diese damit einen „Wissensvorsprung“ hat. Anerkannt ist dies bei Prüfungs- und prüfungsähnlichen Entscheidungen, bei beamtenrechtlichen Beurteilungen, bei Entscheidungen wertender Art durch weisungsfreie, zum Beispiel mit Sachverständigen besetzte Ausschüsse und schließlich bei Prognoseentscheidungen und Risikobewertungen im Bereich des Wirtschafts- und Umweltrechts.
Prüferin: Und was wird dann geprüft?
Kandidat: Das Gericht prüft in solchen Fällen eingeschränkt darauf, ob die gesetzlichen Grenzen der Ermächtigung verkannt wurden, insbesondere sachfremde Erwägungen in die Bewertung eingeflossen sind, ob die Verfahrensvorschriften und -grundsätze beachtet worden sind, ein unrichtiger Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt worden ist oder allgemeine Wertungsmaßstäbe nicht beachtet worden sind.
Prüferin: In Ordnung. In unserem Fall liegt eine solche Ausnahme jedoch nicht vor, sodass eine volle gerichtliche Überprüfung stattfindet. Und wie beurteilen Sie nun den Versagungs- bzw. Widerrufsgrund?
Kandidat: Ein solcher hat zu erfolgen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Gaststättenbetreiber unzuverlässig ist. Unzuverlässigkeit ist dann gegeben, wenn der Gewerbetreibende aufgrund eines Gesamteindrucks seines bisherigen Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, das Gewerbe auch in Zukunft ordnungsgemäß, mithin unter Beachtung der entsprechenden gesetzlichen Vorschriften und der guten Sitten, auszuüben. Dies stellt eine Prognoseentscheidung für die Zukunft dar. Ein Verschulden spielt dabei keine Rolle. Dabei muss diese Bewertung auf Tatsachen fußen. Bloße Vermutungen sind nicht ausreichend, eine vollständige Überzeugung hingegen ebenfalls nicht. Vielmehr bedarf es nachprüfbarer Tatsachen.
Prüferin: Richtig. Und spielen dabei sämtliche Umstände eine Rolle? Und wie sieht es mit Beschäftigten aus. Muss der Gaststättenbetreiber auch für diese den „Kopf herhalten“?
Kandidat: Es muss ein innerer Zusammenhang zwischen den Tatsachen und dem Gewerbetrieb bzw. hier der Gaststätte bestehen. Wenn überhaupt kein Bezug zum Gewerbebetrieb besteht und die Tatsachen keine Auswirkungen auf diesen haben, können sie nicht zur Begründung der Unzuverlässigkeit herangezogen werden. Mit Blick auf Dritte ist zu sagen, dass auch das Verhalten solcher Personen die Unzuverlässigkeit des Gaststättenbetreibers begründen können. Dies jedoch nur, soweit diese unzuverlässig sind und maßgeblichen Einfluss auf das spezielle Gewerbe ausüben. Dann wird daraus gefolgert, dass auch der Gaststättenbetreiber unzuverlässig ist, da er nicht in der Lage ist oder kein Interesse daran hat, den schädlichen Einfluss zu beseitigen.
Prüferin: Gut. Und wie sieht es mit der zeitlichen Komponente aus? Dürfen sämtliche Tatsachen Berücksichtigung finden?
Kandidat: Der maßgebliche Zeitpunkt bei der Beurteilung der Unzuverlässigkeit ist, wie bei einer sonstigen Anfechtungsklage grundsätzlich auch, der Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung. So auch im Gaststättenrecht.
Prüferin: Gilt das immer?
Kandidat: Nein, bei einem Dauerverwaltungsakt kommt es auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an. Davon gibt es jedoch wiederum eine Rückausnahme, wenn ein Wiedergestattungsverfahren vorgesehen ist.
Prüferin: Sehr richtig. Kennen Sie ein Beispiel für eine solche Rückausnahme?
Kandidat: Ja, die allgemeine Vorschrift im Gewerberecht für eine Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit, § 35 GewO, enthält in § 35 Abs. 6 GewO ein Wiedergestattungsverfahren, sodass es dann auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung ankommt.
Prüferin: Kennen Sie den Grund für diese Rückausnahme?
Kandidat: Das gesetzlich festgelegte Wiedergestattungsverfahren soll nicht umgangen werden. Die Zuverlässigkeit wird dann in dem Wiedergestattungsverfahren erneut geprüft.
Prüferin: Richtig. Und wie ist die Unzuverlässigkeit des A nun zu beurteilen? Die beiden Verurteilungen stehen in Zusammenhang mit dem Betrieb der Gaststätte. Der A trägt zu den Tatsachen vor, dass die Steuerschulden aufgrund Fehlverhaltens seines früheren Steuerberaters entstanden sind, er dementsprechend keine Verantwortung trage und er nunmehr einen neuen Steuerberater beschäftige, der den Fall bearbeite. Auch bezüglich der Verstöße gegen das Nichtraucherschutzgesetz verweist A darauf, dass diese nicht bei sämtlichen Kontrollen festgestellt worden seien.
Kandidat: Die Unzuverlässigkeit ist aufgrund einer Gesamtschau zu beurteilen. Die beiden rechtskräftigen Verurteilungen stehen in unmittelbarem Zusammenhang zur Tätigkeit in der Gaststätte. Bereits dies allein begründet die Unzuverlässigkeit. Aber auch die umfangreichen Steuerschulden führen zur Unzuverlässigkeit.
Prüferin: Und wie bewerten Sie die Erklärung des A hinsichtlich der Steuerschulden? Können diese ihn entlasten?
Kandidat: Zunächst ist festzuhalten, dass die Unzuverlässigkeit kein subjektiv vorwerfbares Verhalten voraussetzt, sondern sich an objektiven Tatsachen bemisst. Dass eine Besserung der wirtschaftlichen Situation und ein erfolgversprechendes Sanierungskonzept aufgestellt wurde, ist nicht erkennbar. Die bloße Behauptung, mit dem neuen Steuerberater würde alles besser und er würde nunmehr seiner steuerlichen Zahlungsverpflichtung nachkommen, trägt nicht.
Prüferin: Aber die Verstöße gegen das Nichtraucherschutzgesetz sind nicht bei allen Kontrollen festgestellt worden. Dass einzelne Personen dagegen verstoßen, kann doch wohl dem A nicht angelastet werden.
Kandidat: A muss als Gaststättenbetreiber für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen Rechnung tragen. Auch wenn nicht jedes Mal Verstöße festgestellt wurden, begründen die Verstöße in der Gesamtschau mit den anderen Tatsachen die Unzuverlässigkeit.
Prüferin: Sehr richtig. Zu welchem Ergebnis führt das?
Kandidat: Damit ist die Unzuverlässigkeit des A i.S.d. § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG gegeben. Diese Tatsachen sind auch erst nach Erlaubniserteilung eingetreten. Somit liegen die Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage vor. Es besteht eine gebundene Entscheidung. Der Verwaltungsakt ist rechtmäßig. Auch die Verhältnismäßigkeit ist gewahrt.
Prüferin: Ist sonst noch etwas zu prüfen?
Kandidat: Nur weil der Verwaltungsakt rechtmäßig ist, begründet dies noch nicht die sofortige Vollziehbarkeit.
Prüferin: Gut. Aber woraus ergibt sich das?
Kandidat: Nach § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Möchte die Behörde jedoch den Verwaltungsakt sofort vollziehen, bedarf es dafür besondere Gründe des öffentlichen Interesses, siehe § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 3 VwGO. Dementsprechend muss über die Erfolgsaussichten der Hauptsache und damit der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes hinaus eine weitere Interessenabwägung erfolgen zwischen dem öffentlichen Vollzugsinteresse und dem individuellen Aussetzungsinteresse.
Prüferin: Welches Interesse überwiegt hier?
Kandidat: Eine Besserung des Verhaltens ist nicht zu erwarten. Insbesondere steht aufgrund der Fülle an Verstößen zu befürchten, dass bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens weitere Verstöße hinzukommen. Um den Gefahren, die mit dem Widerruf der Gaststättenerlaubnis bekämpft werden, effektiv zu begegnen, überwiegen die öffentlichen Interessen und begründen die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes.
Prüferin: Das denke ich auch. Welches Ergebnis haben Sie damit für den Antrag des A?
Kandidat: Der Antrag hat keinen Erfolg.
Prüferin: Richtig. Und was sagen Sie dazu, wenn der A noch geltend macht, dass ihm durch den Widerruf die wirtschaftliche Existenzgrundlage genommen wird und die Maßnahme deswegen unverhältnismäßig ist?
Kandidat: Ein Widerruf der Gaststättenerlaubnis kann tatsächlich existenzvernichtend wirken. Allerdings muss auch der Schutzzweck des § 15 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GastG berücksichtigt werden. Der Schutz der Gäste und der Allgemeinheit vor einem unzuverlässigen Gaststättenbetreiber hat Vorrang vor dem Interesse des Einzelnen, seine Existenzgrundlage aufrechtzuerhalten.
Prüferin: Das ist richtig. Damit sind wir am Ende. Vielen Dank.

Auf einen Blick

Die Abgrenzung eines Antrags im einstweiligen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO oder § 123 Abs. 1 VwGO erfolgt nach der Abgrenzungsnorm des § 123 Abs. 5 VwGO. Danach ist vorrangig ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zu prüfen. Dafür muss in der Hauptsache eine Anfechtungsklage die statthafte Klageart sein. Ansonsten ist ein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO statthaft.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell ordnungsgemäß nach § 80 Abs. 3 VwGO, wenn sie nicht floskelhaft ist, auf den Einzelfall abstellt und das besondere Regel-Ausnahme-Verhältnis des § 80 VwGO erkennen lässt.

Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bei der Anfechtungsklage stellt der Zeitpunkt die letzte Behördenentscheidung dar, namentlich der Erlass des (Widerspruchs-)Bescheides. Eine Ausnahme davon stellen Dauerverwaltungsakte dar, dabei ist die letzte mündliche Verhandlung entscheidend. Eine Rückausnahme besteht dann, wenn ein Wiedergestattungsverfahren im Gesetz angeordnet ist, vgl. § 35 Abs. 6 GewO, § 3 Abs. 6 StVG. Bei der Verpflichtungsklage ist der maßgebliche Zeitpunkt grundsätzlich die letzte mündliche Verhandlung vor Gericht.

Unzuverlässigkeit ist dann gegeben, wenn der Gewerbetreibende aufgrund eines Gesamteindrucks seines bisherigen Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet das Gewerbe auch in Zukunft ordnungsgemäß, mithin unter Beachtung der entsprechenden gesetzlichen Vorschriften und der guten Sitten, auszuüben.

Unbestimmte Rechtsbegriffe unterliegen grundsätzlich der vollen gerichtlichen Kontrolle. Davon bestehen jedoch vier Ausnahmen, namentlich bei Prüfungs- und prüfungsähnlichen Entscheidungen, bei beamtenrechtlichen Beurteilungen, bei Entscheidungen wertender Art durch weisungsfreie, zum Beispiel mit Sachverständigen besetzte, Ausschüsse und schließlich bei Prognoseentscheidungen und Risikobewertungen im Bereich des Wirtschafts- und Umweltrechts. In einem solchen Fall prüft das Gericht eingeschränkt darauf, ob die gesetzlichen Grenzen der Ermächtigung verkannt wurden, insbesondere sachfremde Erwägungen in die Bewertung eingeflossen sind, ob die Verfahrensvorschriften und -grundsätze beachtet worden sind, ein unrichtiger Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt worden ist oder allgemeine Wertungsmaßstäbe nicht beachtet worden sind.

Zur Vertiefung

Das Prüfungsgespräch basiert auf: BVerwG, Beschl. v. 23. Januar 2018, Az. 4 B 1486/17

Eilrechtsschutz: Kaiser/Köster/Seegmüller, Die öffentlich-rechtliche Klausur im Assessorexamen, 5. Aufl. 2019, Rn. 300 ff.
Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 80 Rn. 120 ff.
Pietzner/Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im ÖffentlichenRecht, 14. Aufl. 2019, Rn. 1386 ff.
Ramsauer, Die Assessorprüfung im öffentlichen Recht, 7. Aufl. 2010, Rn. 19.01 ff.
Gewerberecht/Gaststättenrecht: Kaiser/Köster/Seegmüller, Materielles Öffentliches Recht im Assessorexamen, 5. Aufl. 2021, S. 181 ff.
Maßgeblicher Zeitpunkt: Ramsauer, Die Assessorprüfung im öffentlichen Recht, 7. Aufl. 2010, Rn. 14.29 f. (für Anfechtungsklage), Rn. 15.23 ff. (für Verpflichtungsklage)
Zum einstweiligen Rechtsschutz siehe: Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 80 Rn. 147; § 123 Rn. 27
Unbestimmte Rechtsbegriffe: Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 114 Rn. 23 ff.
Kaiser/Köster/Seegmüller, Die öffentlich-rechtliche Klausur im Assessorexamen, 5. Aufl. 2019, Rn. 222 ff.
Die mündliche Assessorprüfung im Öffentlichen Recht

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