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Kapitel 5 Die arme Mutter

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Irgendwann am Abend klopfte es an die Türe. Der Müller stand mit hochrotem Kopf davor und zog die Bengel an den Ohren hinter sich her.

Beide winselten um Erbarmen, das gab es aber nicht.

Die Mutter schlug die Hände überm Kopf zusammen, als sie hörte, was ihre Feger wieder angestellt hatten.

Mit hängenden Köpfen schlichen sie in ihre Kammer.

Der Müller, dem ja auch einer der geplagten Hunde gehörte, machte ihr Vorhaltungen, dass sie ihre Lausbuben besser erziehen sollte.

Die arme Mutter - sie kannte ihre Jungs ja. Sie konnte aber doch nicht den ganzen Tag hinter ihnen stehen…

Sie hatte einen schweren arbeitsreichen Alltag.

Der Vater war Seemann und oft viele Tage oder gar Wochen fort.

Viel Verdienst brachte er nicht mit. So musste sie noch durch verschiedene Gelegenheitsarbeiten zum Unterhalt beitragen.

Den Haushalt allein führen, dazu noch den Garten bearbeiten, etwas Kleinvieh und vom Wald immer mal wieder Holz holen -

da musste ihr Tag ja 25 Stunden haben…

An diesem Tag gab’s für die beiden Lauser kein Abendessen und sie mussten zur Strafe früher ins Bett.

In der Kammer hörte man hinterher noch leise, wie einer zum anderen flüsterte: „Dem Müller müssen wir mal richtig eins auswischen.“

Die Tage vergingen. Die Mutter teilte ihnen vermehrt verschiedene Arbeiten zu. Die Jungs mussten sich zumindest solange gefällig zeigen, bis wieder Gras über die Sache gewachsen war.

Wenn das Schiff ihres Vaters mal wieder im Hafen einlief, war die Freude riesengroß.

Sie stürmten hinunter an den Hafen, wo die Schiffe anlegten.

Sie durften dann aufs Schiff. Halfen Ordnung machen, aus- und aufräumen und auch schon kleinere Reparaturarbeiten mit ihrem Vater durchführen. Das war ihre Welt, so ein Seemann wie ihr Vater wollten sie auch mal werden.

Das Schönste und Interessanteste war aber, was der Vater von unterwegs mitbrachte:

Seltsame Früchte und Gegenstände gab es da in der fernen Welt -

und Geschichten wusste der Vater von unterwegs zu erzählen,

da waren sie sprachlos.

Ihre Sehnsucht nach der Ferne stieg von Mal zu Mal.

Die Mutter freute sich natürlich auch riesig, für sie gab es dann was Besonderes. Mal ein Kleid, eine Kette um den Hals oder den Arm.

Da wollte sie ihm gar nicht so viel über die Untaten seiner Jungs erzählen. Die waren ja sein ganzer Stolz. Wenn er sie dann aber mal tadelte, merkte man, dass er sich zwingen musste, ein ganz böses Gesicht zu machen.

Ab und zu unternahm der Vaters auch mal kürzere Fahrten, bei denen sie ihn begleiten durften.

Da waren sie „Könige“ – ihre Freunde beneideten sie dafür unendlich.

Wenn der Vater mit seinem Schiff an Land lag, war es im Dorf ruhig.

Jopi und Mattes waren nur unten am Meer bei den Booten.

Auf dem Schiff ihres Vaters konnten sie ja ein- und ausgehen.

Da spielten sie selbst „Seemann“.

Die verschiedenen Handhabungen an den Geräten, um Position und Kurs zu bestimmen, hatten sie bei ihrem Vater schon ganz gut abgeschaut. Da gab es verschiedene Bücher und Landkarten. Der Globus war aber das Interessanteste: Da zeigte ihnen der Vater, wo die vielen Länder lagen und wie sie hießen; wo es heiß war oder kalt, wo es ewiges Eis gab oder es monatelang Nacht war. In der Mitte war der Äquator, da war es immer Sommer. Von dort kamen die vielen fremden wohlschmeckenden Früchte her - nichts schmeckte besser.

Wenn der Vater mal was mitbrachte, scharten sich auch die anderen Kinder um sie, alle wollten davon auch einmal kosten.

Das Nachbarmädchen Anis folgte ihnen immer wie ein Schatten.

Die wollte immer mit ihnen spielen, eben ihre Freundin sein.

Aber ein Mädchen konnte man doch nicht brauchen. Den Jungs war ja klar, dass sie mal große Seefahrer und Entdecker werden würden, dass dabei ein Mädchen sein sollte, hatte man noch nie gehört.

Aber Anis schaffte es doch tatsächlich, sich ab und zu aufs Schiff zu schmuggeln und sie zu beobachten, was sie trieben.

Auf dem Schiff durften sich die Jungs eine kleine Kajüte einrichten. Der Vater ließ sie gewähren und schmunzelte nur - er war ja auch mal jung… In dieser Kajüte verwahrten sie allerhand auf, da sammelten sie auch ihre Schätze, die natürlich niemand sehen durfte.

Wenn sie sich mal ganz beliebt gemacht hatten, durften sie auch auf dem Schiff übernachten. Das war toll, da beobachteten sie nachts die Sterne und lernten dabei auch etliche Sternbilder kennen.

Dass die Welt eine Kugel war, hatten sie schon lange begriffen.

Wie aber die Menschen auf der Unterseite der Weltkugel auf dem Boden laufen konnten, war ihnen ein Rätsel…

Darüber grübelten sie immer nach…

Wenn der Vater mal wieder Abschied nahm, standen sie lange am Kai und winkten, mit Tränen in den Augen, bis man das Schiff nicht mehr sah.

Der langweilige Alltag ging weiter.

Die Mutter musste wieder allein für alles sorgen. Anfänglich gingen ihr die Zwillinge noch zur Hand, das verlor sich dann aber wieder.

Verschiedene Erzeugnisse: Stricksachen, Näharbeiten, die ihre Mutter selbst herstellte, sowie Obst, Eier, Kartoffeln usw. mussten ausgetragen werden, da mussten die Jungs mithelfen.

Hatten sie eine Sendung zu einem ihrer speziellen „Freunde“ zu bringen, war ihnen oft mulmig zumute. Es gab ja nicht wenige, denen sie nicht schon mal was angestellt hatten.

Um den Müller und den Jäger machten sie aber einen großen Bogen. Da sträubten sie sich, das musste ihre Mutter selbst erledigen.

Bei diesen waren sie nämlich „Stammkunden“.

Das konnte man gar nicht mehr aufzählen, was sie diesen schon angestellt hatten.

Bei dem Jäger, der auch Feldschütz war, standen sie auf der „Schwarzen Liste“, weil sie regelmäßig alles Essbare, das es auf den Bäumen gab, stibitzten.

Auch manches Getier ging ihnen in ihre aufgestellten Fallen.

Momentan hatten sie wieder den Müller im Visier:

Der letzte Streich

Zu so einem Vorhaben schlichen sie auch mal aus dem Haus, wenn sie schon im Bett gelegen hatten und die Mutter dachte, sie schlafen fest.

Der Müller schlief tief, was sie an seinem fürchterlichen Schnarchen feststellen konnten. Sie schlichen ins Lager, wo die ganzen vollen Säcke standen. Von diesen schlitzten sie ein paar mit dem Messer auf, so dass man es nicht sah. Vor die Türe spannten sie eine Schnur.

Nach getaner „Arbeit“ schlichen sie sich wieder zurück ins Bett.

Am nächsten Tag ließen sie sich kaum sehen. Sie beobachteten aus einem sicheren Versteck die Mühle.

Mit einem Wagen fuhr der Ortsvorsteher vor, um offensichtlich Mehl zu holen.

Oh je, jetzt bahnte sich was an, sie konnten aber keinen Einfluss mehr nehmen. Den Müller hörte man von innen rumoren. Die Türe ging auf und der Müller erschien mit einem Sack Mehl auf dem Buckel. Er merkte noch gar nicht, dass das Mehl herauslief, da stolperte er auch schon über die Schnur und schlug der Länge nach hin, das auslaufende Mehl über sich strömend. Der Ortsvorsteher war schon hinzugekommen.

Es war noch gar nicht bemerkt worden, dass der Sack aufgeschnitten war. Mit blutzornigen Augen stimmte der Müller ein Wehklagen an, die Fäuste fluchend gegen Unbekannt gerichtet.

Wenn der jetzt den Übeltäter in die Finger kriegen würde…

Beide gingen dann hinein, um die nächsten Säcke zu holen.


Der Ortsvorsteher kam als erster wieder heraus, mit einem Sack auf dem Rücken. Hinter ihm schreiend der Müller, als er sah, dass auch dem Ortsvorsteher das Mehl über den Rücken lief, bis er zum Wagen kam.

Aber genauso rieselte ihm selbst auch wieder alles über den Buckel.

Jetzt reichte es aber…

Den Jungs wurde es jetzt zu brenzlig. Sie entfernten sich eifrig von ihrem Versteck, aber etwas ungeschickt und so wurden sie bemerkt.

Jetzt war dicke Luft. Heim trauten sie sich nun nicht mehr.

Zu allem Unglück kam auch noch heute ihr Vater von einer Fahrt zurück.

Der Müller und der Ortsvorsteher waren bereits schon bei der Mutter vorstellig. Jetzt war das Maß voll. Es musste endlich mit den beiden was geschehen.

Die Mutter war untröstlich, - was sollte nur werden…

Sie gingen miteinander zum Hafen und empfingen den Vater.

Dem platzte auch der Kragen.

„Wo sind die beiden Halunken!“

Der Ortsvorsteher drohte schon mit der Ausweisung der Familie aus dem Dorf.

Der Tag verging. Die Zwillinge blieben unauffindbar.

Als es dann schon dunkel war, schlichen sich zwei Schatten hinunter zum Kai. Vorher hatten sie sich mit allerlei Sachen eingedeckt, unter anderem auch mit Esswaren. Sie hatten vor, sich zu verstecken, bis etwas Gras über die Sache gewachsen war.

Das beste Versteck erschien ihnen ihre Geheim–Kajüte auf Vaters Schiff.

Nach einer gewissen Zeit huschte noch ein Schatten aufs Schiff, um darauf zu verschwinden.

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