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Inhaltsverzeichnis

Nikolka kam mit dem Schlüssel zu der kleinen Fenja und forderte die Damen zu einer Bootfahrt auf.

»Ich habe den Schlüssel schon, Afonka hat ihn mir gegeben; nach dem Mittagessen hole ich Sie ab.«

Marja Karpowna Klimowa, kurz Maschenka genannt, sagte:

»Den Vater Afanaßij bringen Sie dann auch mit.«

»Dem ist ja ein Unglück zugestoßen, er muß das Bett hüten. Der Vater Abt hatte ihn nach dem Bienengarten geschickt, er sollte auf einen Bienenschwarm aufpassen; der Schwarm flog davon und hängte sich hoch oben an eine Fichte; Afanaßij holte eine Leiter herbei, stieg hinauf, aber die Leiter war zu kurz, so kletterte er denn an den Zweigen weiter und bemerkte nicht, daß er an einen dürren Ast kam; kaum hatte er ihn erfaßt und hing daran, als der Ast brach und Afanaßij, den Ast in den Händen, vom obersten Wipfel her den ganzen Baum entlang herabflog. Daß er dabei mit dem Leben davongekommen ist, das ist fürwahr ein rechtes Gotteswunder; wundersam hat ihn der Herr behütet; heil und ganz kam Afanaßij unten an, bloß die Nase hat er sich ein bißchen zerschlagen, und zwar an demselben Ast, an den geklammert er herabstürzte.«

Frau Grakina und Frau Klimowa beklagten das Unglück, Nikolai aber fuhr fort:

»Ich bringe Ihnen einen anderen Freund mit, ein braves Mönchlein, bloß sehr scheu, dafür aber ein goldenes Herz, eine Seele von einem Menschen.«

Kaum daß der Nebenbuhler verschwunden war, hatte sich Nikolkas Zunge gelöst, als hätte er das Glück bereits erwischt.

Er aß hastig zu Mittag, wühlte mit dem Löffel in der Kohlsuppe herum, konnte aber vor Aufregung nichts auf den Löffel bekommen und führte ihn leer zum Munde; die Fischsuppe ließ er stehen: der Fisch hatte so viel Gräten und war salzig, er angelte sich ein Fischlein heraus, stocherte mit dem Finger darin herum und ließ es auf dem Holzteller liegen; auch von der Grütze aß er nicht, bloß Brot mit Salz schlang er hinunter und trank Kwas dazu.

Während das Dankgebet gesungen wurde, stieß er den Kwasbrauer Vater Michail in den Rücken und forderte ihn zu der Bootfahrt auf:

»Komm mit, Michail, wir machen eine Kahnfahrt; du kommst dabei auch auf deine Rechnung …«

Marja Karpowna Klimowa, Maschenka, war ein fröhliches Frauchen, behend und leichtsinnig; ihr Gatte, Großkaufmann, war betagt, und so hatte sie eine Schwäche für Mönche; sie lachte hell – und dann hüpften die Grübchen in ihren Wangen nur so –, ließ ihre Glieder spielen, warf zuckend die Schultern zurück, lockte und umstrickte mit den Augen, als wollte sie sagen: Sieh doch mal, wie mollig ich bin!

Frau Grakina, Antonina Kirillowna, Fenjas Mutter, die war eine Frau, die etwas auf sich hielt; sie scherzte wohl mit den Mönchen und machte ihnen die Köpfe heiß, aber daß sie sich sonst etwas erlaubt hätte, das gab es nicht, da verstand sie keinen Spaß, war sich ihres Wertes bewußt und gab eifrigen Zungen keinen Anlaß zu müßigem Gerede. Es geschah ihrer Tochter wegen, die allmählich ins heiratsfähige Alter kam; sie wollte dem jungen Mädchen kein schlechtes Beispiel geben, und da hieß es, auf der Hut sein. Ist das Mädel erst verheiratet, so liegen die Sachen anders, dann ist die Tochter selbst für sich verantwortlich und die Mutter braucht ihr nichts mehr vorzumachen.

Doch einen Scherz zusammen mit Maschenka Klimowa, eine Neckerei mit den Klosterbrüdern, das hatte sie gern.

Frau Klimowa hingegen hatte eine Schwäche für das männliche Geschlecht. Hatte ein Getändel eine Woche gedauert, so konnte sie nicht länger an sich halten. Den Klosterbrüdern war sie schon seit langem gut bekannt.

Als Nikolai und Michail hinkamen, flüsterte dieser dem Freunde zu:

»Ah, diese … Weißt du denn nicht – im vorigen Jahr hat sie sich mit so manchem abgegeben.«

Die Gesellschaft schritt durch den Klosterhof und über die Wiesen dem Walde zu.

Vater Michail war ein rundlicher Bursche, bärenhaft, hatte rötlichen Haarwuchs; beim Lachen kniff er die Augen zusammen und schluchzte vor Vergnügen; furchte er die Stirn, so trafen die Brauen über der Nase zusammen, und die Nase sah aus wie ein platter Pfannkuchen; wenn er, die Stirn gefurcht, im Baß vor sich hin brummte, schien es: nicht aus seiner Kehle, sondern aus diesem Pfannkuchen käme das Gebrumm.

Mit Weibern war Vater Michail scheu und lüstern.

Wie angeklebt schritt er neben Maschenka Klimowa einher; ihre leichte Batistbluse verwirrte ihn, mit dem einen Auge starrte er auf ihre kleine rundliche Schulter, den Blick des anderen senkte er in den Halsausschnitt.

»Was schauen Sie denn da hinein, Vater Michail?«

»Es ist ein so leichter Stoff, ist Ihnen darin nicht kalt?«

»Kein bißchen, Vater Michail, ich bin heißblütig, mir ist niemals kalt; überzeugen Sie sich.«

Sie ergriff seine Hand, legte sie auf den Ausschnitt, wo die Brüste ansetzten, ließ sie dort einen Augenblick ruhen, schleuderte sie dann weg und brach in helles Lachen aus.

»Nicht wahr, ich bin ganz heiß? Glauben Sie's jetzt?«

Vater Michail glühte, abgerissen brummte er:

»Hohe Temperatur.«

»Und Sie meinten noch, mir wäre kalt! Erzählen Sie mir einmal, wer von den Sommerfrischlern gefällt Ihnen am besten?«

»Maschenka, versetz' Vater Michail nicht in solche Ängste, vor Schreck läuft er dir noch davon«, sagte Frau Antonina Grakina.

»Der läuft mir nicht davon, Tonja – ich habe ein Zaubertränklein, das fesselt ihn an mich.«

Vater Michail brummte verlegen, Nikolai mußte sogar lachen, auch die kleine Fenja lächelte schüchtern, Vater Michail war gar zu komisch.

»Vater Michail, Sie müssen am Abend zu mir kommen, ich setze Ihnen süßen Beerenschnaps vor.«

»Am Abend kann ich nicht kommen, das Klostertor wird bei uns früh geschlossen.«

»Ach, Ihr Klostertor! Nicht das erste Jahr bin ich hier Gast, ich weiß wohl nicht, daß man über die Umzäunung beim Wirtschaftshof klettern kann; das haben Sie wohl noch nie gemacht?«

»Am Abend kann ich nicht abkommen, der Vater Abt läßt mich nicht fort.«

»Wie Sie wollen, aber Sie werden's später bereuen.«

»Sie halten mich ja doch bloß zum besten.«

Und Vater Michail verstummte wieder brummig.

Nikolai bemühte sich inzwischen um die kleine Fenja.

Es kam ihr so sonderbar vor, sich mit einem Mönch zu unterhalten. Sie hätte ihn gern gefragt, warum er ins Kloster gegangen war und nicht in der Stadt lebte. Man ließ sie nirgends allein hin, immer war sie unter Aufsicht, selbst zu ihren Freundinnen wurde sie nur ungern gelassen; bloß im Lyzeum kam sie mit ihnen zusammen, und so überließ sie sich des Abends allein ihren Träumen. In Büchern hatte sie doch gelesen und auch sonst davon gehört, daß man oft wegen unglücklicher Liebe ins Kloster gehe; gewiß war das auch bei Vater Nikolai so. Er hatte ihr zwar gesagt, seinen Eltern hätte es an Mitteln zu seinem Studium gefehlt, aber vielleicht lag da etwas anderes vor, worüber er nicht sprechen mochte. Die kindliche Fenja liebte es, von tragischen Liebesabenteuern zu träumen, und sie meinte, jeder erglühe in verzehrender Liebe, wenn er keine Erhörung fände.

In Büchern hatte sie von solcher Liebe gelesen, und diese Bücher hatten ihr sehr gefallen. Bücher, in denen die Liebe zu einem glücklichen Ende führt, schienen ihr dumm und langweilig, jene aber, in denen der Liebende seinen Nebenbuhler oder sich selbst tötet, die mochte die kleine Fenja gar zu gern.

Auch sie wollte es ebenso machen wie jene, die den Geliebten abwiesen, um selber Liebesleid zu erfahren, zu schmachten und auch ihn schmachten zu lassen. Das mußte doch bestimmt die wahre Liebe sein, denn was ist das auch für eine Liebe, wenn zweie sich treffen, einander ihre Liebe gestehen, sich einen Kuß geben und vor den Altar treten! Von solch einer Liebe zu lesen, war langweilig, und ebenso zu lieben mußte langweilig sein. Wieviel Menschen sie auch kannte, alle heirateten immer, nie beging jemand Selbstmord, nie wurde jemand wahnsinnig vor Liebe, sondern die Leute lebten in aller Ruhe jahraus, jahrein nebeneinander her, machten Geschäfte, waren Beamte, gaben sich mit ihren Kindern ab, befragten an langen Winterabenden die Karten über ihr Schicksal, obgleich es ja eigentlich gar nichts mehr zu fragen gab, da ja bereits alles feststand und endgültig entschieden war. Heiratete er sie erst, so war es mit allen Geheimnissen aus und zu Ende; die Karten mochten fallen, wie sie wollten, immer würden sie dasselbe verkünden: Klatsch, Krankheiten, Erfolg, Begegnung mit dem König. In Wirklichkeit aber waren die Klatschgeschichten wohl frei erfunden, die Krankheiten so gewöhnlich – von Kurpfuschern ließ man sich behandeln –; Erfolg, das hieß ein gutes Geschäft. Was brauchte man da noch erst die Karten zu befragen! Und was die Begegnung mit dem König betrifft, so trat höchstens der Schutzmann am Kirchweihfeste in Erscheinung, der ins Haus kam, um seine Gratulation vorzubringen; sonst begegnete man nur noch Bekannten auf dem Markt; daß es aber einmal der Geliebte gewesen wäre, davon hatte Fenja nie gehört. Und was heißt denn überhaupt »Begegnung«?! Ist man erst einmal verheiratet, so ist's aus mit allen Begegnungen, von seinem Manne kommt man doch nicht los! Die Herbstabende waren so lang, in der Gouvernementsstadt gerade so wie in der Kreisstadt, endlos lang. Die kleine Fenja las einen schauerlichen Roman, Seite um Seite, und ging schließlich schlafen. Zusammengekringelt unter der Steppdecke wurde sie allmählich warm, der Schlaf wollte nicht kommen, so lag sie da und träumte.

Im Halbschlummer spannen sie die Träume wie ein Spinngewebe ein, daß sie nicht mehr aus noch ein wußte.

Wie sich's gehört, ist der Held von vornehmster Herkunft und titelgekrönt; er überschüttet sie mit Geschenken und drängt zur Flucht, sie aber bleibt unerbittlich, darum unerbittlich, weil sie den Traum weiter ausspinnen will, möglichst lang, und noch so manches, ganz Wunderbares hineinflechten möchte. Sie liebt ihn ja auch, aber ihr Stolz erlaubt es ihr nicht, ihm ihre Gefühle zu gestehen. Und ganze Zwiegespräche rollen sich ab, rein als läse sie ein Buch.

»Bis ans Ende der Welt will ich Ihnen folgen – bin ich denn Ihrer Liebe nicht wert?«

»Ich kann Sie nicht lieben, glauben Sie mir.«

»Ich bau' Ihnen ein herrliches Schloß, hülle Sie ein in sorgende Liebe, umgebe Sie mit Kurzweil und Vergnügungen …«

»Ich will nichts von Ihnen haben, quälen Sie mich nicht – bald lieben Sie ja wohl eine andere, eine vornehme Dame, ich bin ja bloß ein armes Mädchen, häßlich dazu; wer sollte mich lieben!«

»Ich schwöre Ihnen, die Welt birgt nichts Schöneres als Sie! Und nach Reichtum gehe ich nicht aus, Geld habe ich selber übergenug.«

Und es tut der kleinen Fenja so furchtbar leid, daß sie ihn nicht lieben kann, sie selber tut sich sogar leid, obwohl sie ja eigentlich fühlt, daß sie ihn liebt; bloß gestehen kann sie das nicht, darum ist sie grausam gegen ihn, unerbittlich.

Ein Sehnen überkommt sie, während sie endlos Luftschlösser baut; süßer Schlummer schleicht leise heran, sie will aber nicht einschlafen ohne Liebe. Ihre Grausamkeit, ihr Stolz schwinden dahin; sie gestattet ihm, ihre Hand zu küssen, und dann schlingt sie selbst ihre Arme um seinen Hals, und sie küssen sich in einem wunderbaren Garten, wo die Nachtigallen schlagen, der Mond scheint und üppige Blumen blühen. Und dann führt er sie in sein Haus, und dann … und dann wird der kleinen Fenja unheimlich vor dem Unbekannten, da sie nicht weiß, was dann mit ihr geschieht. Sie spürt bloß, daß es unheimlich schön sein muß, so schön, daß ihr das Herz im Leibe stillsteht bei der Vorstellung, wie er sie in seinem Hause mit Küssen überschüttet.

Wie die jungen Mädchen in den Büchern wollte sie sein und gab sich redlich Mühe, ihnen in allem nachzueifern.

Wenn sie aus der Schule heimgeht, so kommt ihr Petrowskij, Nikodim Alexandrowitsch, entgegen und begleitet sie bis ans Haus und spricht die ganze Zeit über von seinen Gefühlen; sie aber ist unerbittlich, grausam will sie gegen ihn sein, ihn schmachten lassen.

Bricht die Dämmerung an, so weiß Fenja selbst nicht recht, soll sie nun nach der Poststraße gehen oder soll sie's lieber bleiben lassen. Sie möchte ja gern gehen, aber ebenso gern möchte sie ihn quälen, und außerdem fürchtet sie auch, man möchte es zu Hause erfahren.

So sitzt sie denn da, und träumt, und dreht ein Schulbuch hin und her in der Hand, und schließlich meint sie, sie habe ganz vergessen, was aufgegeben sei, zieht sich an, um bei einer Freundin nachzufragen, und erklärt ihrer Mutter, sie habe vergessen, was zu morgen auf sei.

Kaum schnappt die Gartenpforte, da steht Petrowskij vor ihr, wie aus dem Erdboden emporgeschossen, und geht neben ihr her.

»Schon lange warte ich auf Sie, Sie kamen immer nicht.«

»Wir haben so viel zu morgen zu lernen, ich gehe zu meiner Freundin, um nachzufragen, was wir eigentlich aufhaben.«

»Darf ich Sie begleiten, Fenja?«

»Wie Sie wollen, aber kommen Sie mir nicht mit Ihren Dummheiten, die will ich gar nicht hören.«

»Fenja, Sie wissen ja gar nicht, wie schwer man es hat, wenn man so einsam ist! Lassen Sie uns wenigstens Freunde sein.«

Sie spricht bei ihrer Freundin vor, sitzt eine Weile, man plaudert, man lacht, während Petrowskij wie der Nachtwächter in der Gasse auf und ab geht – bei der Kälte wartet er auf sie.

Zusammen mit ihm geht sie nach Hause; er wagt es gar nicht mehr, von seinen Gefühlen zu sprechen, und so ist alles nur schales Gerede; unentschlossen und mühsam kommen ihm die Worte über die Lippen.

Da langweilt sie wieder das Zusammensein; sie schreitet neben Petrowskij einher und ärgert sich über ihn. Warum hat er nicht so schöne Worte, wie sie in Büchern stehen, warum ist er nicht berühmt und vornehm, sondern bloß ein Schüler des Lehrerseminars!

Erwartungsvoll hofft sie auf was Besonderes, aber es kommt ja nie, dieses Besondere, immer noch nicht! Entschieden hatten andere Mädchen mehr Glück, es war geradezu empörend! Einen ganzen Winter lang lauerte Petrowskij überall der kleinen Fenja Grakina auf, begleitete sie auf ihren Gängen, sprach von seiner Einsamkeit; weiter getraute er sich nicht. Und vielleicht brauchte die kleine Fenja nichts weiter als einen Kuß, um zu erwachen, um die angelesenen Träume zu verscheuchen, vielleicht hätte dann auch sie ihm einen herzhaften Kuß gegeben, ihn geküßt, wie nur die erste Liebe küßt. Aber Petrowskij hatte das nie gewagt, und in Fenjas Herz war alles ganz nebelhaft geblieben.

Doch wenn sie ihren Träumereien nachhing, dann hatten all die vornehmen und reichen jungen Männer seltsamerweise immer Petrowskijs Gesicht, und immer neigten sie sich küssend über sie, wenn sie in Schlummer sank.

Der Funke des ersten Gefühls glomm in Fenjas Herz, es aber zu wirklicher Liebe zu erwecken, das verstand Petrowskij noch nicht, das wagte er auch nicht.

So war sie denn, dieses leise glimmende Gefühl im Herzen, in die Sommerfrische ins Kloster gekommen.

Als sie mit Nikolai zusammentraf, erwachte in ihr wieder die Sehnsucht nach dem Besonderen, von dem so Schönes in den Büchern stand.

Im vorigen Jahr war er mit ihr ein paarmal im Walde umhergestreift, damals waren ihr aber solche Gedanken noch nicht gekommen. Jetzt aber wollte sie ihn gern fragen, warum er ins Kloster gegangen war, von jenem Besonderen hoffte sie zu hören.

»Vater, warum sind Sie ins Kloster gegangen?«

»Ich glaube nicht an die Menschen, Fjokla Timofejewna.«

»Nennen Sie mich einfach Fenja, wie die anderen.«

»Nie haben meine Gefühle bei den Menschen Erfüllung gefunden, hier aber ist gut sein; wenn man betet, scheinen einem auch die Menschen gut und mitfühlenden Herzens.«

»Haben Sie vielleicht etwas Schweres erlebt, über das Sie nicht hinweg können?«

Nikolai seufzte, blickte ihr innig in die Augen und sagte leise:

»Es fällt mir schwer, darüber zu sprechen, fragen Sie lieber nicht.«

Ihre Augen trafen sich, ganz kurz, ganz flüchtig, aber es war wie ein Funke, der Fenjas Herz versengte.

»Wenn es Ihnen schwer fällt, darüber zu sprechen, dann tun Sie es nicht, und vergeben Sie, daß ich daran gerührt habe.«

»Vielleicht erzähle ich Ihnen ein andermal davon.«

Nikolai hatte aufrichtig gesprochen, weil er Fenjas Reinheit und Kindlichkeit spürte und weil ihm dabei in den Sinn gekommen war, wie die Kaufmannswitwe ihn als unreifen Knaben auf den Schoß genommen und ihn die Nächte durch mit ihrer Unersättlichkeit gequält hatte; die Erinnerung hatte ihn bedrückt, es verlangte ihn nach wirklicher Liebe, aus der ihm lebendiges Leben kam, und der er sein unsinniges Leben hingeben könne.

Darum hatte er so innig zu Fenja gesprochen, darum war auch ein heller Funke in Fenjas Herz gesunken und war neben dem noch glimmenden Funken zu liegen gekommen, den Petrowskij darin entzündet hatte.

An Fenjas Reichtum hatte Nikolai bei seinem Beschluß, ihr Mann zu werden, gedacht; jetzt aber hatte die kleine Fenja in ihm ein erstes tieferes Gefühl geweckt, das ihn noch ungestümer wünschen ließ, ihre jungfräuliche Liebe und ihr Geld zugleich an sich zu reißen.

Heißhungrige Liebesgier loderte in ihm auf.

Die Gesellschaft kam zur Mühle, Nikolai lief die Ruder holen, machte das Boot flott, schöpfte mit der Kelle das Wasser aus und forderte alle auf, einzusteigen und Platz zu nehmen.

Vater Michail und Frau Klimowa setzten sich hinten ans Steuer – er hatte mit Absicht ein recht enges Bänkchen gewählt –, Frau Grakina und die kleine Fenja saßen Nikolai gegenüber.

Langsam glitt man dahin, weiße Wasserrosen wurden gepflückt und Mummeln …

Nikolai zog mit dem Ruder die größten Blüten heran, um Fenja gefällig zu sein, und bemühte sich, den Ärmel bis über den Ellbogen zurückgestreift, die Stengel möglichst lang abzureißen.

»Ich pflücke Ihnen welche mit ganz langem Stengel.«

»Ich will auch Wasserrosen pflücken.«

»Wie schön es hier ist! Welch ein großer See!«

Wohl zwei Stunden lang fuhren sie auf dem See umher, blieben einmal im Schilfe stecken und kehrten erst zur Mühle zurück, als zur Abendmesse geläutet wurde.

Nikolai und Vater Michail begannen zu eilen, brachten die Damen bis an den Waldrand; dann trennten sie sich von ihnen.

»Wir kommen sonst zu spät. Verzeihung! Wir müssen laufen.«

»Hier ist's ja nicht gefährlich, der Weg führt gemütlich durch die Wiesen, und Wallfahrer kommen und gehen immerzu.«

Frau Klimowa lud Vater Michail wieder ein:

»Vater Michail, ich habe also ein Zaubertränklein für Sie, kommen Sie einmal am Abend heran!«

Und sie lachte wieder hell, und die Grübchen in ihren Wangen hüpften.

Als Nikolai sich von der kleinen Fenja verabschiedete, forderte auch sie ihn auf wiederzukommen – aber ganz schüchtern, als sei ihr bange.

Die schwarzen Kutten wogten über das saftig grüne Gras, die zottigen Mähnen flatterten im Winde nach allen Seiten, und bald waren die beiden hinter dem nächsten Hügel verschwunden.

Frau Grakina ging zusammen mit ihrer Freundin Maschenka, Fenja schritt langsam hinterdrein.

»Das ist mir auch ein Mönch!« sagte Frau Grakina.

»Sie sind alle so, Tonja; nicht zum ersten Male lerne ich sie kennen, ich habe ja schon viele … gekostet.«

Fenja hörte nicht hin und hatte nichts vernommen, sie suchte ihre Gedanken zu ordnen und die Stengel der weißen Wasserrosen.

Sie schritt dahin, und aus den goldenen Staubfäden der Wasserrosen blickten sie Nikolais Augen an.

Eine Sehnsucht erwachte in ihr, kennenzulernen, was sich in Büchern nicht ausdrücken läßt, was man nur selbst erleben kann. Wissen wollte sie, was ihm das Leben schwer machte.

Seine Augen hatten ihr etwas zugeraunt, was sie ganz wehmütig gestimmt hatte, und da wollte sie noch einmal hineinschauen.

Frauen und Mönche

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